50 Jahre Bundeskartellamt aus Perspektive der Anwaltschaft. Herr Minister, Herr Präsident, meine Damen und Herren,



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Transkript:

Rechtsanwalt Dr. Frank Montag, LL.M. Vorsitzender der Studienvereinigung Kartellrecht e.v. 50 Jahre Bundeskartellamt aus Perspektive der Anwaltschaft Herr Minister, Herr Präsident, meine Damen und Herren, Es ist mir eine besondere Freude und Ehre, dem Bundeskartellamt, seinem Präsidenten und seinen Mitarbeitern im Namen der Mitglieder der Studienvereinigung Kartellrecht am heutigen Tage zum 50. Geburtstag zu gratulieren. Die Anwaltschaft ist seit 50 Jahren ständiger Gesprächspartner des Bundeskartellamts. Sie hat seine Entwicklung und die des Kartellrechts in Deutschland hautnah miterlebt und zu einem gewissen Grad auch mit gestaltet. Ich war zunächst versucht, den 50. Geburtstag des Bundeskartellamts mit dem 50. Geburtstag eines Anwalts zu vergleichen. Im Leben eines Anwalts ist der 50. Geburtstag typischerweise eine Zäsur man kann beim Blick in den Spiegel auch mit einer gehörigen Portion Selbsttäuschung, ohne rot zu werden, nicht mehr behaupten, man sei noch jung. Andererseits ist es durchaus üblich, bei diesem Anlass darauf hinzuweisen, dass man froh sei, nicht mehr zwanzig oder dreißig zu sein mit all der Unerfahrenheit, die ein solches Alter mit sich bringe. Und schließlich stehe der Höhepunkt der Schaffenskraft ja noch bevor diese Mischung aus Erfahrung und E- nergie, die nur der oder die Fünfzigjährige in sich vereint. Nebenbei gesagt, bei Anwälten insbesondere bei Kartellrechtlern - kann sich dieser Höhepunkt der Schaffenskraft durchaus auch noch in das sechste und siebte Lebensjahrzehnt hinein fortsetzen. Obwohl die eine oder andere Parallele zum 50. geburtstags eines Anwalts denkbar wäre, habe ich mich dann aber doch entschieden, heute drei wesentliche Aspekte des Verhältnisses von Anwaltschaft und Bundeskartellamt in der gebotenen Kürze anzusprechen, nämlich die Rolle der Anwälte bei der Um- und Durchsetzung des Kartellrechts im Vorfeld kartellbehördlicher Verfahren, die Rolle der Anwälte in Auseinandersetzungen mit dem Bundeskartellamt und schließlich die Auswirkungen der Globalisierung auf das Amt und die Anwaltschaft. 1. Die Rolle des Anwalts bei der Umsetzung des Kartellrechts Wie in vielen anderen Rechtsgebieten so kommt auch im Kartellrecht der Anwaltschaft die Rolle zu, durch die Beratung ihrer Mandanten, also der Unternehmen, schon im Vorfeld behördlicher Tätigkeit zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen beizutragen. Die große Masse kartellrechtlicher Fragestellungen erreicht überhaupt nie die Schwelle bundeskartellamtlicher Aufmerksamkeit, sondern wird durch die Justitiare und die anwaltlichen Berater der Unternehmen beantwortet und einer Lösung zugeführt. Gleichwohl hat sowohl die Zahl der kartellbehördlichen Verfahren als auch deren Komplexität in den vergangenen fünf Jahrzehnten erheblich zugenommen. In den Anfangsjahren war der Tätigkeitsbereich des Amtes wesentlich eingeschränkter als heute. Damals umfasste das GWB ein Verbot horizontaler Kartelle (wenn auch BRU665449/4+ 119227-0001 FM

mit zahlreichen Ausnahmetatbeständen), die Missbrauchskontrolle sowie differenzierte Regelungen für vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen. Eine materielle Fusionskontrolle war jedoch noch nicht vorgesehen. Die zweite GWB-Novelle beseitigte diese Lücke im Jahr 1973 durch die Einführung der Fusionskontrolle. Dies war die erste Gesetzesänderung, die eine wesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises des Amtes zur Folge hatte. Aber auch für die Anwaltschaft brachte die Einführung der Fusionskontrolle neue Aufgaben mit sich. So ist die Zahl der jährlichen Zusammenschlussanmeldungen beim Bundeskartellamt inzwischen auf über 1.800 (im Jahr 2006) gestiegen. Inhaltlich erfordert die Betreuung von Fusionskontrollverfahren von der Anwaltschaft heute nicht nur rechtliche, sondern auch Kenntnisse in der Industrieökonomie, deren Bedeutung insbesondere in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Das Aufgabenspektrum des Bundeskartellamts wurde in den vergangenen Jahren zumindest zum Teil neu fokussiert. Nachdem die VO 1/2003 auf europäischer Ebene das Anmeldeverfahren zur Freistellung von Vereinbarungen nach Art. 81 Abs. 3 EG abgeschafft hatte, wurde auch im deutschen Recht das Anmeldungserfordernis für freistellungsfähige Kartelle durch die siebte GWB-Novelle gestrichen. Seitdem obliegt es den Unternehmen, die Kartellrechtskonformität ihrer Vereinbarungen selbst zu prüfen. Dies kann insbesondere mittelständische Unternehmen ohne Rechtsabteilung vor Probleme stellen, da sie oft nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um diese Prüfung selbst vorzunehmen. Die Expertise der Anwaltschaft ist seit dieser Reform noch stärker als früher gefragt. Aus der Sicht der Anwaltschaft lässt sich festhalten, dass der Aufgabenkreis des Bundeskartellamtes im Laufe der Jahre substantiell erweitert wurde, was eine Erweiterung des Tätigkeitsspektrums der Anwälte mit sich brachte. Ferner ist nicht nur die Zahl der kartellrechtlichen Fälle gestiegen, sondern auch deren Grad an Komplexität. So sind Unternehmenszusammenschlüsse heute oft nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen weiteren Jurisdiktionen anzumelden, und Kartelle werden von mehreren Wettbewerbsbehörden gleichzeitig verfolgt. Schließlich ist eine intensivere Durchdringung der wettbewerbsrechtlich relevanten Sachverhalte mit Hilfe von industrieökonomischen Methoden zu beobachten. Die Erweiterung des Aufgabenspektrums des Bundeskartellamts führte zu einem stetigen Anstieg der Zahl der auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts tätigen Anwälte. Aus den 14 Gründungsmitgliedern der Studienvereinigung Kartellrecht sind heute rund 750 Mitglieder geworden. Zudem ist auf Seiten der Anwaltschaft eine starke Spezialisierung zu beobachten. Während in den Anfangsjahren die Kartellrechtler häufig auch noch das Gesellschafts- oder das Europarecht betreuten, gibt es heute zahlreiche Kollegen, die sich sogar innerhalb des Kartellrechts auf einzelne Bereiche wie die Fusionskrontrolle oder das Energiekartellrecht spezialisiert haben. In vielen der kartellbehördlichen Verfahren arbeiten Anwälte im Interesse ihrer Mandanten eng und vertrauensvoll mit den Beamten des Bundeskartellamts zusammen. Das Amt ist durchaus bereit, Zweifelsfragen vertraulich und unbürokratisch zu klären, ohne dass eine fusionskontrollrechtliche Anmeldung oder ein Antrag nach 32c GWB erforderlich sind. Auf diese Weise können zeitraubende und kostenträchtige BRU665449/4+ 119227-0001 Seite 2

Verfahren und die mit der Ablehnung eines Antrags verbundene negative Publizität vermieden werden. 2. Die Rolle des Anwalts in Auseinadersetzungen mit dem Amt Das gute, professionelle Verhältnis von Anwaltschaft und Bundeskartellamt sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Rollen unterschiedlich sind einerseits das Amt als mit starken Kompetenzen ausgestattete Behörde, die Rechtsverstöße zu verfolgen und zu ahnden hat, andererseits der Anwalt als rechtlicher Vertreter der Unternehmen. Diese unterschiedlichen Rollen haben zwangsläufig auch Meinungsverschiedenheiten zur Folge. Das Bundeskartellamt wird in der Tendenz stets versuchen, seine Zuständigkeit und die materiellen Vorschriften des GWB möglichst weit auszulegen. Zahlreiche Äußerungen seiner Präsidenten sowie die Entscheidungspraxis belegen, dass das Amt sich als eine Instanz versteht, die im Interesse des Wettbewerbsschutzes den Anwendungsbereich des Gesetzes maximal ausloten will. Diesem Rollenverständnis müssen die Unternehmen und die sie vertretenden Anwälte natürlich im Einzelfall entgegentreten. Daher ist es in den vergangenen Jahrzehnten zu zahlreichen Prozessen zunächst vor dem Kammergericht und seit einigen Jahren vor dem OLG Düsseldorf und in zweiter und letzter Instanz vor dem BGH gekommen, in denen die Gerichte dem Amt durchaus auch die rechtlichen Grenzen seiner Befugnisse aufgezeigt haben. Obwohl diese Prozesse in der Sache oft von beiden Seiten mit großem Engagement und durchaus auch mit Herzblut geführt wurden, kann man insgesamt wohl sagen, dass die Auseinandersetzungen in der Form fair und professionell ausgetragen werden. Dies lag und liegt nicht zuletzt auch an den hervorragenden Prozessvertretern des Amtes für die ich an dieser Stelle stellvertretend für alle nur Herrn Niederleithinger und Herrn Nothdurft erwähnen möchte. 3. Europäisierung und Internationalisierung des Kartellrechts Ein Mega-Trend in der Kartellrechtsentwicklung ist die Europäisierung und Internationalisierung. Die Globalisierung hat weder vor dem Kartellrecht, noch vor den Kartellbehörden oder der spezialisierten Anwaltschaft Halt gemacht und zu tiefgreifenden Veränderungen geführt. Im Rahmen der Globalisierung des Kartellrechts nehmen das deutsche Kartellrecht und das Bundeskartellamt bis heute eine Vorreiterrolle ein. So ist insbesondere das EG-Recht und dort vor allem die Fusionskontrollverordnung wesentlich durch das deutsche Wettbewerbsrecht geprägt. Zwar gibt es das europäische Kartellrecht schon seit 1957 (bzw. seit 1952, wenn man die kartellrechtlichen Bestimmungen des EGKS- Vertrages berücksichtigt). Ferner war das GWB Vorbild für zahlreiche außereuropäischen Wettbewerbsgesetze, so z.b. in Indonesien und China. Die Rolle des Amtes wird heute wesentlich durch die Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden und Europäischer Kommission bestimmt. Dabei besteht in der Theorie eine klare Funktionsteilung zwischen Bundeskartellamt und Europäischer Kommission: Bei der Verfolgung von Kartellen und im Rahmen der Missbrauchsaufsicht entscheidet die sogenannte Zwischenstaatlichkeitsklausel über die Zuständigkeit. Bei der Fusionskontrolle ist die gemeinschaftsweite Bedeutung eines Zusammenschlusses das maßgebliche Kriterium. Es besteht jedoch die Möglich- BRU665449/4+ 119227-0001 Seite 3

keit einer Verweisung an die jeweils andere Behörde von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien.. In der Praxis ist die Zuständigkeitsfrage allerdings häufig nicht in gleichem Maße klar wie in der Theorie. Zwischen der Zuständigkeit von Kommission und Bundeskartellamt besteht ein gewisses Spannungsfeld, in welchem sich die Anwälte bewegen. So müssen sie die zuständige Behörde richtig bestimmen, um beispielsweise bei der Fusionskontrolle zeitaufwändige Verweisungen zu vermeiden. Ferner gilt es bei der materiellen Beratung sowohl europäisches als auch deutsches Recht beachten. Da das deutsche Wettbewerbsrecht durch die siebte GWB Novelle dem europäischen weitestgehend angepasst wurde, erweist sich die materielle Bewertung heute jedoch als weniger problematisch als in der Vergangenheit. Im Rahmen des Europäischen Netzes von Wettbewerbsbehörden (ECN) kooperiert das Bundeskartellamt bei der Anwendung von Art. 81 und 82 EG eng mit der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten. Darüber hinaus ist das Bundeskartellamt Mitglied der European Competition Authorities (ECA), einem Diskussionsforum der Wettbewerbsbehörden der Länder des Europäischen Wirtschaftsraums sowie der Europäischen Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde. Auf internationaler Ebene ist das Amt im International Competition Network (ICN) vertreten. Folgen der Europäisierung und Globalisierung sind daher eine starke Einbindung des Bundeskartellamts in das Netzwerk der europäischen Kartellbehörden sowie eine ständig engere Kooperation mit zahlreichen Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten. So erlaubt die europäische und internationale Kooperation den Kartellbehörden, beispielsweise im Rahmen von Kartellbußgeldverfahren wirksam gegen multinationale Kartelle vorzugehen oder den grenzüberschreitenden Aspekten eines Zusammenschlusses besser Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist es auch eine Aufgabe der Anwaltschaft im Interesse ihrer Mandanten darüber zu wachen, dass durch die internationale Kooperation nicht verfahrensrechtliche Garantien der nationalen Gesetzgebung ausgehebelt werden. Andererseits besteht auf Seiten der Anwaltschaft und der von ihr vertretenen Unternehmen ein Interesse an einer internationalen Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden, etwa wenn es darum geht, Zusagen für einen Zusammenschluss auszuhandeln, der in verschiedenen Jurisdiktionen der Fusionskontrolle unterliegt. Die Anwaltschaft ist ihrerseits ebenfalls den Märkten und der internationalen Rechtsentwicklung gefolgt. Davon zeugen internationale Großkanzleien, die in 20 oder mehr Ländern mehr als 250 Kartellrechtler beschäftigen, aber auch vielfältige internationale Kooperationen eher mittelständisch geprägter Sozietäten. Auch diskutieren Anwälte als sog. Non-Governmental Advisors mit den Behörden im Rahmen des ICN über eine soft harmonisation der nationalen Kartellrechtsregeln im Sinne der Übernahme von best practices durch die ICN-Mitglieder. Die Studienvereinigung Kartellrecht bietet mit ihrem Brüsseler Forum zum EG-Kartellrecht ebenfalls die Möglichkeit zum Gedankenaustausch auf internationaler Ebene. BRU665449/4+ 119227-0001 Seite 4

4. Schlusswort Meine Damen und Herren, als Fazit meines kurzen Überblicks über einige, mir wesentlich erscheinende Aspekte des Verhältnisses der spezialisierten Anwaltschaft zum Bundeskartellamt möchte ich zunächst festhalten, dass Amt und Anwaltschaft, wie mir scheint, in den vergangenen fünf Jahrzehnten ihre jeweiligen Aufgaben erfüllt und sich den Herausforderungen des in stetigem Wandel begriffenen Kartellrechts gewachsen gezeigt haben. Die Wettbewerbsfreiheit ist ein grundlegendes Strukturmerkmal unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung. Sie ermöglicht eine effiziente Ressourcenverteilung und damit den Wohlstand unserer Gesellschaft. Das GWB und das europäische Kartellrecht sind die Grundpfeiler der Sicherung der Wettbewerbsfreiheit. Zur Anwendung und Durchsetzung des Kartellrechts tragen sowohl das Bundeskartellamt als auch die Anwaltschaft in unerlässlicher Weise bei, indem sie im Einzelfall aber auch im wissenschaftlichen Dialog miteinander um die richtige Auslegung ringen.. Dabei ist das Verhältnis von Amt und Anwaltschaft traditionell von gegenseitiger Anerkennung, Achtung und hoher Professionalität geprägt. Dieses besondere Verhältnis zum Bundeskartellamt wollen wir Anwälte auch in der Zukunft wahren und wünschen uns einen Fortbestand der hohen Streitkultur auch in der gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Studienvereinigung Kartellrecht sieht es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, zu der Aufrechterhaltung dieses konstruktiven Verhältnisses beizutragen. In diesem Sinne wünsche ich namens der Mitglieder der Studienvereinigung Kartellrecht dem Bundeskartellamt zu seinem 50jährigen Bestehen, dass es weiterhin mit Augenmaß und Standhaftigkeit agieren und seine Arbeit auch in Zukunft von Erfolg gekrönt sein möge es sei denn, wir stehen uns gerade vor Gericht als Gegner gegenüber. BRU665449/4+ 119227-0001 Seite 5