Praxisleitfaden 1 für die Notarinnen und Notare im Bereich Erbrecht/Inventarwesen

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Transkript:

Regierungsstatthalterämter Kanton Bern www.be.ch/regierungsstatthalter Praxisleitfaden 1 für die Notarinnen und Notare im Bereich Erbrecht/Inventarwesen 1. Anordnung des Inventars Steuerinventar Ein Steuerinventar wird errichtet, wenn eine im Kanton Bern unbeschränkt steuerpflichtige Person stirbt. Ein Steuerinventar wird nicht aufgenommen, wenn eine Person stirbt, die zur Zeit des Todes von der öffentlichen Sozialhilfe unterstützt wurde oder wenn eine von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde genehmigte Schlussrechnung vorliegt. Die Regierungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter kann auf die Errichtung eines Inventars verzichten, a) wenn offenkundig ist, dass die verstorbene Person und die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte zusammen kein oder ein Rohvermögen von weniger als Fr. 100'000.- besessen haben, sofern - die verstorbene Person keine Vorempfänge ausgerichtet hat und - klare Vermögensverhältnisse vorliegen. b) wenn die verstorbene Person seit mindestens 10 Jahren verbeiständet war und eine das gesamte Vermögen umfassende Beistandschafts-Schlussrechnung vorliegt. Ist auf dem Siegelungsprotokoll eine Notarin oder ein Notar aufgeführt, wird diese Urkundsperson mit der Aufnahme des Steuerinventars beauftragt. Falls auf dem Siegelungsprotokoll keine solche aufgeführt ist, werden die Erbinnen und Erben aufgefordert innert 10 Tagen eine Notarin oder einen Notar zu bestimmen. Geht kein Vorschlag ein oder gehen mehrere Vorschläge ein, bestimmt der Regierungsstatthalter oder die Regierungsstatthalterin die Urkundsperson. Rohvermögen Fr. 100 000.00 Der Saldo per Todestag ist massgebend. Schulden werden nicht berücksichtigt. Rückkaufswerte von Versicherungen sind einzurechnen. Versicherungen aus gebundener Vorsorge (BVG und Säule 3a) sowie Freizügigkeits- und Säule 3a Konti sind nicht beim Rohvermögen einzurechnen. Überschreitet das Rohvermögen Fr. 100 000.00, ist ein Steuerinventar anzuordnen (strikte Handhabung). Nutzniessungsvermögen Es kann davon ausgegangen werden, dass Nutzniessungen an Liegenschaften ordnungsgemäss gemeldet und steuerlich abgerechnet wurden. Das Nutzniessungsvermögen von Liegenschaften ist deshalb für den Entscheid über die Anordnung eines Steuerinventars nicht mehr in jedem Fall zu berücksichtigen. 1 In diesem Dokument sind die durch die Geschäftsleitung der Regierungsstatthalter beschlossenen Praxisvereinheitlichungen bei einzelnen erbrechtlichen Fragestellungen dargestellt. 22. Januar 2014

Vorempfänge Liegenschaften andere Vermögenswerte Vorempfänge an Liegenschaften werden bei der Berechnung des Rohvermögens nicht berücksichtigt. Vorempfang vor dem 01. Januar 2006 Vorempfänge vor dem 01. Januar 2006 2 an direkte Nachkommen/Ehegatten/weitere Personen werden für das Rohvermögen nicht berücksichtigt, wenn diese ordnungsgemäss gemeldet und ggf. steuerlich abgerechnet wurden. Vorempfang nach dem 01. Januar 2006 Vorempfänge an direkte Nachkommen/Ehegatten werden für das Rohvermögen nicht berücksichtigt. Vorempfänge an weitere Personen werden nicht berücksichtigt, wenn diese ordnungsgemäss gemeldet und ggf. steuerlich abgerechnet wurden. Handhabung bei aufeinanderfolgenden Todesfällen von Ehegatten Beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten kann auf ein Steuerinventar verzichtet werden, wenn für den vorverstorbenen Ehepartner ein Inventar eine öffentliche Urkunde angeordnet wurde, falls a) die Todesfälle nicht mehr als ein Jahr auseinanderliegen; b) weiterhin klare Vermögensverhältnisse vorliegen; c) sich die Vermögensverhältnisse nach dem Tod des vorverstorbenen Ehepartners nicht wesentlich verändert haben und d) die gleichen gesetzlichen Erben und Erbinnen involviert sind. Anzahl Exemplare Die Urkundsperson reicht das Steuerinventar in zweifacher Ausführung (Kopien) mit den Original-Siegelungsakten dem Regierungsstatthalteramt ein. Die eingereichten Unterlagen werden der Steuerverwaltung, Erbschafts- und Schenkungssteuern, weitergeleitet. 2. Erbschaftsinventar Ein Erbschaftsinventar wird aufgenommen, wenn 1. ein minderjähriger Erbe 3 unter Vormundschaft 4 steht oder er unter Vormundschaft zu stellen ist 5 ; 2. ein Erbe 6 dauernd ohne Vertretung abwesend 7 ist; 3. ein Erbe 3 oder die KESB 8 die Inventaraufnahme verlangt; 4. ein volljähriger Erbe 3 unter umfassender Beistandschaft 4 steht oder er darunter zu stellen ist 6; 5. Vater oder die Mutter gestorben ist und unmündige Kinder vorhanden sind; 6. in einem Testament oder in einem Erbvertrag eine Vor- oder Nacherbeneinsetzung vorgesehen ist. Es liegt in der Kompetenz und Verantwortung der Gemeinde, über die Inventaraufnahme zu entscheiden (sie kann z.b. von der Anordnung eines Erbschaftsinventars absehen, wenn das Gesuch offensichtlich verspätet ist oder wenn die Erbschaft von allen ausgeschlagen wurde). 2 Revision Steuergesetzgebung: Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten sowie an Nachkommen, Stief- oder Pflegekinder sind steuerfrei. 3 gesetzliche (auch ausgeschlossene Pflichtteilserben) und eingesetzte Erben, nicht Vermächtnisnehmer 4 dem Siegelungsprotokoll entnehmen 5 in der Praxis kaum relevant, allenfalls wenn man von einem laufenden Verfahren Kenntnis erhält 6 wenn nicht klar ist, ob überhaupt Erben da sind, ist eine Erbschaftsverwaltung mit Erbenruf anzuordnen (Art. 554 f. ZGB) 7 Falls Erben im Ausland sind, können diese eine Vertretung in der Schweiz mit der Wahrung ihrer Interessen im Erbschaftsfall beauftragen. Die Vollmacht muss der Gemeinde mit Originalunterschrift vorliegen. 8 muss nicht aktiv informiert werden 2

Fristverlängerung bei Antrag um Erbschaftsinventar Praxisleitfaden für die Notarinnen und Notare Wurde innert der 3-monatigen Ausschlagungsfrist 9 ein Erbschaftsinventar angeordnet, so beginnt die Frist zur Ausschlagung für alle Erbinnen und Erben mit dem Tage, an dem die Behörde ihnen über den Abschluss des Inventars Kenntnis gegeben hat 10. Folglich spielt es keine Rolle, wann innerhalb der 3-monatigen Ausschlagungsfrist eine Erbin oder ein Erbe die Errichtung eines Erbschaftsinventars verlangt. In jedem Fall verlängert sich diesfalls die dreimonatige Ausschlagungsfrist für alle Erbinnen und Erben, für welche die allgemeine Ausschlagungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Hinweis: Nicht nur das Begehren um Errichtung des Erbschaftsinventars muss vor Ablauf der Ausschlagungsfrist erfolgen, sondern das Inventar muss auch vor Ablauf der Frist angeordnet werden. Wird das Begehren erst am Ende der Frist gestellt, so besteht das Risiko, dass die Behörde das Inventar erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist anordnet. Damit die potentiellen Erbinnen und Erben die Möglichkeit zur Ausschlagung offen lassen, müssen sie in einem solchen Fall gleichzeitig mit dem (späten) Gesuch um Errichtung eines Erbschaftsinventars ein Fristverlängerungsgesuch für die Ausschlagung stellen. Die Anordnung eines Erbschaftsinventars dauert einige Tage wenn nicht Wochen. Es ist sicher den wenigsten Gesuchstellenden bewusst, dass ein Gesuch um eine Fristverlängerung eingereicht werden muss, wenn der Antrag um ein Erbschaftsinventar erst kurz vor Ablauf der Ausschlagungsfrist gestellt wird. Die Geschäftsleitung der Regierungsstatthalter geht deshalb davon aus, dass der Antrag um ein Erbschaftsinventar gleichzeitig auch ein Fristverlängerungsgesuch für die Ausschlagung der Erbschaft darstellt. Dies gilt sinngemäss auch, wenn schon bei der Eröffnung des Erbganges feststeht, dass ein Sicherungsinventar von Amtes wegen aufgenommen werden muss. Mitteilung Ausschlagungsfrist Es besteht keine gesetzliche Regelung, wonach das Regierungsstatthalteramt die Erbinnen und Erben über den Beginn und die Dauer der Ausschlagungsfrist informieren muss. Die Ausschlagungsfrist beim Erbschaftsinventar beginnt demnach mit der Eröffnung des Inventars an die Erbinnen und Erben durch die Notarin oder den Notar zu laufen. Anzahl Exemplare Die Urkundsperson hat das Erbschaftsinventar in zweifacher Ausführung (Kopien) mit den Original-Siegelungsakten dem Regierungsstatthalteramt einzureichen. Die eingereichten Unterlagen werden der Steuerverwaltung, Abt. ZVB ES, weitergeleitet. Der Gemeindebehörde, welche das Erbschaftsinventar angeordnet hat, ist ebenfalls eine Kopie des Erbschaftsinventars zuzustellen. 3. Öffentliches Inventar In der nachfolgenden Darstellung ist der durch die Geschäftsleitung der Regierungsstatthalter beschlossene Prozess im öffentlichen Inventar dargestellt. Die relevanten Prozessschritte für die Notarinnen und Notare sind mit roter Schrift herausgehoben. 9 Art. 567 ZGB 10 Art. 568 ZGB, sofern die Frist bei Anordnung nicht bereits abgelaufen ist 3

Prozessablauf Prozessbeschreibung Grundlage nein Prüfung Gesuch um ein öffentliches Inventar ja Anordnung des öffentlichen Inventars - Form: analog Ausschlagung - Frist: 1 Monat - Befugnis: Erben (gesetzliche und eingesetzte Erben) - Angabe Notar und Massaverwalter - Verfügung erstellen - Eingabeverzeichnis vorbereiten - in Geschäftskontrolle aufnehmen Art. 580 ZGB, InV Art. 581 ff. ZGB, Art. 63 ff EGzZGB, InV Publikation Rechnungsruf durch Notar abwarten (Notar muss RSTA Kopie der Publikation zustellen) Art. 582 ff. ZGB, Art. 68 EGzZGB, InV Verarbeitung der Eingaben - Datumsstempel und Eingabenummer auf Eingabe - Eingabeverzeichnis ergänzen - Nach Ablauf Eingabefrist: Eingabeverzeichnis und Originaleingaben an Notar Frist zur Annahme/ Ausschlagung Erklärung der Erben Nach Inventarabschluss: - Auflage durch Notar - Information über Auflage durch Notar - Frist zur Annahme/Ausschlagung an Erben durch RSTA - Geschäftskontrolle nachführen Annahmen/Ausschlagungen an Notar mit Registrationsbestätigung Art. 584 ff. ZGB, Art. 42 InV Eingang und Weiterleitung des öffentlichen Inventars Ausfertigung Inventar inkl. Beilagen und 2 Kopien für Steuerverwaltung (ohne Beilagen) Art. 42 InV Rechnungsstellung an Notar Rohvermögen bis Fr. 75 000. Fr. 100. von über Fr. 75 000. bis Fr. 200 000. Fr. 150. von über Fr. 200 000. bis Fr. 500 000. Fr. 225. von über Fr. 500 000. bis Fr. 1 000 000. Fr. 300. von über Fr. 1 000 000. bis Fr. 2 000 000. Fr. 450. von über Fr. 2 000 000. Fr. 750. Art. 46 InV und Anhang IX Ziff. 4.10 GebV Archivierung Prüfen Steuerinventar/ Erbschaftsinventar 4

Entschädigung Massaverwalterin/Massaverwalter Praxisleitfaden für die Notarinnen und Notare Die Massaverwalterin, der Massaverwalter hat dem Regierungsstatthalteramt einen Bericht inkl. Rechnung einzureichen. Diese Unterlagen sind nicht zu genehmigen. Die Regierungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter hat lediglich die Entschädigung der Massaverwalterin, des Massaverwalters zu bestimmen. Bei der professionellen Massaverwaltung ist bei der Festsetzung des Honorars von einem Stundenansatz zwischen Fr. 150.00 und Fr. 250.00 auszugehen; allfällige Kürzungen bleiben vorbehalten. Verlustscheine festhalten Die Verlustscheine gemäss Betreibungsauszug sind im Inventar aufzuführen bzw. als Beilage zu erklären. Dies auch aus dem Grund, dass das Inventar die Erbinnen und Erben umfassend über die Vermögenssituation der Erblasserin/des Erblassers ins Bild setzen soll. Publikation der Auflage durch Notarin/Notar Eine (einmalige) öffentliche Publikation über die Auflage des Inventars ist zu empfehlen. In Fällen, in welchen wenige Gläubiger beteiligt sind (2-3), kann ausnahmsweise auf die Publikation verzichtet werden. Anzahl Exemplare und Belege Es ist dem Regierungsstatthalteramt eine Ausfertigung des öffentlichen Inventars inkl. Beilagen sowie zwei Kopien des öffentlichen Inventars für die Steuerverwaltung einzureichen (ohne Beilagen). Die Belege des öffentlichen Inventars (Originale) sind, soweit sie erstellt werden, samt Inhaltsverzeichnis und zusammen mit dem Inventar zu einem stabilen Einband zu vereinigen und nach Ablauf der Auflagefrist dem Regierungsstatthalteramt zu überweisen (vgl. Anhang). Mitteilung Ausschlagungsfrist Die Regierungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter fordert jede erbberechtigte Person unverzüglich nach Erhalt des Inventars auf, innert Monatsfrist seit Erhalt des Schreibens des Regierungsstatthalteramts die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft zu erklären 11. 4. Weitere erbrechtliche Fragestellungen Umgang mit Verfügungen von Todes wegen Es ist wichtig, dass das Regierungsstatthalteramt über den Inhalt der letztwilligen Verfügungen informiert ist. So können allfällige Unklarheiten in Bezug auf die Erbenstellung vermieden werden und die zuständige Behörde kann von Beginn an die richtige Inventarart anordnen. Erbfälle mit Verzicht auf ein Inventar Testamente und Erbverträge sind dem Regierungsstatthalteramt nach der Eröffnung durch das Eröffnungsorgan (Notarin/Notar oder Gemeinde) in Kopie zuzustellen 12. Der Ablauf der Einsprachefrist muss nicht abgewartet werden. Das Schreiben bezüglich des Verzichts auf ein Inventar wird erst nach Erhalt der Verfügung von Todes wegen an die vermutlichen Erbinnen/Erben (gesetzliche und/oder allenfalls eingesetzte Erbinnen/Erben) verschickt. Liegt dem Siegelungsprotokoll eine Kopie der Verfügung von Todes wegen bei, ist die Eröffnung der Urkunde nur abzuwarten, wenn die gesetzliche Erbfolge abgeändert wurde. Erbfälle mit Inventar Testamente und Erbverträge sind dem Regierungsstatthalteramt nach der Eröffnung durch das Eröffnungsorgan (Notarin/Notar oder Gemeinde) in Kopie zuzustellen. Auf Wunsch des Regierungsstatthalteramtes ist eine Kopie des Testaments oder Erbvertrags auch bereits vorher zuzustellen. Die Verfügung i.s. Anordnung Steuerinventar wird jedoch in der Regel bereits vor der Eröffnung an die vermutlichen Erbinnen/Erben gemäss Siegelungsprotoll ver- 11 Art. 43 Abs. 1 InV 12 Die Zustellung der Verfügungen von Todes wegen durch den Notar im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ist möglich und auch ohne gesetzliche Grundlage bereits Praxis in vielen Verwaltungskreisen. 5

schickt. Falls sich nach Erhalt der Verfügung von Todes wegen herausstellt, dass im Testament/Erbvertrag weitere Personen begünstigt werden oder ein Erbschaftsinventar erforderlich ist (z.b. eingesetzte Erben stehen unter umfassender Beistandschaft), sind die erforderlichen Schritte einzuleiten. Bei Vorliegen eines Testaments oder eines Erbvertrags muss demnach die Gemeinde, bzw. die Notarin/der Notar reagieren und das Regierungsstatthalteramt darüber in Kenntnis setzen. Das Regierungsstatthalteramt prüft anhand dieser Unterlagen, wem die Inventarverfügung zu eröffnen ist. Auskunftspflicht der Erben Art. 23 InV verweist darauf, dass das Regierungsstatthalteramt alles daran zu setzen hat, dass auch mit Auskunftsverweigerung das Inventar korrekt abgeschlossen werden kann. Der Regierungsstatthalter oder die Regierungsstatthalterin kann mittels Verfügung die entsprechenden Informationen entweder bei Dritten einholen oder die Betreffenden dazu verpflichten, unter Strafandrohung wenn nötig, die Information der Notarin oder dem Notar zukommen zu lassen. Das Verfahren richtet sich nach VRPG. Die Verfügungen sind entsprechend beschwerdefähig. Fristverlängerung zur Einreichung des Inventars Das Regierungsstatthalteramt wird grundsätzlich maximal drei begründete Fristverlängerungen bewilligen. Geht das Inventar nach der letztmaligen Verlängerung nicht ein, erfolgt in der Regel eine Meldung an die Aufsichtsbehörde. 5. Erbschaftsausschlagungen Kompetenz zur Feststellung, ob fristgerecht und vorbehaltlos ausgeschlagen wurde Das Regierungsstatthalteramt nimmt die Ausschlagungen entgegen und registriert den Eingang. Grundsätzlich hat das Regierungsstatthalteramt nicht zu prüfen, ob Ausschlagungen fristgerecht zugestellt wurden. Schlagen alle nächsten gesetzlichen Erbinnen/Erben aus, wird das Regionalgericht gebeten, die konkursamtliche Liquidation anzuordnen. In Fällen mit nicht fristgerecht zugestellten Ausschlagungen ist das Regionalgericht schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen. Information über Erbgang an nachrückende Erben Wird auf ein Inventar verzichtet, hat das Regierungsstatthalteramt im Schreiben Inventarverzicht die Erbinnen/Erben darauf hinzuweisen, dass ausschlagende Erbinnen/Erben mit ihrer Ausschlagungserklärung allfällige Nachkommen oder Erbberechtigte schriftlich mitzuteilen haben. Werden dem Regierungsstatthalteramt nachfolgende Erbinnen/Erben gemeldet, stellt es den nachrückenden Erbinnen/Erben die Mitteilung Inventarverzicht nachträglich zu, ansonsten werden keine weiteren Abklärungen getroffen. Ist ein Inventar angeordnet worden, ist es Aufgabe der Inventarnotarin/des Inventarnotars grundsätzlich abzuklären, ob es nachrückende Erbinnen/Erben gibt. Form der Ausschlagung/Ausschlagung zu Gunsten einer Mit- oder Nacherbin/eines Mitoder Nacherben Die Ausschlagung muss mündlich oder schriftlich erklärt werden. Die telefonische Ausschlagung der Erbschaft ist nicht möglich. Die Ausschlagung zu Gunsten einer anderen Person ist nicht möglich, da die Ausschlagung damit nicht mehr vorbehaltlos ist; muss aber dennoch registriert werden. Es ist nicht Sache des Regierungsstatthalteramts die Rechtmässigkeit der Ausschlagung zu überprüfen. Die Ausschlagenden sollten aber auf die rechtliche Problematik hingewiesen werden. Weitere Fragen beantwortet Ihnen das örtlich zuständige Regierungsstatthalteramt gerne. 6

Anhang zum Praxisleitfaden für die Notarinnen und Notare im Bereich Erbrecht/Inventarwesen Checkliste einzureichende Unterlagen im öffentlichen Inventar Es ist dem Regierungsstatthalteramt eine Ausfertigung des öffentlichen Inventars inkl. Beilagen sowie 2 Kopien des öffentlichen Inventars für die Steuerverwaltung einzureichen (ohne Beilagen). Die folgenden Belege des öffentlichen Inventars (Originale) sind, soweit sie erstellt werden, samt Inhaltsverzeichnis und zusammen mit dem Inventar zu einem stabilen Einband zu vereinigen und nach Ablauf der Auflagefrist dem Regierungsstatthalteramt zu überweisen: Eingabenverzeichnis und Eingaben, eingestellt nach den amtlichen Verzeichnis-Nummern gegebenenfalls bereits eingegangene Erbschaftsannahme-Erklärungen Bericht der Massaverwalterin/des Massaverwalters Todesmitteilung Siegelungsakten Entsiegelungs-Zeugnis Gesuch und Verfügung um Anordnung des öffentlichen Inventars Gesuch und Verfügung um Verlängerung der Abschlussfrist gemäss Art. 65 EG ZGB Gesuch und Verfügung um Verlängerung der Überlegungsfrist gemäss Art. 587 Abs. 2 ZGB Gesuch und Verfügung um Weiterführung des Geschäftes gemäss Art. 67 EG ZGB Gesuch und Verfügung um Versteigerung oder freihändigen Verkauf von Fahrnisgegenständen gemäss Art. 66 EG ZGB Abschrift des Rechnungsrufes Abschrift der letztwilligen Verfügung Rechnungen der Massaverwalterin/des Massaverwalters und der Notarin/des Notars Korrespondenz und Verschiedenes 7