Mangelernährung in österreichischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Andrea Hofbauer/Anna Maria Eisenberger

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Transkript:

Mangelernährung in österreichischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Andrea Hofbauer/Anna Maria Eisenberger Medizinische Universität Graz, Universitätsplatz 3, A-8010 Graz, www.meduni-graz.at

Relevanz Ernährung: notwendig für alle physiologischen Prozesse (> 30 essentielle Nährstoffe) (Volkert et al. 2013) Mangelernährung (krankheitsbezogen) führt zum ungewollten Gewichtsverlust, Verlust an Muskelmasse und wichtigen essentiellen Nährstoffen (Pirlich M. et al. Akt. 2003) Hauptursachen für Mangelernährung im Krankenhaus (Pirlich et al. 2006) Akute und chronische Erkrankungen Polypharmazie Höheres Alter, Seite 2

Prävalenz 20 60% aller hospitalisierten PatientInnen sind mangelernährt (abhängig von der Station und der verwendeten Definition) (Norman et al. 2008; Roller et al. 2015) Pflegeheimen: 23 85% (Valentini et al. 2009; Schönherr et al. 2014) NutritionDay 2015 (Country Report Austria 2015) in den letzten 3 Monaten vor Aufnahme ins Spital haben 49% der PatientInnen Gewicht verloren im Krankenhaus 60% der Pat. essen nicht auf, 30% essen ½ Port., 13% essen ¼ Port., 11% essen gar nichts Seite 3

Risiko für Malnutrition bei älteren Menschen Zu Hause lebend Mobil (PAL 1,6) 5-12 % Frail (PAL 1,2) 11-20 % Pflegeheim: 23-85 % Hospitalisiert: 32-50 %

Folgen Längere Liegedauer: 3-4 Tage (Correia et al. 2003, Lim et al. 2012, Stratton et al. 2006, Pirlich et al. 2006, Kyle et al. 2005, Thomas et al. 2016, Lin et al. 2016, Lew et al. 2016, Gomes et al. 2016, ) Höhere Komplikationsraten (Norman et al. 2008, Thomas et al. 2016, Lin et al. 2016, ) Höhere Wiederaufnahmerate (Lim et al. 2012, Lin et al. 2016, Lew et al. 2016, Felder et al. 2015, ) Erhöhte Morbidität und Mortalität (Correia et al. 2003, Norman et al. 2008, (Correia et al. 2003, Stratton et al. 2006, Norman et al. 2008, Lim et al. 2012, Felder et al. 2015, Lin et al. 2016, Lew et al. 2016, Gomes et al. 2016, ) Verminderte Lebensqualität (Sheard et al. 2014, Felder et al. 2015, ) Seite 5

Hohe Kosten In Europa Zusätzliche Kosten für mangelernährte PatientInnen bewegen sich zwischen 1.640 und 5.829 (Khalatbari-Soltani et al. 2015, Guerra et al. 2015) Kosten, die durch Mangelernährung verursacht werden belaufen sich auf 2,1% bis 10% der nationalen Gesundheitsausgaben (Khalatbari-Soltani et al. 2015) Investition von 5,4 Millionen in Ernährungsinterventionen würde 50 Millionen pro Jahr sparen (Elia et al. 2005) Seite 6

Zusammenfassung Ernährung ist ein wesentlicher Teil der Therapie Qualtitätssicherung und PatientInnensicherheit durch Verpflichtende Ernährungsstandards in Pflegeheimen und Krankenhäuser Etablierung von Ernährungsteams Einführung eines Ernährungsscreenings bei Aufnahme und Handlungsalgorithmen Schnittstellenmanagement intramural/extramural Seite 7

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