Gliederung des Vortrags

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Transkript:

Künstliche Ernährung bei Wachkoma und Demenz: Gebotene Grundversorgung oder sinnlose Leidensverlängerung? Dr. Alfred Simon Akademie für Ethik in der Medizin e.v. Hospiz-Forum, 10.10.2007 Gliederung des Vortrags Teil I: Ethisch-rechtliche Kriterien bei der Entscheidung über Beenden/ Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen Hippokrates, Museo Chiaramonti Teil II: Spezifische Probleme im Zusammenhang mit der künstlichen Ernährung 1

Teil I: Ethisch-rechtliche Kriterien Medizin. Maßnahme Medizinische Indikation Angebot Einwilligung des Patienten Durchführung Medizinische Indikation Durchführung medizinisch begründet? Medizinisches Wissen Diagnose und Prognose Behandlungsziel 2

Einwilligung des Patienten Selbstbestimmungsrecht des Patienten: Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) Recht auf körperl. Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) Verweigert oder widerruft der Patient seine Einwilligung, ist die (weitere) Behandlung moralisch und rechtlich unzulässig Der nichteinwilligungsfähige Patient Grundsatz: Selbstbestimmungsrecht besteht über die Einwilligungsfähigkeit hinaus antizipierte Entscheidung z.b. OP-Einwilligung, Patientenverfügung stellvertretende Entscheidung Bevollmächtigter Betreuer Notfallsituation: Arzt 3

Zwischenergebnis Wer entscheidet über Beginn/Fortsetzung einer medizinisch indizierten Maßnahme? Patient Stellvertreter Arzt = erklärter Wille Entscheidung orientiert am mutmaßlichen Willen Patientenverfügung Teil II: Spezifische Probleme Künstliche Ernährung: Therapie oder Basisbetreuung? Indikation zur künstlichen Ernährung bei Patienten mit anhaltender Bewusstlosigkeit? Umgang mit Nahrungsverweigerung bei Demenzpatienten? 4

Therapie oder Basisbetreuung? Künstliche Ernährung : Parenterale Ernährung Ersetzt natürlichen Verdauungsvorgang Künstliche Ernährung = Therapie = ggf. verzichtbar Enterale Ernährung Verdauung erfolgt auf natürlichem Wege Natürliche Ernährung = Basisbetreuung = verpflichtend Therapie oder Basisbetreuung? Folgt aus der Natürlichkeit der enteralen Ernährung, dass sie verpflichtend ist? NEIN, denn vom Sein (wie etwas ist) kann nicht aufs Sollen (wie etwas sein soll) geschlossen werden ( Naturalistischer Fehlschluss ) Verpflichtung zur Ernährung nicht: Natürlichkeit der Nahrungsverwertung sondern: Garantenpflicht gegenüber einem Hilfsbedürftigen 5

Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (2004) Unabhängig von anderen Zielen der medizinischen Behandlung hat der Arzt in jedem Fall für eine Basisbetreuung zu sorgen. Dazu gehören u. a.: menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst. Indikation zur künstlichen Ernährung bei anhaltender Bewusstlosigkeit? [M]edical interventions that only sustain minimal function do not benefit the patient overall. (Finucane et al. 1999) [D]ie Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht in der Intensivmedizin [lassen] sich dort ziehen, wo lebensverlängernde Maßnahmen dem Patienten keine Chance mehr bieten, in ein bewusstes Leben zurückzukehren. (Opderbecke, Weißauer 1999) Patienten mit anhaltender Bewusstlosigkeit haben, wie alle Patienten, ein Recht auf Behandlung, Pflege und Zuwendung. Lebenserhaltende Therapie einschließlich ggf. künstlicher Ernährung ist daher unter Beachtung ihres geäußerten Willens oder mutmaßlichen Willens grundsätzlich geboten. (BÄK 2004) 6

Indikation zur künstlichen Ernährung bei anhaltender Bewusstlosigkeit? Indikation abhängig von Behandlungsziel Mögliche Behandlungsziele: Verbesserung der Lebensqualität Lebenserhaltung Wegfall des Behandlungsziels Lebenserhaltung: Hinweise auf den individuellen Patientenwillen Allgemeine Wertvorstellungen? Problematisch! Empirischer Beleg? Beweislastumkehr Umgang mit Nahrungsverweigerung Nahrungsverweigerung bei Demenzpatienten Annäherung: Andere Gründe für Nahrungsverweigerung (z.b. keine patientengerechten Portionen, fehlende Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, schlecht sitzende Zahnprothesen)? Wenn nein: Nahrungsverweigerung als natürliche Willensäußerung (sofern keine anderslautende Patientenverfügung vorliegt) 7

Zusammenfassung Ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung endet dort, wo diese vom Patienten nicht (mehr) gewünscht wird Auch künstliche Ernährung bedarf der (fortwährenden) Einwilligung des Patienten Irreversible Bewusstlosigkeit allein ist kein hinreichender Grund für das Einstellen der künstlichen Ernährung Nahrungsverweigerung ist bei Ausschluss anderer Gründe als natürliche Willensäußerung ernst zu nehmen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Alfred Simon Geschäftsstelle der Akademie für Ethik in der Medizin e. V. Humboldtallee 36 D-37073 Göttingen Tel. +49 (0)551 / 39-9680 E-Mail: simon@aem-online.de Internet: www.aem-online.de 8