Das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie (BGBl 1996/759) Die Änderungen im Bereich der EO ( 382b - 382d)

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Transkript:

Das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie (BGBl 1996/759) Die Änderungen im Bereich der EO ( 382b - 382d) Autor RAA Mag. Hannes Sykora, Wien Norm 382b - 382d EO. G zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl 1996/759. Fundstelle AnwBl 1998, 292 Langtext Das neue Gesetz Ziel der Neuerungen ist es, den von jedweder Art von Gewalt im Familienkreis Bedrohten umfassenden Schutz zu gewähren. Ausdrücklich mitumfaßt ist nicht nur physische Gewalt (die schon im alten 382 (1) Z 8 lit b EO geregelt war), sondern auch explizit jede Art von psychischer Gewalt. Es genügt jedes Verhalten, das geeignet ist, die psychische Gesundheit erheblich zu gefährden. Zwar ist auch diese Formulierung interpretationsbedürftig, doch ergibt sich aus einem Vergleich mit der alten Regelung, daß die Erheblichkeitsschwelle stark herabgesetzt wurde, zumal nunmehr auch das weitere Zusammenleben nicht mehr unerträglich, sondern bloß unzumutbar sein muß. Die bisherigen Entscheidungen zur Unerträglichkeit des Zusammenlebens sind damit natürlich weiterhin als Voraussetzung für eine Einstweilige Verfügung (EV) nach 382b EO heranzuziehen, doch ist nunmehr auch zu prüfen, ob in den Fällen, in denen früher keine EV erlassen wurde, weil das Zusammenleben nicht unerträglich schien, nun eine Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens anzunehmen ist (vgl EFSlg 32.299, 41.985, 44.273, 55.262, 55.265, 64.377...) Die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens Nach der alten Rechtslage wurde der Begriff der Unerträglichkeit des Zusammenlebens konkretisiert. Unzumutbarkeit hingegen erfuhr keine nähere Bestimmung. Es ist allerdings ein Vergleich mit 92 ABGB zulässig, wo ebenfalls auf die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens abgestellt wird. Unzumutbar ist demnach: ++ wenn die körperliche Integrität des Antragstellers (ASt) schwer beeinträchtigt wird, und zwar auch dann, wenn sich der Täter durch das vorangegangene Verhalten des ASt gekränkt oder provoziert erachtete ++ bei unleidlichem oder schikanösem Verhalten des Antragsgegners (AG) ++ bei ehewidrigen (FN 1) Beziehungen des AG, insbesondere, wenn der ASt damit in der Ehewohnung konfrontiert wird Nicht unzumutbar ist dagegen: ++ wenn der AG die Unterhaltspflicht verletzt ++ wenn der AG Interesselosigkeit an der Aufrechterhaltung der Ehe spüren läßt ++ der Verdacht ehewidriger Beziehungen des AG

++ fallweise Beschimpfungen ++ eine einmalige Tätlichkeit Die neuen Maßnahmen ++ 215 (1) letzter Satz ABGB: Der Jugendwohlfahrtsträger kann Anträge auf Erlassung einer EV stellen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter säumig ist bei Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens ++ 382b (1) Z 1 EO: EV mit dem Auftrag an den Antragsgegner, die Wohnung zu verlassen ("Wegweisung") ++ 382b (1) Z 2 EO: EV mit dem Verbot, in die Wohnung zurückzukehren ("Rückkehrverbot") bei Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens ++ 382b (2) Z 1 EO: EV mit dem Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten ++ 382b (2) Z 2 EO: EV mit dem Verbot des Zusammentreffens und jeder Kontaktaufnahme ++ 38a (1) SPG: Wegweisung aus der Wohnung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ("Wegweisung" nach dem SPG) ++ 38a (2) SPG: Rückkehrverbot durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ("Rückkehrverbot" nach dem SPG) Das neue Verfahren ++ 382c (1) EO: von der Anhörung des AG ist abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung unmittelbar droht (FN 2). Dabei kann sich das Gericht unmittelbar auf die Berichte der Sicherheitsbehörde stützen (was ein Vorgehen nach 38a SPG voraussetzt). Das bedeutet, daß das Gericht von der Anhörung des AG absehen muß, wenn es als glaubwürdig anzusehen ist, daß eine weitere Gefährdung droht. In weiterer Folge muß aber in diesem Fall auch die EV erlassen werden - soferne ein dringendes Wohnbedürfnis des ASt vorliegt - da ja die einzigen Voraussetzungen dafür das dringende Wohnbedürfnis der gefährdeten Partei und die Gefahr einer weiteren Gefährdung sind (FN 3). ++ 382c (2) EO: der Auftrag zum Verlassen der Wohnung (und wohl - praeter legem - auch das damit einhergehende Rückkehrverbot) ist dem AG beim Vollzug zuzustellen. ++ Der Antrag auf Erlassung einer EV nach 382b EO ist dem AG nur dann zuzustellen, wenn er nach einem Rückkehrverbot nach dem SPG gestellt wurde (FN 4). Beachtenswert ist auch, daß das Verfahren und der Vollzug, die durch die 382c und 382d EO geregelt werden, nur auf EV nach 382b Abs 1 EO anzuwenden sind (FN 5), während EV nach 382b Abs 2 EO weiter nach den 354 ff EO anzuordnen und zu vollziehen sind. Das bedeutet, daß bei einer EV nach 382b Abs 2 EO der Antragsgegner angehört werden kann ( 358 EO), und unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt nicht anwendbar ist, sondern der entsprechende Zustand bloß durch Beugestrafen hergestellt werden

kann ( 354 EO). Die nahen Angehörigen Der Kreis der geschützten Personen wurde im Vergleich zur alten Regelung erheblich erweitert. Nicht umfaßt sind aber Ex-Ehegatten und Ex-Lebensgefährten. Zwar käme in der Regel bei diesen bloß eine EV nach 382b Abs 2 EO in Betracht, doch scheitert eine solche an der mangelnden Aktivlegitimation des Antragstellers. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung ist aber bekannt, daß eine Scheidung bzw die Auflösung einer Lebensgemeinschaft ein großes Aggressionspotential birgt. Nicht selten kommt es zu Belästigungen durch den Ex-Partner. In diesen Fällen besteht aber für das Gericht keinerlei Möglichkeit, der gefährdeten Partei in irgendeiner Weise Schutz zu bieten. Ein Antrag auf Erlassung einer EV nach 382b EO ist zurückzuweisen. Gleiches gilt für seit mehr als drei Monaten getrennt lebende Partner. Andererseits sind Personen geschützt, die keinesfalls schutzbedürftig sind: So sind Geschwister samt deren Ehegatten/Lebensgefährten und allen Verwandten in gerade Linie samt deren Ehegatten/Lebensgefährten geschützt, ebenso wie alle Verwandten in gerader Linie der Ehegatten/Lebensgefährten und die Geschwister der Ehegatten/Lebensgefährten. Weshalb alle Verwandten in gerader Linie und die Geschwister des Ehegatten/Lebensgefährten zu schützen sind, ist nicht nachvollziehbar, da bei schwerwiegenden Verstößen physischer oder psychischer Art gegen diese Personen, die dazu dienen, den eigenen Partner zu kränken, dieser ohnehin eine EV nach 382b EO beantragen kann. Die Möglichkeit dieser Personen, eine Wegweisung samt Rückkehrverbot, ja sogar ein Aufenthaltsverbot und Verbot der Kontaktaufnahme zu erwirken, geht weit über die angestrebte Intention des Gesetzes hinaus. Normzweck sollte jedenfalls der Schutz der engeren Familie und nicht der Schutz der Großfamilie bleiben. Ungewollte Folge dieser Regelung wird wohl sein, daß - soferne die Möglichkeiten des Gesetzes ausgeschöpft werden - Eheprobleme gefördert werden, die eher zu einer Auflösung der ehelichen oder Lebensgemeinschaft führen, weil Verwandte des Partners ihre Macht ausspielen (FN 6). Anhand von einigen fiktiven Beispielen sei aufgezeigt, wie unausgereift die Formulierung des neuen Gesetzes noch ist: ++ Es kann der Lebensgefährte der Tochter, der in häuslicher Gemeinschaft mit dem Eigentümer der Wohnung - weil bei dessen Tochter - lebt, diesen aus der Wohnung weisen lassen und ein Rückkehrverbot erwirken, weil durch diesen seine physische oder psychische Gesundheit gefährdet erscheint (Quereleien, tägliche Kritik,...) ++ Die als Prostituierte arbeitende Schwester des Ehegatten, die mangels eigener Wohnung im Haus des Bruders und dessen Gattin wohnt, stellt einen Antrag auf Erlassung einer EV nach 382b EO gegen ihre Schwägerin, weil diese ihr täglich den unsittlichen Lebenswandel vorhält (= Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit) Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Zu beachten ist dabei vor allem, daß trotz enormer Ausdehnung des geschützten Personenkreises und Herabsetzung der Grenze, ab der eine EV erlassen werden kann, eine Interessenabwägung nicht stattzufinden hat. Wie auch schon die alte Regelung stellt auch der neue 382b (1) EO bloß auf die Gefährdung und das dringende Wohnbedürfnis ab (zb: EFSlg 34.701, 34.702), nicht aber auf Interessen des AG. Die häusliche Gemeinschaft Sehr problematisch ist auch die Formulierung der "häuslichen Gemeinschaft", vor allem in bezug auf die Lebensgemeinschaft. Zwar ist die häusliche Gemeinschaft keine "conditio sine qua non" für die Annahme einer Lebensgemeinschaft (soferne die anderen Voraussetzungen, wie Wirtschaftsgemeinschaft, Geschlechtsgemeinschaft, auf Dauer angelegt vorliegen), andererseits ist ein Lebensgefährte nur dann geschützt, wenn er in häuslicher Gemeinschaft mit dem Partner lebt. Auch ist es praktisch schwer nachvollziehbar, wie das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft nachgewiesen werden kann, wenn die Partner keine häusliche Gemeinschaft haben. Die Judikatur und Literatur zur Lebensgemeinschaft gibt diesbezüglich keine weiteren Anhaltspunkte. Wichtigstes Element ist nach der Judikatur aber der Wille der Partner, für eine längere Zeit zusammenzubleiben. Realitätsfern ist es aber, die häusliche Gemeinschaft als Voraussetzung für eine EV nach 382b EO festzuschreiben. Man bedenke nur jene Fälle, in denen die Lebenspartner nicht in häuslicher Gemeinschaft leben, weil der eine aus beruflichen Gründen getrennt leben muß (FN 7). Das Gesetz stellt nur auf die tatsächliche Hausgemeinschaft ab. Jede andere Interpretation dieser Formulierung wäre sinnentfremdend. Solche Streitteile aber sind zur Antragstellung nach 382b EO nicht aktivlegitimiert. Dazu nur zwei Beispiele: ++ Der Ehemann - ein Stahlmonteur, der bloß alle zwei Monate für ein Wochenende nach Hause kommt - beschimpft und mißhandelt seine Partnerin bei seinen "Besuchen" aufs heftigste. Mangels häuslicher Gemeinschaft scheitert eine EV. ++ Der auswärts arbeitende Ehemann - ein Computertechniker, der Sicherheitssysteme auf Flughäfen installiert, und daher bloß alle drei Monate nach Hause kommen kann - wird gekündigt. Seine Partnerin hat zwischenzeitlich eine ehewidrige Beziehung begonnen, und der andere Mann lebt in der Ehewohnung. Der Ehegatte kann trotz Vorliegens aller anderen Voraussetzungen keine EV beantragen. Völlig verfehlt ist schließlich das Abstellen auf die häusliche Gemeinschaft bei einer EV nach Abs 2 leg cit. Verhindert werden soll danach das Zusammentreffen der Streitteile bzw deren Kontaktaufnahme. Dabei ist es aber völlig irrelevant, ob zuvor eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Auch der getrennt lebende Partner kann Psychoterror ausüben oder den Partner bei jedem Zusammentreffen mißhandeln. Eine EV scheitert aber an der Aktivlegitimation. Probleme Hinsichtlich des "körperlichen Angriffs" und des "dringenden Wohnbedürfnisses" sei auf die unzähligen Entscheidungen verwiesen, da diesbezüglich die neuen Regelungen keine Veränderungen bringen (zb: EFSlg 34.685; 34.690 bis 34.699, 34.701 (!), 44.252, 44.278 (mwn):...).

Zu beachten ist jedenfalls, daß eine EV nach 382b EO einen erheblichen Eingriff in die persönlichen Rechte des Antragsgegners darstellt. Unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzes, den Frieden zwischen den Streitteilen zu sichern, sollte eine EV nur dann erlassen werden, wenn keine andere Lösung in Betracht kommt. Aber selbst dann sollte immer die geringste Beeinträchtigung des AG verfügt werden. Dabei ist auf die Lebensverhältnisse und das Milieu der Streitteile Bedacht zu nehmen (EF 44.263). So ist es in manchen Gesellschaftsschichten durchaus "normal", daß es täglich zu Streitigkeiten kommt, die jahrelang keine "psychische Beeinträchtigung" verursachen. Soferne eine Absonderung innerhalb des Wohnungsverbandes möglich ist, ohne daß die Gefahr einer allfälligen weiteren Beeinträchtigung der Integrität des ASt besteht, ist zunächst diese Lösung zu suchen. Dabei ist neben der Wohnungsgröße aber auch auf die Gefährdung abzustellen, die es zu vermeiden gilt (zb: EF 30.259, 39.422). Notwendig ist es jedenfalls, eine Prognose bezüglich des künftigen Verhaltens zu erstellen. Keinesfalls darf die EV als Sühne für ein vorangegangenes Verhalten verhängt werden, sondern Ziel der EV ist es, die Rechte der gefährdeten Partei für die Zukunft zu sichern. Diese Prognose kann naturgemäß vor allem aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit erstellt werden. Ein persönliches Bild von den Streitteilen erleichtert es dem mit der Entscheidung befaßten Richter aber, die zukünftige Entwicklung abzuschätzen. Die Nichtanhörung des AG sollte daher auf die eindeutigsten Fälle beschränkt bleiben, in denen eine weitere Bedrohung des ASt nicht bloß zu befürchten, sondern zu erwarten ist. Es muß wiederholt darauf hingewiesen werden, daß der AG bis zu einem Ausmaß von drei Monaten (bei Anhängigkeit eines "Hauptverfahrens" auch darüber hinaus) die eigene Wohnung nicht betreten darf, und, wenn ein Antrag nach Abs 2 leg cit gestellt wurde, möglicherweise gar nicht in die Nähe der Wohnung kommen darf. Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind gar nicht absehbar. Auch dazu einige Beispiele: ++ Was macht ein Handwerker, der seine Werkzeuge im Keller seines Hauses aufbewahrt, wenn er diesen nicht betreten darf, die Werkzeuge aber auch nicht in die Ausweichwohnung mitnehmen kann, weil es die räumlichen Verhältnisse nicht erlauben. Handelt es sich um "schwerwiegende Interessen" des Antragsgegners isd 382b Abs 2 letzter Satz EO, die der Erlassung der EV entgegenstehen? Bei der Erlassung einer EV nach Abs 1 leg cit wird auf solch "schwerwiegende Interessen" gar nicht abgestellt. ++ Eine telefonische Kontaktaufnahme, um sich zu entschuldigen und eine Versöhnung zu versuchen, ist als Verstoß gegen die EV zu werten und mit der Verhängung einer Beugestrafe nach 354 EO zu ahnden (!!!). ++ Nach dem Gesetzeswortlaut darf der Weggewiesene keine Gegenstände mitnehmen, die bloß zur Ausübung eines Hobbys verwendet werden, soferne sie nicht seinem alleinigen persönlichen Gebrauch dienen (FN 8). Nicht übersehen werden darf, daß durch das neue Gesetz ein

ungeheures Macht- und Vergeltungspotential eröffnet wird. Bei einer Wegweisung und einem Rückkehrverbot nach dem neuen 38a SPG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (die sich gegen jedermann richten kann), genügt die Annahme, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, und die zu schützende Person muß in irgendeiner Weise gefährdet sein. Es muß dazu nicht einmal ein gefährlicher Angriff vorangegangen sein, da das Wort "insbesondere" in 38a Abs 1 erster Satz SPG eine rein demonstrative Erwähnung eines solchen darstellt. Auch Angehörigeneigenschaft (wie im 382b Abs 3 EO) oder häusliche Gemeinschaft sind nicht vorausgesetzt. Andererseits kann sich die Wegweisung und das Rückkehrverbot nach SPG auf jede Wohnung beziehen (auch Expartner sind damit geschützt). Eine Höchstgrenze sieht das SPG auch nicht vor. Zwar ist die Maßnahme auf 7 Tage (bei einem Antrag auf Erlassung einer EV nach 382b EO auf 14 Tage) beschränkt, doch steht einer wiederholten Beiziehung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nichts im Weg. Auch muß das Rückkehrverbot nach SPG die Verhältnismäßigkeit wahren, was die EV nach 382b EO nicht muß. Dauer der EV Soferne nicht ein Hauptverfahren isd 382b Abs 4 EO anhängig ist, darf eine EV für maximal drei Monate verhängt werden. Dabei handelt es sich um eine absolute Höchstgrenze. Selbst wenn sich zunächst herausstellt, daß die temporäre Trennung der Streitparteien den gewünschten Effekt einer Beruhigung des Konfliktes bewirkt, kann, wenn es Jahre später zu einem Neuaufflammen der Streitereien kommt, keine EV mehr erlassen werden. Daher sollte mit der Verhängungsdauer der EV sehr sparsam umgegangen werden, und bei einer erstmaligen Verhängung die Höchstdauer nicht ausgeschöpft werden. Wenn zunächst noch kein Verfahren isd Abs 4 leg cit anhängig ist, während der Geltung der EV aber anhängig gemacht wird, ist ein Umschwenken auf eine zeitlich unbegrenzte Maßnahme nach Abs 1 bzw Abs 2 leg cit auf Antrag möglich, da die Voraussetzungen dafür somit gegeben sind. Eine Überprüfung des dringenden Wohnbedürfnisses und der Gefährdung der ASt ist aber weiterhin unumgänglich. Aber auch eine Verlängerung der Geltungsdauer der EV innerhalb der drei Monate (nach Abs 4) ist denkbar. Wird nämlich zunächst die EV nur auf eine geringe Dauer verhängt und stellt sich heraus, daß die Zeit für eine Abkühlung der Gemüter noch nicht ausreicht, so besteht die Möglichkeit, die EV - auf Antrag - zu verlängern. Voraussetzung dafür ist, daß die EV ihren Zweck noch nicht erreicht hat, die Gefährdung weiter besteht, das dringende Wohnbedürfnis weiter gegeben ist und die Verfügungsfrist im Zeitpunkt der Verlängerung noch nicht abgelaufen ist (FN 9). Zusammenfassung Unter Beachtung der erörterten Gefahren ist dem Richter ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Konfliktbereinigung in die Hand gegeben. Die zeitlich begrenzte Separation der Streitparteien sollte zu einem Abkühlen der Gemüter führen, und die für alle Beteiligten unangenehmen Folgen einer endgültigen Trennung/Scheidung können in manchen Fällen vielleicht verhindert werden. Nicht übersehen werden darf aber, daß die Formulierung des neuen Gesetzes noch einiges an Feinschliff bedarf, dessen genaues Ausmaß aber erst die praktische Anwendung zeigen wird.

Fußnoten 1) Als "ehewidrig" ist jede nicht monogame Lebensweise, gleichgültig ob im Rahmen einer Ehe oder einer Lebensgemeinschaft, zu verstehen. 2) Diese Regelung gilt bloß vor Erlassung einer EV nach 382b Abs 1 EO, dh bei Wegweisung und Rückkehrverbot. Ansonsten gilt die allgemeine Regelung, wonach es im Ermessen des Richters liegt, ob er den AG anhört oder nicht. 3) Das bedeutet, daß eine Wegweisung und ein Rückkehrverbot nach 382b Abs 1 EO ohne jede Verteidigungsmöglichkeit des AG erlassen werden kann, wenn sich aus dem Bericht der Sicherheitsbehörde und dem Vorbringen des ASt ergibt, daß eine Gefährdung droht. Bei einem solch intensiven Eingriff in die Rechte des AG scheint ein derartiges Vorgehen aber mehr als fragwürdig. 4) Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß der AG, ohne davon in Kenntnis gesetzt zu werden, aus seiner Wohnung gewiesen wird. Wenn sich nämlich aus dem Antrag der gefährdeten Partei die Prognose einer weiteren Gefährdung erstellen läßt, ist der AG nicht zu laden und ihm die EV beim Vollzug zuzustellen. 5) Der Vollzug einer EV nach Abs 1 leg cit kann nach 382d (4) EO durch unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt geschehen. 6) Praktisch wird dieses Problem möglicherweise nur geringe Relevanz bekommen, weil eine EV am dringenden Wohnbedürfnis des kritisierten, geschützten Personenkreises scheitern wird. 7) Beispielsweise Monteure etc. 8) Dabei handelt es sich aber bereits um ein stark pönales Element der Maßnahme, das mit der Zielsetzung des Gesetzes in keinem Einklang mehr steht. 9) Maßgeblich ist hier der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und nicht der Antragstellung, da die Verlängerung der EV erst mit Zustellung wirksam wird und bei Abstellen auf den Zeitpunkt des Antrags eine Schutzlücke entstünde. --- Dokument 75/77 --- Entscheidung LGZ Wien 16. 12. 1997, 43 R 1025/97x ua. Norm 382b EO. Fundstelle EFSlg 85.506 Leitsatz Beurteilungsmaßstab ist in beiden Fällen des 382b EO jener der Unzumutbarkeit. Diese bezieht sich nach Abs 1 auf das weitere Zusammenleben und nach Abs 2 auf das weitere Zusammentreffen mit dem AG. Da der Gesetzgeber somit mit Einführung des neuen 382b EO einen unbestimmten Gesetzesbegriff, nämlich die Unerträglichkeit gem 382 Abs 1 Z 8 lit b af EO, durch welchen das Verhalten des AG umschrieben wird, durch einen anderen unbestimmten Gesetzesbegriff, nämlich den der Unzumutbarkeit nach 382b nf EO, ersetzt hat, gilt es, diesen zu interpretieren, wobei aber weder das Gesetz noch die Materialien zur Novelle deutliche Abgrenzungskriterien hiefür geben. Jedenfalls wurde aber der Verhaltensmaßstab nunmehr von der ursprünglich verlangten Unerträglichkeit zur bloßen Unzumutbarkeit vermindert. Trotzdem ist aber zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob für die ASt das weitere Zusammenleben mit dem AG unzumutbar ist, weiterhin auf das bedrohte oder verletzte Rechtsgut sowie Ausmaß,

Häufigkeit und Intensität der Angriffe Bedacht zu nehmen. Falls die drohende Gefahr nicht schon wegen der Persönlichkeit des AG oder wegen der Schwere oder Häufigkeit des angedrohten oder gar zugefügten Übels wahrscheinlich ist, müssen einzelne Handlungen des AG möglichst im Zusammenhang mit seinem sonstigen Verhalten und dem Verhalten seines Ehepartners und unter Berücksichtigung des Milieus beurteilt werden. Insbes ist auch auf das zu schützende Wohl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder Bedacht zu nehmen. Schlagwort Ausweisung aus der Wohnung, Unzumutbarkeit, Zusammenleben; Kontaktverbot, Unzumutbarkeit, Zusammentreffen. --- Dokument 76/77 --- Entscheidung LGZ Wien 16. 12. 1997, 43 R 1025/97x ua. Norm 382b EO. Fundstelle EFSlg 85.507 Leitsatz Während nach der bisherigen Rechtslage die Erlassung einer EV erst bei Vorliegen einer Gewalttat möglich war, ist nunmehr bereits die Drohung mit einer solchen oder einem die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigenden Verhalten vom Schutzbereich des 382b EO umfaßt (vgl Mottl in ÖJZ 1997, 542 ff). Schlagwort Ausweisung aus der Wohnung, Zusammenleben, Unzumutbarkeit; Kontaktverbot, Unzumutbarkeit, Zusammentreffen. --- Dokument 77/77 --- Titel Wegweiserecht und Rückkehrverbot: Sicherheitspolizeiliches Einschreiten bei Gewalt "in Wohnungen" Die neue Regelung im SPG und ihre Probleme Autor Benjamin Kneihs *). Joachim Preiß *). Norm 38a, 56, 84 SPG. 382b, 382c, 382d EO. 215, 1328 ABGB. Art 5, Art 13 MRK. Art 1 PersFrSchG. Fundstelle JRP 1997, 102 Schlagwort Civil right; eigene Wohnung; Gewalt in der Wohnung; Privatleben und Familienleben; Rückkehrverbot; Schutz vor Gewalt in der Familie; Verhältnismäßigkeit; vorbeugender Schutz; Wegweisung. Langtext BEGINN TABELLE I. Einleitung II. Die neuen Regelungen im Überblick A. Einstweilige Verfügung B. Gesetzliche Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers C. Schadenersatz bei Verletzungen an der geschlechtlichen Selbstbestimmung D. Sicherheitspolizeiliches Wegweiserecht und Rückkehrverbot

E. Die Datenübermittlung an Opferschutzeinrichtungen F. Inkrafttreten der Bestimmungen III. Wegweisung und Rückkehrverbot im einzelnen A. Die Wahrnehmung der Gewalt durch die Sicherheitsorgane B. Die Frage der Strafrechtsakzessorietät im SPG C. Wegweisung 1. Rechtsform der Wegweisung 2. Räumliche und zeitliche Dimension der Wegweisung D. Rückkehrverbot 1. Rechtsform des Rückkehrverbots 2. Zur Überprüfung des Rückkehrverbots durch die Sicherheitsbehörde a) Wirksame Beschwerde? b) Strafrechtliche Anklage, Civil right? 3. Voraussetzungen des Rückkehrverbotes, Einvernehmen 4. Dauer des Rückkehrverbotes 5. "Eigene Wohnung" 6. Schlüsselabnahme 7. Keine Zwangsgewalt bei Verstoß gegen das Rückkehrverbot E. Eingriff in die persönliche Freiheit? IV. Gesamtbewertung ENDE TABELLE I. Einleitung Am 27. November 1996 hat der Nationalrat das Bundesgesetz zum Schutz gegen Gewalt in der Familie beschlossen (FN 1). Dieses Gesetz, das Ergebnis eines eher in Fachkreisen als in der breiten Öffentlichkeit laufenden Diskussionsprozesses (FN 2) ist, beendet einen von vielen Seiten als unbefriedigend empfundenen Zustand. Bisher hatte eine Person, die Opfer von Gewalt in der eigenen Familie wurde, oftmals nur die Möglichkeit, entweder diese Gewalt zu ertragen oder den familiären Nahebereich - meistens also die eigene Wohnung - zu verlassen. Ziel häuslicher Gewalt sind vor allem Frauen, die Opfer der eigenen Partner werden. Vielfach betroffen sind auch Kinder, die von ihren Vätern oder den Lebensgefährten ihrer Mütter mißhandelt werden. Selbst wenn es im Einzelfall bei einer Eskalation familiärer Gewalt zur Intervention der Sicherheitsbehörde kam, waren den Organen mangels Befugnis zum Einschreiten die Hände gebunden. Als plakatives Beispiel für das Rechtsschutzdefizit im Einzelfall führe man sich nur folgendes vor Augen: Ein Mann schlägt seine Frau im Zuge eines häuslichen Konflikts und verletzt sie dabei leicht. Die herbeigerufenen Sicherheitswachebeamten können ohne weiteres die Identität des Täters feststellen. Außer dieser Identitätsfeststellung, die der Strafverfolgung wegen der Körperverletzung dient, können die Beamten nach bisheriger Rechtslage nichts unternehmen, was dem Schutz des Opfers der Körperverletzung dient. Da es sich bei einer leichten Körperverletzung um eine Tat handelt, die in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fällt (FN 3), kann nämlich gemäß 452 Z 1a Strafprozeßordnung (FN 4) keine Verwahrungs- oder Untersuchungshaft über den Gewalttäter wegen Tatbegehungsgefahr verhängt werden. Den einzigen Rat, den die einschreitenden Beamten dem Schutz suchenden Gewaltopfer in solchen Fällen geben können, ist der, sich vom Täter räumlich zu entfernen, also etwa die gemeinsame Wohnung zu verlassen (FN 5). Die wenigsten Konflikte führen zu einer Anzeige wegen Körperverletzung. Nicht jede Gewalttat erreicht die entsprechende Intensität; außerdem ist anzunehmen, daß ein beträchtlicher Teil der häuslichen Gewalttaten gar nicht zur Anzeige gebracht wird.

Dementsprechend vage sind auch die verfügbaren Zahlen zum Umfang des Problemkreises "Gewalt in der Familie" in Österreich. Die offizielle Opferstatistik des Bundesministeriums für Inneres für das Jahr 1995 weist 41 Fälle der Vergewaltigung in der Ehe, 10 Fälle der geschlechtlichen Nötigung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft und 471 Fälle des Beischlafs mit Unmündigen aus. Für den Bereich der Körperverletzungen (11.169 insgesamt) läßt sich keine Angabe machen, welcher Anteil davon in der häuslichen Sphäre begangen wurde. Der Innenminister sprach gegenüber den Medien immer wieder davon, daß 10 bis 15 Prozent der polizeilichen Einsätze Gewalt in der Familie beträfen (FN 6). Die elf österreichischen Frauenhäuser wurden 1995 von 942 Frauen und 1060 Kindern als Zufluchtsstätte aufgesucht. Experten gehen davon aus, daß in Österreich jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens innerhalb einer Partnerschaft von Gewalt betroffen sei (FN 7). II. Die neuen Regelungen im Überblick A. Einstweilige Verfügung Kernstück der Reform ist eine Erweiterung des 382b Exekutionsordnung (FN 8), der die Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorsieht. Das Gericht kann auf diese Weise einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung auftragen und die Rückkehr in die Wohnung und ihre unmittelbare Umgebung verbieten. Eine solche Verfügung ist auf Antrag des nahen Angehörigen zu erlassen, wenn die Wohnung der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient und dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen. Der Kreis der "nahen Angehörigen" wird näher definiert, die Grenzen werden dabei nicht eng gezogen. Neben Ehegatten und Lebensgefährten zählen auch Geschwister und Verwandte in gerader Linie einschließlich Wahl- und Pflegekinder sowie Wahl- und Pflegeeltern sowie deren Ehegatten und Lebensgefährten zu den "nahen Angehörigen"; das gleiche gilt für die genannten Angehörigen des Ehegatten oder Lebensgefährten. Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO ist, daß Antragsgegner und Antragsteller in häuslicher Gemeinschaft leben oder innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung gelebt haben. Eine einstweilige Verfügung der genannten Art kann unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft und ohne Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe oder - diese Klarstellung ist Folge dessen, daß die Regelung nunmehr nicht mehr nur unter Ehegatten gilt - anderen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen erlassen werden. Diesfalls darf die Dauer der verhängten Maßnahme drei Monate nicht übersteigen. 382c und 382d EO enthalten Bestimmungen über das Verfahren bei Erlassung und den Vollzug der einstweiligen Verfügung. B. Gesetzliche Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers 215 Abs 1 ABGB wird ein Satz angefügt, dem zufolge der Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter eines Minderjährigen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO oder deren Vollzug nach 382d EO beantragen kann, wenn der sonstige

gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat. C. Schadenersatz bei Verletzungen an der geschlechtlichen Selbstbestimmung Durch den Justizausschuß (FN 9) wurde in das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie eine Änderung der Schadenersatzbestimmung des 1328 ABGB aufgenommen. 1328 ABGB enthielt bisher einen Anspruch auf Schadenersatz für "erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn", wenn eine "Frauensperson" zur "Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt" wurde (FN 10). Die Neuregelung des 1328 ABGB dehnt den Schadenersatz in dreifacher Hinsicht aus. Erstens wird der Ausdruck "Frauensperson" durch den geschlechtsneutralen Ausdruck "jemand" ersetzt. Das bedeutet, daß nun auch beispielsweise sexueller Mißbrauch von Männern - oder praktischer gesprochen: von Knaben - erfaßt ist. Zweitens stellt der veränderte 1328 ABGB nicht mehr auf die Außerehelichkeit ab und nimmt zusätzlich zur Beiwohnung auch sonstige geschlechtliche Handlungen in den Tatbestand auf. Drittens ist in Hinkunft auch eine "angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten". Mit der Einfügung eines Anspruches auf Ersatz des immateriellen Schadens beseitigt der Gesetzgeber einen immer wieder durch Rechtsprechung und Lehre artikulierten Mangel des Schadenersatzrechts (FN 11). Wie die Materialien (FN 12) betonen, sind nach bisheriger Rechtslage durch sexuellen Mißbrauch verursachte immaterielle Schäden nur dann ersatzfähig, wenn der Mißbrauch bereits die Schwere einer Körperverletzung isd 1325 ABGB erreicht hat oder mit einer Freiheitsbeeinträchtigung isd 1329 ABGB einhergegangen ist. Bei allen anderen Arten von sexuellem Mißbrauch konnte das Opfer bisher keine immateriellen Schäden geltend machen (FN 13). D. Sicherheitspolizeiliches Wegweiserecht und Rückkehrverbot Im Rahmen dieses Beitrages soll derjenige Teil der Regelung ausführlicher dargestellt werden, der in das Sicherheitspolizeigesetz (FN 14) eingefügt wird. 38a SPG ermächtigt die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu, denjenigen, von dem eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit anderer ausgeht, aus einer Wohnung wegzuweisen, in der die gefährdete Person wohnt. Darüber hinaus kann über den Störer ein Rückkehrverbot verhängt werden; in seiner Gewahrsame befindliche Schlüssel zu der Wohnung können ihm abgenommen werden. Voraussetzung für diese Maßnahmen ist lediglich, daß die gefährdete Person in der Wohnung wohnt. Eine häusliche Gemeinschaft ist nicht gefordert, doch schließt es die geplante Regelung ausdrücklich nicht aus, daß der Störer auch aus der eigenen Wohnung weggewiesen werden kann. Bei Verhängung eines Rückkehrverbotes in die eigene Wohnung liegt nach der Wendung des Gesetzes ein "Eingriff in das Privatleben des Betroffenen" vor. Nach ausdrücklicher Anordnung ist die Verhältnismäßigkeit ( 29 SPG) zu wahren. Dem Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, wichtige Gegenstände mitzunehmen und sich über Möglichkeiten des Unterkommens zu informieren. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, vom Störer die Bekanntgabe einer Abgabestelle zu verlangen und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß die Verständigung über die Aufhebung des Rückkehrverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO andernfalls durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch erfolgen kann. Die gefährdete Person ist von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen zu informieren. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Dokumentation der

Vorgänge darauf Bedacht zu nehmen, daß diese Dokumente eine taugliche Grundlage für das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO abgeben. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Anordnung eines Rückkehrverbotes (e contrario hingegen nicht die Tatsache einer Wegweisung) der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben. Diese hat die Verhängung des Rückkehrverbotes binnen 48 Stunden zu überprüfen, wozu sie alle Einrichtungen und Stellen heranziehen kann, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Sobald sich ergibt, daß die Voraussetzungen für die Anordnung des Rückkehrverbotes nicht mehr bestehen, ist dieses aufzuheben und der Betroffene und die gefährdete Person hievon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Das Rückkehrverbot endet, wenn es nicht nach der oben genannten Regelung aufgehoben wird, mit Ablauf des siebenten Tages nach seiner Anordnung. Wurde hingegen unverzüglich eine einstweilige Verfügung nach 382b EO beantragt, so endet das Rückkehrverbot mit dem vom Gericht der Sicherheitsbehörde bekanntgegebenen Tag der Entscheidung über die Erlassung der einstweiligen Verfügung, spätestens aber nach 14 Tagen. Die neue Z 8 des 56 SPG gestattet die Übermittlung von Daten an geeignete Opferschutzeinrichtungen durch die Sicherheitsbehörde, soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist. 84 SPG erklärt den Verstoß gegen ein Rückkehrverbot zur Verwaltungsübertretung und droht eine Verwaltungsstrafe bis ös 5.000,- an. E. Die Datenübermittlung an Opferschutzeinrichtungen Schon nach der jetzt geltenden Rechtslage dürfen die Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten auch automationsunterstützt gemäß 53 Abs 1 Z 4 SPG ermitteln und verarbeiten, wenn das für die Vorbeugung wahrscheinlicher Angriffe auf Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt erforderlich ist (FN 15). Unter diesen Ermächtigungstatbestand läßt sich auch die Ermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten von Personen subsumieren, die Gefährdete isd 38a SPG sind. In einem solchen Fall ist allerdings im Hinblick auf die Opferrolle der Person, auf die sich die Daten beziehen, das Kriterium der Erforderlichkeit eng auszulegen. Für die Übermittlung solcher Daten über isd 38a SPG gefährdete Personen gibt die geltende Rechtslage keine gesetzliche Deckung. Der einschlägige 56 SPG kennt bisher als zulässige Übermittlung im wesentlichen nur zwei Fallgruppen. Entweder es liegt eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung unter Wahrung einer Widerrufsmöglichkeit des Betroffenen vor oder es handelt sich um eine Übermittlung an andere Behörden. Die SPG-Novelle sieht aber eine Übermittlung an eine private Opferschutzeinrichtung isd 25 Abs 2 SPG vor. Deshalb fügt die Novelle dem Abs 1 des 56 SPG eine Ziffer 8 an, die die Übermittlung personenbezogener Daten gefährdeter Menschen gestattet, sofern das zu deren Schutz erforderlich ist. Es ist hier also keine Zustimmung der Betroffenen zur Übermittlung der Daten an eine private Organisation nötig. F. Inkrafttreten der Bestimmungen Die reformierte schadenersatzrechtliche Regelung in 1328 ABGB tritt mit 1. Jänner 1997 in Kraft und ist auf Tathandlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 gesetzt worden sind. Die

gesetzliche Vertretung Minderjähriger durch den Jugendwohlfahrtsträger ( 215 Abs 1 letzter Satz ABGB) und die Änderungen in der Exekutionsordnung treten mit 1. Mai 1997 in Kraft und sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 30. April 1997 anhängig gemacht werden. Die Änderungen im SPG treten mit 1. Mai 1997 in Kraft. III. Wegweisung und Rückkehrverbot im einzelnen A. Die Wahrnehmung der Gewalt durch die Sicherheitsorgane Die Erläuterungen (FN 16) betonen, daß es schwierig ist, gefährliche Angriffe wahrzunehmen (FN 17), wenn sie sich im abgegrenzten Bereich der häuslichen Sphäre ereignen. Deshalb kommt ein amtswegiges Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Gewalt in der Familie zumeist nicht in Betracht. Wenn auf Grund der neuen Regelung Opfer von Gewalt in der Familie oder sonst in den "eigenen vier Wänden" ermutigt werden, sich zur Wehr zu setzen, weil sie weniger Angst vor dem Verlust ihrer Wohnmöglichkeit haben müssen, dann ist dies ein kleiner, aber wohldurchdachter Schritt in Richtung einer verstärkten Wahrnehmung von Gewaltsituationen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Vielleicht gelingt es durch die neue Regelung, mehr Betroffene zur Anzeige zu bewegen. Sonst aber vermag die vorgeschlagene Regelung gerade an dem Wahrnehmungsproblem nichts zu ändern. Solange nicht das Opfer selbst oder Außenstehende die Aufmerksamkeit auf die Gewalt oder Bedrohung lenken, bleibt es auch nach der Neuregelung den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verwehrt, den erforderlichen Schutz zu bieten. B. Die Frage der Strafrechtsakzessorietät im SPG Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, so wird zutreffend in den Materialien festgehalten, können nach bisheriger Rechtslage nur bei Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung einschreiten, die sich zumindest bereits im Versuchsstadium befindet (FN 18). Durch die Ausdehnung auf das Bevorstehen eines gefährlichen Angriffes in der vorgeschlagenen Regelung des 38a SPG wird in der Tat bewirkt, daß die Organe des Sicherheitsdienstes schon früher als bisher und damit in erheblich größerem Maße vorbeugend einschreiten können. Nunmehr ist nämlich ein Einschreiten schon dann vorgesehen, wenn anzunehmen ist, daß zumindest die Vorbereitung einer strafbaren Handlung (FN 19) bevorsteht. Eine Beseitigung der Anknüpfung an strafrechtliche Tatbestände wird mit dieser Regelung jedoch nicht vorgenommen. Sie würde auch im SPG einen Fremdkörper darstellen. C. Wegweisung Systematisch wird die neue Regelung als 38a SPG gleich nach den jetzt bereits in 38 SPG bestehenden Möglichkeiten der Wegweisung eingefügt. Im Gegensatz zu den Wegweisungen nach 38 SPG, die entweder eine ungestörte Arbeit der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermöglichen oder die Gefährdung der weggewiesenen Person selbst verhindern sollen, geht es bei der neuen Wegweisung nach 38a SPG darum, durch die Wegweisung eines Menschen, von dem eine Gefahr ausgeht, die Verwirklichung der Gefahr zu verhindern. Die weggewiesene Person ist hier also die Ursache der Gefahrensituation. Im Gegensatz zur Regelung des Rückkehrverbotes in Abs 2 des 38a SPG wird im Zusammenhang mit der Regelung der Wegweisung in Abs 1 die Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht ausdrücklich gefordert. Nach dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgebot des 29 SPG ist allerdings bei einem Eingriff in die Rechte von Menschen jedenfalls die

Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Materialien (FN 20) geben als Grund für die ausdrückliche Erwähnung des Verhältnismäßigkeitsgebotes im Zusammenhang mit dem Rückkehrverbot an, daß der Ausspruch eines solchen ein schwerwiegender Grundrechtseingriff (Eigentum und Privatsphäre) sei. Dieser Befund ist unseres Erachtens richtig. Da allerdings auch die Wegweisung aus einer Wohnung einen qualitativ vergleichbaren Grundrechtseingriff darstellt (FN 21), ist die Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch bei der Wegweisung grundrechtlich geboten. Freilich wird in der Praxis eine Wegweisung ohne Verhängung eines Rückkehrverbotes regelmäßig eine verhältnismäßige Maßnahme isd 29 SPG sein. Denn ist die Annahme gerechtfertigt, daß ein gefährlicher Angriff auf die Schutzgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht, so ist gerade die Wegweisung der Person, von der diese Gefahr ausgeht, eine Maßnahme, die den Verhältnismäßigkeitskriterien des 29 Abs 2 Z 1-5 SPG nahezu ideal entspricht (FN 22). Das Gesetz bezweckt also mit der expliziten Anführung des Verhältnismäßigkeitsgebotes nur im Zusammenhang mit dem Rückkehrverbot eine besondere Betonung der Wahrung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ähnlich wurde beispielsweise schon bei der Regelung der Befugnisse über das Betreten und Durchsuchen von Grundstücken und Räumen in 39 SPG verfahren. Unseres Erachtens wäre es aber legistisch sinnvoller, sich entweder auf die einmalige Anordnung des Gebotes der Wahrung der Verhältnismäßigkeit in 29 SPG zu beschränken oder die besondere Bedachtnahme bei jedem Befugnistatbestand des SPG eigens anzuordnen, der zu einem schweren Grundrechtseingriff ermächtigt. Es besteht sonst die Gefahr, daß aus einer bloß punktuellen Anordnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips der falsche Schluß gezogen werden könnte, daß nur dort verhältnismäßig vorzugehen ist, wo es das Gesetz gesondert vorsieht. 1. Rechtsform der Wegweisung Auch die "neue" Wegweisung nach 38a SPG ist, so wie die Wegweisungen nach 38 SPG, ein Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (FN 23). Eine Wegweisung kann demgemäß auch - im Gegensatz zu einem Rückkehrverbot (FN 24) - mit unmittelbarer Zwangsgewalt gemäß 50 Abs 1 SPG durchgesetzt werden (FN 25). Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Gewaltausübung allerdings anzudrohen und anzukündigen (FN 26). Im Normalfall (FN 27) ist also von folgendem chronologischen Ablauf auszugehen: Zuerst ist die Wegweisung auszusprechen. Wenn sich der Weggewiesene weigert, die Wohnung bzw den räumlichen Bereich der Wegweisung zu verlassen, folgt die Androhung der Gewaltausübung. Bei einer weiteren Weigerung, sich zu entfernen, ist die Gewaltausübung anzukündigen, dann erst kann rechtmäßigerweise physische Gewalt folgen, und der Betroffenen kann aus der Wohnung bzw aus der "Bannmeile" entfernt werden. 2. Räumliche und zeitliche Dimension der Wegweisung Das Organ hat dem Weggewiesenen zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht. Außerdem schreibt 38a SPG vor, daß der Bereich "nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes" zu bestimmen ist. Auffällig ist, daß sowohl das Gesetz als auch die Materialien dem räumlichen Geltungsbereich der Wegweisung Beachtung schenken, daß aber die zeitliche Dimension mit keinem Wort erwähnt wird. Im Sinne der genauen gesetzlichen Determinierung eines Grundrechtseingriffes (FN 28) ist aber auf den zeitlichen Rahmen der Wegweisung ebenso einzugehen wie auf den räumlichen. Die Frage nach dem zeitlichen Umfang der Wegweisung ist auch gleichzeitig die Frage nach der Grenze zwischen Wegweisung und Rückkehrverbot. Da die Organe des

öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß 38a Abs 2 SPG ermächtigt sind, dem Weggewiesenen die Rückkehr in den in der Wegweisung bestimmten räumlichen Bereich zu untersagen, ist - wie gleich zu zeigen sein wird - davon auszugehen, daß die Wegweisung jedenfalls dann endet, wenn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Ort des Einschreitens verlassen, ohne aber ein Rückkehrverbot über den Weggewiesenen verhängt zu haben. Wie läßt sich nun diese These begründen? Den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist bei der Verhängung des Rückkehrverbotes in 38a Abs 2 SPG Ermessen eingeräumt (argum: "... sind überdies ermächtigt..."). Dieses Ermessen ist selbstverständlich isd Gesetzes zu gebrauchen. Da das SPG der Vorbeugung gefährlicher Angriffe auf geschützte Rechtsgüter einen hohen Stellenwert einräumt (FN 29), sind die Sicherheitsorgane bei Verlassen des Bereiches, auf den sich die Wegweisung bezieht, verpflichtet, ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn weiter anzunehmen ist, daß ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Ermessen isd Gesetzes bedeutet also in einem solchen Fall, daß der im SPG betonte Schutzgedanke dominiert und dem Organ gar keine andere Wahl bleibt, als das Rückkehrverbot zu erlassen. Wird bei Verlassen des Wegweisebereiches kein Rückkehrverbot ausgesprochen, so ist davon auszugehen, daß nach der Beurteilung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine einschlägige Gefahr mehr vorliegt (FN 30). Ist diese Gefahr nicht mehr gegeben, so muß die Wegweisung ihr Ende finden, da auch die Wegweisung an das Vorliegen dieser speziellen Gefährdungssituation geknüpft ist. Dieser Argumentation könnte man nun entgegenhalten, daß es möglich wäre, eine Person für den Zeitraum von einigen Stunden wegzuweisen, zum Beispiel etwa zum Zweck der Ausnüchterung (FN 31). Eine solche Wegweisung könnte dann über den Zeitraum des Einschreitens der Sicherheitsorgane hinauswirken. Unseres Erachtens ist es aber nicht mit der Systematik der Bestimmung des 38a SPG zu vereinbaren, eine Person für einen über die Anwesenheit der Sicherheitsorgane hinausreichenden Zeitraum wegzuweisen. Befürwortete man die Zulässigkeit einer solchen Wegweisung "auf längere Zeit", so wäre nämlich die Grenze zum Rückkehrverbot verwischt (FN 32). 38a SPG sieht aber eindeutig zwei getrennte Akte - Wegweisung einerseits und "darüber hinaus" Rückkehrverbot andererseits - vor. Aus 38a Abs 7 SPG geht klar hervor, daß das sicherheitspolizeiliche Rückkehrverbot eine gesetzlich fixierte Dauer von mindestens sieben Tagen haben soll. Dies deshalb, weil dem Opfer genügend Zeit bleiben soll, während aufrechter Sicherung vor einer Rückkehr des Störers den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach 382b EO zu stellen. Innerhalb einer Woche sollte die Antragstellung bei Gericht und die Mitteilung darüber durch das Gericht an die Sicherheitsbehörde zu bewerkstelligen sein. Diese Dauer von einer Woche unterliegt nicht der Disposition des Sicherheitsorgans. Es wäre nun verfehlt, den klaren Willen des Gesetzgebers bezüglich der gesetzlich fixierten Dauer des Rückkehrverbotes über den interpretativen Umweg einer Wegweisung "auf längere Zeit" zu konterkarieren. Bezüglich der zeitlichen Dauer der Wegweisung ist also festzuhalten, daß die Wegweisung (nur) solange aufrecht sein kann, wie das Einschreiten der Sicherheitsorgane anhält. Ist der Betroffene nach einer Phase der Beruhigung der Ansicht, daß keine Gefahr mehr von ihm ausgeht, hat er die Möglichkeit, wieder zur Wohnung (bzw in den Bereich der Wegweisung) zurückzukehren. Er riskiert dort keine unmittelbare Anwendung von physischer Zwangsgewalt, da die Sicherheitsorgane gemäß 50 Abs 2 SPG die bevorstehende Ausübung

von unmittelbarer Zwangsgewalt zuerst anzudrohen haben. Für die Organe des Sicherheitsdienstes ergibt sich allerdings die schwierige Situation, daß sie in der Praxis zum Zeitpunkt der Wegweisung auch bereits eine Prognoseentscheidung über die Entwicklung der Gefährlichkeit des Betroffenen treffen müssen. Denn wenn zur Deeskalierung der Situation eine Wegweisung ausgesprochen wird und der Weggewiesene sich unauffindbar entfernt, besteht nicht mehr die Möglichkeit, ihm gegenüber ein Rückkehrverbot zu verhängen. Im Sinne des Schutzes der gefährdeten Personen ist also in der Praxis kaum eine Wegweisung ohne gleichzeitige Verhängung eines Rückkehrverbotes sinnvoll. Man stelle sich nur vor, daß die Person, von der die Gefahr ausgeht, schwer alkoholisiert ist. In einem solchen Fall ist eine alleinige Wegweisung kaum zielführend, da die Wirksamkeit der Wegweisung - wie oben dargelegt - mit dem Zeitpunkt endet, zu dem die Sicherheitsorgane die Wohnung verlassen. Die Sicherheitsorgane haben hier also gar keine Wahl. Sie müssen, um die betroffenen Personen zufriedenstellend schützen zu können, den Alkoholisierten wegweisen und gleichzeitig ein Rückkehrverbot verhängen, das - vorbehaltlich der Aufhebung durch die Sicherheitsbehörde binnen 48 Stunden (FN 33) - ex lege mindestens bis zum Ablauf des siebenten Tages nach seiner Anordnung (FN 34) aufrecht bleibt. D. Rückkehrverbot 1. Rechtsform des Rückkehrverbots Zweifellos ist die Wegweisung aus der Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, ein Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt. Auf den Befehl folgt gegebenenfalls die zwangsweise Durchsetzung mittels physischer Gewalt. Anders ist aber das Problem bei Verhängung des Rückkehrverbotes gelagert: Die Folge des Zuwiderhandelns besteht kraft der ausdrücklichen Anordnung in 38a Abs 2 zweiter Halbsatz SPG nicht in der Ausübung unmittelbaren Zwanges. Das Zuwiderhandeln ist nur mit Verwaltungsstrafe bedroht. Gegen den Störer muß neuerlich mit Wegweisung vorgegangen werden, damit gegen ihn physischer Zwang ausgeübt werden kann. Die Frage liegt nahe, ob die neuerliche Wegweisung im Falle des Verstoßes gegen ein Rückkehrverbot jedenfalls zulässig sein oder von einer neuerlichen Gefährlichkeitsprognose durch die Sicherheitsorgane abhängen soll. Darauf ist aber an dieser Stelle nicht näher einzugehen (FN 35). Hier ist näher zu untersuchen, ob der Ausschluß der Durchsetzung des Rückkehrvebotes durch physischen Zwang gegen die Annahme spricht, daß es sich dabei um einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt handelt. Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dienen typischerweise "der Bewältigung von Situationen, in denen ein rasches und durch formale Bindungen nicht gehemmtes Vorgehen notwendig bzw ein formal gebundenes Vorgehen überflüssig erscheint (FN 36)". Unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt tritt zwar in den vielfältigsten Formen und Ausprägungen auf, immer aber handelt es sich dabei um einseitige Eingriffe in die Rechte der Normunterworfenen, die mit Zwang oder Androhung von Zwang oder doch unter Strafdrohung durchgesetzt werden (FN 37). Für solche Fälle sehen die Gesetze vielfach Erleichterungen des Verfahrens und insbesondere die Unanwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze vor (FN 38). Für Akte, die auf Grund eines solchen minimalisierten Verfahrens ergehen, wurde daher der treffende, wenn auch nicht unumstrittene Begriff des "verfahrensfreien Verwaltungsaktes" geprägt (FN 39). Damit werden Akte umschrieben, die hoheitlich, außenwirksam und normativ (FN 40) sind, denen "in irgendeiner Form eine rechtsfeststellende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden" kann (FN 41), die aber ohne Bindung an die

Verwaltungsverfahrensgesetze gesetzt werden dürfen (FN 42). Bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes handelt es sich nun unzweifelhaft um einen außenwirksamen, normativen, hoheitlichen Akt, der in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift. Die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nach dem AVG ist freilich in der einem Rückkehrverbot zugrunde liegenden Situation untunlich und wird durch das SPG auch nicht verlangt. Nicht unwidersprochen geblieben ist die Meinung des VfGH (FN 43), nach der in Fällen, in denen das Zuwiderhandeln gegen eine behördliche Anordnung nur mit Verwaltungsstrafe bedroht sei, keine Befehls- und Zwangsgewalt vorliege. Dem Betroffenen stehe es - so der VfGH - vielmehr frei, der Anordnung unter Inkaufnahme einer Verwaltungsstrafe zuwiderzuhandeln, die ihrerseits letztlich der Nachprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliege (FN 44). Diese Ansicht widerspricht auch der - gleichfalls vom VfGH vertretenen - Einsicht, daß es dem Rechtsunterworfenen nicht zuzumuten ist, sich zur Klärung der Rechtslage der Gefahr einer Bestrafung (FN 45) oder sonstiger rechtlicher Nachteile (FN 46) auszusetzen. Ebensowenig ist sie in Einklang zu bringen mit der Rechtsprechung zur sogenannten Umwegunzumutbarkeit in Fällen des Individualantrages zur Verordnungs- oder Gesetzesprüfung, die davon ausgeht, daß die Provokation eines Strafbescheides keinen zumutbaren Umweg darstellt (FN 47). Wenn der VwGH (FN 48) und der VfGH (FN 49) die Tatsache, daß auf Grund einer behördlichen Anordnung mit unmittelbarer Zwangsausübung zu rechnen war, als Indiz für das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gedeutet haben, so ist darin keineswegs eine Aussage darüber enthalten, ob das Fehlen eines solchen Zwanges oder seines Bevorstehens diese Qualität des Behördenhandelns entfallen läßt. In den Materialien zur SPG-Novelle wird die Auffassung vertreten, daß die Verhängung eines Rückkehrverbots ein Akt unmittelbarer Befehlsgewalt sei (FN 50), und es wird auf die Möglichkeit hingewiesen, diesen beim Unabhängigen Verwaltungssenat zu bekämpfen (FN 51). In der Tat scheint mit dieser Lösung ein Rechtsschutz eröffnet zu sein, der leichter und unkomplizierter zu einer Entscheidung darüber führt, ob die Verhängung des Rückkehrverbotes rechtswidrig war, als der Weg, der einzuschlagen wäre, verstünde man die Anordnung eines Rückkehrverbotes als Unterlassungsbescheid, mit dem die Behörde dem Störer die Fortsetzung der Aggression - das Gesetz konkretisierend - verbietet (FN 52). Es ist daher - entgegen der bisherigen, wenn auch nicht einheitlichen Judikatur des VfGH und entsprechend den Materialien - das Rückkehrverbot als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt (FN 53) oder eben als "verfahrensfreier Verwaltungsakt" zu begreifen, gegen den die Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat offensteht (FN 54). Diese Sichtweise als Befehlsakt (- der nicht durch Zwang durchzusetzen ist -) macht auch im Hinblick auf 50 Abs 2 SPG keine Probleme. Denn diese Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die Anwendung von Zwangsgewalt, nicht auch auf bloße Befehle. 2. Zur Überprüfung des Rückkehrverbots durch die Sicherheitsbehörde Sehr schwierig und hier nur in Ansätzen aufzuwerfen ist die Frage der Einordnung der Überprüfung des Rückkehrverbotes durch die Sicherheitsbehörde gemäß 38a Abs 6 SPG. Zur Beantwortung dieser Frage ist zum einen zu klären, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, eine bestimmte Rechtsform für diese Entscheidung über Aufrechterhaltung oder Aufhebung des Rückkehrverbotes zu wählen. Zum anderen muß die konkret vorliegende Textierung daraufhin