Es gilt das gesprochene Wort!

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Transkript:

Es gilt das gesprochene Wort! Rede von Herrn Oberbürgermeister Fritz Schramma anlässlich des Empfangs für jüdische ehemalige Mitbürgerinnen und Mitbürger am 18. September 2003, 12.00 Uhr, Hansasaal, Historisches Rathaus Verehrte Damen, meine Herren, liebe Gäste, herzlich willkommen in Köln, herzlich willkommen in Ihrer ehemaligen Heimatstadt. Sie sind die achtzehnte Gruppe jüdischer ehemaliger Kölnerinnen und Kölner, die die Stadt eingeladen hat, an den Ort ihrer Jugend zurückzukehren. Ich freue mich, dass Sie dieser - von Herzen kommenden - Einladung gefolgt sind. In den nächsten Tagen werden Sie Ihre Stadt wiederentdecken. Ihnen wird Vertrautes und Altbekanntes begegnen, zugleich Neues und Unbekanntes. Ich kann nur erahnen, was Sie in diesen Stunden und Tagen fühlen werden, wenn Sie sich daran erinnern, unter welchen Umständen Sie Köln, nach der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, verlassen mussten. Ich weiß nicht, welche Gedanken Ihnen auf Ihrer Anreise gekommen sind; und ich kann nur vermuten, welche Gefühle Sie heute hier bewegen. Mit Trauer und Scham denken wir an die Opfer des NS-Regimes, die wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Überzeugung diskriminiert und verfolgt, vertrieben, in Konzentrationslagern verschleppt und ermordet worden sind. Mit welcher Brutalität und vor allem mit welcher Konsequenz die Nationalsozialisten ihren Judenhass verfolgten, zeigte sich - wie allerorts in Deutschland - auch in Köln. Tausende der jüdischen Kölnerinnen und Kölner wurden deportiert und in den Vernichtungslagern umgebracht. Das Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Köln führt mehr als 7.000 Namen von Ermordeten auf. Ca. 20.000 Menschen hatte die Synagogen-Gemeinde Kölns vor 1933 umfasst, 60 Mitglieder bildeten nach 1945 wieder die erste jüdische Gemeinde in Köln.

Der Mut zum Neuanfang trug und trägt Früchte. Ich bin froh sagen zu können, dass jüdische und nichtjüdische Kölnerinnen und Kölner seit Jahrzehnten verständnisvoll miteinander leben und dass unsere Stadt seit vielen Jahren von zahlreichen jüdischen Bürgern aus aller Welt, so wie Ihnen, besucht wird. es wäre aber gewiss der falsche Weg, das schwere, fast erdrückende Erbe, das uns die Nationalsozialisten hinterlassen haben, einfach beiseite zu schieben. So wie es falsch wäre, ausschließlich auf Höhepunkte und herausragende Ereignisse der deutschen bzw. Kölner Geschichte zu verweisen. Wir leben auch mit den bösen Ereignissen unserer Geschichte, wir leben auch mit den dunklen Kapiteln unserer Geschichte. Vergangenheit kann nicht durch Vergessen aus der Welt geschaffen oder gar bewältigt werden, ebenso wenig wie durch Vergessen ein Fundament für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Juden und Nichtjuden gelegt werden könnte. Und dass Köln nicht durch Vergessen, sondern vielmehr durch Nichtvergessen bemüht ist, auch die dunklen Kapitel der Geschichte zu beleuchten, beweist neben anderen Aktivitäten Ihr Besuch. Die nächsten Tage hier in Köln sollen Ihnen, so wünsche ich es mir, unser Bemühen und unser Engagement zeigen. nicht nur Dunkelheit und Schatten, nicht nur Schmerz und Tod beschreiben die Seiten der Geschichte der Juden in Köln. Zumal die Geschichte der jüdischen Bevölkerung weit in die Geschichte dieser Stadt hineinreicht. Bereits in römischer Zeit, als Köln die Hauptstadt der nördlichsten Provinz des Römischen Reiches war, wird 321 hier - erstmals nördlich der Alpen - eine jüdische Gemeinde erwähnt. In jenem Jahr erhielten Juden die gleichen Bürgerrechte wie die übrigen Kölner.

Im Mittelalter erlebte die jüdische Gemeinde in Köln eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Das Judenviertel lag um das Rathaus - daran erinnert der Name Judengasse. Etwa 750 Menschen - für damalige Verhältnisse eine erstaunlich hohe Zahl, fast 2 Prozent der Kölner Bevölkerung, lebten und arbeiteten im 14. Jahrhundert in diesem Viertel Nur in Köln wurde - wie in Jerusalem - das Versöhnungsfest mit vier Posaunenstößen beendet. Diese positive Entwicklung nahm Anfang des 15. Jahrhunderts ein jähes Ende: Im Jahre 1424 wurde die jüdische Bevölkerung aus der Stadt vertrieben. In den folgenden Jahrhunderten durften Juden Köln nur noch als Besucher betreten, sie erhielten keine Erlaubnis mehr zur Niederlassung. Auch aufgrund dieser Intoleranz erfuhr die einst blühende und mächtige Metropole einen Niedergang. Die Kölner igelten sich in ihren Mauern ein und verschlossen ihre Tore vor allem Neuen. Erst um 1800, nachdem die Französische Revolution den Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum Durchbruch verholfen und Köln Teil des französischen Staates wurde, erhielten Juden wieder die Erlaubnis, in Köln zu leben und zu arbeiten. In der Folgezeit begann der erneute Aufstieg Kölns zu einer bedeutenden europäischen Stadt. Die jüdische Bevölkerung hat einen wesentlichen Teil zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. In den Bereichen Kunst und Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft gingen entscheidende Impulse für die Stadt von jüdischen Bürgern aus. Stellvertretend für viele bedeutende Persönlichkeiten, die in Köln lebten, wirkten und arbeiteten, nenne ich Moses Hess und Karl Marx, Max Isidor Bodenheimer und David Wolfssohn, Jacques Offenbach und Ferdinand Hiller sowie Leonard und Alfred Tietz. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm die jüdische Bevölkerung in Köln rasch zu. Waren es 1830 noch knapp 300 jüdische Einwohner, so zählte die Gemeinde 1871 schon fast das zehnfache und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits über 10.000 Mitglieder. In der Weimarer Republik gehörte die jüdische Gemeinde in Köln mit annähernd 20.000 Mitgliedern zu den größten in Deutschland.

bereits in den Jahren der Weimarer Republik begann die politische Radikalisierung, der Aufstieg der Rechtsparteien und ihres Antisemitismus, die deutliche Zunahme der antijüdischen Propaganda. Die Machtergreifung Hitlers und seiner Partei Anfang 1933 brachte schließlich für die Juden in Deutschland und in Köln das Ende aller positiven Entwicklungen, das Ende des langen Prozesses der Emanzipation und Integration. Mit dem Stichtag 30. Januar 1933 begann der Krieg Hitlers im Innern, in Deutschland gegen jede Form von Opposition oder Widerstand - z. B. gegen Sozialdemokraten und Kommunisten, gegen manche kirchliche Organisationen und Personen, vor allem aber gegen Juden. Für jüdische Angehörige des öffentlichen Dienstes bedeutete die Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst den Verlust des Berufes, für Geschäftsleute öffentlichen Boykott. Kurze Zeit später wurden deutschen Juden schließlich die politischen Rechte aberkannt. Und dann kam die Nacht des 9. zum 10. November 1938 mit der Zerstörung der Synagogen, der Misshandlung und Verhaftung vieler jüdischen Kölner. - Diese Nacht endete erst 7 Jahre später, nämlich mit der Zerschlagung des Hitlerregimes und der Befreiung Deutschlands im Mai 1945. Knapp ein Jahr nach dem Novemberpogrom begann Deutschland den 2. Weltkrieg, damit weitete er den Krieg und den Terror auf ganz Europa aus. zahlreiche jüdische Bürgerinnen und Bürger haben sich der nationalsozialistischen Verfolgung durch Flucht und Emigration zu entziehen versucht; einige fanden in fernen Ländern eine neue Heimat, oft Tausende von Kilometern von der alten entfernt. Viele hatten dieses Glück nicht: Sie wurden von den Nationalsozialisten noch im besetzten Ausland, - z. B. in Belgien, den Niederlanden und Frankreich, wohin sie sich geflüchtet hatten, - verhaftet.

Andere blieben in Köln, weil sie sich einerseits von ihrer Heimatstadt nicht trennen wollten, und sich andererseits die letzte Konsequenz des nationalsozialistischen Rassenwahns nicht hatten vorstellen können. Doch der Terror und die Gewalt eskalierten. So verpflichtete eine reichsweite Verordnung ab dem 1. September 1941 alle Juden, in der Öffentlichkeit den sogenannten Judenstern zu tragen. Wer dies nicht tat, wurde mit Schutzhaft, das hieß Konzentrationslager, bestraft. Am 21. Oktober jenes Jahres begannen in Köln die Deportationen in den Osten, mit denen in mehreren Transporten Tausende von Juden aus Köln und dem Umland verschleppt wurden. Vom Sammelpunkt Messegelände aus wurden sie zum Bahnhof Deutz-Tief gebracht, von dort in die Vernichtungslager. Am Ende des Jahres 1943 war Köln nach offiziellen Verlautbarungen - ich zitiere die zynische Formulierung der Nationalsozialisten - judenfrei. Nur wenige Mitglieder der ehemals größten jüdischen Gemeinde im Rheinland ü- berlebten den Terror, und nur wenige kehrten zurück. 60 Juden hatten den Mut, nach 1945 in unserer Stadt einen Neuanfang zu wagen. Vieles ist seitdem geschehen. Mittlerweile umfasst die jüdische Gemeinde in Köln über 4.000 Mitglieder. Ich hoffe, Sie werden bei Ihrem Aufenthalt feststellen, dass sich ein grundlegender Wandel im Land vollzogen hat. Und dass dieser Wandel nicht nur den Wiederaufbau der Stadt nach der Zerstörung betrifft. Ich wünsche mir, dass Sie spüren werden, dass sich dieses Land auch politisch verändert hat, dass das, was zwischen 1933 und 1945 geschehen ist, künftig nicht mehr möglich sein wird. ich möchte auf einige Aspekte hinweisen, die das besondere Engagement der Stadt Köln deutlich machen:

Seit 1979 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Tel Aviv und Köln, nachdem bereits 1960 freundschaftliche Beziehungen durch viele Besuche von Schülern und Lehrern nach Israel und seit 1970 auch durch Besuche von Tel Aviv nach Köln ausgebaut worden waren. Der Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel, insbesondere zwischen Tel Aviv und Köln, zeigt, dass gute Voraussetzungen für die Verständigung zwischen Deutschland und Israel geschaffen wurden. Gerade junge Menschen sind gefordert, bestehende Probleme zu lösen; und gerade junge Menschen haben die Chance, viele Probleme - ich nenne die religiöse Intoleranz als ein Beispiel - gar nicht erst entstehen zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist auch das Engagement Kölns beispielsweise bei der Finanzierung des Kindergartens Cologne Day Care Peace Centre für jüdische und arabische Kinder in Tel Aviv zu sehen. Das ist ein kleiner Beitrag, religiöse Toleranz aufzubauen. Sie sehen; Verständigung soll für uns keine leere Formel sein, sondern eine Aufgabe, der wir uns stellen. Weitere Beispiele möchte ich nur noch stichwortartig nennen. Seit 1988 hat Köln ein spezielles NS-Dokumentationszentrum, das sich vor allem auch der Geschichte der Kölner jüdischen Bevölkerung während der nationalsozialistischen Verfolgung widmet. Sie werden das Dokumentationszentrum und seine Mitarbeiter im Laufe dieser Woche kennen lernen. Köln besitzt mit der Germania Judaica die größte Spezialbibliotheken zur Geschichte des Judentums in Deutschland. Eine herausragende Forschungseinrichtung ist ebenfalls das Martin-Buber-Institut für Judaistik der Universität zu Köln. Die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist mit mehr als tausend Mitgliedern die größte ihrer Art in Deutschland.

1989 haben wir im Beisein einer Besuchsgruppe aus Israel die wiederhergestellte Mikwe auf dem Platz unmittelbar vor dem Rathaus der Öffentlichkeit übergeben. Ebenfalls ein Beweis dafür, dass Köln seine Geschichte und auch die Geschichte seiner jüdischen Bürger als ständige Verpflichtung empfindet. ich sprach eben von dem Wandel, der sich in unserem Land in der Nachkriegszeit vollzogen hat. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt. Und dennoch müssen wir voller Entsetzen feststellen, dass der Rechtsextremismus in unserem Land während der vergangenen Jahre wieder gewachsen ist. Die verbrecherischen Gewaltausbrüche gegen Ausländer, aber auch die Schändung jüdischer Einrichtungen und Gedenkstätten, sind alarmierend. Alle demokratischen Kräfte unseres Landes sind gefordert, über die Parteigrenzen hinweg gegen Hass, Terror und Gewalt anzugehen. Bei vielen Veranstaltungen und Aktionen haben Tausende von Kölnerinnen und Kölner ein deutliches Zeichen gesetzt. Sie haben klar gemacht: Wir wollen ein demokratisches und tolerantes Deutschland! Für Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus darf es in unserer Gesellschaft keinen Platz geben. die Geschichte der Juden in Köln ist wegen der Ereignisse während des sogenannten Dritten Reiches ein schweres Erbe für die Stadt. Die Kölner sind sich dieser Tatsache und der Verantwortung, die sich daraus ergibt, bewusst. Bitte verstehen Sie in diesem Sinne meinen Rückblick auf die Geschichte der Juden in Köln, mit der ich Sie in dieser Stadt begrüße, in einer Stadt, die für viele von Ihnen einmal Heimat gewesen ist. In den nächsten Tagen werden Sie, liebe Gäste, die Gelegenheit haben, das zu sehen, was Köln heute berühmt macht. Sie werden darüber hinaus die Möglichkeit haben, mit vielen Kölnerinnen und Kölnern zu sprechen. Besonders dankbar bin ich,

dass Sie mit Kölner Schülerinnen und Schülern über Ihre Erlebnisse, über Ihre Biographie sprechen wollen. wenn Sie Köln wieder verlassen, dann wünsche ich mir, dass Sie die Kontakte, die Sie hier knüpfen konnten, festigen. Dies beziehe ich insbesondere auf Ihre Begegnungen mit der jüdischen Gemeinde sowie der Kölnischen Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit. Ich wünsche Ihnen schöne und interessante Tage in unserer Stadt. Am Ende Ihres Besuchs werden wir uns dann noch einmal sehen. Ich darf nun unsere Gäste bitten, sich in das Gästebuch unserer Stadt einzutragen.