10 Thesen - Wie weiter in Nahost? These 1) Rahmenbedingungen in Nahost haben sich geändert: Anlass für eine neue Positionsbestimmung

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Transkript:

} Kerstin Müller Mitglied des Deutschen Bundestages Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Außenpolitische Sprecherin } Jürgen Trittin Mitglied des Deutschen Bundestages Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stellv. Fraktionsvorsitzender 10 Thesen - Wie weiter in Nahost? These 1) Rahmenbedingungen in Nahost haben sich geändert: Anlass für eine neue Positionsbestimmung Drei Jahre nach dem Wahlsieg der Hamas und seiner Nichtanerkennung durch die USA und die EU im Januar 2006, welchem zwei Kriege, im Libanon und in Gaza folgten, gibt es Anlass für eine neue Positionsbestimmung. Die Rahmenbedingungen im Nahost haben sich geändert: - Mit der neuen US-Regierung gibt es einen neuen Blick auf die Region. Mit George Mitchell als Nahostbeauftragtem des Präsidenten soll von Anfang an der Nahe Osten hoch auf der Agenda stehen, gegenüber Syrien und Iran sind neue Diplomatieansätze zu erwarten. - Auf beiden Seiten stehen im Konflikt dominante politische Kräfte, die sich nicht kompromissbereit zeigen. Bei den Palästinensern weiterhin die Hamas; nach Wahlen in Israel stehen Netanjahu und der mögliche Koalitionspartner Liebermann für eine harte Linie im Konflikt und wenig Kompromissbereitschaft für eine Zwei-Staatenlösung. - Der Gazakrieg hat die Ausgangslage für eine friedliche Konfliktlösung weiter verschlechtert, aber auch die dringende Notwendigkeit neuer vermittelnder Impulse von außen verdeutlicht. These 2) Der jüngste Krieg in Gaza war kontraproduktiv Die Folgen sind desaströs: Über 1.440 getötete Palästinenserinnen und Palästinenser (431 Kinder), über 5.380 Verletzte (1.872 Kinder). Seitens Israel 4 Tote und 183 Verletzte durch Raketen- und Granatbeschuss, 11 getötete Soldaten und 340 Verletzte. Tausende in Gaza haben weiterhin keinen Zugang zu Leitungswasser, ca. 30% der Versorgung ist unterbrochen. Trinkwasser und auch Lebensmittel sind extrem verteuert. Entgegen israelischer Darstellung war dieser Krieg wie kaum einer zuvor auch ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung und zwar nicht nur weil die Hamas zynischerweise ihre Abschussrampen in der Nähe von Zivilisten aufstellt. Die israelischen Kriegsziele wurden nicht erreicht: - Der Raketenbeschuss wurde zwar reduziert, aber nicht gestoppt. Abschreckung funktioniert im asymmetrischen Konflikt nur eingeschränkt. - Hamas ist zwar militärisch geschwächt, aber politisch eher gestärkt (aktuelle Umfrage des Ost-Jerusalemer Medienzentrums JMCC vom Januar 2009 sieht Hamas

knapp vor Fatah in Westbank und Gaza). Die Verantwortung für die desaströse humanitäre Lage und Kriegstoten wird Israel zugeschrieben. - Präsident Abbas wurde durch den Konflikt geschwächt, zudem endete seine Amtszeit als Präsident laut Verfassung am 9. Januar 2009, von Hamas wird er nicht mehr anerkannt. - Das Thema des Waffenschmuggel wurde zwar internationalisiert (u.a. deutsche Initiative), aber der Schmuggel ist nicht beseitigt. Solange eine Lösung für die Grenzüberwachung nicht mit allen Seiten verhandelt und eine Grenzöffnung nicht umgesetzt ist, besteht auch kaum Aussicht auf Stopp des Schmuggels. These 3) Die EU sollte nicht auf US-Initiativen warten, sondern aktive Nahostpolitik betreiben - Angesichts der Vielzahl von Problemen, Projekten und außenpolitischen Herausforderungen sollten keine überzogenen Erwartungen an die neue US-Regierung gerichtet werden. - Grundsätzlich bietet die neue US-Politik gegenüber der Region viele Chancen, die von der EU aktiv unterstützt werden sollten. - Im Gazakrieg hat die EU völlig versagt und nicht zu einem einheitlichen Vorgehen gefunden. Merkel hat einseitig agiert. Im Ergebnis ist der EU weder die Vermittlung der brüchigen Waffenruhe gelungen, noch verfügt sie über eine gemeinsame Strategie was im Nahost Konflikt zu tun ist. - Die EU darf sich nicht nur auf Konfliktmanagement verlegen, d.h. z.b. nur technische Unterstützung oder humanitäre Hilfe leisten. Um ihren Fünf-Punkteplan umzusetzen (1. humanitäre Hilfe, 2. Verhinderung Waffenschmuggel, 3. Grenzöffnung, 4. Wiederaufbau sowie 5. neue Verhandlungen) muss die EU auch Verantwortung für eine politische Regelung des Nahost-Konfliktes übernehmen. - Vermittlung sollte da, wo sie aussichtsreich ist, zwar in Abstimmung mit den regionalen Akteuren wie Ägypten geschehen; aber die EU darf nicht auf eigene Diplomatie verzichten. These 4) EU und USA müssen konkrete Schritte in Richtung einer tragfähigen und umfassenden Konfliktregelung unternehmen - Es muss alles versucht werden, aus der brüchigen Waffenruhe einen dauerhaften Waffenstillstand zu entwickeln. - Ziel ist das Ende des Raketenbeschusses auf Israel und Sicherheit für die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. - Eine Öffnung der Grenzen nach Gaza für andere Waren und humanitäre Güter ist zentrale Voraussetzung. Ohne Grenzöffnung werden auch Schmuggel und Tunnelbau (auch für nicht militärische Güter) nicht eingedämmt werden können. - Die Umsetzung der Vereinbarung von 2005, die nach dem israelischen Abzug darauf abzielte, Bewegungsfreiheit und Zugang für Personen- und Waren nach Gaza zu garantieren und die Gaza-Westbank Verbindung zu erhalten, erweitert um Maßnahmen zur effektiven Verhinderung des Schmuggels (u.a. Rückkehr Grenzmission EU-BAM). - Der Gefangenenaustausch (Gilad Shalit gegen palästinensische Gefangene) muss endlich umgesetzt werden. 2

- EU muss aktiv die Versöhnung zwischen Fatah und Hamas unterstützen und eine neue Einheitsregierung von beiden Seiten einfordern, um wieder zu einem legitimen politischen Prozess in Palästina zurückzukehren. Die baldige Ansetzung von Neuwahlen muss das Ziel sein. - Nur so kann wieder eine politischen Perspektive eröffnet werden, d.h. Verhandlungen mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung und umfassenden Friedenslösung in der Region. These 5) Die vom Quartett betriebene Politik des Westbank First und der Isolierung Gazas ist gescheitert - Durch die vom internationalen Quartett betriebene Politik des Westbank First wurde keine relevante Schwächung oder gar die Zerstörung der Hamas erreicht. Hamas ist nach wie vor gesellschaftlich tief verwurzelt. Der gescheiterte Osloprozess hat zu ihrem Wahlsieg in 2006 geführt; der gescheiterte Annapolis-Prozess hat die Spaltung der Palästinenser forciert, und dabei vor allem eher Fatah und Abbas geschwächt, die auf Verhandlungen gesetzt haben, aber gegenüber ihrer Bevölkerung keine sichtbaren Fortschritte für die Lebensrealität der Palästinenser in der Westbank (Siedlungs- u. Checkpoints wurden sogar ausgebaut) vorweisen konnten. - Hamas, nicht die Fatah hat insgesamt in den Augen der Palästinenser zunehmend an Legitimität gewonnen. Die westliche, noch von der Regierung Bush geprägte, Politik der Isolation und Schwächung der Hamas, wie sie seit deren Wahlsieg betrieben wurde, ist gescheitert. - Die Wahlen von 2006, aus denen Hamas als Sieger hervorging, wurden von den USA wie der EU befürwortet und als frei und fair begutachtet; allerdings der Wahlsieg nicht anerkannt. - Die Hamas-Regierung wurde seit ihrem Wahlsieg 2006 durch die Boykottpolitik der USA und der EU letztlich ihrer Regierungsverantwortung entledigt, da sie aufgrund der diplomatischen Isolierung und des Finanzierungsstopps eine Märtyrerrolle einnehmen konnte. - Durch die zunehmend verfestigten Umwegfinanzierungen, der Unterstützung allein von NGOs und internationalen Hilfsorganisationen bzw. allein Präsidenten Abbas wurden die staatlichen Strukturen und mit ihr die palästinensische Seite als Partner für den Frieden geschwächt. Insbesondere der isolierte Gazastreifen treibt zunehmend in Richtung einer reinen Hilfsökonomie. These 6) Schlüsselfrage: Wie umgehen mit der Hamas ohne sie gleichzeitig weiter aufzuwerten? - Will man auch künftig weiter auf eine Verhandlungslösung setzen, braucht man einen von der palästinensischen Bevölkerung anerkannten Verhandlungspartner. Nur ein durch Neuwahlen legitimierter Präsident und Regierung werden den notwendigen Rückhalt für Gespräche mit Israel haben. Auch die europäischen Maßnahmen zum Aufbau eines palästinensischen Staates würden dann nicht länger ins Leere laufen bzw. den internen Machtkampf verstärken. - Damit wird die Frage des Umgangs mit der Hamas zu einer Schlüsselfrage.Die USA wie die EU befinden sich in einem Dilemma. Einerseits besteht die Gefahr einer Aufwertung durch die Einbeziehung der Hamas in einen Dialog, was angesichts ihrer politischen Ziele und islamistischen Agenda nicht wünschenswert ist. Andererseits braucht man aber einen von der palästinensischen Bevölkerung anerkannten Verhandlungspartner, soll die Verhandlungsperspektive künftig überhaupt noch eine Chance haben. 3

- Dabei lautet die Frage schon lange nicht mehr mit Hamas reden oder nicht. Das tun selbst die Israelis. Vielmehr geht es darum den politischen Prozess zu beschreiben, wie Hamas als islamistischer Akteur Schritt für Schritt in einen tragfähigen politischen Prozess eingebunden werden kann - vergleichbar dem Dialogprozess mit der PLO, an dessen Ende auch die Anerkennung Israels durch die PLO stand. - Zunächst sollten die von Ägypten oder der arabischen Seite vermittelten Gespräche über eine Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas unterstützt werden. Die Europäer müssen deutlich machen, dass sie zur weiteren Zusammenarbeit mit beiden Seiten bereit sind, wenn Fatah und Hamas sich in einer Übergangsregierung zusammenschließen. Diese könnte wieder ein gemeinsames Regieren für Gaza und Westbank ermöglichen und hätte dann die Aufgabe der Vorbereitung von Neuwahlen. Mit einer solchen klaren EU-Position könnte der Druck zur Bildung einer Einheitsregierung erhöht und die ägyptischen Bemühungen unterstützt werden. - Dieses Dialogangebot sollte außer dem Gewaltverzicht und der Bildung einer Einheitsregierung keine weiteren Bedingungen zur Voraussetzungen von Gesprächen machen. Ziel dieser Gespräche muss die Anerkennung Israels durch die Palästinenser sein. These 7) Mehr internationales Engagement ist notwendig: Beide Konfliktparteien müssen zu Verhandlungen gedrängt werden - Während der ersten sieben Jahre der Bush-Administration wurde der Nahostkonflikt international sträflich vernachlässigt. Der Annapolis-Prozess war keine aussichtsreiche Friedensinitiative, da er nicht die Kernprobleme angesprochen hat und die Beteiligten von niemandem darauf verpflichtet wurden, ihre eigenen Zusagen einzuhalten vom Gewaltverzicht bis zum Stopp des Ausbaus von Siedlungen. - Es ist deutlich geworden: Eine internationale Politik, die nur Krisenmanagement, aber keine Konfliktlösung zum Ziel hat, führt nicht weiter. Deshalb ist mehr politisches Engagement notwendig. Umso mehr, wenn auf beiden Seiten radikale Kräfte erstarken, die eine Zweistaatenlösung ablehnen. - Die Stationierung von internationalen Truppen oder Beobachtern, die in jüngster Zeit diskutiert wird, wird von den Konfliktparteien derzeit abgelehnt und steht derzeit nicht auf der Tagesordnung. - Sowohl die EU als auch, vor allem, die USA haben großen Einfluss auf die Akteure, nicht zuletzt durch umfangreiche Finanzierung bzw. Bezuschussung beider Haushalte. Dies muss in politisches Kapital umgesetzt werden, indem beide Seiten zu Verhandlungen und den notwendigen Kompromissen gedrängt werden. These 8) Syrien ist Schlüsselstaat für den Frieden - neue regionale US-Ansätze sollte die EU unterstützen, um Blockaden im Nahostkonflikt zu überwinden - Die syrisch-israelischen Verhandlungen waren in der Vergangenheit schon weit gediehen. Schlüsselfrage ist die Rückgabe des Golan. Jüngste Gespräche unter türkischer Vermittlung sind eingefroren, aber ein syrisch-israelischer Verhandlungsfrieden ist erreichbar. - Syrien wurde von der Bush-Regierung konsequent isoliert. Das Ergebnis war unter anderem eine stärkere syrische Allianz mit dem Iran. Die EU und die Bundesregierung, vor allem Außenminister Steinmeier, sind vorsichtig für eine Einbindung eingetreten. Bei der neuen US-Administration deutet sich ein Kurswechsel an, erste Zeichen für eine Verbesserung der Beziehungen sind erfolgt. 4

- Syrien bleibt eine Diktatur mit vielen menschenrechtlichen Problemen. Präsident Bashar Al-Assad fährt einen wirtschaftspolitischen Reformkurs, ist aber um seinen Machterhalt besorgt. Dennoch tritt er glaubhaft öffentlich für einen Frieden mit Israel ein. Ein Friedensschluss böte die Aussicht auf mehr Vertrauen in der Region und ein Ende der strategischen Unterstützung Syriens für die Hisbollah und Hamas (Khalid Mash al in Damaskus) sowie die enge Bindung an Iran. - Der kontrollierte Rückzug der USA aus dem Irak dürfte die Chancen für eine Entspannung des Verhältnisses zwischen Syrien und den USA begünstigen. - Das iranische Atomprogramm löst in Israel existentielle Bedrohungsängste aus, die Ernst genommen werden müssen und denen mit aktiven Bemühungen um eine Lösung im Atomstreit begegnet werden muss. Der US-Angriff auf den Irak hat aber gerade die Rolle des Iran gestärkt. Ein israelischer Angriff gegen iranische Nuklearanlagen muss unter allen Umständen verhindert werden, eine regionale Eskalation wäre zu befürchten, die sich auch negativ auf den israelisch-palästinensischen Konflikt auswirken würde. - Iran blockiert Fortschritte in Nahost und ist durch die in erster Linie finanzielle Unterstützung von Hamas und Hisbollah ein einflussreicher Spoiler. Ein verbessertes US-iranisches Verhältnis und ein direkter Dialog würden sich zweifellos auch positiv auf den Nahostkonflikt auswirken. These 9) Existierende Pläne als Verhandlungsgrundlage nutzen: Arabische Friedensinitiative und Genfer Initiative Das Paradoxe am Nahostkonflikt ist: Die Blaupausen für eine Konfliktregelung sind längst da. Alle Beteiligten und informierten Beobachter von außen wissen, wie ein Kompromiss letztlich aussehen muss. Die Genfer Initiative hat eine ausgewogene Zweistaatenlösung durchdekliniert, die beiden Seiten Kompromisse abverlangt: Israel u.a. die Teilung Jerusalems und Auflösung der Siedlungen, den Palästinensern die Aufgabe ihres Rechts auf Rückkehr und eine Entschädigung der Flüchtlinge. Eine einmalige Chance bietet darüber hinaus die Arabische Friedensinitiative von 2002 die besagt, dass alle arabischen Mitgliedsstaaten ihre Beziehungen mit Israel normalisieren, wenn die Besatzung beendet wird. Nach dem Gazakrieg erhielt die Initiative noch mal Unterstützung, gleichzeitig wurde auch von arabischer Seite betont, dass sie nicht ewig auf dem Tisch bleibt. These 10) Letzte Ausfahrt Obama? Die Zeit für eine Zweistaatenlösung läuft ab Das Zeitfenster für die beschriebenen Maßnahmen ist nicht unendlich. Vielleicht ist die Amtszeit der Obama-Administration die letzte Möglichkeit, eine Zweistaatenlösung in einer Verhandlungslösung zu erreichen, denn die demographische und räumliche Entwicklung von Israel, Gaza und Westbank sprechen zunehmend dagegen: - Siedlungsbau und fortschreitende Landnahme im Westjordanland und Jerusalem schaffen Fakten, die zunehmend irreversibel zu werden drohen. - Die Trennung zwischen Gaza und Westbank verstärkt sich. - Ein-Staaten-Lösung ist für alle Israelis unvorstellbar (da jüdischer Charakter des Staates gefährdet wäre) und unrealistisch, wird aber von palästinensischer und internationaler Seite aufgrund der Krise der Zweistaatenlösung in die Diskussion gebracht. 5