Urteil vom 26.04.2001//Gegen einen Vollstreckungsbefehl bezüglich Zivilurteilen der Justiz- und Sicherheitsdirektion ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht das zulässige Rechtsmittel. Aus den Erwägungen: 1.- a) Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ist eine Prozessvoraussetzung, welche grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen ist. Bei Fehlen der Zuständigkeit ist auf die Sache nicht einzutreten. Die Prüfung hat bei Eingang der Klage zu erfolgen, kann aber auch im späteren Verfahren jederzeit noch vorgenommen werden (Oscar Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 6. Auflage, 4 N 105 und 7 N 73 ff.). b) Die Beschwerdeführerin ficht eine Vollstreckungsverfügung der Justiz- und Sicherheitsdirektion des Kantons Nidwalden an. Im Folgenden ist vorab zu klären, ob gegen diese Verfügung die Kassationsbeschwerde an das Obergericht zulässig ist. 2.- a) Mit einem rechtskräftigen Urteil endet das Erkenntnisverfahren. Wird das Urteil nicht erfüllt, so muss es vollstreckt werden. Mit der Gewährung der Zwangsvollstreckung für rechtskräftig festgestellte Ansprüche gewährleistet der Staat Rechtsschutz. Die Vollstrekkung von Urteilen auf Geldzahlungen und Sicherheitsleistungen wird durch das Bundesrecht im SchKG geregelt. Den Kantonen verbleibt die Regelung und Durchführung der Zwangsvollstreckung von Urteilen, die auf andere Leistungen gerichtet sind (Oscar Vogel, a.a.o., 15 N 2 ff.). Die Kantone können als Vollstreckungsbehörde sowohl das Gericht als auch eine Verwaltungsbehörde bestimmen. Vogel führt in Bezug auf die Rechtsmittel gegen solche Vollstreckungsbefehle aus, dass dies entweder diejenigen gegen richterliche Verfügungen oder Urteile seien. Wo eine Verwaltungsbehörde zuständig ist, komme unter Umständen ein verwaltungsrechtliches Rechtsmittel in Betracht (Oscar Vogel, a.a.o., 15 N 44 und 50). Damit bringt er zum Ausdruck, dass gegen Vollstreckungsentscheide von Verwaltungsbehörden nicht der Zivilrichter, sondern allenfalls eine übergeordnete Verwaltungsbehörde oder das Verwaltungsgericht entscheidet. Falls kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung steht, kann die Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Vollstreckungsbefehl erhoben werden (Leuch/Marbach, Die ZPO für den Kanton Bern, 5. Auflage, Ziff. 6b zu Art. 402). b) aa) Die Kantone haben denn auch unterschiedliche Regelungen in Bezug auf Zuständigkeiten und Rechtsmittel getroffen. So ist z.b. im Kanton Luzern der Amtsgerichtspräsident die zuständige Instanz zum Erlass von Vollstreckungsbefehlen ( 298 Abs. 1 ZPO LU)
und gegen diese Entscheide wird ausdrücklich die Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht als zulässiges Rechtsmittel vorgesehen ( 303 ZPO LU). Im Kanton Aargau obliegt die Vollstreckung ebenfalls dem Gerichtspräsidenten ( 432 ZPO AG) und gegen dessen Entscheid wird explizit die Möglichkeit der Beschwerde ( 436 Abs. 2 ZPO AG) vorgesehen. Im Kanton Bern ist ebenfalls der Zivilrichter zuständig (Art. 402 Abs. 1 ZPO BE). Es ist zwar die Möglichkeit der Appellation vorgesehen, diese aber an gewisse Voraussetzungen geknüpft (Art. 402 Abs. 2 ZPO BE). Sind diese nicht gegeben, steht die Nichtigkeitsklage zur Verfügung (Leuch/Marbach, a.a.o., Ziff. 5a zu Art. 402). Auch der Kanton Obwalden stellt das Vollstreckungsverfahren in die Zuständigkeit des Zivilrichters (Art. 297 Abs. 1 ZPO OB). Das Zivilprozessrecht des Kantons St. Gallen bestimmt den Bezirksamtmann und somit eine Verwaltungsbehörde (Leuenberger/Uffer-Tobler, ZPO SG, Bern 1999, Ziff. 2 zu Art. 295) zur Vollstreckungsbehörde (Art. 295 Abs. 1 ZPO SG). Der Bezirksamtmann hat zur Erfüllung dieser Tätigkeit subsidiär das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege anzuwenden (Art. 296 ZPO SG). Sodann sieht Art. 301 ZPO SG vor, dass gegen die Vollstreckungsverfügung innert fünf Tagen beim zuständigen Departement Rekurs erhoben werden kann. In Art. 302 ZPO SG sind die möglichen Beschwerdegründe für dieses verwaltungsrechtliche Rechtsmittel aufgeführt. Das Departement entscheidet endgültig (Art. 302 ZPO SG). bb) Der Kanton Nidwalden bestimmt im Zivilprozessrecht, dass für Entscheide, welche nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme lauten, das Vollstreckungsbegehren bei der Justiz- und Sicherheitsdirektion und damit einer Verwaltungsbehörde zu stellen ist (Art. 260 Abs. 1 ZPO). Die Frage nach dem zulässigen Rechtsmittel wird vom Gesetz dagegen nicht beantwortet. Nicht möglich ist die Ergreifung eines Rechtsmittels der Zivilprozessordnung. Die Justiz- und Sicherheitsdirektion ist keine der in den Bestimmungen über die Zulässigkeit der Appellation (Art. 237 ZPO) oder des Rekurses (Art. 245) explizit aufgeführten Vorinstanzen; dazu zählen nur der Kantonsgerichtspräsident, die Kleine und die Grosse Kammer des Kantonsgerichtes oder allgemein die Prozessleitung. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zulässig gegen Endentscheide einer unteren kantonalen Instanz (Art. 247 Abs. 1 ZPO). Damit sind Entscheide von dem Obergericht untergeordneten Instanzen gemeint, wozu die Justiz- und Sicherheitsdirektion als Verwaltungsbehörde des Kantons nicht gehört. Die Revision steht von ihrem Zweck her vorliegend ohnehin nicht zur Diskussion. cc) Für die Beurteilung der von der Beschwerdeführerin eingereichten Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach das Obergericht des Kantons Nidwalden, Kassationsabteilung, sachlich nicht zuständig, weshalb auf das Rechtsmittel nicht einzutreten ist. 3.- a) Zu klären bleibt die Frage, ob allenfalls ein kantonales verwaltungsrechtliches Rechtsmittel zur Verfügung steht. Im Anhang zur Vollzugsverordnung zum Gesetz über die
Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Regierungsratsverordnung, NG 152.11) ist in lit. c) Ziff. 3 und 5 unter anderem die Zuständigkeit der Justiz- und Sicherheitsdirektion für die Vollstreckung und gemäss den Bestimmungen des EG ZGB statuiert bzw. wiederholt. Gemäss Art. 13 EG ZGB ist die Justiz- und Sicherheitsdirektion zuständig für 1. die Erhebung der Klage auf Eheungültigkeit, 2. die Anordnung der Aufnahme eines Inventars, 3. die Bewilligung des öffentlichen Inventars und 4. für die Erfüllung der weiteren ihr durch die Gesetzgebung zugewiesenen Aufgaben. Aufgrund der Wortwahl ( Gesetzgebung anstelle dieses Gesetzes oder dieses Erlasses ) ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dieser Generalklausel zum Ausdruck bringen wollte, dass die Zuständigkeit der Justiz- und Sicherheitsdirektion auch in andern kantonalen Erlassen und somit der ZPO geregelt sein kann. In Bezug auf die Errichtung eines öffentlichen Inventars sieht Art. 82 Abs. 2 EG ZGB ausdrücklich vor, dass gegen Verfügungen der Justiz- und Sicherheitsdirektion die Beschwerde beim Regierungsrat erhoben und dass gegen dessen Entscheid das Verwaltungsgericht angerufen werden kann (Art. 82 Abs. 2 EG ZGB). Das EG ZGB regelt dagegen nicht, ob die übrigen Entscheide, welche in die Zuständigkeit der Justiz- und Sicherheitsdirektion fallen, ebenfalls beim Regierungsrat angefochten werden können. Also gibt auch das EG ZGB keine Antwort auf die mögliche Anfechtbarkeit von Vollstreckungsverfügungen. Zu prüfen ist somit, ob aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen ein Rechtsmittel zulässig ist. b) Die Verordnung über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege findet Anwendung auf das Verfahren in kantonalen und kommunalen Verwaltungssachen ( 1 Abs. 1 VRPV). Wenn das Vollstreckungsrecht als Verwaltungssache gilt, so kann allenfalls gestützt auf die VRPV ein Rechtsmittel gegeben sein. Ammon/Gasser führen dazu Folgendes aus: Aufgabe des Zivilprozesses ist es, im Gerichtsentscheid die Grundlage der Vollstreckung, den vollstreckbaren Titel, zu schaffen. Der Richter entscheidet unabhängig und unparteiisch, was zwischen den streitenden Parteien Rechtens und somit erzwingbar ist. Aber erst die Vollstreckung bringt die Rechtsverwirklichung selbst, indem sie die Erfüllung des urteilsmässig festgesetzten Anspruchs vollzieht - sofern ihn der Verurteilte nicht freiwillig erfüllt hat. Die Vollstreckungsbehörde hat nichts Grundsätzliches mehr über den Anspruch zu entscheiden. Ihre Aufgabe ist im Wesentlichen verwaltungsrechtlicher Natur. Sie übt den staatlichen Zwang aus, dessen der Rechtsuchende zur Durchsetzung seines Anspruchs Bedarf. Wegen ihres funktionellen Zusammenhangs bilden Zivilprozess und Vollstreckung Gegenstand des Zivilprozessrechts im weiteren Sinne (Ammonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, 1 N 9 f.). Auf diesen Standpunkt stellt sich auch das angerufene Obergericht. Dagegen kritisiert etwa Habscheid diese Ansicht mit der Begründung, dass seines Erachtens die Zwangsvollstreckung wegen ihrer Aufgabe, materielles Recht Einzelner zu verwirklichen (bei verwaltungsrechtlichter Tätigkeit gehe es um die Durchsetzung primär allgemeiner öffentlicher Interessen) zur Gerichtsbarkeit, der
Judikative, gehöre und Akte der Vollstreckungsbehörden daher keine blossen Verwaltungsakte, sondern Rechtspflegeakte seien (Walther J. Habscheid, Schweizerisches Zivilprozessund Gerichtsorganisationsrecht, 2 Auflage, 76 N 946). Dem ist entgegenzuhalten, dass das öffentliche Interesse ein sehr wandel- und dehnbarer Begriff ist (Blaise Knapp, Grundlagen des Verwaltungsrechts, N. 97) und ebenso gut der Standpunkt vertreten werden kann, dass es eben gerade im öffentlichen Interesse (z.b. in Bezug auf Ruhe, Ordnung und Sicherheit) liegt, dass der Einzelne nach der autoritativen Feststellung bzw. Zusprechung seiner Rechte durch den Richter diese nicht eigenhändig durchzusetzen hat, sondern dazu eben die Staatsgewalt bzw. den staatlichen Zwang in Anspruch nehmen kann. Knapp vertritt im Übrigen auch die Meinung, dass der Gesetzgeber bestimme, was im öffentlichen Interesse liege (Blaise Knapp, a.a.o., N 316). In Bezug auf den Kanton Nidwalden ist daher die Meinung vertretbar, dass hier der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an der Durchsetzung von richterlichen Entscheidungen eindeutig dadurch dokumentiert, dass er die entsprechende Kompetenz einer Verwaltungsbehörde zugedacht hat. Dies gilt umso mehr, als dass in Art. 65 Ziff. 2 der Kantonsverfassung (NG 111) unter dem ausdrücklichen Titel Verwaltungsbefugnisse der Regierungsrat als befugt und beauftragt gilt, die Beschlüsse und die Entscheidungen anderer kantonaler Behörden zu vollstrecken, soweit diese Befugnis nicht besonderen Organen vorbehalten ist. c) aa) Da die Vollstreckung von Zivilurteilen also im Wesentlichen eine Verwaltungssache darstellt, ist aufgrund der Verwaltungsrechtspflegeverordnung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen den Vollstreckungsbefehl zu überprüfen. Nach 81 VRPV richtet sich die Zulässigkeit der Verwaltungsbeschwerde nach der Gesetzgebung. Da der Gesetzgeber die Möglichkeit der Anfechtung eines Vollstreckungsbefehls der Justiz- und Sicherheitsdirektion beim Regierungsrat nicht geregelt hat (wie z. B. die oben erwähnte Möglichkeit der Anfechtung von Verfügungen betreffend Errichtung eines öffentlichen Inventars nach Art. 82 Abs. 2 EG ZGB), fällt dieses Rechtsmittel ausser Betracht. Überdies legt auch Art. 5 Abs. 2 des Regierungsratsgesetzes (NG 152.1) fest, dass der Regierungsrat die Verwaltungsrechtspflege in den vom Gesetz zugewiesenen Fällen regelt. Also kommt dessen Zuständigkeit vorliegend auch gestützt auf diese Bestimmung nicht in Frage. bb) Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gemäss 89 VRPV ebenfalls nach der Gesetzgebung, wobei die Bestimmung insbesondere auf die Generalklausel von Art. 28 Abs. 2 GerG verweist. Diese statuiert die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Rechtsprechung in allen Verwaltungssachen, soweit die Gesetzgebung eine Angelegenheit nicht in die endgültige Zuständigkeit des Landrates, des Regierungsrates oder einer unabhängigen, vom Landrat gewählten Rekursbehörde legt. Der Gesetzgeber hat in Bezug auf den Vollstreckungsbefehl keine solche endgültige Entscheidungsbefugnis des Regierungsrates festgelegt.
cc) Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden das zulässige Rechtsmittel gegen Vollstreckungsbefehle der Justiz- und Sicherheitsdirektion. Aufgrund der eingangs aufgeführten Regelungen in andern Kantonen wird ersichtlich, dass im Allgemeinen die Möglichkeit, den Vollstreckungsbefehl durch eine kantonale Instanz überprüfen zu lassen, als notwendiger Teil des Rechtsschutz erachtet wird. Bedenkt man die beschränkte Kognition des Bundesgerichtes im Rahmen der Staatsrechtlichen Beschwerde und die erheblichen Auswirkungen, welche einem Vollstreckungsbefehl zukommen können, so ist tatsächlich nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Kantons Nidwalden die Überprüfung durch eine kantonale Instanz verhindern wollte. Dass das zulässige Rechtsmittel gegen Vollstreckungsbefehle nicht explizit geregelt wurde, stellt kein sogenannt qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers dar. Das Rechtsmittel der Vewaltungsgerichtsbeschwerde lässt sich vielmehr aus der allgemeinen Rechtsmittelordnung des Kantons Nidwalden herleiten. (Obergericht, Kassationsabteilung, 26. April 2001)