Räumungskonzept für die Bremer "Schlachte"

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Transkript:

Agieren oder reagieren war die strompolizeiliche Frage von Bauamtmann Joachim Niezgodka Vorbemerkung Seit Jahren ist die Stadt Bremen bestrebt, sich zum Fluss hin zu öffnen und den Uferbereich für die Bürger attraktiver zu gestalten. Mit der Fertigstellung der neuen Weseruferpromenade "Untere Schlachte" in 2001 wurde dieses Ziel weitestgehend abgeschlossen. Die "Schlachte" gilt seitdem als Besuchermagnet, was u. a. auch auf die 13 neuen Schiffsanleger (Pontons) für Restaurant-, Ausflugs-, Hotel-, Theater- und Traditionsschiffe zurückzuführen ist. Für diese schwimmenden Anlagen wurde seitens des Hansestadt Bremischen Hafenamtes das Hafengebiet "Promenade Schlachte" ausgewiesen und für jede Anlage eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung (SSG) gemäß Bundeswasserstraßengesetz ( 31 u. 45 (4) WaStrG) beim Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Bremen beantragt. Für den Lastfall Hochwasser / Eisgang ist in den SSGn folgende Auflage und Bedingung zu beachten: "Bei Hochwasser- und Eisgefahr sind die Anleger ohne besondere Aufforderung von Fahrzeugen zu räumen. Die Fixpunkthöhe der Schiffe muss ggf. mit bordeigenen Mitteln kurzfristig auf unter 6,50 m reduziert werden können." Die "Schlachte" im Sommer 2003-40 -

Aufgrund der getroffenen Regelung dürfte es zu keiner Beeinträchtigung der Schifffahrt und des ordnungsgemäßen Wasserablaufs im Lastfall Hochwasser / Eisgang kommen. Problematik Bei genauerer Betrachtung der folgenden örtlichen Randbedingungen wird jedoch deutlich, dass die o. a. Auflage und Bedingung der SSG nicht sicher dazu führen, eine rechtzeitige Räumung der Schlachte von allen Schiffen zu gewährleisten. Im Bereich der Teerhofbrücke weist die Mittelweser ihren engsten Abflussquerschnitt auf. Die max. Fließgeschwindigkeit bei einem Jahrhunderthochwasserabfluss von HHQSchlachte = 3.400 m³/s wurde seinerzeit in einem Modellversuch beim Franzius-Institut mit bis zu 4,95 m/s (ca. 18 km/h) ermittelt. Zwischen dem Bremer Weserwehr und der Schlachte besteht erfahrungsgemäß bei bestimmten Abfluss- und Umweltbedingungen die Gefahr von Eisstauung und Eisversatz. Es gibt keine ausreichenden Erfahrungen darüber, wie sich die 13 neuen Pontons mit den dazugehörigen 67 neuen Dalben am Prallufer auf den zukünftigen Eis- und Hochwasserabfluss auswirken werden. Zur Vermeidung von Umsatzeinbußen sind die Schiffsbetreiber bestrebt, möglichst erst spät ihren Liegeplatz zu verlassen. Drei der o. a. Schiffe haben keinen eigenen Antrieb und benötigen zum Verholen Schlepper. Es sind im gesamten Wesergebiet derzeit nur 4 eistaugliche Schlepper mit geringem Tiefgang / Fixpunkthöhe vorhanden. In der Regel sind diese Fahrzeuge bei Eisgefahr für die Freihaltung der Bundeswasserstraßen Hunte und Mittelweser angemietet und stehen für gesonderte Einsätze ggf. nicht zur Verfügung. Zum Reduzieren der Schiffshöhen auf unter 6,50 m (Masten, Rahen usw.) und dem Lösen der Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, Abwasser) ist eine mehrstündige Vorlaufzeit zu berücksichtigen. Bei einem Eiswinter ist aufgrund der tiefen Temperaturen mit zusätzlichen Unwägbarkeiten zu rechnen. Das Kriterium, ab wann Eisgefahr besteht, ist nicht konkret definiert. Eine Verzögerung der Entscheidung für eine Räumung, auch im Hinblick auf den wirtschaftlich entstehenden Verlust, ist zu vermuten. - 41 -

Bei besonderen Eissituationen konzentriert sich das WSA Bremen auf die eigenen Aufgaben, Geräte und Anlagen, so dass die Überwachung von Anlagen Dritter in den Hintergrund rückt. Aufgrund der problematischen Randbedingungen musste ein Lösungsansatz gefunden werden, um die Räumung der Schlachte-Anleger bei Eisgang zu gewährleisten und somit den gesetzlichen Aufgaben des WSA Bremen für einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss ( 8 (1)), ordnungsgemäßen Zustand der Wasserstraße ( 24 (1)) und für die Eisbekämpfung ( 35 (1)) gemäß WaStrG zu garantieren. Eisaufstauung unterhalb des Weserwehres am 13.01.1941 bei Niedrigwasser Reste eines Eisversatzes an der "Tiefer" am 14.01.1941 bei Niedrigwasser Lösungsansatz Im Vorwege wurden die statischen Nachweise der Pontonanlagen für den Lastfall "Jahrhunderthochwasserabfluss mit voller Belegung" geprüft und als unkritisch eingestuft. Die Überprüfung auf Eisdruck ergab ein anderes Bild. Die statischen Nachweise berücksichtigen keine Schiffsbelegung und basieren bei den Dalben (ohne Ponton) auf den Empfehlungen des Arbeitsausschusses "Ufereinfassungen" Häfen und Wasserstraßen (EAU) bzw. bei den Pontons (inkl. Dalben) auf der DIN 19704. - 42 -

Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen waren im Lastfall Eis die Dalben ohne Ponton sehr viel höher "ausgereizt" als die Dalben mit Ponton! Die Ergebnisse verdeutlichen, dass es sich um Lastannahmen handelt, die nur bedingt der Natur gerecht werden. Nach den Regeln der Technik konnten 12 der 13 Pontons auf Eis nachgewiesen werden. (Es sei angemerkt, dass statische Nachweise auf Eis bei einem extremen Eiswinter bzw. bei einem Eisversatz, keine Schäden bzw. keinen Totalverlust der Anlagen im Strom verhindern können!) Das Hauptaugenmerk richtet sich somit bei Eisgefahr auf die rechtzeitige Verlegung der Schiffe von der Schlachte in sichere Schutzhäfen. Im Rahmen einer Besprechung mit dem Hansestadt Bremischen Hafenamt wurde das Gefahrenpotenzial, bedingt durch die Schiffsliegeplätze, thematisiert und dem SSG- Inhaber empfohlen, ein Räumungskonzept für die "Schlachte" zu erarbeiten. Das Räumungskonzept der Stadt Bremen wurde mit dem WSA Bremen eng abgestimmt. Räumungskonzept Schlachte (Kurzform): Die Schiffe wurden in verschiedene Kategorien eingeteilt, bei der die Bauart des Rumpfes, die Motorisierung, der Aufwand zur Erreichung der max. Fixpunkthöhe zum Lösen der Versorgungsleitungen / Vertäuung und eine evtl. Schlepperassistenz berücksichtigt wurde. Ferner wurden verschiedene Schifffahrtsverhältnisse definiert, die den Ostsee-Eiscode, die aktuelle Abflussmenge / Fließgeschwindigkeit und die Wetterprognose für die nächsten 24 Stunden berücksichtigen. Die Schiffe wurden den Schifffahrtsverhältnissen zugeordnet, so dass beim Eintreten von bestimmten Umweltsituationen klar definiert wurde, welches Schiff zu welchem Zeitpunkt seinen Liegeplatz verlassen muss. - 43 -

Das Räumungskonzept wurde mit in den Katastrophenschutzplan der Stadt Bremen aufgenommen, so dass bei Eisgefahr rund um die Uhr die Räumung ausgelöst werden kann. Durch Eisdruck versetztes Segelschulschiff in der Kleinen Weser am 15.01.1987 Fazit Das Räumungskonzept Schlachte gewährleistet die rechtzeitige, sichere und konsequente Räumung der Liegeplätze im Innenstadtbereich, garantiert einen reibungslosen Hochwasser- und Eisabfluss und trägt somit wesentlich zur Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt und der straßen- und schienengebundenen Verkehre bei. - 44 -