Regeln und Regulierung zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Transkript:

Regeln und Regulierung zwischen Wunsch und Wirklichkeit Prof. Dr. Horst Gischer Geschäftsführender Direktor Forschungszentrum für Sparkassenentwicklung e.v. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 5. Magdeburger Finanzmarktdialog Basel III Ende der regionalen Kreditwirtschaft? Magdeburg, 07. Juni 2012

Agenda Wie Regeln regeln kursorische Regelkunde Regeln in der Finanzkrise Was ist zu tun? Regulierung über Regeln Chimäre des level playingfield Plädoyer für gruppenbezogene Regulierung 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 2

Wie Regeln regeln bewusste und geplante Selbstbindung Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten Ausschluss besonders unerwünschter Ereignisse Verkürzung von Reaktionszeiten Begrenzung von Wirkungsverzögerungen Transparenz von Ursache-Wirkungs- Zusammenhängen Stabilisierung von Verhaltensweisen Kontrollsicherheit 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 3

Regelkunde (I) Rechtsgrundsätze vs. Konventionen im Verkehr erforderliche Sorgfalt [ 276 Abs. 2 BGB] Fairness gesellschaftliche vs. ökonomische Regeln Entscheidungsrechte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung starre vs. flexible Regeln Friedmansche k %-Regel Taylor-Regel Per-se Rules vs. Rules of Reason Kartellverbot Zusammenschlusskontrolle 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 4

Regelkunde (II) State verification- vs. Trigger-Rules Abseitsstellung Vergehen Sunset-Rules Vermögensteuer [BVerfG, Beschluss vom 22. 6.1995-2 BvL 37/ 91] regel-analoges Verhalten systematische Reaktion auf der Basis eines im Voraus festgelegten Handlungsrahmens [Gischer/Herz/Menkhoff 2012, S. 300 f.] 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 5

Regeln in der Finanzkrise Exemplarisch und (weitgehend) beliebig: IFRS-Bilanzierung IRB-Ansatz zur Messung des Ausfallrisikos EWU-Regeln zur öffentlichen Verschuldung Eigenkapitalabgrenzung für Kreditinstitute knappe Charakterisierung der Probleme an einem Beispiel 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 6

Illustration: IRB-Ansatz (I) Ziel: Ermittlung der erforderlichen Eigenmittel bei gegebenem Bestand an Risikoaktiva Verfahren: Eigenmittel = Exposure at Default Risikogewicht ± Wertberichtigungsvergleich Es gilt: Risikogewicht = Loss Given Default (bedingte Probability of Default prognostizierte Probability of Default) Maturity aufsichtlicher Skalierungsfaktor [Hartmann- Wendels/Pfingsten/Weber 2010, S. 615] 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 7

Illustration: IRB-Ansatz (II) Oder wesentlich einfacher: Risikogewicht = Loss Given Default pro Einheit Exposure at Risk (Value at Risk Expected Loss pro Einheit Exposure at Risk und Loss Given Default) Maturity Hinweis: im fortgeschrittenen IRB-Ansatz lassen sich zusätzlich unternehmensindividuelle Freiheitsgrade nutzen 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 8

Illustration: IRB-Ansatz (III) (adverser) Anreiz für Kreditinstitut: Maximierung der risikotragenden Aktiva bei gegebenen Eigenmitteln unter Regulierungsaspekten absolut kontraproduktiv 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 9

Was ist zu tun? (I) prinzipienbasierte Regulierung mit einer deutlichen Reduzierung der unübersichtlichen, widersprüchlichen und damit intransparenten Detailregeln weniger prozyklisch wirkende Bankenregulierung durch differenzierte Anpassung der Eigenkapitalanforderungen und Bilanzierungsrichtlinien Anbindung der Regelsetzer (z.b. IASB) an die staatliche Aufsicht 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 10

Was ist zu tun? (II) konsequente Unterscheidung zwischen systemisch relevanten und systemisch nichtrelevanten Banken Wiederherstellung eines effektiven Konkursrisikos auch systemisch relevanter Banken 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 11

Regulierung über Regeln Regulierung als Folge von Marktversagen im Rahmen der Finanzmarktregulierung sind verschiedene Regelungen sinnvoll Haftungsregeln Liquiditätsregeln Bilanzstrukturregeln Organisationsregeln Insolvenzregeln aber: was für wen? 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 12

Chimäre des level playingfield Harmonisierung vs. Vereinheitlichung oder Vielfalt vs. Einfalt? Aufsichtsintensität abhängig von Gefährdungspotenzial frei verkäufliche, apothekenpflichtige, rezeptpflichtige Medikamente Führerscheinklassen und anforderungen Rechnungslegungsvorschriften und Unternehmensgröße Warum nicht bei der Bankenaufsicht? 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 13

Plädoyer für gruppenbezogene Regulierung neuerdings auch vorgeschlagen von EZB- Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen: EBA für systemrelevante Banken nationale Regulierung für alle übrigen Kreditinstitute letztendlich Frage der inhaltlichen Ausgestaltung z.b. Bankenunion mit gemeinsamer Einlagenund Insolvenzsicherung alternative Varianten denkbar in jedem Fall: Abstufung des Regulierungsprofils 5. Magdeburger Finanzmarktdialog, 07. Juni 2012 14