Positionspapier: Revision Umweltschutzgesetz (USG) als indirekter Gegenvorschlag zur Initiative "Grüne Wirtschaft" 1. Ja zu einer wettbewerbsfähigen und grünen Wirtschaft Die Mitglieder der Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS) stehen ein für eine nachhaltige Wirtschaft, die Schonung der natürlichen Ressourcen und eine effiziente und wirtschaftsfreundliche Umweltpolitik. In diesem Sinne unterstützen sie die Stossrichtung des Aktionsplanes des Bundesrates zur Grünen Wirtschaft und anerkennen die Notwendigkeit einer weiteren Reduktion der Umweltbelastung und des Ressourcenverbrauchs. All dies muss jedoch schrittweise und im Einklang mit den internationalen Entwicklungen (vor allem in Europa) geschehen. Mitglieder der IG DHS gehören zu den weltweit nachhaltigsten Detailhändlern. Durch ihre Sortimentsgestaltung, ihr Engagement in internationalen Standardorganisationen, und durch ihre Anstrengungen im Bereich nachhaltige Beschaffung und Verpackungsreduktion tragen sie schon freiwillig sehr viel zu einem nachhaltigen Konsum sowie zur Reduktion der globalen Umweltbelastung bei. Auch in den Bereichen Verkaufsstellen und Logistik sind bezüglich Klimaschutz und Energieeffizienz sowie im Bereich Recycling bereits sehr grosse Vorleistungen erbracht worden. 2. Nein zur Volksinitiative "Grüne Wirtschaft" der Grünen Partei Die Volksinitiative der Grünen Partei "Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)" will ein zu ambitioniertes Ziel in zu kurzer Zeit erreichen. Damit die Schweiz bis 2050 einen ökologischen Fussabdruck von einer Erde aufweist, müssten in relativ kurzer Zeit umfangreiche Massnahmen z. B. in den Bereichen Produktionsprozesse, Produkte sowie Abfälle umgesetzt sowie Steuer- und Budgetmassnahmen eingeführt werden. Die Unternehmen hätten nicht die Zeit, um sich den neuen Anforderungen anzupassen, ohne deutlich an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Ausserdem würde die Standortattraktivität der Schweiz im Vergleich zu Europa und dem Rest der Welt sehr unter diesem Schweizer Alleingang leiden. Schliesslich wären nicht nur die Bereiche "Ernährung", "Wohnen" und "Mobilität" betroffen, wie der Bundesrat prognostiziert, sondern die gesamte Wirtschaft. Aus diesen Gründen lehnt die IG DHS die Volksinitiative "Grüne Wirtschaft" ab und schliesst sich der Haltung des Bundesrates an. Titel Positionspapier: Revision Umweltschutzgesetz Dokument Positionspapier Erstelldatum 27.08.2014 Autor Thomas Mahrer, Leiter AG Umwelt und Energie, IG DHS Kontakt Thomas.mahrer@coop.ch Version 4 1
3. JA-ABER zum Indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates (Revision Umweltschutzgesetz) Die IG DHS begrüsst die Absicht des Bundesrats, der Initiative "Grüne Wirtschaft" einen indirekten Gegenvorschlag als Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) gegenüber zu stellen, welcher Stoffkreisläufe schliesst und die Ressourceneffizienz erhöht. Dieser wird als wichtige Grundlage und Bestärkung zur Weiterführung des bereits eingeschlagenen Weges hin zu einer grünen Wirtschaft verstanden. Die IG DHS unterstützt den vorliegenden Revisionsentwurf aber nur, wenn auf weitere Verschärfungen verzichtet wird und: a. im Bereich Sammlung und Verwertung von Abfall das Subsidiaritätsprinzip (Kann-Formulierung) und die Wirkungseffizienz als Kriterium für die Beurteilung und Priorisierung von Massnahmen gesetzlich verankert werden (Art. 30b und Art. 30d). b. die Information über Produkte gestrichen wird (Art. 35d). c. Anforderungen an das Inverkehrbringen von ökologisch relevanten Rohstoffen und Produkten müssen international anerkannte Standards und internationale Vorschriften, insbesondere der Europäischen Union (EU), berücksichtigen (Art. 35f). 4. Grundsätze zur "Grünen Wirtschaft" Alle Anträge der IG DHS beruhen auf den folgenden, gemeinsamen Grundsätzen, welche sowohl bei der Revision des USG als auch bei dessen Umsetzung berücksichtigt werden müssen: 1. Vom USG abgeleitete Massnahmen sind nicht-diskriminierend (z. B. inländische gegenüber ausländischen Anbietern oder stationäre gegenüber Online-Anbietern) und strukturneutral auszugestalten, sowie die gesamte Wirtschaft in die Pflicht nehmen (nicht nur einzelne Branchen). 2. Neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind grundsätzlich zu vermeiden. Dennoch soll es möglich sein in Absprache mit den relevanten Akteuren neue Bestimmungen einzuführen, die über die entsprechenden Regelungen der EU hinausgehen (z. B. Torf-Verbot). 3. Den Aspekten der Verhältnismässigkeit und der Wirkungseffizienz ist besondere Beachtung zu schenken. Es sollen diejenigen Massnahmen bevorzugt umgesetzt werden, die das beste Kosten/Umweltnutzen-Verhältnis aufweisen. 4. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip: Neue staatliche Regulierungen werden nur vorgenommen, wenn freiwillige Massnahmen der Wirtschaft bzw. bewährte und anerkannte Branchenvereinbarungen nicht ausreichend greifen (z.b. wegen Trittbrettfahrern). Die Leistungen von sogenannten "early mover" werden anerkannt. 5. Keine Subventionen oder Ausnahmen für Unternehmen, welche sich nicht an freiwillige Massnahmen der Branche halten. Der Bund gestaltet Rahmenbedingungen, um Trittbrettfahrer zu integrieren. 6. Der administrative Aufwand ist auf allen Stufen so klein wie möglich zu halten. 7. Die für die Umsetzung notwendigen Instrumente sind effizient, pragmatisch und zielfokussiert auszugestalten. 2 / 5
5. Anträge der IG DHS 5.1 Verankerung der Subsidiarität und der Wirkungseffizienz (Art. 30b und Art. 30d) Die Verankerung des Grundsatzes, stofflicher vor energetischer Verwertung den Vorzug zu geben, wird begrüsst. Bei der Ableitung der konkreten Massnahmen in den Bereichen Sammlung und Verwertung von Abfall bzw. Wertstoffen ist jedoch auch deren Wirkungseffizienz zu beachten. Es sind jene Massnahmen zu bevorzugen, bei denen das Verhältnis zwischen ökologischem Nutzen und den Kosten der Umsetzung am positivsten ausfällt. In diesem Sinne gilt es auch die Vermeidung bzw. Materialreduktion zu fördern, da deren Wirkungseffizienz grösser ist. Beispielsweise konnten dank eines optimierten PET-Flaschen-Designs die in Umlauf gebrachten Materialmengen reduziert werden (Stichwort "Ökodesign"). Diese Massnahme ist umweltschonender und kostengünstiger als eine weitere Anhebung der bereits sehr hohen Recycling-Quoten in der Schweiz. Ausserdem muss bei der Sammlung und Verwertung weiterhin das Subsidiaritätsprinzip gelten, weshalb eine sogenannte "Kann-Formulierung" im Gesetz gefordert wird. 5.2 Streichung der "Information über Produkte" (Art. 35d) Die Verpflichtung zur Information über Produkte wird abgelehnt. Die Erhebung solcher Informationen aufgrund von Ökobilanzen ist zwar ein wertvolles Instrument für Unternehmen, bildet aber nicht alle relevanten Aspekte der Umweltbelastung bzw. Nachhaltigkeit eines Produktes ab. Beispielsweise wird die grossindustrielle Fleischproduktion gegenüber der naturnahen Produktionsweise begünstigt, da das Tierwohl in der Ökobilanz nicht berücksichtigt wird. Ähnliches gilt für Produkte, deren Herstellung sehr energieintensiv sind: Mit Atomstrom hergestellte Produkte schneiden bei Klimabilanzen tendenziell besser ab, weil die Endlagerung von Atomabfällen nicht immer berücksichtigt wird. Aufgrund der jeweiligen Information auf dem Produkt könnten Konsumentinnen und Konsumenten glauben, Fleisch aus Intensivtierhaltung sei nachhaltiger als Fleisch aus naturnaher Tierhaltung oder mit Atomstrom hergestellte Produkte hätten eine bessere Klimabilanz als mit Strom aus Pumpspeicherkraftwerken. Informationen aus Ökobilanzen eignen sich daher nicht zur Kommunikation gegenüber Konsumentinnen und Konsumenten, da sie ein hohes Fachwissen voraussetzen. Es ist somit sehr zu bezweifeln, dass Informationen über Produkte die erhoffte positive Wirkung auf das Konsumverhalten haben werden. Vor diesem Hintergrund sind die enormen Kosten (10'000 bis 20'000 CHF pro Produkt) nicht verhältnismässig, welche mit der Erstellung und Deklaration von Informationen über Produkte einhergehen. Schweizer Produkte wären nicht mehr wettbewerbsfähig, was den Einkaufstourismus weiter anheizen würde. 5.3 Inverkehrbringen von Rohstoffen und Produkten (Art. 35f) Die IG DHS sieht die Notwendigkeit, dass der Bundesrat Mindestanforderungen an das Inverkehrbringen von Rohstoffen und Produkten definieren kann. Die Mindestanforderungen müssen sich auf ökologisch relevante Rohstoffe und Produkte begrenzen, deren Anbau, Abbau oder Herstellung die Umwelt erheblich belastet. Die IG DHS geht davon aus, dass es sich dabei um ca. 5-20 Rohstoffe und Produkte handelt. Die erhebliche Umweltbelastung 3 / 5
muss wissenschaftlich nachgewiesen werden. Diese ökologisch relevanten Rohstoffe und Produkte müssen zudem für den Schweizer Markt von Bedeutung sein. Die Schweizer Mindestanforderungen müssen international anerkannte Standards und internationale Vorschriften, insbesondere der EU, berücksichtigen. Beispielsweise müssen neue Regelungen, wie die EU Timber Regulation für das Inverkehrbringen von Holz, zeitnah und deckungsgleich in der Schweiz umgesetzt werden. Regelungen, welche strenger als EU-Standards sind, können von Akteuren aus der jeweiligen Branche z. B. im Rahmen der Plattform Grüne Wirtschaft angestossen werden. Sollte die EU beispielsweise auf ein Torf-Verbot verzichten, könnte dieses in der Schweiz trotzdem eingeführt werden. 6. Berichterstattung über Rohstoffe und Produkte Die Einführung einer Berichterstattung über ökologisch relevante Rohstoffe und Produkte, welche die Umwelt erheblich belasten (Art. 35e), wird grundsätzlich als eine wirkungseffiziente Alternative zur Information über Produkte (Art. 35 d) betrachtet. Dabei ist davon auszugehen, dass lediglich über 5 bis 20 Rohstoffe und Produkten Bericht zu erstatten sei. Bereits mit diesen Informationen kann der Einsatz von ökologisch relevanten Rohstoffen und Produkten positiv beeinflusst werden. Einige Mitglieder der IG DHS sind der Auffassung, dass dies am besten gewährleistet ist, wenn Erst- Inverkehrbringer an den Bund berichterstatten. Andere sind hingegen der Auffassung, dass Kategorien von Hersteller, Importeure und Händler an den Bund oder die Öffentlichkeit berichten sollen. Eine doppelte Berichterstattung über ein und der/das selbe ökologisch relevante Rohstoff oder Produkt muss in jedem Falle verhindert werden. 7. Ergänzende Bestimmungen Im Sinne einer Weiterentwicklung der Grünen Wirtschaft unterstützt die IG DHS folgende weiteren Elemente und Ergänzungen des Revisionsentwurfs: 7.1 Übergeordnetes Ziel Es wird als sinnvoll erachtet, in Anlehnung an den "Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa", eine übergeordnete, ambitionierte und realistische Vision in das Gesetz zu verankern (z. B. neu Abs. 3 in Art. 1). Konkrete Fristen für die Erreichung der Ziele dürfen jedoch keine festgelegt werden, da diese oft willkürlich gesetzt werden. 7.2 Im Ausland anfallende Umweltbelastungen Die IG DHS begrüsst, dass Bund und Kantone eine auf Dauer angelegte Verbesserung der Ressourceneffizienz anstreben und dabei die im Ausland verursachten Umweltbelastungen mitberücksichtigen werden (Art. 10h). 4 / 5
7.3 Ökodesign Die Wirtschaft setzt immer mehr auf ressourcen- und umweltschonende Produktedesigns. Ein Beispiel dafür sind Salatschalen aus Recycling-PET. Die IG DHS erachtete es als sinnvoll, diesen Prozess mit einem entsprechenden Artikel im neuen USG zu begleiten. 7.4 Allgemeinverbindlichkeit von Branchenvereinbarungen Der Revisionsentwurf gibt an verschiedenen Stellen freiwilligen Vereinbarungen der Wirtschaft den Vorrang vor neuen Regulierungen, was sehr begrüsst wird. Um zu verhindern, dass einzelne Unternehmen Branchenvereinbarungen umgehen (Trittbrettfahrer) und sich dadurch Marktvorteile verschaffen, braucht es einen effizienten Prozess, welcher etablierte und breit getragene Branchenvereinbarungen auf Antrag der Plattform Grüne Wirtschaft für allgemeinverbindlich erklärt (z.b. zur Ergänzung von Art. 41a). 5 / 5