Statement: Frühförderung Handout

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Transkript:

Statement: Frühförderung Handout Andreas Warnke Verbandsversammlung des Verbandes der bayerischen Bezirke Prävention, Frühe Hilfen, nachsorgende Jugendhilfe Lücken im System Augsburg 6. Juli 2012 Häufigkeit psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter 22 % 10 % psychische Auffälligkeiten manifest psychisch krank Quelle: Kinder- und Jugend-Survey, Robert-Koch-Institut, Berlin 2006 1

Was geht es uns an? 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche sind täglich behandlungsbedürftig psychisch krank in Deutschland (KiGGS-Studie;Ravens-Sieberer et al 2007; Robert Koch Institut) Täglich 150 000 in Bayern! Risikokinder in Bayern Ca. 70 000 Risikokinder 2

Häufigkeit psychischer Störungen im Vorschulalter in %) (Blanz et al. 2006) Frühkindlicher Autismus: 0,4-05%0 Störung des Sozialverhaltens: 1-2 Enuresis -nocturna (5 Jahre) : 14 -diurna 5 Essstörungen (4 Jahre): 30 Häufigkeit psychischer Störungen im Vorschulalter in %) (Blanz et al. 2006) Reaktive Bindungsstörung : m > w Misshandlung und Vernachlässigung: ca 1,5 Fütterstörung (< 2 Jahre): 3 Induzierte Schlafstörung(<3J): 15-35 3

Behandelte Störungsbilder FF Bayern ( viele/ sehr viele ) (Peterander 1989) Autistische Störungen : 1% ADHS: 15% Teilleistungsstörungen: 45% Leistungsstörungen: 50% Interdisziplinäre Frühförderstellen in Bayern IFS-Standorte gibt es in 28 von 29 Oberzentren in 79 von 157 Mittelzentren 4

Bella-Studie (KiGGS) (Ravens-Sieberer, Wille,Bettge, Erhart 2006) Verschiebung - von akuten zu chronischen Erkrankungen - von somatischen zu psychischen Störungen Bella-Studie (KiGGS) (Ravens-Sieberer, Wille,Bettge, Erhart 2006) Die Neue Morbidität : - Entwicklungsstörungen - Emotionale Störungen - Störung des Sozialverhaltens 5

Leitsymptome der Kinder in der IFS Bayern (FRANZL-Studie; Thurmair, Höck 2011) Oft und Sehr oft werden behandelt: Verhaltensstörung (90%) Störung der Sozialentwicklung (88%) Emotionalstörung (78%) Ungünstige Erziehungsbedingungen (77%) Hauptgründe für FF (SOS-Kinderdorf Landsberg) Sozial-emotionale Probleme 2003: 12,5 % 2004 :12,7 % 2009: 32,6 % 2010: 27,8 % 6

Berufsgruppen in IFS Heilpädagogische Leistungen durch: - Sozialpädagogen - Sonderpädagogen/Päd (Univ) - Heilpädagogen - Psychologen Berufsgruppen der IFS Medizinisch-therapeutische Leistungen durch: Ärzte Physiotherapeuten Logopäden/Sprachtherapeuten Ergotherapeuten 7

Versorgungsbedarf 107.000 (2,1%) Kinder erhielten Frühförderung in Deutschland (Stichtag;ISG- Studie 2006) Für 6% der Kinder von 0-6-Jahren besteht nach Schätzung FF-Bedarf (Trost 1991) Regional unterschiedlich werden nur 2-3,5 % in bayerischen FF-Stellen erfasst (Thurmair 2000) Nach Studie für Brandenburg aus 2007 werden nur 6 von 10 bedürftigen Kindern erfasst und Nur 3 von 10 bedürftigen Kindern aus sozial schlecht gestellten Familien (vgl. Klein 2002) 1996: jede siebte Familie 1,3 Mill Zunahme Alleinerziehung 2009: jede fünfte Familie (90% durch Mütter) 1,6 Mill (2,2 Mill Kinder) (Anteil an Familien 19% ) (Bund.Agentur f.arbeit 2011) 8

40% arbeiten Vollzeit (23 % berufstätig bei Kind<3 Jahre) (40% leben von Hartz IV in D) (BundesagArbeit D 2011) 1/3 weniger als 1.000 Euro Alleinerziehende und Jugendhilfe Alleinerziehende machen 34% der Erziehungsberatungsfälle aus (Familienpopulation 18%) Fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Hilfe zur Erziehung (Pflege, Heim) (Jugendhilfestatistik:Rauschenbach, Pothmann, Wilk 2009;Schutter 2012) 9

Weekend Parenting Long Distance Parenting Merkmale der Gruppe mit Jugendhilfebedarf nach KJP-Behandlung Abweichende Elternsituation An- und ungelernter Arbeiter Psychische Störung eines Elternteils Störung im Kindergarten Externale Störung Beck et al..z.kjpp, 37, 2009, 57-67 10

Scheidung in Deutschland Ehen geschieden Betroffene Kinder < 18 1991 136 000 99 000 2010 187 027 145 000 Schlussfolgerungen (I) In IFS Wandel von - klassisch behindertem Kind zu Kind mit (zusätzlich) Verhaltensauffälligkeiten - geringer belasteter Familie zu mehrfach belasteter Familie 11

Schlussfolgerungen (II) (Esser 2010) Im Kindesalter gefährden die weitere Entwicklung insbesondere Hyperkinetische Störungen Störungen des Sozialverhaltens Umschriebene Entwicklungsstörungen Schlussfolgerungen (III) (Esser 2009) Wesentliche Ursachen liegen in widrigen psychosozialen Bedingungen fehlender erzieherischer Kompetenz schweren prä- und perinatalen Belastungen Bedeutendster früher Indikator Qualität der Eltern-Kind-Beziehung 12

Prävention psychischer Störungen (IV) ( Esser 2010) Anleitung zur Verbesserung der Mutter-Kind- Interaktion bei Risikogruppen Anleitung zur Verbesserung elterlicher Erziehungskompetenz Behandlung früher Regulationsstörungen Behandlung von Kindern mit frühen Formen oppositionellen und hyperaktiven Verhaltens Familiäre Ausgangslage Eltern und Kind tagsüber nicht zuhause Säuglinge und Vorschulkinder außerfamiliär betreut Eltern mit geringerem Erziehungskapital Erzieher treten an Stelle der Eltern 13

Entwicklungsbedarf Weiterentwicklung des Mobilen Dienstes der IFS im heilpädagogischen und medizinischen Bereich Einrichtung/Weiterentwicklung eines Inklusionsfachdienstes der IFS Qualifizierung der Erzieher in Kitas, Kiga z.b. durch Mitarbeiter der IFS Personalbedarf Angestellte zur Sicherung von Kapazitäten für: - Leitung und regionale Vernetzung - Fallübergreifende Qualitätsentwicklung (Fallmanagement, Zeit für Konzeptentwicklung ) - Verwaltung (Logistik, Dokumentation, Abrechnung, Terminüberwachung ) 14

Bedarf: Zeit, die bezahlt ist Finanzierung von Familienarbeit, Fallbesprechungen im Team der IFS (zuzüglich Teamkonferenzpauschale für Konzeptentwicklung- neben der rein kindbezogenen Vergütung) Finanzierung von Netzwerkarbeit institutsübergreifend zielbezogen integriert: Hilfeplangespräche, Arzt, KiTa, SPZ/Klinik, Ämter etc. ( Netzwerkpauschale ) 15