Funktionelle Unterschiede in den Mikrozirkulationsgebieten des Auges

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Übersicht 133 Funktionelle Unterschiede in den Mikrozirkulationsgebieten des Auges Functional Differences in the Microcirculatory Units of the Eye Autor R. H. Funk Institut Institut für Anatomie, TU Dresden Schlüsselwörter l " Anatomie l " Chorioidea l " Retina Gefäße l " Key words l " anatomy l " choroid l " retina vasculature l " eingereicht 27.10.2014 akzeptiert 3. 11.2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1383384 Online-publiziert 14.1.2015 Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart New York ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Prof. Richard H. Funk Institut für Anatomie TU Dresden Fiedlerstr. 42 01307 Dresden Tel.: + 49/(0)351/458 6110 Fax: + 49/(0)351/458 6303 richard.funk@tu-dresden.de Zusammenfassung Es werden die wichtigsten Mikrozirkulationsgebiete des Auges auch in ihrer funktionellen Relevanz dargestellt. Dabei wird besonders auf die enorme morphologische und physiologische Heterogenität der Durchblutung eingegangen, vor allem, wie sie in die funktionelle Gesamtsituation der Struktur (z. B. Sauerstoffabgabe durch die Irisgefäße, Kammerwasserproduktion in den Ziliarfortsatzgefäßen) eingebunden ist. Eingehender werden Choroidea und besonders retinale Gefäße besprochen. Bei den retinalen Gefäßen ist der Aspekt der Regelung (auch über Perizyten) im Hinblick auf die hohen Erfordernisse der inneren Retinaschichten besonders wichtig. Darüber hinaus wird auf die Reaktionen auf hypoxische Zustände und hier insbesondere auf die Vorgänge in den Fotorezeptoren und bei Neovaskularisation eingegangen. Darüber hinaus wird die Situation des Stoffwechsels der retinalen Ganglienzellen (Mitochondrien), des Sehnervenkopfes und Aspekte der Pathologie im Hinblick auf das Glaukom beleuchtet. Übersicht über die Mikrozirkulationsgebiete des Auges Für die okulären Mikrozirkulationsgebiete sind nicht allein entscheidend die Herkunft der kleinen Arterien aus den ziliaren (Aa. ciliares anteriores und posteriores) und retinalen Gefäßsystemen, sondern wichtiger ist die Einbindung des Mikrozirkulationsgebiets (Endstrombahn) in die jeweiligen Funktionssysteme des Auges. Dadurch entsteht eine Heterogenität sowohl der Architektur der Endstrombahn als auch der funktionellen Aspekte der Mikrozirkulation auf engstem Raum, wie es in keinem anderen Organ des Körpers geschieht (l " Abb. 1)[1]. Abstract This review describes the most important regions of microcirculation within the eye their architecture as well as their function. A special emphasis is put on the functional heterogeneity of the microvessels and their role regarding the specific functions localised within the different regions of the eye (e.g. oxygen release by the iris capillaries, production of aqueous humor within the ciliary processes). The microvasculature of choroidea and retina will be described in more detail. The precise adjustment of the blood flow to the functional needs of the inner retina is a very important aspect in the retinal vessels. Here, also pericytes can influence the vessel calibre like in the brain capillaries. Very important is the vascular reaction in general to states of hypoxia, especially to the hypoxic and radical producing states within the photoreceptors. The following reaction of neovascularisation will also be examined. Finally, we describe the metabolic situation of the ganglion cells and nerve fibers leading to and within the optic cup also with regard to glaucoma. So findet man in den Ziliarfortsätzen ein ganz auf Flüssigkeitstransport ausgerichtetes Gefäßsystem mit weiten Kapillaren und schneller Durchströmung sowie fenestrierten Kapillaren, die funktionell eng mit dem sekretorisch aktiven Epithel verbunden sind. Die Überperfusion in diesem Gebiet lässt sich nicht allein durch die Ernährungsfunktion erklären (l " Abb. 1 und 2) [2,3]. Unmittelbar daneben liegen die Kapillaren, die dem Ziliarmuskel dienen und dem Typus der nutritiven Kapillaren mit geschlossenem Endothel und dünnen, in die Gesamtarchitektur des Ziliarmuskels eingebauten Mikrogefäßen entsprechen (l " Abb. 2) [1, 4]. Das Gleiche gilt für die angrenzenden Gebiete der Iris: dort hat man Überperfusion und Kapillaren, Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

134 Übersicht Abb. 1 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Gefäßausgusses von einem Cynomolgusaffen (Macaca fasciolaris): teilweise nach Schichten präpariert; oben: konjunktivales Gefäßsystem; rechter Rand: subkonjunktivales; rechts unten: episklerales Gefäßsystem; linker Rand: episklerales Gefäßsystem. In der Mitte sind die Irisgefäße und teilweise oben die Ziliarmuskelgefäße sichtbar. Einsatz: Gefäße der Ziliarfortsätze und der Pas plana. Abb. 3 Gefäße der Irisvorderfläche beim Kaninchen: Die oberflächlichen Kapillaren sind vollständig dargestellt, im Hintergrund sind die großen radiären Gefäße und der Hauptstamm des Circulus arteriosus major sichtbar. Rechts unten ist noch ein Teil der Kammerwinkelzone zu erkennen. welche die Architektur des Irisstromas durch ihre geschlängelte Ziehharmonikaform unterstützen; darüber hinaus sind die zahlreichen Kapillaren der Irisvorderfläche dazu notwendig, um genügend Sauerstoff für die Ernährung der Vorderkammer zu bieten (l " Abb. 3). Denn entgegen der ursprünglichen Meinung konnten Versuche in den 90er-Jahren zeigen, dass das Kammerwasser aus der Hinterkammer kaum mehr Sauerstoff enthält (Verbrauch durch die Linse und den angrenzenden Glaskörper), jedoch nach dem Durchtritt durch die Pupille über die Irisgefäße wieder mit Sauerstoff angereichert wird. Dies ist notwendig, um die bradytrophen Gewebe, die an die Vorderkammer angrenzen (Hornhautinnenfläche mit Endothel und innerem Stroma, Kammerwinkel mit Trabekelwerk) über das Kammerwasser zu ernähren und zu versorgen [5]. Hier ergeben sich Überschneidungen mit den spezifisch ausgebildeten Haarnadelschleifen bzw. dem Kapillarsystem des Limbus der Hornhaut (l " Abb. 4) und dem angrenzenden konjunktivalen Gefäßsystem (l " Abb. 5). Sogar die entsprechenden Kapillaren Abb. 2 Seitliche Aufnahme der Ziliarkörpergefäße: oben links: Gefäße der Ziliarfortsätze; oben rechts: Übergang in die Pars-plana-Venen; rechts sind die feinen Kapillaren des Ziliarmuskels bis unten Mitte und links (Skleralsporn) sichtbar. Die großen Gefäßanschnitte sind Äste des Circulus arteriosus major. Abb. 4 Kapillarnetz der Konjuktiva beim Cynomolgusaffen. Oben sind die radiären Irisgefäße zu erkennen. bzw. arteriovenösen Verbindungen, die in Richtung episklerale Venen gehen, und auch die Kammerwasservenen haben hier auf engstem Raum Bezug zu diesen genannten Kapillargebieten (l " Abb. 6) [6,7]. Obwohl zahlreiche Ansätze gemacht worden sind, ist hier noch nicht geklärt, inwieweit der arterielle Zustrom über arteriovenöse Anastomosen den Druck im episkleralen Venensystem beeinflussen kann: Von der Architektur und der Lage her sollte dies aus den einschlägigen Erfahrungen der Tierversuche an Kaninchen und anderen Spezies auch beim Menschen möglich sein (l " Abb. 7) [6, 7]. Nun zu den 2 wichtigsten Gefäßgebieten, die ebenfalls unmittelbar aneinandergrenzen und für die Funktion der Netzhaut und des Sehnervenkopfs entscheidend sind: der Choroidea und dem retinalen Gefäßsystem. Dem Blutsee der Choroidea mit seiner extremen Überperfusion (85% des gesamten Augenblutflusses) [8] stehen lediglich 4% des gesamten Augenblutflusses in der Retina gegenüber. Durch die quasi Überperfusion innerhalb des choroidalen Blutgefäßsystems werden lediglich 5% Sauerstoff zwischen Arterien und Venen ausgeschöpft [9]. Demgegenüber stehen etwa 40% und mehr an Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

Übersicht 135 Abb. 5 Kapillarschleifen entlang des Limbus corneae beim Cynomolgusaffen: Der schnelle arteriorvenöse Übergang in diese haarnadelschleifenartig gebildeten Kapillaren ist gut sichtbar. Abb. 7 Arteriovenöse Übergänge (Pfeil = Arteriole, Pfeilspitze = Venole) im episkleralen Gefäßnetz des Cynomolgusaffen. Sauerstoffausschöpfung in den retinalen Gefäßen. Dabei soll etwa 65% der retinalen Sauerstoffversorgung über die Choriokapillaris gehen [10]. Schauen wir uns hier die Kapillargebiete etwas näher an: In der Aderhaut verzweigen sich die kurzen hinteren Ziliararterien (auf 15 20 Äste), welche die Choriokapillaris zur Versorgung der äußeren Retina und des retinalen Pigmentepithels bilden (l " Abb. 8). Die Läppchen (Lobuli) der jeweils von einer Arteriole gespeisten Choriokapillaris bilden funktionelle Einheiten, die venös auch in der Peripherie der Läppchen drainiert werden (l " Abb. 8) [1,11]. Das Kapillargebiet ist durch ein fenestriertes Endothel mit reichlich Carboanhydrase als Austauschenzym charakterisiert [12]. Dabei sind die fenestrierten Kapillaren für Proteine durchlässig, sodass sich ein hoher onkotischer Druck im choroidalen Stroma bilden kann. Es wird angenommen, dass die Retina durch den hohen onkotischen Druck in Richtung Choroidea dehydriert wird [13]. Abb. 6 Übersicht über den Limbus corneae (links unten Irisgefäße) und den episkleralen Gefäßabschnitt (rechts oben) beim Cynomolgusaffen. Abb. 8 Choriokapillaris (oben), kurze verbindende Arteriolen und Venolen (unten Mitte) und große Gefäße der Choroidea (unten) beim Cynomolgusaffen. Besonderheiten der Retina in Bezug auf Blut- und Sauerstoffversorgung Obwohl die retinalen Gefäße beim Eintritt durch den Sehnervenkopf ihre begleitenden autonomen Nerven vollkommen verlieren, besitzt im Gegensatz dazu die Choroidea ein reichhaltiges Netz autonomer Nerven- und Ganglienzellen. Diese Nerven- und Ganglienzellen sollen nach neueren Untersuchungen auch beim Menschen wichtig sein für die Regulation der choroidalen Durchblutung. In welchem Zusammenhang diese Durchblutungsregulation mit einer Volumenregulation der Choroidea steht (Bezug zur Akkommodation und zur Einstellung der Schärfenebene der Retina, besonders der Fovea), muss noch geklärt werden [13]. Genauere Messungen der Sauerstoffdifferenz zwischen Aderhaut (mit höchstem po 2 ) und innerer Retina haben in neueren Studien ergeben, dass der po 2 -Abfall gerade in der Zone zwischen Pigmentepithel und der Membrana limitans externa extrem ist und nahezu auf Null abfällt [14]. Das heißt über die kurze Distanz von Pigmentepithel und den Außengliedern zu den Innengliedern (v. a. Ellipsoid) der Fotorezeptoren wird praktisch der gesamte Sauerstoff verbraucht. Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

136 Übersicht Abb. 9 Schemazeichnung zur Lokalisation von Sauerstoffradikalen (Blitze), die durch äußere Einwirkung (z.b. blaues Licht) entstehen können sowohl in Fotorezeptoren, im retinalen Pigmentepithel (RPE) als auch in den Mitochondrien. Neueste Befunde legen nahe, dass auch die Außenglieder selbst über die Membranen der Diszi sehr viel Sauerstoff verbrauchen, denn man findet hier nicht nur NADPH-Oxidasen sondern auch alle Enzymkomplexe der Atmungskette selbst (ectopic respiratory chain) [15]. In noch höherer Dichte findet man diese nur in den Mitochondrien selbst; allerdings sind die Membranen in den Außengliedern ja in großen Mengen vertreten. Auch die Mitochondrien des Ellipsoids verbrauchen massiv Sauerstoff und beide Verbraucher zusammen führen dann zu diesem extrem hohen po 2 -Abfall bis zur Grenze der Müller-Zellen und dem Innenglied der Fotorezeptoren. Unsere Arbeitsgruppe konnte zudem zeigen, dass an den Fotorezeptoraußengliedern eine sehr starke Radikalproduktion nach Blaulichtbestrahlung auftritt nicht nur an den Mitochondrien des Ellipsoids (l " Abb. 9) [16]. Dies ist auch insofern für die Pathologie von degenerativen Erkrankungen interessant, da in den Außengliedern extrem konzentriert ungesättigte Fettsäuren vorkommen, wobei diese dann stark oxidieren und sekundär Radikale generieren. Diese Prozesse, die in Richtung AMD-Pathogenese führen können, sollen hier nur angedeutet werden und sind nicht Hauptgegenstand dieser Betrachtung. Daher soll in Bezug auf die Blutversorgung der Retina und auch in Bezug auf Sauerstoffverbrauch und Metabolismus nur noch ein Prozess angedeutet werden, der in späten Stadien sowohl bei der AMD als auch der diabetischen Retina wichtig ist, nämlich die Neovaskularisation. Bei beiden führt eine mangelnde Sauerstoffversorgung zur Ausschüttung von Hypoxia inducible Factor aus Endothelzellen. Dabei werden aus dem Verband der Endothelzellen zunächst einzelne selektioniert, die dann über VEGF und den entsprechenden Rezeptoren über lokale Wachstumssignale (DLL4 Ligand, Notch, Jagged etc.) eine Differenzierung in Richtung Tipp Cells und Stalk Cells einleiten. Diese beiden Zelltypen sind die Verästelungen und der Stamm des neu entstehenden Gefäßbaums. Im Normalfall führt dann PDGF B, von den Tipp Cells in Richtung Stalk Cells abgesondert, zu einer Rekrutierung von Perizyten, die dann eine Stabilisierung und Abdichtung der Kapillaren bewirken in der pathologischen Situation unterbleibt dieser Prozess oder ist unvollständig und Erscheinungen wie Cotton-Wool-Herde oder Exsudationen resultieren daraus [17]. In der Topografie der Netzhautgefäße findet man einen Kompromiss zwischen ausreichender Versorgung und ausreichender Transparenz der Netzhautschichten, d. h. ein allzu dichtes Kapillarsystem ist zugunsten besserer optischer Bedingungen vermieden worden [1]. Dies äußert sich auch darin, dass nahe an den Arteriolen (Gefäße mit hohem po 2 ) eine breitere kapillarfreie Zone existiert als in der Nähe von Venolen (l " Abb. 10). Insgesamt führt dies zu einer hohen arteriovenösen po 2 -Differenz der Retinagefäße von 38% im Vergleich von nur 3% bei der Choroidea, wobei Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

Übersicht 137 Abb. 10 Endstrombahn der retinalen Gefäße (unten Arteriole, oben Venole beim Cynomolgusaffen). Beachte: in der Nähe der Arteriole ist die Dichte der Kapillaren geringer (höhere Sauerstoffspannung) als in der Nähe der Venole am oberen Bildrand (Cynomolgusaffe). Abb. 11 Reaktion von Kapillaren auf unterschiedliche CO 2 -Konzentrationen im retinalen Häutchenpräparat der Ratte. Links: Abbildung der Gefäßdurchmesseränderungen vor, 3 Minuten nach und 10 Minuten nach Veränderung des CO 2 -Gehalts in der Inkubationskammer von 1% auf 8 10%. Rechts: Diagramm mit Mittelwert, Standardabweichung (Box) und Range der Kapillardurchmesseränderung in % bei 1 und 5 Minuten nach Änderung auf 8 10% CO 2. Abb. 12 Konfokale 3-D-Rekonstruktionen von fluoresceingefüllten Kapillaren vor und 5 Minuten nach Perizytenkontraktion durch Epinephrin am retinalen Häutchenpräparat. Beachte die Konstriktionssegmente an den Stellen, an denen Perizyten lokalisiert sind (Pfeil). für die Retinagefäße überdies ein po 2 -Shunting zwischen nahegelegenen Arteriolen und Venolen in Rechnung gestellt werden muss [1]. Man hat also eine starke Heterogenität mit noch viel höheren po 2 -Differenzen im Retinakapillargebiet zu erwarten das heißt aber auch, hier gibt es wenige Reserven. Alle Angaben bezogen sich bisher auf die gesunde Netzhaut unter normalen Perfusionsbedingungen (normaler Blut- und Augeninnendruck). Es bleibt nun das Paradox, wie die Durchblutung der inneren Retinaschichten über die retinalen Gefäße geregelt wird. Tatsache ist, dass hier für den Blutfluss und andere Mikrozirkulationsparameter eine Regulation, je nach Druck und metabolischen Verhältnissen, zu finden ist [18]. Wie also soll dies geschehen? Sind nur die Arteriolen für die Blutflussregulation verantwortlich? Hier galt lange Zeit das Dogma, dass die Kapillaren passive, starre Rohre darstellten und keinerlei Kontraktionsfähigkeit besäßen. Es wurde auch kein klassisches Alpha smooth Muscle Actin in den Perizyten der Kapillaren der mittleren Endstrombahn (Midcapillaries) gefunden [19], wobei man beachten sollte, dass Perizyten eine sehr große funktionelle Heterogenität (von kontraktil über makrophagenähnlich bis zu stammzellenähnlich) aufweisen können (s. u.) [20]. Allerdings konnten verschiedene Gruppen die Kontraktilität von Perizyten in vitro klar nachweisen [21]. Auch in situ hat unsere Gruppe 1998 dies am Retina whole Mount der Ratte gezeigt, allerdings gab es damals keine weitere Resonanz aus der Literatur [22]. Denn vom Perizytenbesatz her stellt die Retina ein besonderes Gefäßgebiet dar: Nirgends anders (außer an den Glomeruli der Niere, und dort sind es die spezialisierten Podozyten) findet man auf engstem Raum so viele Perizyten pro Kapillarstrecke bzw. pro Endothelzelle. Inzwischen wurde jedoch der Befund von zur Kontraktilität befähigten Kapillaren in Geweben des zentralen Nervensystems und der Retina durch eine Nature-Publikation bestätigt [23], in der ebenfalls in situ und in vivo Durchmesseränderungen von Kapillaren über Perizyten gezeigt werden konnten (l " Abb. 11, 12 und 13). Wir konnten zudem kürzlich nachweisen, dass retinale Perizyten den mesenchymalen Stammzellen immunhistochemisch sehr ähnlich sind, wobei diese funktionell in anderen Organen üblicherweise immunomodulatorisch und protektiv auf das umgebende Gewebe einwirken. Ein Verlust von Perizyten oder ein Nichtausbilden des Perizytenbesatzes an den Kapillaren könnte daher an der Retina zu einer schnelleren Dekompensation degenerativer Erkrankungen führen als ohne den Schutz durch Perizyten [24]. Retinale Kapillaren haben mit den Kapillaren des Gehirns die Gemeinsamkeit, dass sie typische nutritive Kapillaren sind, welche metabolisch direkt, d. h. vom Verbraucher (Neuronen und Gliazellen) reguliert werden. Dadurch entziehen sich diese Endstrombahnen der zentralen Kreislaufregulation und stellen ihre funktionellen Erfordernisse vor die Bedürfnisse anderer Kapillargebiete (wie z. B. Muskel- und Bindegewebe oder Verdauungssystem). Letztere können in einer allgemeinen Stressreaktion durch das autonome Nervensystem von der allgemeinen Zirkulation abgehängt werden. Dabei reagiert die Durchblutung der Retina noch empfindlicher auf Sauerstoffmangel als die des Gehirns was z. B. bei hypoxischer- oder Blutdruck-hypotoner Ohnmacht dadurch angezeigt wird, dass es einem zunächst noch bei Bewusstsein schwarz vor Augen wird, bevor dann die Ohnmacht Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

138 Übersicht Abb. 13 Differenzialinterferenzkontrastaufnahme der Gefäße im Rattenhäutchenpräparat. Sichtbar ist eine größere Arteriole rechts unten und davon abzweigend eine Metateriole und weiter Kapillaren mit entsprechendem Endothel (Kerne wölben sich nach innen vor) und Perizyten (Kerne liegen außen). Innerhalb der Gefäße sind Erythrozyten sichtbar. Besonders interessant ist auch die Möglichkeit, direkt retinale Ganglienzellen (große Zelle am linken Bildrand) sichtbar zu machen. einsetzt. Wird bei Erhöhungen des IODs die Grenze der Autoregulationsfähigkeit in Retina [25] und Papille [26] überschritten, kommt es zu einer Minderdurchblutung mit sekundären Schäden. Eigene Arbeiten über endoskopische Spektrofotometrie an der Papille des Kaninchenauges zeigten eine Reduktion der Gefäßdurchmesser und der intrakapillaren Hämoglobinoxygenierung ab IOD-Werten von 40 50 mmhg besonders ausgeprägt im Zentrum der Papille [27]. Spezifika der Regulation des retinalen und Sehnervenkopfgefäßsystems auch im Hinblick auf die Glaukompathogenese Hier ist die Rolle des Kapillarendothels besonders wichtig. Das Endothel wie auch die Perizyten sind in die sog. neurovaskuläre Koppelung d. h. die Regulation der Mikrozirkulation je nach Anforderungen der verbrauchenden Nerven- und Gliazellen mit eingeschaltet [28]. Die direkten Mediatoren der Perizytenreaktion sind immer noch nicht vollständig aufgeklärt: ist es der ph, CO 2 oder andere, und wie arbeiten diese Faktoren mit den Substanzen zusammen, die direkt auf Reize der Verbraucher vom Endothel her ausgeschüttet werden wie die beiden Hauptvertreter Endothelin (Vasokonstriktor) und NO (Vasodilatator) [28]? Unter In-vitro-Bedingungen konnte man inzwischen an Retinakapillaren feststellen, dass auch Laktat an der Regulation des Kapillardurchmessers über Perizyten beteiligt ist. So kann Laktat, das auch ubiquitär in der Retina vorkommt, bei guter Sauerstoffversorgung die Kapillaren verengen, bei Hypoxie führt es aber zu einer Dilatation der Gefäße [29]. Interessant dabei ist, dass Gap Junctions zwischen Endothel und Perizyten eine wichtige Vermittlungsaufgabe übernehmen, denn bei Entkoppelung schlägt die laktatbedingte Verengung wieder in eine Dilatation um. Auch für eine Diffusion von solchen vasoaktiven Substanzen besteht wieder ein starker Unterschied zwischen der Choroidea und dem retinalen Gefäßsystem, denn die Kapillaren der Retina sind gegenüber Hormonen und anderen zirkulierenden Stoffen nach beiden Richtungen dicht, während bei den fenestrierten Kapillaren der Choroidea auch größere Moleküle und Hormone frei diffundieren können. Dies betrifft indirekt über die Choroidea sogar die Durchblutung des Sehnervenkopfs [28]. Die neu entstandenen Methoden der Wave-Front-Korrektur-Objektive bei der Betrachtung des Augenhintergrunds sowie die neue Generation der OCTs sowie der Doppler-Flow-Meter und Fluoreszenzangiografiegeräte fordern geradezu heraus, die vom Augenhintergrund sichtbaren morphologischen Veränderungen zukünftig noch feiner mit den Kapillarveränderungen zu korrelieren. Als Letztes soll speziell das Problem der retinalen Ganglienzellen (RGC) und deren Versorgung angesprochen werden: Hier kommen alle vorher genannten Faktoren der Empfindlichkeit gegenüber Radikalstress und auch der Mangeldurchblutung (nutritive Kapillaren mit relativ geringem Blutfluss, s. o.) zusammen. Die RGCs haben auch die Besonderheit, dass sie eben nicht innerhalb des Auges von einer Myelinscheide umgeben sind und diesen Mangel bis zur postlaminären Zone des Sehnervenkopfs mit vermehrter Einlagerung von Mitochondrieninseln in die Axone wettmachen müssen [30, 31]. Diese Mitochondrien sind dann natürlich vermehrt auch dem kurzwelligen Licht und damit auch dem oxidativen Stress ausgesetzt [32]. Allgemein innerhalb der Mitochondrien ist wiederum die Atmungskette der sensible Punkt, denn in der Atmungskette werden Elektronen übertragen und können beim Passieren der Atmungskettenkomplexe aus dieser Kette ausscheren. Durch diese auch immer im Normalfall erzeugten abweichenden Elektronen der Atmungskette können durch weitere Kettenreaktionen Hydroxyl- und andere Sauerstoffradikale entstehen. In pathologischen Zuständen, z. B. einer Blockade der Atmungskette, gehen natürlich viel mehr Elektronen in Richtung Radikalreaktion und schädigen zunächst das Mitochondrium und später die gesamte Zelle. So kann z. B. das Intermediat des Retinolstoffwechsels A2E (ein gefährlicher Bestandteil des Lipofuszins) direkt am Komplex 4 die Atmungskette blockieren [33]. Dies führt zu einem Abweichen des normalerweise übertragenen Cytochroms c aus dem Mitochondrium, das schließlich mit Bildung des Apoptosoms die Apoptosekaskade induziert. Diese Vorgänge zusammen mit dem Stress durch kurzwelliges Licht, auf den hier nur verwiesen werden kann, führen sowohl bei den Fotorezeptoren als auch bei den RGCs zu einem Schädigungsmuster, das eben auch durch kurzzeitige Anoxien (nächtlicher Blutdruckabfall, Arteriosklerose, Vasospasmus und andere Störungen der Durchblutung) zu dem oben geschilderten Circulus vitiosus führt. Die Neuronen versuchen, mit Gegenmaßnahmen im Sinne von Selbstprotektion gegenzusteuern: so findet man Heat-Shock-Proteine und eine Erhöhung der Antioxidationsmechanismen. Auch Alzheimer-Precursor-Proteine (ursprünglich zum Schutz und für das Auswachsen von geschädigten Fortsätzen) können vermehrt vorkommen und durch überschüssige Produktion die Retina weiter schädigen [31]. Beim Durchtritt durch den Sehnervenkopf und die Lamina cribrosa kommen weitere Stressfaktoren hinzu: Der Umgebungsdruck vom zunächst vorhandenen Augeninnendruck (18 mmhg im Durchschnitt) fällt postlaminär auf Werte des Gewebsdrucks (4 6 mmhg). Auf der anderen Seite wird postlaminär über Astrozyten und Oligodendrozyten und Bindegewebssepten eine Markscheide aufgebaut, welche die vorher marklosen Axone umhüllen. Für die Blutversorgung bedeutet das eine erhebliche Umstellung. Im Gegensatz zu den Axonen, die ja vom Augeninneren Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

Übersicht 139 Abb. 14 Schemazeichnung der Gefäße des Sehnervs und des Sehnervenkopfs (aus: Lang GK. Augenheilkunde, 4. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2008: 367). nach außen laufen, müssen die Gefäße aus der A. centralis retinae und der Choroidea von rückwärts diese Druckdifferenz überwinden. Mit entsprechenden längsverlaufenden Kapillaren von postlaminär zu prälaminär wäre dies aufgrund des Druckanstiegs (von 4 6 auf 18 mmhg Außendruck) nicht möglich. Daher kommen die Gefäße von außen über Arteriolen quasi fächerförmig in Schichten, und zwar parallel von postlaminär nach prälaminär ins Zentrum (siehe Hayreh 2009) [34] und haben somit nur eine waagerechte Verlaufslinie in den Druckverhältnissen zu überwinden und sind damit stufenweise dem immer höher ansteigenden Umgebungsdruck angepasst (l " Abb. 14). Natürlich ist bei pathologischen Zuständen entweder von außen über erhöhten Augendruck oder von innen über das zentrale Kreislaufsystem (Vasospasmus) hier eine Achillesferse, auch der Durchblutung. Die weiteren Implikationen der Mangeldurchblutung in dieser Region können abschließend nur angedeutet werden: z. B. Veränderung der Astrozyten im Sehnervbereich von schützenden Astrozyten hin zu aggressiven Astrozyten, die Matrixmetalloproteinasen und den Tumornekrosefaktor alpha ausschütten [35]. Ein anderer Faktor sei noch beispielhaft genannt: die Advanced Glycation Endproducts (AGEs). Die Perizyten der Retina reagieren sehr empfindlich auf AGEs [36, 37] und gehen schließlich durch Apoptose unter. Die bei Diabetes beobachteten perizytenfreien Segmente in den Retinagefäßen gehen teilweise auch auf das Konto der AGEs. Fallen die Perizyten durch AGE-Schädigung aus, so fehlt auch das Finetuning der Mikrozirkulation sowohl für den Longitudinaltransport (Durchströmung) als auch für den Transversaltransport: (Transmural-)Exsudate, Cotton-Wool-Herde etc. sind dann die Folge. Darüber hinaus werden durch AGEs endotheliale Adhäsionsmoleküle stimuliert, die eine Leukozytenmigration befördern. Eine durch AGEs ausgelöste Proliferation von Netzhautgefäßen (siehe Abschnitt Neovaskularisation oben) wird über den Hypoxia inducible Factor (Hypoxie, s. o.) vermittelt, der wiederum den Vascular endothelial Growth Factor (VEGF) aktiviert [38]. Neben diesen zellulären Mechanismen bewirkt die verstärkte Expression von extrazellulärer Matrix durch AGEs [39] am Auge Verdickungen um die Basalmembranen der Gefäße, eine Sklerosierung der Lamina cribrosa [40] und der Sehnervenscheide. Dies führt zu einer erhöhten Rigidität der genannten Strukturen. Eine Behinderung der Flüssigkeitsbewegungen kann durch solche Membranverdickungen ebenfalls geschehen sowohl im retinalen Pigmentepithel als auch in den Sehnervenscheiden [41]. Alle hier aufgeführten Phänomene führen zu einer Synergetik vieler kleiner Schäden, die einzeln kaum merklich, in ihrer Gesamtheit aber stetig die Funktion der Retina einschränken, bis sie z. B. in Blutdruckkrisen dekompensieren. Interessenkonflikt Nein. Literatur 1 Funk RH. Blood supply of the retina. Ophthalmic Res 1997; 29: 320 325 2 Funk R, Rohen JW. SEM studies of the functional morphology of the ciliary process vasculature in the cynomolgus monkey: reactions after application of epinephrine. Exp Eye Res 1988; 47: 653 663 3 Funk RH, Wagner W, Wild J. Microendoscopic observations of the hemodynamics in the rabbit ciliary processes. Curr Eye Res 1992; 11: 543 551 4 Funk R, Rohen JW. Scanning electron microscopic study on the vasculature of the human anterior eye segment, especially with respect to the ciliary processes. Exp Eye Res 1990; 51: 651 661 5 Hoper J, Funk R, Zagorski Z et al. Oxygen delivery to the anterior chamber of the eye a novel function of the anterior iris surface. Curr Eye Res 1989; 8: 649 659 6 Funk RH, Gehr J, Rohen JW. Short-term hemodynamic changes in episcleral arteriovenous anastomoses correlate with venous pressure and IOP changes in the albino rabbit. Curr Eye Res 1996; 15: 87 93 Funk RH. Funktionelle Unterschiede in Klin Monatsbl Augenheilkd 2015; 232: 133 140

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