Osmotischer Wasserfluss und selektive Permeabilität Einleitung In ihrer natürlichen Umgebung befinden sich Zellen in einem dynamischen osmotischen Gleichgewicht mit gleich großen, einander entgegengesetzten Wasserflüssen zwischen intraund extrazellulärem Kompartiment bei konstantem Zellvolumen (isotone Bedingungen). Diese Situation ist gar nicht selbstverständlich angesichts unterschiedlicher Proteinkonzentrationen sowie der asymmetrischen Verteilung und Konzentration von Ionen in den beiden Kompartimenten. Weil die Plasmamembran nicht ideal semipermeabel ist, sondern für Ionen unterschiedliche geringe, jedoch durchaus messbare Permeabilitäten aufweist, kommt es neben den symmetrischen Wasserflüssen auch zu passiven, asymmetrischen Ionenflüssen. Die Isotonie, das dynamische osmotische Gleichgewicht (steady state), kann also längerfristig nur durch primär aktiven (d.h. energiebedürftigen) Ionentransport aufrechterhalten werden. Materialien: je Gruppe: 1,5 ml Reaktionsgefäße mit Ständer, 0,5 ml Gefäße für das Osmometer, Pipette 50, 200 und 500 µl; blaue und gelbe Pipettenspitzen, Hämatokritkapillaren, Plastilin, Abfallbehälter, Zellstoff Allgemein: Hämatokrit-Zentrifugen; Zellstoff; Latexhandschuhe; Abfallbehälter (großer blauer Eimer und extra Abfall für Kapillaren), 70 % Ethanol/ Desotop Teilversuch 1: NaCl-Lösungen in 6-stufiger Konzentrationsreihe mit 83; 130; 182; 260; 390 und 520 mmol/l (ACD-A)-stabilisiertes Humanblut (Blutkonserve) Teilversuch 2: NaCl-Lösungen in 6-stufiger Konzentrationsreihe mit 125, 154, 250, 375, 500 und 625 mmol/kg. 10 ml F/2 Medium von Macrostomum lignano Beim Umgang mit Humanblut und daraus gewonnenem Material ist aus hygienischen Gründen mit Latexhandschuhen zu arbeiten! 1
TEILVERSUCH 1 Untersuchung der Osmoregulation am Beispiel von Erythrozyten Verdünnt man Blut mit a) einer zum Blutplasma hypoosmotischen Lösung eines nicht/kaum permeablen Stoffes, oder mit b) einer isoosmotischen Lösung eines gut permeablen Stoffes, so ist das osmotische Gleichgewicht über der Erythrozytenmembran gestört (Anisotonie). Es erfolgt ein Netto-Einstrom a) von Wasser, oder b) von permeablem Stoff und Wasser in die Erythrozyten, bis ein neues osmotisches Gleichgewicht eingestellt ist. Dieser Prozess ist innerhalb von Sekunden beendet. Bei sehr starker Volumenzunahme und Verformung der Erythrozyten kann es zur Fragmentierung der Zellen (Hämolyse) und damit zum teilweisen bis vollständigen Freisetzen von Hämoglobin und anderen zellulären Proteinen kommen. Isotonische NaCl-Lösungen haben eine Konzentration von 154 mm und entsprechen der Osmolalität des Blutplasmas. In diesem Versuch werden einheitliche Volumina von 200 µl einer konzentrierten Blutkonserve (kbk) mit jeweils 500 µl unterschiedlich konzentrierter NaCl-Lösungen gemischt. Weicht die osmotisch wirksame Konzentration der extrazellulären Mischphase (c außen) von der des Zytoplasmas der Erythrozyten ab, so führt dies zu einem Netto-Ein- bzw. Ausstrom von Wasser und zur Änderung der osmotischen Konzentration (c innen) und des Zellvolumens (V). Derartige durch Manipulation der extrazellulären Konzentration herbeigeführte Volumenänderungen der Erythrozyten werden durch Messung des Hämatokritwertes der Testansätze bestimmt. Die effektiven Konzentrationen der extrazellulären Mischphase (c außen) werden durch die Volumina und Konzentrationen zweier Flüssigkeitskomponenten bestimmt: 1. das Volumen und die Konzentration der NaCl-Lösungen (V NaCl = 500 µl; c NaCl = variabel siehe Tabelle 1) 2. das Volumen und die Konzentration des Plasmaanteils der 200 µl kbk (V Plasma = siehe unten; c Plasma = 154 mmol/l NaCl-Äquivalente) Während c Plasma demnach stets 154 mmol/l NaCl-Äquivalenten entspricht, wird V Plasma durch den Hämatokritwert (Hkt) der kbk bestimmt: 2
es gilt also: HktkBK V Plasma (µl) = ( 1- ) 200 µl kbk 100 c außen (mmol/l) = V NaCl c NaCl + V Plasma c Plasma V NaCl + V Plasma Durch den Einstrom des Lösungsmittels und die Volumenänderung wird ein Druck auf Seiten der höheren Konzentration aufgebaut. Nach dem VAN T HOFFschen Gesetz gelten für den osmotischen Druck ( ) einer Lösung, ihre osmotische Konzentration (c osm) und ihr Volumen (V) folgende Beziehungen (R = allgemeine Gaskonstante, T = Temperatur in K): = c R T (1) = n V R T (2) V = n R T 1 p (3) V = konstant (4) In unseren Versuchsansätzen mit unterschiedlichen osmotischen Konzentrationen c x sollten daher - bei idealem Verhalten der Erythrozyten nach VAN T HOFF - die resultierenden Produkte x V x immer dem für die Normalbedingungen geltenden Produkt 0 V 0 gleichen. Der Index 0 steht für die osmotischen Normalbedingungen in vivo = isotonische Bedingungen. Aus der Beziehung x V x = 0 V 0 folgt: V V x = oder 0 p 0 px V x = V 0 0 1 px Form: y = a x mit x = x Hyperbel Form: y = a x 1 mit x = px Gerade 1. Bestimmung des Hämatokritwertes der konzentrierten Blutkonserve (kbk) Zur Hämatokritbestimmung werden von jeder Versuchsgruppe zwei Hämatokritkapillaren mit der zuvor gründlich durchmischten konzentrierten Blutkonserve (kbk) beschickt, an einem Ende mit Plastilin verschlossen und für 8 Minuten zentrifugiert. Die Hämatokritwerte (Hkt kbk) werden dann durch Auflegen der Kapillaren auf die Hämatokritschablone abgelesen. Berechnen Sie V Plasma und c außen. 3
Hämatokrit-Schablone: 2. Bestimmung des Hämatokritwertes nach Verdünnung mit verschiedenen Salzlösungen Zur Bestimmung des Hämatokritwertes nach Zugabe von verschieden konzentrierten NaCl- Lösungen, werden zunächst sechs Reaktionsgefäße auf dem Deckel mit 1 bis 6 beschriftet und entsprechend dem in Tabelle 1 dargestellten Pipettierschema beschickt. Die NaCl- Lösungen werden in aufsteigender Konzentrationsreihe genau pipettiert (optische Kontrolle der Pipettenspitzen!). Dann werden mit jeweils neuen Spitzen 200 µl kbk hinzugegeben (die Spitze vorher von außen mit Zellstoff vorsichtig abwischen und den Füllzustand optisch kontrollieren). Die Pipettenspitze wird gerade eben in die vorgelegte NaCl-Lösung eingetaucht; der Pipettierknopf nur bis zum 1. Druckpunkt niedergedrückt und die Spitze dann durch 10maliges Aufsaugen und Ausdrücken gründlich gespült, wodurch der Inhalt des Reaktionsgefäßes bereits durchmischt wird. Gefäß verschließen und nochmals schütteln. Es werden je zwei Hämatokritkapillaren mit 1 bis 6 Punkten markiert und mit den Testansätzen 1 bis 6 beschickt (Ansätze vor jeder Probenentnahme nochmals gründlich mischen!). Nach dem Beschicken der Kapillare, wird das obere Ende so lange mit dem Finger verschlossen, bis das untere Ende mit Plastilin verschlossen ist. Anschließend werden die Kapillaren für acht Minuten zentrifugiert. Bestimmen Sie die Hämatokritwerte mit Hilfe der Schablone und tragen Sie die von Ihrer Gruppe erhaltenen Messwerte in Tabelle 1 ein. Vervollständigen Sie zunächst die Tabelle 1, indem Sie für die sechs Testansätze c außen und 1/c außen x 10³ berechnen. Fertigen Sie aus den erhaltenen Messwerten zwei Abbildungen an, die die experimentell ermittelten Test-Hämatokritwerte in Abhängigkeit von c außen (Abb. 1a) sowie 1 / c außen (Abb. 1b) darstellen. Verbinden Sie die Messwerte durch eine Hyperbel bzw. durch eine Gerade. 4
3. Berechnung des Hämatokritwertes unter isotonischen Bedingungen: Test-Hkt isoton Berechnen Sie den Hämatokritwert, der sich für einen 700 µl Testansatz bei identischen Konzentrationen der NaCl-Lösung und des Plasmas ergeben würde, d.h. für isotone Bedingungen. Verwenden Sie für die Berechnung den Hämatokritwert Ihrer konzentrierten Blutkonserve (1.). Zeichnen Sie in Abb. 1a eine Abszissenparallele durch den Ordinatenwert Test-Hkt isoton ein und überprüfen Sie, ob der Schnittpunkt der osmotischen Konzentration des Blutplasmas unter Normalbedingungen entspricht. Wodurch könnten eventuell auftretende Abweichungen hervorgerufen werden? 4. Osmotisch nicht wirksamer Volumenanteil der Erythrozyten Bei Human-Erythrozyten entfallen etwa 30 % des Erythrozytenvolumens auf Hämoglobin. Bei der Interpretation der graphisch dargestellten Versuchsergebnisse ist daher zu berücksichtigen, dass vom Gesamtvolumen der Erythrozyten unter isotonischen Bedingungen nur ein Volumenanteil von 0,7 für osmotische Vorgänge verfügbar ist. Bestimmen Sie aus Abbildung 1b den osmotisch nicht wirksamen Volumenanteil der Erythrozyten. Stimmt dieser Wert mit dem durch Hämoglobin eingenommenen Volumenanteil von 30 % überein? Nennen Sie mögliche Ursachen für auftretende Abweichungen. TEILVERSUCH 2 Bestimmung der Osmolalität mit dem automatischen Gefrierpunkt-Osmometer Die Osmolarität (osmol/l) bzw. Osmolalität (osmol/kg) einer Lösung wird durch die Menge an osmotisch wirksamen Teilchen bestimmt. Die Osmolarität (c OSM) ist abhängig von der Molarität/ Konzentration (mol/l) einer Lösung (c) und der Summe der Einzelkonzentrationen aller Teilchen bei vollständiger Dissoziation (Zerfallszahl z). Die ideale Osmolalität einer Lösung trifft jedoch nur bei vollständiger Dissoziation und in stark verdünnten Lösungen zu. Die reale Osmolalität ist somit niedriger als die ideale Osmolalität und hängt zusätzlich vom osmotischen Koeffizienten (f 0) eines Stoffes ab (Literaturwert NaCl für eine 300 mmol/l Lösung: 0,926). Für die Messung der Osmolalität unterschiedlicher NaCl-Lösungen wird der OSMOMAT 030 der Firma Gonotec mindestens 3 Minuten vor den Messungen eingeschaltet. Die Messmethode beruht auf der vergleichenden Bestimmung der Gefrierpunkte von reinem Wasser und wässrigen Lösungen. Während Wasser einen Gefrierpunkt von 0 C besitzt, weist eine Lösung mit dem osmotischen Wert von 1 Osmol kg -1 einen Gefrierpunkt von 1,858 C auf. Jeweils 50 μl Probelösung werden in ein Messgefäß (0,5 ml Reaktionsgefäß) pipettiert, auf den Messgefäßhalter des Gerätes geschoben und mit diesem in ein Peltier-Kühlsystem abgesenkt. Die Probe wird nun abgekühlt, wobei die Temperatur elektronisch überwacht wird. Hat die Probelösung eine bestimmte Temperatur unterhalb des Gefrierpunktes erreicht, so wird automatisch die Kristallisation der Lösung durch Impfen mit Eiskristallen eingeleitet. 5
Hierzu wird eine Edelstahlnadel von einem zweiten Kühlsystem so weit abgekühlt, dass sich an ihrer Spitze infolge kondensierter Luftfeuchtigkeit winzige Eiskristalle bilden. Diese Nadel taucht kurzfristig in die unterkühlte Probelösung ein, deren Temperatur durch Auslösen des Gefrierens spontan bis auf die Kristallisationstemperatur ansteigt. Nach ca. einer Minute (Lampe Result leuchtet) kann der automatisch gespeicherte Messwert in Osmol kg -1 an der Digitalanzeige abgelesen werden. Der Messgefäßhalter wird nun wieder hochgeschoben, das Messgefäß erst nach vollständigem Auftauen der Probe durch Erwärmen zwischen Daumen und Zeigefinger entfernt und der Temperaturfühler vorsichtig mit einem Papiertuch gereinigt. Die Kalibrierung des Osmomat 030 erfolgt mit destilliertem Wasser (0 mosm kg -1 ) und einer Kalibrierlösung von 300 mosm kg -1. Der Messablauf ist derselbe wie zuvor beschrieben, wobei die Übernahme der Kalibrierwerte automatisch erfolgt und die Kalibrierung für lange Zeit erhalten bleibt. 1. Osmolalität der unterschiedlichen NaCl-Lösungen Tragen Sie die für die sechs unterschiedlich konzentrierten NaCl-Lösungen erhaltenen Messwerte (osmol/kg) in die Tabelle 2 ein (mosmol/kg). 2. Beziehung zwischen Teilchenkonzentration und Osmolalität: Berechnen Sie für die ermittelten Werte in Tabelle 2 den Mittelwert des osmotischen Koeffizienten f 0. Wie lautet der Literaturwert des osmotischen Koeffizienten für NaCl? Welche allgemeine Formel ergibt sich hiernach für die korrekte Berechnung der realen Osmolalität aus der Molalitätsangabe einer Lösung. Formulieren und kommentieren Sie die Gleichung (Unterschiede zwischen idealer und realer Osmolalität?). 3. Praxisbeispiel: Kulturbedingungen von Macrostomum lignano M. lignano ist ein 1,5 mm großer mariner Plattwurm, der als Modellorganismus in der Entwicklungs- und Evolutionsbiologie wegen seiner hohen Regenerationsfähigkeit in der Stammzell- und Altersforschung eingesetzt wird. Sein natürliches Habitat ist der feuchte Sand im Gezeitenbereich der nördlichen Adria. Er toleriert einen sehr breiten Salzgehalt von 1-40. Im Labor wird M. lignano in einem salzhaltigen Medium gehalten und ernährt sich ausschließlich von der Kieselalge Nitzschia curvilineata. Messen sie die Osmolalität des Kulturmediums von M. lignano und berechnen Sie die molare Konzentration. Wieviel Salz wurde abgewogen um einen Liter Medium herzustellen? 6
Ergebnis-Protokoll für Versuch Osmose TEILVERSUCH 1 Untersuchung der Osmoregulation am Beispiel von Erythrozyten 1. Bestimmung des Hämatokritwertes der konzentrierten Blutkonserve (kbk) Hämatokrit der konzentrierten Blutprobe (kbk): % % V Plasma kbk (μl): Berechnung c außen kbk: 2. Bestimmung des Hämatokritwertes nach Verdünnung mit verschiedenen Salzlösungen Tabelle1: Konzentration der NaCl- Lösung (500 µl) Konzentration in der extrazellulären flüssigen Phase (200 µl kbk) Effektive Konzentration der extrazellulären Mischphase (700 µl Ansatz) abgelesener Hämatokrit c NaCl c Plasma c außen (c außen) -1 (mmol/l) (mmol/l) (mmol/l) 10 3 (%) (%) (%) (mmol/l) -1 1. Wert 2. Wert MW 1 83 154 2 130 154 3 182 154 4 260 154 5 390 154 6 520 154 3. Berechnung Test-Hämatokrit isoton Eingesetztes Volumen kbk = 200 µl Gesamtvolumen des Testansatzes = 700 µl Hkt kbk ermittelt: %, %; MW = % Test-Hkt isoton = % 7
Abbildungen: Abb. 1a: Test-Hämatokrit in Abhängigkeit von c außen 3. Konzentration des Blutplasmas unter Normalbedingungen : Abb. 1b: Test-Hämatokrit in Abhängigkeit vom Kehrwert 1/c außen 10 3 4. Nicht wirksamer Volumenanteil der Erythrozyten: 8
TEILVERSUCH 2 Bestimmung der Osmolalität mit dem automatischen Gefrierpunkt-Osmometer 1. Osmolalität der unterschiedlichen NaCl-Lösungen Tabelle 2: Molale Konzentration* c (mmol/kg) Ideale Osmolalität c i =2c (mosm/kg) 125 250 154 308 250 500 375 750 500 1000 625 1250 Reale Osmolalität c OSM (mosm/kg) Osmotischer Koeffizient f 0 = c OSM/c i Mittelwert: 2. Beziehung zwischen Teilchenkonzentration und Osmolalität: Mittelwert des osmotischen Koeffizienten (s.o.): Literaturwert osmotischer Koeffizient: Allgemeine Formel zur korrekten Berechnung der realen Osmolalität: 3. Kulturbedingungen von Macrostomum lignano c OSM des Kulturmediums von M. lignano: 9
Berechnung der molaren Konzentration des Kulturmediums mit Hilfe der obigen Formel: Wieviel Salz wurde in einem Liter Medium eingewogen (Molare Masse von NaCl: 58,44 g/mol)? Name: Datum,Unterschrift des Dozenten 10