Beschluss der LDK vom Leitantrag

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Transkript:

Beschluss der LDK vom 20.6.15 Leitantrag -Änderungen sind kursiv gekennzeichnet- Leitantrag für die SGK Landesdelegiertenkonferenz am 20. Juni 2015 in Kassel Flüchtlinge schützen Kommunen unterstützen Mindeststandards für die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen Die weltweiten Krisenherde zwingen viele Menschen dazu, unfreiwillig ihre Heimat zu verlassen. Sie fliehen vor Krieg, Folter und Unterdrückung oder werden vertrieben. Da keine kurzfristige Befriedung in den Krisenregionen der Welt zu erwarten ist, wird die Zahl der Flüchtlinge, die bei uns in Hessen Schutz suchen, weiter ansteigen. Die Bundesrepublik und die Bundesländer sind daher in der Pflicht, einen Beitrag zu leisten, um verfolgten Menschen Schutz zu gewähren. Die hessischen Landkreise und Kommunen versuchen mit hohem Engagement, eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge sicherzustellen. Darüber hinaus unterstützen viele Menschen die Kommunen vor Ort bei dieser Aufgabe. Damit sich die Menschen in der neuen Umgebung zurechtfinden und Integration vom ersten Tag an möglich wird, haben sich Unterstützerkreise gebildet, bestehend aus zahlreichen Ehrenamtlichen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wohlfahrtsverbände und Angehörigen der Kirchenkreise. Wir danken allen Menschen, die sich für Flüchtlinge und mit ihnen engagieren. Das ist gelebte Solidarität! Flüchtlingspolitik in Europa neu gestalten Flüchtlingsschutz ist eine gemeinsame europäische Aufgabe. Daher erwartet die SGK Hessen ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit für die Flüchtlinge in Europa. a) Angesichts der tausenden von Toten im Mittelmeer fordern wir die Fortsetzung und den Ausbau des Seenotrettungsprogramms MARE Nostrum mit organisatorischer und finanzieller Unterstützung durch die EU bzw. durch alle Mitgliedsstaaten. Die sich tagtäglich im Mittelmeer abspielenden humanitären Katastrophen können so wenigstens verringert werden. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 1

b) Die Dublin III-Verordnung, insbesondere die Zuständigkeitszuweisung an den Ersteinreisestaat, muss durch Elemente eines solidarischen Ausgleichs ergänzt oder durch ein alternatives, auf Verantwortungsteilung beruhendes System in Europa ersetzt werden. Mit den vorgenannten Maßnahmen soll eine gemeinsame finanzielle und moralische Grundlage aller demokratischen Kräfte geschaffen werden, um einerseits unserer humanitären Verantwortung für Flüchtlinge aus den Krisenregionen gerecht zu werden und andererseits gesellschaftlichen Verwerfungen entgegen zu wirken. Darüber hinaus ist der Bund aufgerufen, die Anerkennungsverfahren weiter zu beschleunigen. Dies verfolgt einerseits das Ziel, dass Antragsstellende mit begründetem Asylersuchen schneller ihre Asyl- bzw. Aufenthaltsberechtigung erhalten, andererseits aber auch, dass unbegründete Anträge zeitnah abgelehnt werden. Über die Dauer der Asylverfahren hinaus trägt der Bund auch erheblichen Anteil an den Kosten des Unterhalts, der Unterbringung und der Betreuung, die den Ländern und Kommunen entstehen. Ein wesentlicher Faktor ist die ausreichende Personalausstattung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um zügige und rechtstaatliche Verfahren zu sichern. Bisher tragen Länder und Kommunen alleine das Kostenrisiko unzureichender Maßnahmen auf Bundesebene. Die SGK Hessen fordert deshalb eine vollumfängliche Kostenübernahme für Unterhalt, Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden - mindestens bei allen Asylverfahren, deren Dauer den im Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU zugesagten Zeitraum von 3 Monaten im Erstantragsverfahren übersteigt. Auch für den Bereich der Gerichtsverfahren und Folgeanträge muss der Bund für eine ausreichende Personalausstattung sorgen, oder andernfalls in die Kostenträgerschaft eintreten. Die SGK Hessen fordert das Land Hessen auf, sich für die beschriebenen Regelungen einzusetzen und im Erfolgsfalle die Kostenerstattung des Bundes auch vollumfänglich an die Kommunen weiterzuleiten. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 2

Das Land Hessen muss endlich mehr Verantwortung übernehmen handeln statt zuschauen! Die Landkreise und kreisfreien Städte benötigen eine angemessene Finanzausstattung zur Sicherstellung einer menschenwürdigen Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge. Bereits seit mehreren Jahren machen die Kommunen geltend, dass die Finanzausstattung völlig unzureichend ist. Der Hessische Landkreistag hat bereits vor geraumer Zeit errechnet, dass die hessischen Landkreise und die kreisfreien Städte in dem Zeitraum von 2009 bis 2013 knapp 200 Mio. Euro mehr aufgebracht haben, als vom Land erstattet wurden. Dies bestätigt auch ein Gutachten des Hessischen Landesrechnungshofs. Es liegt auf der Hand, dass mit dem Regelsatz, der an die Flüchtlinge bar ausgezahlt wird, die Kosten der Unterbringung einschließlich notwendiger Gebäudesanierungen, die haustechnische und die wichtige sozialarbeiterische Betreuung sowie die Verwaltungskosten nicht finanziert werden können. Dieser Pauschalbetrag deckt schon gar nicht die vom Land nicht übernommenen Krankenhilfeleistungen. Der Hessische Landkreistag hat bereits für das Jahr 2014 einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von 60 Mio. Euro ermittelt. Für das Jahr 2015 ist von einem Fehlbedarf in Höhe von voraussichtlich 90 Mio. Euro auszugehen. Lediglich zusätzliche 30 Mio. Euro für 2015 in den Landeshaushalt einzustellen, bedeutet, die Kommunen und letztendlich die Flüchtlinge im Regen stehen zu lassen. Die SGK Hessen fordert die Landesregierung auf, für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern/Asylbewerberinnen in Gemeinschaftsunterkünften Mindeststandards zu entwickeln. Damit sollen verbindliche Standards für die Unterbringung festgelegt werden. Leider gibt es bis heute noch keine verbindlichen, landesweit geltenden Mindeststandards für die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften in Hessen. Die Verwirklichung dieser Standards wird zu Mehrkosten führen. Wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Sinne Mindeststandards festzulegen und die Finanzierung dieser Mindeststandards durch das Land sicherzustellen. Die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen darf nicht dem Sparwillen der hessischen Landesregierung zum Opfer fallen. Wir unterstreichen, dass in dieser Frage zu allererst die Landespolitik und die Landesregierung gefragt sind. Mit den Kommunen muss ausgehandelt werden, was realistisch und fachlich vertretbar ist. Wir fordern deshalb eine jährliche Spitzabrechnung der für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden durch die Kommunen erbrachten Leistungen. Diese Leistungen werden entsprechend der vereinbarten Mindeststandards abgerechnet. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 3

Gewährleistung eines menschenwürdigen Aufenthalts Im Mittelpunkt der Regelung der Aufnahmebedingungen steht die Verpflichtung, einen menschenwürdigen Aufenthalt zu gewährleisten. 3 Landesaufnahmegesetz verpflichtet die Landkreise und Gemeinden Unterkünfte bereitzustellen, die einen menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung gewährleisten. Kerngehalt der Menschenwürde ist es, jeden Menschen als Subjekt zu begreifen. Die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, den Menschen zum bloßen Objekt hoheitlichen Handelns zu degradieren. Im Kern zielt die Menschenwürdegarantie somit darauf ab, jedem ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und zu gewährleisten. Hierzu zählt insbesondere auch die Möglichkeit, aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. Auch die Aufnahmerichtlinie ist dem Ziel der Sicherung eines menschenwürdigen Lebensstandards verpflichtet (Abs. 7 der Präambel). Sie enthält einen Katalog an Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern/Asylbewerberinnen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und nimmt so eine Ausgestaltung der Anforderungen an eine menschenwürdige Ausgestaltung der Lebensbedingungen vor. Neben der Verpflichtung sicherzustellen, dass die gewährten materiellen Aufnahmebedingungen einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleistet (Art. 13 Abs. 2), regelt die Aufnahmerichtlinie eine ganze Reihe weiterer Rechte von Asylbewerbern/Asylbewerberinnen und Flüchtlingen und umfasst etwa den Anspruch auf eine angemessene Gesundheitsversorgung, auf Information und Dokumente, auf Grundschulerziehung und weiterführende Bildung und in begrenztem Umfang auf Zugang zum Arbeitsmarkt. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Aufnahmerichtlinie lässt sich in dieser Hinsicht der Grundsatz entnehmen, dass Gebietszuweisungen und allgemeine Aufnahmebedingungen so ausgestaltet sein müssen, dass gewährleistet ist, dass Asylbewerber/Asylbewerberinnen die ihnen in der Richtlinie eingeräumten Rechte sinnvoll ausüben können. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 4

Menschenwürdige Standards Bevor die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in den Kommunen erfolgt, werden die Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen. Um dort eine angemessene Aufnahme zu gewährleisten, muss das Platzangebot in den Erstaufnahmeeirichtungen erweitert werden. Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist immer nur ein erster Schritt, eine erste Unterkunft und sollte deshalb zeitlich befristet werden. Es kann aber durchaus auch fachlich sinnvoll und vertretbar sein, in den Kommunen Gemeinschaftsunterkünfte bereitzustellen, um eine gute Willkommenskultur entfalten zu können. Die eigene Wohnung ist neben der Arbeit sowie der sozialen, kulturellen und politischen Partizipation ein Grundbedürfnis für ein menschenwürdiges Leben. Gemeinschaftsunterkünfte eignen sich nicht, um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut zu nehmen oder zu betreuen. Für sie gilt das SGB VIII, wonach sie in geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe zu versorgen sind. Die Wohnraumversorgung besonders schutzbedürftiger Personen im Sinne der Aufnahmerichtlinie muss darüber hinaus in Form einer eigenen Wohnung und nicht durch Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften erfolgen. Auch bei dezentraler Unterbringung muss eine ausreichende sozialarbeiterische Begleitung und Unterstützung gerade dieses Personenkreises gewährleistet sein. Durch die Unterbringung soll eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Deutschland ermöglicht werden. Alle äußeren Umstände müssen so angelegt ein, dass die Menschen in die Lage versetzt werden, ihr Leben so weit wie möglich eigenverantwortlich zu gestalten. Die Gemeinschaftsunterkünfte dürfen keine Fremdkörper im Gemeinwesen sein. Massenquartiere mit Lagercharakter, Unterkünfte in Industriegebieten fernab jeder sozialen Infrastruktur oder in abgelegener Natur provozieren Ignoranz, Distanzierung und Ablehnung durch die heimische Bevölkerung. Durch sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung findet eine aktive Integration in die Nachbarschaften statt. Die Wohnverhältnisse sind wohnungsähnlich zu gestalten. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 5

Mindestanforderungen Qualität in der Unterkunft Menschenwürdige Unterkünfte für Asylsuchende zu schaffen heißt, dass einheitliche und verbindliche Mindestanforderungen für Aufnahme- und Gemeinschaftsunterkünfte festgelegt werden. Dazu gehören Mindestwohnund Schlafflächen, die Anzahl der pro Wohnraum untergebrachten Personen, die Lage und Größe der Unterkünfte, aber auch die Definition von eigenen Wohnbereichen und die Qualität der Gemeinschaftsräume und Außenanlagen wie Kinderspielplätze, Gemeinschaftsunterkünfte müssen in hinreichender Nähe zu einem Wohngebiet gelegen sein. Zudem muss eine ausreichende Infrastruktur vorhanden sein. Dies bedeutet, dass Apotheken, Ärzte, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs, Schulen und Kindergärten gut erreichbar sein sollten. Darüber hinaus muss ein vertretbarer Anschluss an den ÖPNV gewährleistet sein. Dezentrale Unterkünfte haben Vorrang, soweit geeigneter Wohnraum verfügbar ist. Bauliche Ausführung Die Unterbringung erfolgt nur in solchen Gebäuden, die zur dauerhaften Wohnraumnutzung bestimmt und geeignet sind. Dazu zählen wir auch geeignete Container. Entsprechende Gesetze, Verordnungen und Richtlinien sind einzuhalten. Die Gebäude müssen den baulichen, gesundheitsrechtlichen und brandschutztechnischen Vorschriften des Landes Hessen entsprechen. Die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner vor Übergriffen muss durch geeignete Maßnahmen jederzeit zu gewährleisten sein. Über die genannten Bestimmungen hinaus sind geeignete sicherheitstechnische Schutzmaßnahmen festzulegen, die gegen Übergriffe von außen sichern. Alleinstehende Männer und Frauen sind grundsätzlich getrennt unterzubringen, es sei denn die betroffenen Personen wünschen ausdrücklich etwas anderes. Bei der Belegung der Unterkünfte ist nach Möglichkeit auf Herkunft, individuelle Lebenslage, Religionszugehörigkeit etc. Rücksicht zu nehmen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit von Personen wie Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlebt haben, ist Rechnung zu tragen. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 6

Es ist für angemessenes Mobiliar und Einrichtungen des Informationszugangs zu sorgen. Den Bewohnerinnen und Bewohnern ist die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung ihrer Wohnbereiche zu bieten. Gemeinschaftsräume, Infrastruktur und Einrichtungen für Kinder In den Gemeinschaftsunterkünften müssen ausreichend Gemeinschaftsräume mit der entsprechenden Infrastruktur vorhanden sein. Dazu gehören Einrichtungen zur Erledigung der normalen Hygienebedürfnisse (Waschmaschinen), der Nahrungszubereitung (Herd) und des Informationszugangs (Fernseher). Es sollten ausreichend Trockenräume vorhanden sein und Plätze zum unterstellen von Fahrrädern. Sind regelmäßig Kinder in der Unterkunft untergebracht, so ist ein Spielzimmer unter Berücksichtigung pädagogischer Maßstäbe einzurichten. Auf eine kindersichere Ausstattung der Einrichtung ist besonders zu achten. Auch ist ein Kinderspielplatz einzurichten, sofern regelmäßig Kinder in der Unterkunft untergebracht sind. In der Heizperiode müssen die Unterkünfte ausreichend beheizt werden. Es muss mindestens ein Fernsprechapparat, der anrufbar ist, vorhanden sein, der Notruf muss kostenfrei möglich sein. Die Außenanlagen sollten ansprechend, d.h. auch möglichst grün gestaltet sein. Betreuung und soziale Arbeit Flüchtlinge und Asylsuchende bedürfen der qualifizierten Begleitung und Betreuung durch Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen. Dabei muss zwischen der sozialen Betreuung und der Beratung im Asylverfahren unterschieden werden. Es ist sicherzustellen, dass in den Gemeinschaftsunterkünften ein Auszugsmanagement eingerichtet wird, dass einen Übergang in Wohnungen unterstützt (z.b. Hilfe bei Übernahme der Mietkaution, Ausstellung von Wohnberechtigungsscheinen, Verträgen mit Wohnungsbaugesellschaften zur Bereitstellung von geschützten Wohnsegmenten für Flüchtlinge). Die soziale Arbeit mit Flüchtlingen muss auf die besonderen Lebenslagen der Menschen eingehen. Oftmals sind Flüchtlinge Opfer von Menschenhandel, Vergewaltigte, Personen mit psychischen Störungen, Opfer von Folter und sexueller Gewalt (z.b. Verstümmelung der weiblichen Genitalien). Wir fordern und setzen uns dafür ein, dass Flüchtlinge und Asylsuchende die Möglichkeit erhalten, schneller einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 7

Eine gute Integration in den Arbeitsmarkt ist auch von den Arbeitsagenturen zu fördern und zu unterstützen. Betreiber von Flüchtlingsunterkünften halten Personal für Reinigungs-, Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten sowie ggf. für Wachschutz vor und sind für den ordnungsgemäßen Betrieb der Gemeinschaftsunterkunft verantwortlich. Dabei können die Flüchtlinge sinnvoll in diese Arbeiten (z.b. Reinigung) einbezogen werden. Das Personal muss, unabhängig davon in welchem Bereich es eingesetzt wird, ausreichend für die Arbeit mit Flüchtlingen und Migrantinnen/Migranten geschult und interkulturell kompetent sein. Eine regelmäßige Überprüfung der Unterkünfte und ihres Umfeldes auf Einhaltung der Mindeststandards durch kommunale Instanzen ist sicherzustellen. Für die Sozialarbeit ist für bis zu 90 Wohnheimplätze eine Vollzeitkraft mit sozialpädagogischer bzw. Sozialarbeiter-Qualifikation oder eine Person mit vergleichbarer Ausbildung einzustellen. Darüber hinaus ist externen Fachkräften im Bereich der Flüchtlingsbetreuung (kirchlichen Einrichtungen, NGOs, Rechtsbeiständen, UNHCR, usw.) Zugang zur Einrichtung zum Zwecke der Durchführung von Beratung zu gewähren. Auch diese ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer müssen koordiniert und geschult werden. Eine unentgeltliche Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Wahrnehmung von Beratungs- und Betreuungsaufgaben (z.b. auch für Hausaufgabenhilfe) sollte ebenso gewährleistet sein, wie die Nutzung von Gemeinschaftsräumen durch Selbstorganisationen der Bewohnerinnen und Bewohner. Es ist dringend geboten, ein schnelles Angebot an Sprach- und Integrationskursen bereitzustellen. Bei Kindern und Jugendlichen ist die schulische Integration zu fördern. Dazu gehört auch die Betreuung von Flüchtlingskindern in kleineren Lern-Gruppen. Es muss gewährleistet sein, dass Jugendlichen der Aufenthalt bis zum Ende der Ausbildung gewährt wird. SGK Hessen e.v. Beschluss der LDK vom 20.6.15 8