Die Nachkriegszeit in der Oberpfalz Entnazifizierung, schwarzer Markt und Währungsreform Eine im Rahmen des Modellprojektes entwickelte Kurzsequenz für den Geschichtsunterricht in der 10. Jahrgangsstufe I. Konzeption Die Arbeit mit den Quellen bzw. der Darstellung der Währungsreform und den dazugehörigen Arbeitsblättern im Archiv (Dauer 2-3 Unterrichtsstunden) sollte eingebettet sein in die im Lehrplan der 10. Jahrgangsstufe vorgesehene ca. 7-stündige Unterrichtssequenz über Deutschland als Problem der europäischen und internationalen Politik 1945-1949. Folgende Themen daraus sollten im Unterricht bereits vor dem Archivbesuch zumindest kursorisch behandelt worden sein: 1) Abrechnung mit dem Nationalsozialismus und politischer Wiederbeginn in den Besatzungszonen: Nürnberger Prozess und Entnazifizierung. 2) Wiederaufleben und Neugründung der Parteien; Errichtung der Länder und Wiedergründung des Freistaats Bayern 3) Zielsetzungen der Alliierten in Deutschland und Europa; Eindämmungspolitik der Angloamerikaner 4) Zusammenschluss und Abgrenzung der Besatzungszonen; Währungsreform und Beginn der Berlin-Blockade II. Lernziele: Beim Archivtag im Staatsarchiv, sollte folgendes erreicht werden: - Die Schüler sollen einen Einblick in die Aufgaben, Funktionsweise und Bedeutung eines Archivs als Gedächtnis eines Staates erhalten. - Ihnen wird deutlich, dass Vorgänge wie die Entnazifizierung, der wirtschaftliche und politische Wiederaufbau und die Währungsreform nicht nur Auswirkungen auf das Leben in den Großstädten hatten, sondern auch das Alltagsleben in ihrer ländlich-kleinstädtisch strukturierten Heimat prägten.
2 - Die Schüler lernen, historische Quellen im Hinblick auf bestimmte Fragestellungen zu analysieren und ihre Aussagekraft kritisch zu bewerten. - Sie erkennen dabei, dass die Anworten, die Quellen auf solche historische Fragestellungen bereit halten, nicht immer sofort offensichtlich sind, und dass sich der Historiker bei seiner Suche nach diesen Antworten bemühen muss, für seine Zwecke relevantes Material von weniger relevantem zu unterscheiden. Ferner wird ihnen bewußt, dass es gerade für die Gewinnung von umfassenden Erkenntnissen über die Nachkriegszeit in Deutschland unerlässlich ist, sich sowohl mit fremdsprachigen Quellen als auch mit den Sichtweisen von nichtdeutschen Akteuren und Beobachtern auseinanderzusetzen. - Insofern bietet dieses Archivprojekt eine optimale Gelegenheit, das durch das gymnasiale Prinzip des Fachunterrichts sonst eher noch geförderte Schubladendenken vieler Schüler zu durchbrechen und ihnen an einem Beispiel vor Augen zu führen, warum ein fächerübergreifender Ansatz zur Bewältigung eines komplexen Aufgabenstellung in der Praxis oft unabdingbar ist. - Die Schüler begreifen, dass demokratische und rechtsstaatliche Verfahrensweisen nichts Selbstverständliches sind, sondern ein Gut, das von jeder Generation aufs neue eingeübt bzw. verteidigt werden muss, wenn es erhalten bleiben soll. Dabei ist jeder einzelne Staatsbürger gefordert und kann seine Verantwortung nicht einfach auf Politiker oder die Medien abschieben. - Ihnen wird bewusst, dass auch Darstellungen in Schul- oder Sachbüchern kritisch daraufhin zu überprüfen sind, ob die dort vertretenen Thesen mit den historischen Quellen übereinstimmen oder inwiefern sie ihnen widersprechen und warum. - Sie erkennen am Beispiel der zunächst vielfach skeptischen Einschätzungen der Währungsreform und ihrer Auswirkungen, dass der weitere Verlauf der Geschichte nicht von vornherein determiniert ist und dass sich historische Vorgänge aus der Distanz mehrerer Jahrzehnte für den Betrachter oft anders darstellen als für die unmittelbar betroffenen Zeitgenossen. - Darüber hinaus bietet die arbeitsteilige Gruppenarbeit im Archiv auch eine gute Möglichkeit, wichtige Aspekte des Sozialverhaltens, wie Teamfähigkeit oder effiziente und faire Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe, zu vertiefen.
3 III. Verwendete Quellen Primärquellen zur Nachkriegszeit in der Oberpfalz: - OMGUS-Akten auf Mikrofilm shipment 9, box 42-1, folder 13 box 73-1, folder 43 box 73-2, folder 26 box 81-3, folder 1 box 83-1, folder 3 shipment 10, box 80-1, folder 10 Sekundärliteratur zur Währungsreform: Jürgen Weber, Das Entscheidungsjahr 1948, hrsg. von der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit, München, 3.Auflage, 1986 IV. Tipps zur Durchführung - Der Termin für den Archivtag einer Klasse sollte ca. 4 Wochen im voraus vereinbart werden, sobald feststeht, wann die Durchnahme der in Kapitel I aufgeführten Stundenthemen abgeschlossen sein wird. - Die Schüler müssen im Vorfeld des geplanten Archivtages darauf hingewiesen werden, dass sie sich auf die Auswertung deutscher und englischer Quellentexte einstellen müssen. Nach meiner Erfahrung als Englischlehrer dürfte das aber zumindest solche Schüler der 10. Jahrgangsstufe, die Englisch als erste Fremdsprache gewählt haben, nicht vor unlösbare Probleme stellen). Zur erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe brauchen die Schüler aber unbedingt ein leistungsfähiges, oberstufentaugliches englisch-deutsches Wörterbuch (Langenscheidts Großes Schulwörterbuch oder Ähnliches) - Bei der bisherigen Durchführung von vergleichbaren, im Rahmen von entwickelten Unterrichtsprojekten begann der Archivtag selbst jeweils mit einer Einführung in die Aufgaben eines Archivs durch Herrn Archivoberrat Fritsch, der den Vortragssaal stets liebevoll mit eindrucksvollen Archivalien wie mittelalterlichen Kaiserurkunden und handkolorierten Gebäudeansichten dekoriert, die ein normaler Besucher nicht zu Gesicht bekommt. Je anschaulicher diese Archivalien sind, auf desto größeres Interesse stoßen sie bei den Schülern. Insgesamt nimmt diese Einführung ca. 60 Minuten in Anspruch. Nach einer
4 kurzen Pause (Brotzeit und Getränke müssen mitgebracht werden!) sind für die eigentliche Projektarbeit gut zwei Schulstunden vorgesehen. Die Schüler werden in Gruppen von je 3-4 Teilnehmern eingeteilt und bekommen zusammen mit den für ihre Gruppe vorgesehenen Kopien von Archivalien auch Arbeitsblätter mit den jeweiligen Arbeitsaufträgen. Die erste wichtige Aufgabe für jede Gruppe ist nun, die Arbeit an den - im Vergleich zu Quellen aus dem Schulbuch - meist umfangreicheren und zum teil fremdsprachigen Materialien fair und effizient unter die einzelnen Gruppenmitglieder aufzuteilen, wobei besonders darauf zu achten ist, dass leistungsschwächere Schüler zwar angemessen beteiligt, aber nicht überfordert werden. - Komplexere Gruppenaufträge können auch mehrfach, d.h. an verschiedene Gruppen, vergeben werden, falls die Klasse verhältnismäßig groß ist. - Jede Gruppe ist gehalten, ihre Antwort knapp und präzise zu formulieren, so dass sie als Grundlage für den abschließenden Vergleich der Ergebnisse und die Diskussion darüber dienen kann. Diese Auswertung kann entweder in der nächsten Unterrichtsstunde oder noch im Archiv erfolgen, wobei zu beachten ist, dass im Archiv zwar ein Overheadprojektor, aber keine Tafel zur Verfügung steht. - Gruppen, die ihre Arbeit vorzeitig erfolgreich beendet haben, können u.u. anschließend die Möglichkeiten der Computerrecherche im Archiv (etwa zur Familien- oder zur Wohnortsgeschichte) erproben. Bei größeren Klassen erscheint es aufgrund der beschränkten Kapazitäten sinnvoll, die Klasse zu teilen und die Gruppen gestaffelt zur Auswertung der Archivalien und bzw. zur Führung durch die Magazinräume einzuteilen.
5 GRUPPE 1: DEMOKRATISIERUNG 1) Welche Hindernisse auf dem Weg zur Demokratisierung Deutschlands werden durch die Vorgänge bei der ersten Gemeinderatswahl in Fürnried nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches deutlich? 2) Beschreibe in eigenen Worten die Einstellung der führenden Lokalpolitiker in Amberg zur Rolle der Presse und zur Idee von Grundrechten jedes Bürgers, die der Staat nicht antasten darf. 3) Was kann der einzelne Bürger tun, um gegen Vorgänge wie in Fürnried oder in Amberg einzuschreiten?
6 GRUPPE 2: WÄHRUNGSREFORM 1948-1. TEIL 3) Welche Auswirkungen hat die Währungsreform von 1948 auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln? 4) Wer wird am meisten unter den Auswirkungen der Währungsreform zu leiden haben? 5) Wie denkt die deutsche Öffentlichkeit über die Währungsreform?
7 GRUPPE 3: WÄHRUNGSREFORM 1948-2. TEIL 6) Warum fallen die Preise nach der Währungsreform nicht, wie der spätere Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard dies erwartet hat? 7) Wie entwickeln sich die Löhne nach der Währungsreform? 8) Welche Widersprüche ergeben sich zwischen der Darstellung der wirtschaftlichen Lage nach der Währungsreform im vorliegenden Geschichtsbuch aus dem Jahre 1986 (Auszug aus Das Entscheidungsjahr 1948, hrsg. v. d. Landeszentrale für politische Bildung Bayern, Bayern) und der Darstellung der Lage in den Quellen des Staatsarchivs aus dem Jahre 1948? Überlegt, wie diese Widersprüche erklärbar sind.
8 GRUPPE 4: ERNÄHRUNG, SCHWARZMARKT UND WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG IN DEN NACHKRIEGSJAHREN 9) Wie wirkt sich die seit 1941 anhaltend schlechte Ernährungslage auf den Alltag von Schülern aus? 10) Welche Prognose gibt der Leiter des Gesundheitsamtes in Amberg über die künftige wirtschaftliche Entwicklung ab? Wie begründet er diese Prognose? 11) Wo spielt sich der Schwarzhandel in Amberg hauptsächlich ab? Markiert die Gegend auf der beiliegenden Karte mit wasserlöslichem Folienstift. Mit welchen Waren wird auf dem Schwarzmarkt vor allen Dingen gehandelt?
9 12) Warum werden bestimmte Waren wie Kaffee, Schokolade oder Eier nach der Währungsreform nicht mehr auf dem Schwarzmarkt gehandelt?
10 GRUPPE 5: ENTNAZIFIZIERUNG 13) Mit welchen Mitteln versuchen frühere Nazis ihren Ausschluss aus einflussreichen Positionen des öffentlichen Lebens zu unterlaufen? 14) Weshalb können sie damit beachtliche Erfolge erzielen? 15) In welcher Weise versuchen deutsche Lokalpolitiker bereits 1945, die Entnazifizierung ihrer Gemeinden auf eigene Faust durchzuführen? Welche Haltung nimmt die amerikanische Militärregierung zu diesen Aktivitäten ein?
11 16) Aus welchen Gründen betrachten die örtlichen Vertreter der amerikanischen Militärregierung in Regensburg und Weiden im Jahr 1948 die Entnazifizierung als weitgehend fehlgeschlagen?
12 GRUPPE 1: DEMOKRATISIERUNG 1) Welche Hindernisse auf dem Weg zur Demokratisierung Deutschlands werden durch die Vorgänge bei der ersten Gemeinderatswahl in Fürnried nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches deutlich? 2) Beschreibe in eigenen Worten die Einstellung der führenden Lokalpolitiker in Amberg zur Rolle der Presse und zur Idee von Grundrechten jedes Bürgers, die der Staat nicht antasten darf. 3) Was kann der einzelne Bürger tun, um gegen Vorgänge wie in Fürnried oder in Amberg einzuschreiten?
13 GRUPPE 2: WÄHRUNGSREFORM 1948-1. TEIL 3) Welche Auswirkungen hat die Währungsreform von 1948 auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln? 4) Wer wird am meisten unter den Auswirkungen der Währungsreform zu leiden haben? 5) Wie denkt die deutsche Öffentlichkeit über die Währungsreform?
14 GRUPPE 3: WÄHRUNGSREFORM 1948-2. TEIL 6) Warum fallen die Preise nach der Währungsreform nicht, wie der spätere Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard dies erwartet hat? 7) Wie entwickeln sich die Löhne nach der Währungsreform? 8) Welche Widersprüche ergeben sich zwischen der Darstellung der wirtschaftlichen Lage nach der Währungsreform im vorliegenden Geschichtsbuch aus dem Jahre 1986 (Auszug aus Das Entscheidungsjahr 1948, hrsg. v. d. Landeszentrale für politische Bildung Bayern, Bayern) und der Darstellung der Lage in den Quellen des Staatsarchivs aus dem Jahre 1948? Überlegt, wie diese Widersprüche erklärbar sind.
15 GRUPPE 4: ERNÄHRUNG, SCHWARZMARKT UND WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG IN DEN NACHKRIEGSJAHREN 9) Wie wirkt sich die seit 1941 anhaltend schlechte Ernährungslage auf den Alltag von Schülern aus? 10) Welche Prognose gibt der Leiter des Gesundheitsamtes in Amberg über die künftige wirtschaftliche Entwicklung ab? Wie begründet er diese Prognose? 11) Wo spielt sich der Schwarzhandel in Amberg hauptsächlich ab? Markiert die Gegend auf der beiliegenden Karte mit wasserlöslichem Folienstift. Mit welchen Waren wird auf dem Schwarzmarkt vor allen Dingen gehandelt?
16 12) Warum werden bestimmte Waren wie Kaffee, Schokolade oder Eier nach der Währungsreform nicht mehr auf dem Schwarzmarkt gehandelt?
17 GRUPPE 5: ENTNAZIFIZIERUNG 13) Mit welchen Mitteln versuchen frühere Nazis ihren Ausschluss aus einflussreichen Positionen des öffentlichen Lebens zu unterlaufen? 14) Weshalb können sie damit beachtliche Erfolge erzielen? 15) In welcher Weise versuchen deutsche Lokalpolitiker bereits 1945, die Entnazifizierung ihrer Gemeinden auf eigene Faust durchzuführen? Welche Haltung nimmt die amerikanische Militärregierung zu diesen Aktivitäten ein?
18 16) Aus welchen Gründen betrachten die örtlichen Vertreter der amerikanischen Militärregierung in Regensburg und Weiden im Jahr 1948 die Entnazifizierung als weitgehend fehlgeschlagen?