Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 1 Gliederung1 I. Anspruch des E. auf Herausgabe der Waschmaschine gem. 985 BGB 1. Eigentumsverlust durch Erwerb vom Berechtigten bzw. vom Nichtberechtigten mit Einwilligung des Berechtigten 2. Eigentumsverlust durch Erwerb vom Nichtberechtigten 3. Eigentumsverlust durch wirksame Stellvertretung gem. 929 S. 1, 164 Abs. 1 BGB i.v.m. 366 Abs. 1 HGB (analog) a) Einigung bzgl. des Eigentumsüberganges aa) Abgabe einer eigenen Willenserklärung durch A bb) Handeln im Namen des Vertretenen cc) Vorliegen einer Vertretungsmacht Voraussetzungen für die analoge Anwendung von 366 HGB: aaa) Kaufmannseigenschaft bbb) Vorliegen eines Handelsgeschäftes i.s.v. 343 HGB ccc) Veräußerung einer dem A. nicht gehörigen Sache ddd) Gutgläubigkeit des G. hinsichtlich der Vertretungsmacht des A. eee) Zwischenergebnis b) Übergabe der Sache an G c) Verfügungsbefugnis des Vertretenen E. 4. Ergebnis II. Anspruch des E. auf Rückübereignung der Waschmaschine gem. 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB 1. Etwas i.s.v. 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB 2. Vorliegen der Leistungskondiktion 3. Ohne Rechtsgrund 4. Ergebnis 1 Die Gliederung wird der Musterlösung vorangestellt, um dem Studenten den gutachterlichen Aufbau der Falllösung zu verdeutlichen. Vom Bearbeiter der Einsendeaufgabe wird die Anfertigung einer Gliederung allerdings nicht verlangt.
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 2 Lösung: I. Anspruch des E. auf Herausgabe der Waschmaschine gem. 985 BGB: In Betracht kommt zunächst ein Anspruch des E. auf Herausgabe der Waschmaschine gem. 985 BGB. Nach 985 BGB kann der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. Dann müsste der E. Eigentümer und der G. Besitzer der Waschmaschine sein. Ursprünglich war E. Eigentümer der Waschmaschine. Dieses Eigentum könnte er jedoch zwischenzeitlich verloren haben. 1. Eigentumsverlust durch Erwerb vom Berechtigten bzw. vom Nichtberechtigten mit Einwilligung des Berechtigten: E. könnte das Eigentum gem. 929 BGB an der Waschmaschine verloren haben, als A. das Gerät dem G. übergeben hat. Das würde jedoch zunächst voraussetzten, dass A. Eigentümer der Waschmaschine gewesen ist oder zumindest gem. 185 BGB zur Verfügung ermächtigt war. Vorliegend war nicht A. der Eigentümer der Maschine, noch war er gem. 185 BGB zur Verfügung ermächtigt. Es sollte vielmehr lediglich der Wert des Gerätes ermittelt werden. Ein Eigentumsverlust gem. 929 BGB hat somit nicht stattgefunden. 2. Eigentumsverlust durch Erwerb vom Nichtberechtigten: E. könnte sein Eigentum an der Waschmaschine gem. 929, 932 BGB verloren haben. Gem. 932 BGB wird der Erwerber in den Fällen, in denen die Sache nicht im Eigentum des Veräußerers steht, Eigentümer der Sache, wenn er sich zum Zeitpunkt des Eigentumsüberganges in gutem Glauben an das Eigentum des Verfügenden befindet. Entscheidend ist im Rahmen dieser Vorschrift, dass der Dritte gutgläubig bzgl. des Eigentums des Veräußerers ist. Nur diese Vorstellung führt bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen zum Erwerb vom Nichtberechtigten. Insoweit gilt 932 BGB nicht
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 3 für den guten Glauben an die Vertretungsmacht oder die Verfügungsbefugnis.2 E. könnte das Eigentum aber gemäß 929 BGB i.v.m. 366 HGB verloren haben. Das wäre der Fall, wenn A. im eigenen Namen gehandelt hätte und G. gutgläubig hinsichtlich seiner Befugnis, für den Eigentümer zu verfügen, gewesen wäre. A. hat jedoch im fremden Namen, nämlich im Namen des E., gehandelt. E. hat daher das Eigentum an der Waschmaschine nicht gem. 929 BGB i. V. m. 366 HGB verloren. 3. Eigentumsverlust durch wirksame Stellvertretung gem. 929 S. 1, 164 Abs. 1 BGB i. V. m. 366 Abs. 1 HGB (analog): Der E. könnte jedoch das Eigentum an der Waschmaschine durch Übergabe der Sache und Einigung bzgl. des Eigentumsüberganges nach 929 S. 1, 164 Abs. 1 BGB verloren haben. a) Einigung bzgl. des Eigentumsüberganges: Dazu müsste zunächst eine wirksame Einigung bzgl. des Eigentumsüberganges vorliegen. Dies könnte hier fraglich sein, da vorliegend nicht der E. selbst, sondern der A. gehandelt hat. Die Einigung i. S. v. 929 BGB könnte jedoch dann zu Stande gekommen sein, wenn E. von A. gem. 164 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam vertreten worden ist. aa) Eine eigene Willenserklärung hätte A. abgegeben, wenn er mit einer gewissen eigenständigen Entscheidungskompetenz ausgestattet wäre und nicht etwa als Bote lediglich eine fremde Willenserklärung überbracht hätte. A. hat bei der Abgabe der Kündigungserklärung aus eigener Initiative gehandelt, ohne dass E. von seinem Vorhaben Kenntnis hatte oder dieses initiiert hätte. Er hat eine eigene Willenserklärung abgegeben. bb) Des Weiteren müsste A. im Namen des Vertretenen gehandelt haben. A. übereignete die Waschmaschine im Namen des E. cc) Die Wirkungen der Erklärung des A. treten aber nur dann für E. ein, wenn A. mit der erforderlichen Vertretungsmacht ausgestattet war, 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine ausdrückliche Bevollmächtigung durch E. liegt nicht vor. Auch sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Anwendbarkeit der Rechtsinstitute von Anscheins- oder Duldungsvollmacht eröffnen könnten. 2 Wiegand in Staudinger, Komm. zum BGB, 932 Rdnr. 38.
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 4 Vorliegend befand sich der G. im guten Glauben hinsichtlich der Vertretungsmacht des A. Fraglich ist, ob auch der gute Glaube an die Vertretungsmacht geschützt wird. Grundsätzlich kann die fehlende Vertretungsmacht nicht durch guten Glauben überwunden werden. Ob ausnahmsweise eine Anwendbarkeit des 366 HGB in den Fällen des guten Glaubens an die Vertretungsmacht angenommen werden kann, ist strittig. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass eine Anwendung des 366 HGB nicht erforderlich sei, da die bedeutendsten Fälle, in denen eine Schutzwürdigkeit als erforderlich anzusehen sei, durch die Institute der Anscheinsund Duldungsvollmacht bzw. 56 HGB gesichert seien.3 Die h. M. bejaht die Anwendung von 366 HGB unter dem Hinweis, dass in der Praxis häufig nicht zwischen Vertretungs- und Verfügungsmacht unterschieden werde. Insoweit sei auch unter Berücksichtung des Schutzzweckes des 366 HGB (Gewährleistung der Sicherheit des Handelsverkehrs) der gute Glaube an die Vertretungsmacht des Handelnden schutzwürdig. 4 Innerhalb dieser Ansicht besteht wiederum Streit, ob die Anwendung auf das dingliche Geschäft beschränkt bleibt5 oder (unter gewissen Voraussetzungen) auch die schuldrechtliche Beziehung zum Erwerber betrifft.6 Die auf das dingliche Geschäft beschränkte Anwendung des 366 HGB führt zwar zu einem Verlust des Eigentums, das der frühere Eigentümer jedoch beim Erwerber gem. 812 ff. BGB zurückfordern kann. Demgegenüber sollen dem Eigentümer nach der von K. Schmidt vertretenen Auffassung auch bereicherungsrechtliche Ansprüche verwehrt bleiben. Begründet wird diese Anwendung von 366 HGB mit einer teleologischextensiven Auslegung der Norm. Es sei mit Sinn und Zweck der Norm unvereinbar, wenn in Fällen der offenen Stellvertretung durch einen Kaufmann der Vertrauensschutz davon abhänge, ob ein Handeln im fremden oder eigenen Namen gegeben sei.7 Hier wird der auf das Verfügungsgeschäft beschränkten Anwendung von 366 HGB der Vorzug gegeben. Zum einen spricht für diese, dass im Rahmen des HGB insgesamt keine klare Trennung zwischen Ermächtigung und Vertretungsmacht erfolgt (vgl. z.b. 54, 56 HGB). Darüber hinaus passt sich die analoge Anwendung besser in das bereicherungsrechtliche System und die Interessenabwägung der Regelungen des 179 BGB, 932 BGB und 812 BGB ein. 3 Canaris, HandelsR, 29 I 3 d; Reinicke, AcP 189 (1989), 79 ff. 4 Hopt, HGB, 366 Rdnr. 5; Bosch, JuS 1988, 439 f.; K. Schmidt, HandelsR, 23 III 1 5 Bosch a.a.o. 6 K. Schmidt, a.a.o. 7 K. Schmidt, a.a.o.
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 5 Voraussetzung einer analogen Anwendung von 366 HGB ist das Vorliegen eines Sachverhaltes, der dem der Regelung des 366 HGB entspricht. Entscheidend ist somit, dass im hier zu behandelnden Fall die Voraussetzungen von 366 HGB vorliegen, d.h., es muss ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihn nicht gehörige Sache veräußert haben. aaa) A. müsste dann Kaufmann im Sinne des HGB sein. In Betracht kommt eine Kaufmannseigenschaft des A. gem. 1 HGB. Danach ist Kaufmann im Sinne des Handelsrechts, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Handelsgewerbe ist nach 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, das Unternehmen erfordert den Betrieb eines Gewerbes nicht. Ein Gewerbe liegt nach h. M.8 dann vor, wenn die Ausübung der Tätigkeit unter den Kriterien der Erkennbarkeit, Selbständigkeit, Dauerhaftigkeit, Gewinnererzielungsabsicht (strittig) und Legalität (strittig) erfolgt. Demgegenüber betreiben kein Gewerbe die Freiberufler. Mit dem Haushaltsgerätehandel übt der A eine Tätigkeit aus, die auf Dauer angelegt ist, eine nach außen erkennbare Organisation aufweist (Ladenlokale) und entgeltliche Leistungen (Verkauf von Haushaltsgeräten) auf einem der Öffentlichkeit zugänglichen Markt anbietet. Der A. verfolgt die von ihm ausgeübte Tätigkeit offensichtlich mit Gewinnerzielungsabsicht; auch verstößt sie erkennbar nicht gegen gesetzliche Verbote. (Auf eine Behandlung der insoweit in Betracht kommenden Streitfragen kommt es folglich hier nicht an.) Der Verkauf von elektrischen Haushaltsgeräten ist auch keine den freien Berufen zuzurechnende Tätigkeit. A. betreibt mithin ein Gewerbe. Weiterhin setzt ein Handelsgewerbe nach 1 Abs. 2 HGB voraus, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild des Unternehmens, wobei unter anderem zu den Kriterien, die für die Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise geführten Gewerbebetriebes sprechen, die Höhe des Umsatzes, die Zahl der Beschäftigten sowie Umfang und Art der Geschäftsbeziehungen Ausschlag gebend sind.9 Im Rahmen seiner geschäftlichen Betätigung erwirtschaftet der A. einen beträchtlichen Jahresumsatz und hat zur Betreuung der Kunden mehrere Mitarbeiter beschäftigt. Darüber hinaus betreibt er mehrere Filialen. Insoweit ist hier auch die Notwendigkeit einer kaufmännischen Einrichtung zu bejahen. A. ist Kaufmann i. S. v. 1 HGB. bbb) Außerdem müsste der A. das Geschäft auch im Betrieb seines Gewerbes getätigt haben ( 343 HGB). Die Veräußerung von gebrauchten Waschmaschinen gehört zum Betrieb des von A. betriebenen Handelsgeschäftes. 8 Vgl. statt vieler Klunzinger, HandelsR, 6 I 1 b 9 Vgl. Klunzinger, 6 I 2 a).
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 6 ccc) Bei der Waschmaschine handelte es sich auch um eine dem Kaufmann A. nicht gehörende Sache. ddd) Im Übrigen war der G. auch gutgläubig hinsichtlich der Vertretungsmacht des A. eee) Zwischenergebnis: Die Voraussetzungen von 366 HGB sind erfüllt. Eine wirksame Einigung zwischen E. und G. ist somit erfolgt. b) Übergabe der Sache: Ferner müsste die Waschmaschine dem G. übergeben worden sein. Vorliegend hat der G. das Gerät zu Hause bereits in Betrieb genommen. Von einer Übergabe der Sache ist mithin auszugehen. c) Verfügungsbefugnis des Vertretenen: E., den A. vertreten hat, war Eigentümer und damit auch verfügungsberechtigt. 4. Ergebnis: G. hat wirksam Eigentum an der Waschmaschine erworben, der Anspruch gem. 985 BGB besteht nicht. II. Anspruch des E. auf Rückübereignung der Waschmaschine gem. 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB Der E. könnte gegen G. einen Anspruch auf Rückübertragung der Waschmaschine gem. 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB haben. Dann müssten die Voraussetzungen von 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB erfüllt sein, d.h., der G. müsste die Waschmaschine durch die Leistung des E. ohne rechtlichen Grund erlangt haben oder der bestehende Rechtsgrund müsste später weggefallen sein. 1. G. müsste etwas i. S. v. 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB erlangt haben. Etwas i. S. dieser Regelung ist alles, was nach dem Willen der Parteien Gegenstand des Austausches ist.10 Hier hat G. Eigentum und Besitz an der Waschmaschine erlangt. Dabei handelt es sich um etwas i. S. der Vorschrift.11 2. Weiterhin ist erforderlich, dass der G. die Waschmaschine durch Leistung des E. erlangt hat. 10 Palandt Thomas, Komm. zum BGB, 812 Rdnr. 16. 11 Palandt Thomas, Komm. zum BGB, 812 Rdnr. 19.
Verf.: wiss. Mitarb. Michael Neufang 7 Leistung i. S. des Bereicherungsrechts ist jede auf bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens gerichtete Zuwendung.12 Die Leistung besteht vornehmlich in einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Leistenden. Vorliegend ist der E. als Vertretener auch Leistender. 3. Die Leistung müsste sodann ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, wenn der zwischen G. und A. geschlossene Kaufvertrag nicht wirksam zu Stande gekommen ist. Die Beantwortung der Frage ist strittig (siehe oben Punkt 1 c) (1)). Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass eine Anwendung von 366 HGB lediglich auf das dingliche Geschäft beschränkt bleibt, hat G. das Gerät ohne rechtlichen Grund i. S. v. 812 Abs. 1 S. 1 1 Alt. BGB erworben. 4. Ergebnis: E. kann von G. Rückübereignung der Waschmaschine Zug um Zug gegen Herausgabe des erlangten Kaufpreises verlangen. 12 Palandt Thomas, Komm. zum BGB, 812 Rdnr. 3.