Rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Nanostoffen in FCM

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Transkript:

Rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Nanostoffen in FCM Dr. DI. Christa Hametner Abteilung für Gebrauchsgegenstände und Kosmetik (GEKO) christa.hametner@ages.at Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH

Lebensmittelkontakt (nach Verordnung (EG) Nr. 1935/2004): LM-Verpackungen Druckfarben Küchenutensilien LM-Verarbeitungsgeräte und deren Oberflächen Filter (einschließlich Ionenaustauscherharze), Dichtungen im LM-Kontakt Nicht: Ortsfeste öffentliche oder private Wasserversorgungsanlagen 2

Rechtliche Rahmenbedingungen für alle FCM FCM-Rahmenverordnung Artikel 3 Allgemeine Anforderungen (1) Materialien und Gegenstände, einschließlich aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände, sind nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, a) die menschliche Gesundheit zu gefährden oder b) eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder c) eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen. 3

Rechtliche Rahmenbedingungen für FCM Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2011 zur Definition von Nanomaterialien (2011/696/EU) Kunststoffe: Leitfaden der Union zur Verordnung (EU) Nr. 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (Brüssel, 21.2.2014) VERORDNUNG (EG) Nr. 450/2009 DER KOMMISSION vom 29. Mai 2009 über aktive und intelligente Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (kurz A & I) Bei neuen Technologien zur Herstellung von Stoffen in Partikelgröße, die wesentlich andere chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen als Stoffe mit größerer Struktur zum Beispiel Nanopartikel, sollte das jeweilige Risiko auf Einzelfallbasis bewertet werden, bis mehr Informationen über die betreffende neue Technologie vorliegen. Deshalb sollte das Konzept der funktionellen Barriere für sie nicht gelten. 4

Rechtliche Rahmenbedingungen für FCM aus Kunststoff Definition Stoffe mit Nanostruktur sind Nanomaterialien, wie sie in der Empfehlung 2011/696/EU der Kommission vom 18. Oktober 2011 zur Definition von Nanomaterialien definiert sind: Natürlich bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Material das Partikel in ungebundenem Zustand als Aggregat oder Agglomerat enthält und bei dem mindestens 50 % der Partikel in der Größenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm aufweisen. In besonderen Fällen kann der Schwellenwert von 50 % für die Anzahlgrößenverteilung durch einen Schwellenwert zwischen 1 und 50 % ersetzt werden, wenn Umwelt-, Gesundheits- Sicherheits- oder Wettbewerbserwägungen dies rechtfertigen. 5

Rechtliche Rahmenbedingungen für FCM aus Kunststoff und für A&I Stoffe in Nanoform können nur verwendet werden, wenn sie ausdrücklich genehmigt (setzt eine positive Bewertung durch die EFSA voraus) und in den Spezifikationen der Unionsliste genannt sind. Bei der Zulassung wird normalerweise nicht die Partikelgröße des zugelassenen Stoffs spezifiziert. Sofern dies in Anhang I Tabelle 1 Spalte 10 nicht eindeutig festgelegt ist, gilt die Zulassung jedoch nicht für Stoffe in nanopartikulärer Form. Dies ist dadurch begründet, dass sich die Sicherheitsbewertung der Stoffe zum Zeitpunkt der Bewertung nicht auf Stoffe in nanopartikulärer Form erstreckte. Das Konzept der funktionellen Barriere darf nicht auf mutagene, karzinogene oder reproduktionstoxische Stoffe oder Stoffe in nanopartikulärer Form angewendet werden. Für die Verwendung von Stoffen, die in eine der genannten Kategorien fallen, ist eine unabhängige fallweise Bewertung der toxikologischen Eigenschaften und des Migrationsverhaltens erforderlich. Daher ist eine fallweise Risikobewertung durch die EFSA, gefolgt von einer Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste, obligatorisch, bevor ein solcher Stoff bei der Herstellung von Kunststoffen verwendet werden darf. Alle anderen FCM Materialien sind nicht spezifisch geregelt! 6

Nano-EHS-Programm Nano-Metalle in Lebensmittelkontaktprodukten Anwendung, Untersuchung von Lebensmittelsimulanzien und Bewertung Finanziert durch österreichisches Nano-EHS-Programm Laufzeit: 05/2012 04/2014 Projektteam: AGES Uni Wien, Dept. für Umweltgeowissenschaften Attophotonics Polymer Competence Center Leoben Untersucht wurden AgNP und PdNP Partikel (50 100 nm) homogen verteilt in PE/PP Matrix und an der Oberfläche besputterte Proben Christa Hametner, 01.10.2014 7

Nano-EHS-Programm Migration/Simulation Lebensmittelsimulanzmedien bis 20% Ethanolanteil für sp-icp-ms Messung möglich Migrationstestung mittels genormter Migrationszellen Abweichend zur üblichen Migrationsprüfung werden die Zellen kontinuierlich geschüttelt Worst Case Testbedingungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 10/2011: 10 Tage bei 60 C Testreihen mit unterschiedlichen Temperaturen und Lagerzeiten: 25 C, 40 C, 60 C in verschiedenen Zeitabständen 1h, 1d, 3d, 10d Christa Hametner, 01.10.2014 8

Bewertung der Ergebnisse Beispiel Silber Kunststoffmuster nach mechanischer Beschädigung, mit AgNP Material mechanisch beschädigt Größe [nm] Freisetzung (µg/kg) gesamt partikulär gelöst PE PP 50 7,2 < 0,05 4,8 100 3,6 < 0,05 3,0 50 7,2 < 0,05 5,4 100 4,8 < 0,05 3,6 partikuläres Silber unter Bestimmungsgrenze Migration hauptsächlich als Ag-Ionen Migration von 50 nm AgNP größer 100 nm AgNP PE/PP: kein signifikanter Unterschied Christa Hametner, 01.10.2014 9

Neuer EFSA Approach: Fall 3 und 4: Risikobewertung basiert auf dem Stoff nicht in Nanoform Fall 3: Vollständige Umwandlung in eine nicht Nanoform in der Lebensmittelmatrix und vor dem Verzehr Fall 4: Vollständige Umwandlung in eine nicht Nanoform erfolgt innerhalb des Gastrointestinal Traktes unter Berücksichtigung lokaler Effekte der Nanoform im GI Trakt 10

Neuer EFSA Approach: Fall 5 (einige) und Fall 6 (alle) Nanomaterialien verbleiben in der Lebensmittelmatrix und im Gastrointestinalen Milieu: Vergleichende Bewertung der Nano- und Nicht- Nanoform (klassische Untersuchungen zu Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung, subchronische Toxizität: 90 Tage-Studie, oral/nagetier, Genotox. Daten) 11

Fallbeispiel Titaniumnitrid 12

Fallbeispiel Titaniumnitrid 13

Zulassungsstatus für Nanoanwendungen in FCM Siehe Anhang I Tabelle 1 Spalte 10 der Kunststoffverordnung: Siliciumdioxid (FCM-Nr. 504) und Kohlenstoffschwarz (FCM-Nr. 411): auch Partikelgrößen in nanopartikulärer Form wurden beurteilt und zugelassen Titannitrid-Nanopartikeln (FCM-Nr. 807): Zulassung nur für die nanopartikuläre Form in PET EFSA Bewertung abgeschlossen, Aufnahme in die Kunststoffverordnung vorgesehen: Kaolin (FCM-Nr. 410) in EVOH Innenschicht (Butadien, Ethylacrylat, Methylmethacrylat, Styrol) Copolymere nicht vernetzt, in Nanoform (FCM-Nr. 859, 998, 1043) in HartPVC ZnO Nanopartikel 14