Eric Bernes Werte Bewusstheit, Spontaneität und Intimität als Ressource in Coaching und Organisationsberatung Mein Forschungsprojekt ist die Frage, wie die Grundwerte Eric Bernes: Bewußtheit, Spontaneität und Intimität operativ in Coaching oder Organisationsberatung umgesetzt werden können und auf welcher Ebene und in welcher Form Ansätze und Ressourcen für die TA-Anwendung liegen. Ich werde zunächst den Zusammenhang der Werte darstellen und zeigen, welche Ableitungen ich daraus für analytische und operative Zwecke ziehe. Im nächsten Schritt beschreibe ich Diagnoseformen und wie ich Verbindungen zu TA-Konzepten herstelle. Daraus folgt eine Betrachtung unter Entwicklungsaspekten und Interventionspotenzialen. Wie stehen die Werte zueinander und welche Potenziale enthalten sie? Die Werte Eric Bernes Bewußtheit, Spontaneität und Intimität sind existenzielle Werte, die in Beziehung zueinander stehen und interagierend einen autonomen Menschen ausmachen. (1) Sie basieren auf den Fähigkeiten von, und. Ein Mensch oder eine Organisation, die die drei Ressourcen lebt und ausdrückt ist kreativ, wachstumsfähig, entscheidungsfähig und beziehungsfähig. Claude Steiner beschreibt den Mangelzustand im Rahmen einer Scripttypologie als lieblos (Intimität), kopflos (Bewußtheit) und freudlos (Spontaneität). (2) Intimität Inspiration emotionale Intelligenz ich denke ich fühle Autonomie kreative ich handle Intelligenz Intuition rationale reflektive Intelligenz Bewußtheit Spontaneität Intention Abbildung: Bewußtheit, Intimität und Spontaneität im Kontext von, und und emotionaler, rationaler/reflektiver und kreativer Intelligenz. 55
Ausschlüsse, Blockaden, Überstimulation lösen Ungleichgewichte aus, die beim Einzelnen und der Organisation zu Problemen, negativen Entwicklungen bis zu Krankheiten führen. Beispiel: - : psychologische Spiele, Beziehungsmangel, Starrheit, Stress, Überreaktionen, Grenzenlosigkeit - : Irrationalität, Abhängigkeit, Symbiose, extreme Verhalten, Unverantwortlichkeit - : Passivität, Depression, Engpass, Psychose etc. Beziehe ich mich auf den Pol von Überstimulation + und setze es in Relation zu Organisationskulturen (siehe Rolf Balling) (3), dann bedeutet ein + : Tendenz zur NEL und K-Kultur + : Tendenz zu einer OEL-Kultur + : Tendenz zu einer K- oder Marketingkultur (eigene Definition) mit kurzen Produktzyklen, Neuprodukten (Beispiel: New Economy) Die Werte gewandelt in ein Diagnosemodell Im Anfangsstadium von Marketingberatung und Coaching wähle ich Diagnoseformen, die mir einen einfachen, generellen Einblick in die interne Organisation des Menschen oder der Organisation geben. Mein Ziel ist ein Systemüberblick, der mir Informationen für die Vertragsgestaltung gibt und für die Bewertung, ob die Ziele meiner/s KundIn realistisch und fördernd sind und ob ich entsprechend hierfür Schutz geben kann. Gerade im Bereich Marketing stoße ich leicht auf Angebote zur Grandiosität oder Selbst- und Fremdausbeutung und Manipulation. Ich benötige neben biografischen und systemischen Fakten einen Eindruck über die essenziellen Fähigkeiten des Menschen der Organisation. Ich sammle Informationen, um Rückschlüsse auf die Ausprägung von, und zu ziehen und stelle sie in Relation zueinander. Jede/r KundIn ist anders und bei jedem/r finde ich ein individuelles Abbild. Ich kann es beziehen auf einzelne Menschen, auf Gruppen, Teams, Organisationen oder Kulturen. Kunde B Kunde A Kunde C Beispiele: Kunde A: mehr auf und ausgerichtet Kunde B: ist relativ ausgewogen in Bezug auf, und Kunde C: hat sein Potenzial im und und Schwächen im 56
Ich kann mein Bild vom Kunden in Relation zu seinem Ziel stellen, indem ich mich frage, welche Fähigkeiten der/die KundIn stärken muß, um sich seinem Ziel zu nähern. Ziel: + Beispiele: Der/die KundIn handelt schnell, zielorientiert Wert: Effizienz, Schnelligkeit, Reaktion möglicher Mangel: Kontakt zu Gefühlen Folge: Mangel an Beziehung, Kreativität und Freude (Problem in Berufsfeldern, in denen Gespür erforderlich ist). Das Ziel des Kunden deute ich in Relation zum Ist-Zustand. Frage: Wie intervenieren, um emotionale Intelligenz zu stimulieren? Eine andere Option bietet mir das Diagnosemodell für die Identifikation von persönlicher Fähigkeit und Rollenanforderung. Wie nah oder wie weit liegen die Fähigkeiten bzw. Anforderungen auseinander? Können die entsprechenden Fähigkeiten entwickelt werden? Ist der/die KundIn am falschen/richtigen Platz? Das Potenzial des Diagnosemodells liegt in der Ausrichtung auf Potenziale und Ressourcen. Es erfordert jedoch eine Bewußtheit und eigenen Zugang zum, und und eine Werteorientierung zu Bewußtheit, Spontaneität und Intimität. Die Verbindung zu TA-Konzepten Ich leite das Modell der Potenziale und Werte über auf die Ebene der TA-Konzepte mit ihrem differenzierten Zugang zu Inhalt und Dynamik. Hieraus kann ich die Frage stellen, wo und wie sich im Scriptzusammenhang ein Mangel im / oder ausdrückt. Wie interveniere ich unter Einbezug der Potenziale? Welches Wachstumspotenzial vermute ich? Im Folgenden demonstriere ich anhand einiger Beispiele die Verbindung zwischen der Werte- und Potenzialebene mit den TA-Konzepten. 1. Verbindung mit dem (konzeptuellen) Ich-Zustandsmodell (4) Win- Win Projekt Ausschluß oder Trübung eines Ich-Zustands wird in der Art und Weise des s oder Nichthandelns manifest. Sind die drei Ich-Zustände energetisch und inhaltlich aktiv, erfolgt die Handlung aus dem ER in Form von Aktion oder Kooperation Weiterführendes Konzept: Engpass, Blockierung im durch EL-K-Konflikt. 57
2. Verbindung mit den Antreibern (nach Tabi Kahler) (5) Mangel am Antreiber: streng dich an tu mir einen Gefallen (Mangel für sich selbst) Antreiber: sei stark beeil dich Mangel an Gefühl Mangel an Handlung Antreiber: sei perfekt Mangel an : Antreiber: Sei stark, Beeil Dich Abwertung: Gefühle und Beziehung Mangel an : Antreiber: Streng Dich an, Tu mir einen Gefallen Abwertung: auf sich selbst bezogenes, bedarfs- und zielorientiertes für sich selbst, Mangel an : Antreiber: Sei perfekt Abwertung: Fehleroption und Wachstum Weiterführendes Konzept: Einschärfungen 3. Verbindung mit der Discountmatrix (Mellor und Sigmund) (6) : Abwertung von Stimulus : Abwertung von Bedeutung : Abwertung von Optionen/Alternativen 4. Verbindung mit Symbiose Abwertung und/oder Projektion von oder oder auf den/die Anderen. Jaqui Schiff deutet Symbiose als ein Verhältnis, bei dem zwei oder mehrere Individuen sich so verhalten, wie wenn sie zusammen eine ganze Person wären (7). In der Symbiose wird die eigene Fähigkeit abgewertet oder nicht ausgebildet oder nicht gelebt (Passivität) und über Beziehungsgestaltung von außen in das eigene System geholt. Das bedeutet Verlust von Autonomie und Abhängigkeit von Beziehung. Beispiele: die Suche nach einem kreativen/gefühlsbetonten Partner (privat, beruflich) als Ersatz für eigene Gefühlsentwicklung oder die Suche nach dem Organisator/Macher bei selbst unterentwickelter Initiative und Aktion. Weiterführendes Konzept: Spiele Betrachtung unter Entwicklungsaspekten und Interventionsmöglichkeiten Habe ich eine Vorstellung vom Ist-Zustand und vom Potenzial des/der Kunden und seiner/ihrer Situation, kann ich entscheiden, was und in welcher Intensität in der Beratung stimuliert und gestroket werden kann. Zielt es auf ein Mehr an Intimität und Gefühlsausdruck zu sich selbst und zu andern, ein Mehr an Bewußtheit für sich, den Bezugsrahmen und das System oder eine Ermutigung für Aktion, sich Zeigen, Agieren, Realisieren. In diesem Rahmen möchte ich auf den strategischen Aspekt fokussieren und Beispiele für Interventionen geben. + Pausen und Stille anbieten, meditative Übungen, Visualisation, Settings mit face to face-begegnung und feedbacks, künstlerische Ausdrucksformen wie Malen, Musik, Tanz, Biodanza Stroken von Gefühlsausdruck, Mitteilen von Gefühlen + Denk-Modelle anbieten, Entscheidungsmodelle, Planungsmodelle, Reflektion, feedbacks, Vor-Nachteile, Valutation, Prioritätensetzung, Strategiepläne Stroken von Reflektion und rationalen Äußerungen 58
+ Spiele, kurzfristige Aktionen vereinbaren, sofortige Umsetzung stimulieren, kleine Projekte Stroken von Tun und Ergebnissen Die Interventions- und Entwicklungsstrategie ist dem Egogramm ähnlich. Stärke ich ein Potenzial, ziehe ich automatisch Energie aus den anderen ab. So kann ich auf einen gewollten Zustand mit geringerem Widerstand zusteuern, was bei der Thematisierung von Mangel und Defizit eher widerstandsstärkend wäre. Beispiel: Stimulation und Stroke-Strategie: + + Durch das Verstärken von (+) reduziert sich automatisch die vorherige Ausrichtung auf ( ) und/oder ( ) In meinem abschließendem Beispiel möchte ich zeigen, wie Intimität, Bewußtheit und Spontaneität diejenigen Werte waren, die die positive Wendung in meinem Projekt Green herbeiführten. Das Unternehmen und ich als Projektmanagerin waren nach der Auslistung eines Sortiments aufs und Viel-Tun ausgerichtet. Das taten wir aus der unbewussten Erwartung heraus, durch Agieren negative Gefühle und Entscheidungen verhindern zu können. Das schaffte nicht die Lösung. Der Lösungsweg lag im 1. + : für Intimität zueinander 2. + : für Bewußtheit über den anderen und seine Bedeutung 3. : für Spontaneität in der Umsetzungsstrategie Im Bezugsrahmen von Organisation wirken die Grundwerte als Prozessinstrument prozessunterstützend. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- (1) Berne, Eric, 1964/1980, Spiele der Erwachsenen, Reinbek, Rowohlt, Berne, Eric, 1961, Transactional Analysis in Psychotherapy, New York, Ballantine Books Stuart, Ian, 1992, Eric Berne, London, Sage Publications (2) Steiner, Claude, 1982, Wie man Lebenspläne verändert, Paderborn, Junfermann (3) Balling, Rolf, Institutionskulturen, unveröffentlichtes Manuscript, Weil der Stadt, Professio (4) Berne, Eric, 1961, Transactional Analysis in Psychotherapy, New York, Ballantine Books Stuart Ian, Joines Vann, 1998, L`Analisi Transazionale, Italy, Garzanti Editore s.p.a. (5) Kahler, Tabi, 1977, Das Miniscript, in: Barnes, G., Band 2, 1980, Berlin, Institut für Kommunikationstherapie (6) Mellor, K., Sigmund, E., Discounting, 1975, in TAJ, 5, 3, S. 303-311 (7) Schiff, J., et al., 1975, Cahexis Reader, New York, Harper & Row, in: Schlegel, L., 1984, Die Transaktionsanalyse, Tübingen, A. Francke Verlag 59