.. JEDER IST EIN KUNSTLER CHRISTINE RICHTER MALEN MIT DEM BLAUEN REITER PRESTEL MÜNCHEN BERLIN LONDON NEW YORK

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Transkript:

.. JEDER IST EIN KUNSTLER CHRISTINE RICHTER MALEN MIT DEM BLAUEN REITER PRESTEL MÜNCHEN BERLIN LONDON NEW YORK

Malen wie im Galopp, schnell und ungestüm! Mit dem Blauen Reiter durchqueren wir farbenfrohe Landschaften, treffen absonderliche, bunte Tiere, lernen ausdrucksvolle Gesichter kennen, in Holz geschnittene Wesen und die geheimnisvolle Malerei hinter Glas. Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, Alexej Jawlenski und August Macke sind einige der Maler, die sich in der Künstlergruppe Der Blaue Reiter zusammenfanden. Sie liebten die Farbe Blau und preschten in einem Anfang des 20. Jahrhunderts unbekannten, malerischen Ausdruck vor. Der Gruppenname gibt das Wilde, Unbezähmbare ihrer Aufbruchstimmung wieder. In diesem Buch erfahren Sie vieles über die höchst individuellen Künstler und deren spezielle Herangehensweise. Sie werden verblüfft sein, zu welchen eigenen Kunstwerken Sie fähig sind, wenn Sie sich anregen lassen, auf den Spuren des Blauen Reiters neue malerische Wege zu gehen. Nutzen Sie ungewöhnliche Farbzusammenstellungen, ges ti - sche Malweisen, lebhafte Linienführung, Farben und Formen als Gefühlsträger. Die vielen Tipps, interessanten Ideen und zahlreichen Abbildungen dieses Buches sollen Ihnen als Inspiration dienen: Ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, jeder kann mit Phantasie und Experimentierfreude im Farbenrausch ein Blauer Reiter sein.

Inhalt 4 Bunte Tiere 6 Landschaften im Farbenrausch 8 Als der Gegenstand aus dem Bild verschwand 12 Gesichter in Grün, Gelb, Rot und Schwarz 15 Malerisches Wohnen 20 Hinterglasmalerei 22 Farbige Geschichten 24 Ferne Welten Kartengrüße 26 Hochdruck 30 Die Künstler des Blauen Reiters 33 Materialien und Anleitungen

4 TOM WEBER Gelbe Katze am Abend Das Besondere an Toms Bild ist die Vermenschlichung der Katze. Sie betrachtet uns ernsthaft und möchte vielleicht ein Gespräch beginnen. Das helle, unwirkliche Gelb beschreibt sie als Vision und hat nichts mit der Natur zu tun. katzengelb und löwenrot KERSTIN LORF Vom Flügelschlag des Kolibris Kerstin fand bei Franz Marc kubistische Bilder mit durchsichtig gemalten Segmenten und teilte auch ihr Blatt zunächst in verschiedene Facetten auf. Die Form des Kolibris entwickelte sich erst im Verlauf der Arbeit. Durch die zarten, sich überlagernden Farbschichten schwingt sich der Vogel in himmlische Sphären empor, weg von der Schwere des Irdischen.

5 PAULA RICHTER Ich, das Löwenkind Paulas Bild zeigt eine Löwin, die auf geschmeidigen Pfoten durchs Leben geht. Durch das glühende Rot wirkt sie leidenschaftlich, jung und lebendig. Sie scheint zu lächeln vor ihr braucht niemand Angst zu haben. Bunte Tiere Die Gruppe»Der Blaue Reiter«gehörte zu den Kunstrebellen am Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Künstler bevorzugten das Direkte, Authentische und Instinktive und lösten sich von der überkommenen akademischen Malerei. Echte Kreativität verstanden sie als Kraft mit dem Potential zur Erlösung: das weckte ihre Begeisterung. Ein kreativer Mensch hat vor allem die Gabe, Dinge mit anderen Augen zu sehen. Ein Beispiel dafür sind die bunten Tiere von Franz Marc, für die er alle Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte. Er identifizierte sich oft mit seinen gemalten Tieren und nannte sich einmal ein»reh, das einen Wald durchstreift, nach dem es sich immer gesehnt hat«. Haben Sie Lust, seinen besonderen Malstil zu erproben? Motive in kubistische Formen aufgelöst oder expressiv farbig verfremdet! Wie würde denn Ihr eigenes Tier ausehen, wenn Sie die Töne veränderten? Welchen Charakter hat ein blaugestreiftes Kaninchen und wann begegnet Ihnen ein rotgeflammter Schäferhund? FRANZ MARC Der Turm der blauen Pferde, 1912 Staatliche Graphische Sammlung, München Franz Marc beobachtete die Pferde auf der Koppel ganz genau, bevor er sie zum Mittelpunkt seines Werkes machte. Pferde galten ihm als ungebändigte Wesen, dem Menschen überlegen, aber auch als gezähmte Kreatur. Mit den Farbveränderungen verband Franz Marc eine bestimmte Symbolik. Die Farbe Blau bedeutete für ihn etwas Geistiges und Männlichkeit, die Farbe Gelb Weibliches und Sinnlichkeit und die Farbe Rot war für ihn irdische Materie. In diesem Bild sind vier blaue rückwärtsgewandte Pferde übereinander gestaffelt. Die kleinen Sterne, der Regenbogen und die Farbigkeit erzählen von der spirituellen Ebene, die Franz Marc in seinen Bildern anstrebte. Der Regenbogen kommt in einigen seiner Bilder vor und kann als erlösendes Moment gedeutet werden, denn wenn er auftaucht, brechen Sonnenstrahlen durch den Regenvorhang.

JANA SCHIEDLOWSKI Das Geheimnis des grünen Hauses Grau und melancholisch wirkte die Gasse, bevor ihr Jana mit Violett, Grün, Gelb und Rot ein lebendiges, fröhliches Aussehen verlieh. Wer möchte da nicht wohnen?

7 Landschaften im Farbenrausch Die glühenden Farben des Herbstwaldes, das glitzernde Funkeln eines Gebirgsbaches oder das zarte Grün des Frühlings lassen die Herzen der Menschen aufgehen. Diese unmittelbaren Gefühle wollten Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in ihren Landschaftsbildern wiedergeben. Die kontrastreiche bayrische Umgebung mit dem satten Grün der Wiesen, den schroffen Bergmassiven, engen Dörfern und tiefblauem Himmel regte sie immer wieder zu bildnerischen Erkundungen an. Dabei erforschten sie den unterschiedlichen Ausdruck der Farben, ohne auf Perspektive und Plastizität zu achten. Je einfacher die Formen waren, je autonomer die Farben nebeneinander lagen, desto mehr hatten sie das Gefühl, dem Geheimnis der Schöpfung nahe zu kommen. CHRISTEL PAUL Wo steht der Kugelbaum? Mit runden Formen und kraftvollen Pinselstrichen ließ Christel eine weitläufige Landschaft entstehen. Das Motiv hatte sich blitzlichtartig während einer Zugfahrt in ihr Gedächtnis eingebrannt. Es ist ihr gelungen, etwas vom Gefühl dieser Erinnerung wiederzugeben. Das Reduzieren auf einfache Gestaltungsmittel wie Dreiecke, Kreise, Vierecke macht oft etwas Besonderes aus einem bekannten Motiv. WASSILY KANDINSKY Blick aus dem Fenster des Griesbräu, 1908 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München Den bayerischen Ort Murnau am Staffelsee hatten Gabriele Münter und Wassily Kandinsky auf einem Ausflug entdeckt und ihn auch ihren Freunden Jawlensky und Werfekin empfohlen. Die beiden Künstlerpaare verbrachten dort mehrere Wochen mit Freilichtmalerei und bewohnten während dieser Zeit den Gasthof Griesbräu, wo es ihnen nach eigener Aussage sehr gefiel. Kandinskys Blick aus dem Fenster zeigt eine rotviolette Straße mit buntgestrichenen Häusern, grüne Wiesen vor der blauen Alpenkette und einen strahlend gelben Himmel. Diese Phase stellte eine Wende in Kandinskys künstlerischer Entwicklung dar. Die Farben wurden immer reiner und intensiver, die Formen flächiger und die Komposition verdichteter. Es entstand ein Konzentrat des Gefühlten.

8 WASSILY KANDINSKY Kirche in Murnau, 1910 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München In seinem Buch»Über das Geistige in der Kunst«beschrieb Kandinsky den Zusammenprall des Ideellen mit dem Materiellen:»Malerei wird zum Sprecher des Geheimen durch Geheimes.«Um geheimnisvolle Veränderungen geht es auch bei diesem Bild. Nach einer großen Anzahl von Landschaftsbildern in einer farbintensiven komprimierten Malweise direkt vor der Natur ging Wassily Kandinsky dazu über, seine Erinnerungen an Murnau, seine Gefühle und Erlebnisse in einem rauschhaften, malerischen Akt wiederzugeben. Mit einem ungestümen Farbauftrag malte er bunte farbige Flecken. Der Kirchturm ist noch gut zu erkennen, doch erst auf den zweiten Blick werden die zwei roten Formen in der Mitte des Bildes zu Hausdächern und die blauen Striche rechts zu Baumstämmen. Trotz aller Vereinfachung bleiben das flirrende Licht, die Sonne und die Idylle des kleinen Ortes vor dem hoch aufragenden Gebirge spürbar. Er suchte nach dem Weg zur»wahren«abstraktion, um den künstlerischen, geistigen Gehalt unabhängig vom Gegenständlichen zu beweisen. Auf dem Weg zur Abstraktion begegnen wir Irritationen, Verwerfungen und»aha-erlebnissen«. Ist es möglich, ein Naturerlebnis mit Farben und Formen ungegenständlich auszu drücken oder brauchen wir dazu wenigstens symbolhafte Elemente? Wassily Kandinsky beschrieb das Entstehen von abstrakten Bildern in drei Stufen: Über winden der Perspektive durch das Reduzieren auf zwei Dimensionen, das Anwenden graphischer Elemente in der Ölmalerei und schließ lich die Befreiung der Farbe von der Linie, die»das Bild zu einem in Luft schwebenden Wesen machen kann«. ist das noch das dölnitztal? CHRISTINE RICHTER Verwandlung einer Landschaft Christine reizte dieses Thema und sie begann zuerst das Motiv in einer gestischen Malweise mit Acrylfarben und Borstenpinsel aufzutragen. Als nächsten Schritt versah sie die einzelnen Elemente mit schwarzen Konturen und ordnete sie anders als gewohnt. Das weitere Vereinfachen fiel ihr schwer, so dass sie dazu überging, den Farbklang des ersten Blattes mit teilweise geschlossenen Augen zu übernehmen. Dieser Prozess wirkte befreiend. Sie wurde von Bild zu Bild lockerer, bis nur noch Fragmente wie der Turm der Hubertusburg und Häuser an die ursprüngliche Landschaft erinnerten. In der letzten Fassung fehlten sogar diese Details. Die Muster und Strukturen des Bildes spiegelten die neugewonnenen Erfahrungen des Gestaltungsverlaufes wider.

Als der Gegenstand aus dem Bild verschwand

motivsuche ANGELA REH Durchs Fenster gesehen Angela erprobte eine weitere Möglichkeit, ausgehend von einem realen Motiv ein abstraktes Bild zu schaffen: Sie schob ein Passepartout so lange über ihr fertiges Landschaftsbild, bis sie einen interessanten Bildausschnitt entdeckte. Dieses Detail wurde auf einem weiteren Blatt vergrößert, gedreht und schließlich zu einem vom ursprünglichen Motiv losgelösten abstrakten Bild neu komponiert.

11 FABIAN DUDEK Bunte Figuren Wenn wir Farbflecken beliebig auf der Fläche verteilen, können wir ein Ergeb nis erreichen, das an Kandinskys erste abstrahierte Bilder von Situ ationen und Erlebnissen erinnert. Fabian hatte diese Werke noch nie gesehen. Aus eigener Vorstellungskraft entdeckte er die Figuren seines Gemäldes unter den zufällig erzielten Tonwerten.

12 ALEXEJ JAWLENSKY Reife, um 1912 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München»Einige Jahre malte ich diese Variationen und dann war mir notwendig, eine Form für das Gesicht zu finden, da ich verstanden hatte, dass die große Kunst nur mit religiösem Gefühl gemalt werden soll. Und das konnte ich nur in das menschliche Antlitz bringen. Ich verstand, dass der Künstler in seiner Kunst durch Farben und Formen sagen muss, was in ihm Göttliches ist.«in dem Bild»Reife«ist die innere Ekstase spürbar, von der Jawlensky sprach. Die grell bunten Farben, die fesselnden, schwarz umrandeten Augen und der maskenhafte Ausdruck erzählen von Gefühlen und Erfahrungen und weniger von Ähnlichkeiten zu individuellen Personen. In der ständigen Beschäftigung mit dem menschlichen Gesicht erreichte Jawlensky eine eigene Reife, die es ihm ermöglichte, vom Besonderen zum Allgemeinen zu kommen. warum schaut sie so böse? Gesichter in Grün, Gelb, Rot und Schwarz Wilde Farben, wilder Gesichtsausdruck! Es liegt auf der Hand, dass ein Porträt mit grünen Schatten, grellgelben Lichtformen und roten Konturen den Betrachter regelrecht anspringt. Melancholie, Stolz, Trauer, Wut, Freude, all das kann durch Farben ausgedrückt werden. In den Werken Alexej Jawlenskys spielte das menschliche Gesicht über Jahre hinweg eine bedeutende Rolle. Von eindringlich blickenden Augen und stilisierten Gesichtszügen führte seine Entwicklung hin zu völlig abstrahierten Köpfen.»Im Jahr 1911 kam ich zu einer persönlichen Form und Farbe und habe gewaltige figurale Köpfe gemalt und mir damit einen Namen gemacht.«christine RICHTER Wütendes Mädchen Die zornige Kraft dieses Mädchens äußert sich in der Farbwahl und den kantigen, spontanen Pinselstrichen. Die Komplementärfarben Grün und Rot im Gesicht berichten mit ihrem starken Kontrast von inneren Nöten. Dazu kommen das Schwarz von Nase und Augenbrauen, das grüne Licht um den Kopf herum und der blauschwarze Hintergrund. Hier sehen wir eine kämpferische Natur.

13 CHARLOTTE STRANG Blühende Paula Charlotte malte ein Porträt nach einem Foto, wobei sie durch die spezielle Farbgestaltung ausdrückte, was sie mit ihrer Freundin verbindet: Hell leuchtet es in Paulas Gesicht, wie eine warme Aura wirken die roten Konturen und Blüten schmücken den Hintergrund.

14 bunte köpfe CHARLES SCHELAND Der Fleckenmann Farbflecken, ob gespachtelt oder gemalt, geben Bildern eine Grundstruktur. Charles bearbeitete sein Bild zunächst lustbetont, ohne zu wissen, was es werden könnte. Er hat eine malerische Veranlagung und geht völlig unbefangen und großzügig mit Pinsel und Farben um. Im Laufe der Gestaltung schälte sich allmählich das Profil eines Mannes heraus, das er noch mit breiten, schwarzen Pinselstrichen betonte.

15 Malerisches Wohnen Gabriele Münter kaufte in Murnau ein Haus, das sie zusammen mit Wassily Kandinsky bewohnte. Sie verliebten sich in die kleine Villa mit dem Garten und genossen die malerische Lage des Ortes vor der unvermittelt aufsteigenden Bergkette. Sie fühlten sich eins mit ihrer Umgebung und brachten ihre Kunst auch in die Alltagswelt ein. So begannen sie ihre Möbel zu bemalen und schmückten die Treppe mit volkstümlichen Motiven und galoppierenden Pferden. Wassily Kandinsky schrieb einmal, dass er die bemalten dörflichen Möbel so schön fand, dass er»in Bauernstuben wie in einem gemalten Bild herumgehen konnte«.»ich habe viel skizziert diese Tische und verschiedenen Ornamente. Sie waren nie kleinlich und so stark, dass der Gegenstand sich in ihnen auflöste.«wassily Kandinsky nützte Schablonen, um die Treppe in seinem Haus mit den Sonnen, Blumengirlanden und Reitern zu bemalen.

16 auf der treppe steigt die sonne empor Schon vor über 20 Jahren gestalteten Christine Richter und Gabine Heinze das kleine Fachwerkhaus im sächsischen Liptitz. Damals kannten sie das Münterhaus in Murnau noch nicht, weil das Reisen aus Sachsen nach Bayern nicht möglich war. Die Fensterläden, Türen und Möbel bekamen die unterschiedlichsten Muster und Verzierungen. Gabines großes Pferd am Scheunentor stammt noch aus dieser Zeit, die Treppe und eine der Türen bemalte Christine erst kürzlich mit den Landschaftsmotiven.

17 bemalte türen Martina Abicht lebt und arbeitet in ihrer Spielzeugwerkstatt auf einem großen Bauernhof. So nahm es nicht wunder, dass sie den langen Gang mit den holzverzierten Türen passend zu den von ihr gestalteten Engeln und Holzplastiken bemalte.

18 Auch Ilona Kunz begeisterte sich für die Idee, die Treppe als Verbindungsglied zwischen den verschieden farbig gestrichenen Räumen bunt zu bemalen und aus ihrem Haus ein kleines Gesamtkunstwerk zu machen. Mit Acrylfarben und Experimentierlust ging sie ans Werk. Schlangen, Blumen und zufällige Formen entstanden und wurden teilweise wieder entfernt. Sie kratzte und schabte in die noch feuchte Farbe eine Treppe muss schließlich strapazierfähig sein. Aus einem Fußabdruck zauberte sie einen kleinen Vogel, der durfte bleiben.

19 was ist ein herbststuhl? Die Farben der Natur regten Hannah und William Wheatley an, den Stuhl mit Braun, Rot und Ockertönen in einen Herbststuhl zu verwandeln. Die Sonne hatte zwar weniger Kraft, strahlte aber über die ganze Sitzfläche. Wer darauf sitzt, hat immer einen warmen Po. Die einfachen Holzmöbel im Münterhaus in Murnau hat Wassily Kandinsky mit volkstümlichen Motiven verschönt.

20 GABRIELE MÜNTER Murnau von der Wasserseite, Hinterglasbild, um 1910 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München Von Gabriele Münter ist folgendes Zitat überliefert»ich habe da nach einer kurzen Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht vom Naturabmalen mehr oder weniger impressionistisch zum Fühlen eines Inhalts zum Abstrahieren, zum Geben eines Extraktes.«Bei Gauguin sah sie zum ersten Mal die Technik des Cloisonnismus, das Zusammenziehen der Bildelemente auf wenige stark farbige Flächen, die von schwarzen Konturen eingefasst werden. Sie war entzückt von dieser Malweise, ein wunderbares Beispiel dafür ist das Glasbild mit der Murnauer Landschaft. Es wirkt fast primitiv, beweist aber die Disziplin des Reduzierenkönnens und bedeutet im Gegenteil professionelle Erkenntnis Hinterglasmalerei Von Kandinsky und Münter sind zahlreiche Hinterglasbilder erhalten. Sie arbeiteten in dieser traditionellen volkstümlichen Technik, weil sie die Brillanz der klaren, ungemischten Farben in Verbindung mit den einfachen, schwarzen Konturen faszinierte. Während andere Vertreter der Avantgarde sich für die»primitive«kunst außereuropäischer Kulturen begeisterten, entdeckten die Künstler des Blauen Reiters auch das einheimische Kunsthandwerk. Der innige Ausdruck der oft religiösen Bilder in ihrer schlichten Umsetzung inspirierte sie stark und kam ihren eigenen künstlerischen Bestrebungen entgegen. FREDERIK TUNNA Drachenkampf Dieser Drachenkampf sprengt alle Dimensionen. Frederik ließ seinen Reiter direkt ins Bild springen und malte auch das Untier über den Rand hinaus. Besonders interessant fand er den Kontrast zwischen der Hinterglasmalerei und den ganz anderen Pinselspuren auf dem breiten Holzrahmen. Die feinen Konturen zeichnete er mit einem Permanentstift direkt auf die Vorderseite des Plexiglases.

21 KARL KNOBLOCH Gebirgsfluss Hell und blau zieht sich der Fluss durch eine farbenprächtige Berglandschaft. Die leuchtenden Farbflächen werden durch einen breiten Bogen überspannt, eine Brücke als Symbol für Verbindung und Aufbruch zu neuen Ufern. was ist vorn, was ist dahinter? TOM WEBER Ängstlicher Ritter Toms Ritter ist vom Pferd gestiegen, um sich dem drohenden Kampf auf Augenhöhe zu stellen. Wer hat mehr Angst, er oder der Drachen? Den Rahmen hat Tom aus Wellpappe hergestellt und passend zum Bild bemalt. PAULA RICHTER Begegnung auf dem Drachenberg Paula ließ sich von ihrer Darstellung zu einer kleinen Geschichte inspirieren, in der der kleine Ritter einen Berg hinauf reitet und plötzlich feststellt, dass er sich auf dem Rücken eines schuppigen Drachens befindet.

22 Farbige Geschichten Franz Marc schrieb über Wassily Kandinsky:»Er ist auch ein Romantiker, Träumer, Fantast und Märchenerzähler Er ist voll unbegrenzten Lebens.«Die geistige Durchdringung der Bildinhalte haben beide Künstler in verschiedenen Büchern und Schriften veröffentlicht. Die Grenzen zwischen den Künsten aufzulösen, war ihnen genauso wichtig wie das Vergleichende. Geschichten standen neben Bildern, Kinderarbeiten neben ägyptischer Kunst, Volksblätter neben Picasso, Musiker neben Literaten. In der Verschiedenheit sollte die innere Gemeinsamkeit erkennbar werden. Für ihren Almanach»Der Blaue Reiter«fertigte Kandinsky wie im Rausch elf Entwürfe von Reitern als Symbol dieses neuen Gedankens an. In der letzten Fassung entschied er sich für die Figur des heiligen Georg, des christlichen Drachentöters, und erhob ihn zu ihrem Schutzpatron. Die Georglegende, die ihn geraume Zeit beschäftigte, war auch für Kinder und Jugendliche von heute anregend für eigene Interpretationen. FREDERIK TUNNA Mein erster Reiter WASSILY KANDINSKY Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen I, 1911 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München Frederik wünschte sich mit vier Jahren sehnsüchtig eine Ritterburg zum Spielen. Immer wieder stellte er sich den tapferen Ritter vor, wie er die Menschen von einem Untier befreit. In dem farbenfrohen kleinen Hinterglasbild mit bemaltem Rahmen beschäftigte sich Kandinsky mit einer Legende, die ihn sehr gefangen nahm. Das Kampfgetümmel im Moment von Gefahr oder Sieg malte er in einer wahren Farbexplosion: ein blaues Pferd mit goldenen Tupfen, ein Reiter in grün-goldenem Harnisch, ein glutroter Himmel und ein türkisgrüner Drachen, der sich in den letzten Zuckungen windet. Bei aller Hinwendung zur religiösen, volkstümlichen Malerei, die er sehr verehrte, hat dieses Bild noch eine andere Symbolik. Es sind die alten Themen der Menschheit, der Kampf des Guten gegen das Böse und die immerfort währende Erneuerung von geistigen Erkenntnissen, die in seinen wilden Reiterbildern ihren Ausdruck fanden.

23 vom heiligen georg und dem drachen KARL KNOBLOCH Der heilige Georg Wie in jeder guten Geschichte gibt es auch beim Malen etwas Überraschendes. Karls Grundmotiv entstand aus einem Klatschdruck mit Acrylfarben. Dass sich fast naturalistisch ein feuerschnaubender Drache, ein grünes Pferd und ein gelber Ritter ergaben, obwohl wir uns schon vor einiger Zeit mit dem heiligen Georg beschäftigt hatten, gehört zu den Geheimnissen des Unterbewusstseins.

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE Malen mit dem Blauen Reiter Jeder ist ein Künstler Gebundenes Buch, Pappband, 40 Seiten, 24,0x30,0 60 farbige Abbildungen, 10 s/w Abbildungen ISBN: 978-3-7913-3975-7 Prestel Erscheinungstermin: März 2008 Die schönsten Bilder von Kandinsky, Münter, Marc, Macke und Jawlensky stehen indiesem Buch Pate bei der Entstehung von eigenen Kunstwerken. Schritt für Schritt werden die künstlerischen Techniken und Methoden erklärt, so dass aus Papier, Farben und anderen Materialien neue, überraschende Kreationen entstehen. Ein Buch voller Anregungen, die Groß und Klein gleichermaßen inspirieren.