Didaktischer Einsatz von Hörspielen zur Vermittlung nonverbaler Kommunikationsmittel bei blinden Kindern

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Pädagogik Bianka Rademacher Didaktischer Einsatz von Hörspielen zur Vermittlung nonverbaler Kommunikationsmittel bei blinden Kindern Examensarbeit

Didaktischer Einsatz von Hörspielen zur Vermittlung nonverbaler Kommunikationsmittel bei blinden Kindern Wissenschaftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers an Sonderschulen/für Sonderpädagogik Vorgelegt von: Bianka Rademacher Berlin, den 28. 08. 2000

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 1.1. Vorgehensweise 6 2. Was die Arbeit nicht beinhaltet 10 3. Geschichte und Grundzüge des traditionellen und 11 neuen deutschen Hörspiels 3.1. Das deutsche Hörspiel von 1923 bis heute 11 3.2. Das traditionelle Hörspiel als Wortkunstwerk 15 3.3. Das Hörspiel in der Schule für Blinde 17 3.4. Hörbeispiel Ben liebt Anna von Peter Härtling 22 4. Die Wahrnehmung Blinder 25 4.1. Das Hören im Verhältnis zum Sehen 27 4.2. Die Hörerziehung bei blinden Kindern 30 4.3. Der Charakter: die Stimme 34 5. Kommunikation 35 5.1. Nonverbale Kommunikation 39 6. Mimik und Haltung als emotionale Informationsträger 44 6.1. Die Mimik 45 6.2. Das Gesicht 46 6.2.1. Gesichtsausdrücke Blinder 48 6.2.2. Die Bedeutung unterschiedlicher Gesichtsausdrücke 50 2

6.2.3. Die Fähigkeit blinder Kinder, Gesichtsausdrücke 51 auf Verlangen zu reproduzieren 6.3. Das Lächeln 52 6.3.1. Das Lächeln in der Interaktion 53 6.4. Das coverbale Verhalten Blinder 54 als Feedbackverhalten in sozialen Interaktionen 6.5. Die Körperhaltung Blinder 55 6.5.1. Die Bedeutung der Haltung in der Interaktion 57 6.5.2. Übungsprogramme zur Verbesserung der Haltung blinder Kinder 59 7. Die Psychomotorik in ihrer Bedeutung 60 für den Menschen 8. Ausdruck und Darstellung 62 8.1. Die Symbolisierungsfähigkeit als Sprache des Ausdrucks 64 8.2. Trainingsprogramme zur Differenzierung 67 der emotionalen Ausdrucksfähigkeit bei blinden Kindern 9. Darstellendes Spiel an der Schule für Blinde 70 10. Stereotypien 77 11. Der Katalog erwünschter Verhaltensweisen 79 12. Soziale Kompetenz 84 13. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick 88 14. Literatur 91 15. Danksagung 102 3

1. Einleitung Aus dem Wissen heraus, dass Mimik 1 und Haltung des Körpers als erster Eindruck bei einer Kontaktaufnahme im Leben des Menschen eine bedeutende Rolle spielen, entstand die Idee zu dieser Arbeit. Mimik und Körperhaltung dienen den sehenden Menschen als nonverbale Kommunikationsmittel und haben hierin eine ältere Tradition als das Werkzeug Sprache. Durch Mimik und Körperhaltung, aber auch durch die Stimme 2 lassen sich Emotionen wie zum Beispiel Ärger und Ungeduld ausdrücken. Für blinde Menschen, die diese Emotionen nicht visuell vom Gesicht ablesen, sich nicht in den Augen eines anderen sehen können, werden Stimme und Sprache zum wichtigen Kommunikationsmittel. Da der blinde Mensch in einer Welt der Sehenden lebt, ist es für ihn unabdingbar, sich mit den nonverbalen Ausdrucksformen Sehender und der Wirkung seiner eigenen nonverbalen Kommunikationsmittel auseinanderzusetzen. In diesem speziellen Themengebiet der nonverbalen Verhaltensmuster, insbesondere der Mimik und Körperhaltung blinder Kinder sowie deren Wirkung auf Sehende herrscht ein erstaunlicher Mangel an Literatur. Ich werde in meiner Arbeit den didaktischen Einsatz von Hörspielen zur Unterstützung des nonverbalen Ausdrucksprogramms bei blinden Kindern darstellen. Ich beziehe mich auf die eingegrenzte Gruppe der blinden Kinder, die von Geburt oder kurz danach erblindet sind, ohne zusätzliche kognitive oder andere Behinderungen. Diese starke Eingrenzung wurde vorgenommen, um klar davon ausgehen zu können, dass in der frühen Kindheit weder die Möglichkeit bestand, nonverbales Verhalten visuell zu erlernen, noch über noch so geringe visuelle Wahrnehmung Vorstellungen über nonverbales kommunikatives Verhalten zu erlangen. Ziel der Aneignung und Erweiterung nonverbaler Kommunikationsmittel für blinde Kinder sollte die Erhöhung sozialer Kompetenz sein. 1 Gesichtssprache 2 Diesen Begriff der Stimme verwende ich für die mit Hilfe der Stimmbänder erzeugten Laute und für die Fähigkeit zur Erzeugung solcher Laute. 4

1.1. Vorgehensweise Im ersten Teil der Arbeit wende ich mich der Geschichte und den Grundzügen des traditionellen und neuen deutschen Hörspiels zu. Dann werde ich theoretische und praktische Hinweise zum Gebrauch des Hörspiels in der Schule für Blinde 3 geben. Als Hörbeispiel in dem nonverbale Kommunikationsmittel sprachlich umgesetzt wurden ziehe ich Ben liebt Anna von Peter Härtling heran. Durch das Hörspiel erlangen blinde Schüler das Bedeutungswissen, dass bei Sehenden Emotionen u. a. über das Gesicht und die Körperhaltung ausgedrückt werden können. Bei der Durchsicht der Literatur vermisste ich die wissenschaftliche Diskussion darüber, ob das Hörspiel als Stimulus für gelernte und neu reproduzierbare nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten blinder Kinder dienen kann. In Gesprächen mit Pädagogen 4 und aus eigener Erfahrung im Umgang mit blinden Schülern kristallisierte sich heraus, welcher geringe didaktische Stellenwert dem Hörspiel beigemessen wird. Für mich stellt es eine Herausforderung dar, das Hörspiel im Medienzeitalter auf seinen Gehalt hin zu untersuchen. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt - die Leipziger Buchmesse des Jahres 2000 kündigte es an - gewinnt das Hörspiel, insbesondere das Hörbuch als Medium immer mehr an Popularität. Dass der blinde Mensch in einer auf Sehen ausgerichteten Welt lebt, wird auch nachvollziehbar durch die im Rahmenplan der Schule für Blinde 5 verankerten Zielsetzungen. Dort wird in den Erziehungszielen der Schule das Anliegen deutlich, blinde Kinder zur Beherrschung von angemessenen Interaktionsformen im Umgang mit Sehenden anzuleiten und ihnen zuvor bewusst zu machen, dass sie durch ihre eingeschränkte Mimik und Körperhaltung normgerechte Kompensationsstrategien, d. h. Erproben von Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, Benennen von Missverständnissen und Möglichkeiten der Vermeidung erkennen und entwickeln 3 Kinder/Jugendliche als blind zu bezeichnen, die nicht mehr in der Lage sind, die Schrift der Sehenden, die auch als Flachschrift oder Schwarzschrift (im Unterschied zur tastbaren Blindenschrift) bezeichnet wird, anzuwenden Schüler mit Sehschärfe von 1/25 oder weniger gelten als blind Schüler, deren Sehschärfe zwischen 1/25 und 1/7 liegt, gelten als sehschwach 4 Zur besseren Lesbarkeit der Arbeit, wurde im Text auf die explizite Nennung von weiblichen Formen (Pädagoginnen, Schülerinnen) verzichtet und statt dessen durchgängig die männliche Form benutzt. 5 vgl. Konferenz der Kultusminister, Sekretariat (Hrsg.): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, Empfehlungen für den Unterricht in der Schule für Blinde, 1988, 3 5

müssen 6. Die Schule für Blinde hat sich im Bereich des kulturellen Lebens unter anderem die zwei Ziele gesetzt, die blinden Schüler zur optimalen Nutzung der verbliebenen Sinne zu erziehen und sie dazu zu befähigen, die Bedeutung des Sehen und Gesehenwerdens zu verstehen und in ihr Verhalten miteinzubeziehen 7. Darauf konzentriere ich mich im vierten Kapitel, wenn ich auf die Wahrnehmung Blinder insbesondere auf das Hören im Verhältnis zum Sehen und die Hörerziehung blinder Kinder 8 eingehe. Ebenso Bestandteil dieses Abschnittes ist der Zusammenhang von Stimme und Charakter. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich im Menschen ein Bild entwickelt, obwohl er den Betreffenden körperlich nicht sehen kann. Blinde scheinen jedoch dazu fähig zu sein. Die Stimme ist für den Blinden das Gesicht: Charakter, Stimmung, Selbst. Mit diesem so entstandenen Bild des Gegenübers begegnen Blinde den Sehenden. Die Sehenden erwarten vom Blinden angemessene Interaktionsformen, wozu auch der Bereich der nonverbalen Kommunikation zählt. Auf die Kommunikation, hier speziell die nonverbale Kommunikation in Abgrenzung zur verbalen Kommunikation, beziehe ich mich im Kapitel fünf. Dies beinhaltet einen Teil der begrifflichen und theoretischen Grundlage dieser Arbeit. Im sechsten Kapitel befasse ich mich eingehend mit Mimik und Körperhaltung als emotionalen Informationsträgern. Es gibt wenig Untersuchungen zur Funktion und Bedeutung des Gesichtsausdrucks bei blinden Kindern und Jugendlichen in der sozialen Interaktion. Mimik und Körperhaltung - zwei Teilbereiche der nonverbalen Kommunikation die einer Veränderung zugänglich sind und deshalb von mir wissenschaftlich untersucht werden. Folgende Gliederung nehme ich in diesem Kapitel mit den Unterkapiteln vor: Zunächst stelle ich den Ist-Zustand des jeweiligen nonverbalen Verhaltens beim blinden Schüler fest. Einzelne Verhaltensweisen werden auf ihre Wirkung auf sehende Interaktionspartner untersucht. Richtschnur stellen Studien über nonverbale Kommunikationsmuster zwischen sehenden Interaktionspartnern dar. Schließlich werden Übungsprogramme, die eine Veränderung des entsprechenden Verhaltens 6 vgl. Schulprogramm der Schule für Blinde und Sehbehinderte 2000/2001. Hamburg, 2000 7 a.a.o., 3-4 8 Gegebenenfalls beziehe ich mich auch auf Jugendliche, um meiner Arbeit eine größere Allgemeingültigkeit zu verleihen, was die Gruppe blinder Schüler angeht. 6

zum Ziel hatten, angeführt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse soll die wichtigsten Punkte festhalten. Da die Psychomotorik für den Menschen entscheidend ist, werde ich diesen Aspekt im siebten Kapitel gesondert untersuchen. Damit stelle ich die theoretische Grundlage der folgenden Kapitel her. Ich gehe auf den Ausdruck und die Darstellung als wesentliche Pfeiler der Symbolisierungsfähigkeit im achten Kapitel der Arbeit ein. Das darstellende Spiel sehe ich als Möglichkeit, blinde Schüler praktisch an die nonverbalen Kommunikationsmittel Sehender heranzuführen. Deshalb untersuche ich dieses im neunten Kapitel. Mit meiner Arbeit wage ich den Schritt, die bereits bekannte Tatsache, dass sich aus einem Rollenspiel ein Hörspiel entwickeln lässt, umzukehren in dem Versuch, über das Medium Hörspiel den Bereich der Mimik und Körperhaltung durch das darstellende Spiel zu erweitern. Im darstellenden Spiel erfahren die blinden Schüler eine Rückmeldung des Gelernten und dies kann der Modifikation im Verhalten blinder Kinder und Jugendlicher dienen. Hier greift das Argument, dass Bewegungsspiele und Laienspiele der allgemeinen Erziehung Blinder förderlich sind. Die Hauptbeschäftigung eines Kindes ist das Spiel. Es ist eine sich immer wieder selbst bestätigende Tatsache und Erfahrung, dass ein Kind spielend lernt und lernend spielt. Das Spiel ist immer eine Handlung zur positiven und fantasievollen Veränderung, die mit Lust, Spannung und Lösung verbunden ist. Anschließend gehe ich im zehnten Kapitel auf die Stereotypien blinder Kinder und Jugendlicher ein. Ich befasse mich mit den Problemen der sozialen Interaktion zwischen Sehenden und Blinden sowie mit nonverbalen Verhaltenskomponenten, die für Schwierigkeiten verantwortlich gemacht werden. Diese sind beim darstellenden Spiel zu berücksichtigen, aber auch für den im elften Kapitel enthaltenen Katalog des erwünschten nonverbalen Ausdrucksrepertoires blinder Kinder und Jugendlicher von wesentlicher Bedeutung. Der Katalog dient zur Anschauung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 7

Abschließen werde ich meine Arbeit mit einer Einschätzung der Bedeutung des Lernzuwachses im nonverbalen Ausdrucksprogramm blinder Schüler für deren soziale Kompetenz. Durch das Wissen um die nonverbalen Ausdruckssignale Sehender erhöht sich die soziale Kompetenz blinder Kinder und Jugendlicher. Das Kapitel dreizehn der Arbeit enthält eine Zusammenfassung der wichtigsten Gedankengänge und einen Ausblick. Zur besseren Lesbarkeit des Textes gebe ich den Hinweis, dass Bezüge zu den vorhergehenden Kapiteln von mir nicht durch wiederholende und ausführliche Aussagen dargestellt werden, sondern nenne jeweils die Nummern der Abschnitte, in denen Grundlagen, nähere Erklärungen, usw. aufgeführt sind. 8