Ad libitum Fütterung von Heu im geburtsnahen Zeitraum 16. Dummerstorfer Seminar Futter und Fütterung 02. Dezember 2015 in Karow Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Was ist überhaupt Heu? Einfache Definition: getrocknetes Gras. Erweiterte Definition: Gras oder andere Futterpflanzen wie Klee oder Luzerne. Im Gegensatz zum Stroh, das hauptsächlich aus ausgedroschenen Stängeln besteht, enthält Heu vor allem die Blattanteile der frischen Pflanzen und ist nahrhafter. Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Das Wort Heu kommt von hauen. Althochdeutsch houwan, mittelhochdeutsch houwen, und das konnte alles Mögliche bedeuten wie schlagen, stechen, schneiden, mähen, ernten. Das houwe oder höuwe war also das Gehauene oder das zu Hauende. Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Veränderungen im Heu durch den Trocknungsprozess Rohfaser: * Abrieb und Bröckelverlust lassen den Gehalt an Rohfaser im Heu im Vergleich zur Wiese ansteigen * Auch während der Lagerung wird ein Anstieg beobachtet * Der Verlust betrifft insbesondere den verdaulichen Teil der Rohfaser, wodurch der Gehalt an unverdaulicher Rohfaser zunimmt (Arrigo 2009) Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Rohprotein: * Durch Abrieb und Bröckeln von Blattmasse und auch Blühknospen nimmt der Rohproteingehalt im Heu während des Trocknungsprozesses und auch während der Lagerung ab * Der Verlust kann bis zu 8 % betragen (Arrigo 2009) Energiegehalt und Verdaulichkeit: Die Verdaulichkeit und somit der Energiegehalt werden durch Trocknung und Lagerung beeinträchtigt. Beide nehmen ab (Jeroch et al.1993, Schlolaut 2003) Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Zwischen 30 % und 50 % aller Nährstoffe können bei der Trocknung von Wiese zu Heu verloren gehen (Nehring 1970, Lackenbauer 2001) Weitere 6-8 % bei jedem weiteren Monat Lagerung Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Heu im kg Analytischer Befund: im kg Futter Trockensubstanz Trockensubstanz g 856 1000 Rohasche g 64 75 Rohprotein g 42 49 Rohfaser g 342 399 Rohfett g 10 11 Zucker g 36 42 ADFom g 388 453 pepsinunlösl.rohprotein 57,8 % des RPr Proteinlöslichkeit 43,6 % des RPr Umsetzbare Energie Rind ( UE ) MJ/kg 5,9 6,9 Netto-Energie-Laktation ( NEL ) MJ/kg 3,3 3,9 nutzbares Rohprotein g 71 83 ruminale N-Bilanz g N -4,7-5,5
HEU Analytischer Befund: im kg Futter im kg Trockensubstanz Trockensubstanz g 871 1000 Rohasche g 45 52 Rohprotein g 81 93 Rohfaser g 239 275 Rohfett g 17 19 Zucker g 147 169 Fruktane g 63 73 Summe aller wasserlöslichen Kohlenhydrate g 210 242 HFT ml/200mg 40,6 46,6 ADFom g 254 307 Kalium g 11,5 13,2 Calcium g 3,6 4,1 Phosphor g 1,6 1,9 Natrium g 1,0 1,1 Magnesium g 1,4 1,6 pepsinunlösl.rohprotein 23,3 % des RPr Proteinlöslichkeit 34,3 % des RPr Umsetzbare Energie Rind ( UE ) MJ/kg 8,3 9,5 Netto-Energie-Laktation ( NEL ) MJ/kg 4,8 5,6 nutzbares Rohprotein g 104 120 ruminale N-Bilanz g N -3,7-4,3
Was kennzeichnet die Frühlaktation? Rationsumstellung von TS auf frischmelkend Ausgleich der Energie und Nährstoffverluste durch Abkalbung und einsetzende Milchleistung Langsamer Anstieg der Futteraufnahme Schneller Anstieg des Energiebedarfes Hohe Stoffwechselbelastung Mobilisation von Energie aus der Körpersubstanz Oxidativer Stress Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Frühtrockensteherphase Transitphase Laktationsstart Laktationsphase Anfütterung Kalbung Futteraufnahme tendenzielle Darstellung Energiebedarf Transitfütterung Ziel: Gleichgewicht zwischen Angebot und Bedarf ca. 5 Wochen ca. 3 Wochen bis 60. Tag Spezielle Mineralfutter Mineralfutter für die Laktation
Ungenügende Grobfutteraufnahme Energiemangel ungenügende Strukturwirksamkeit Überschuss an Stärke+wlK* / R.prot. Oxidativer Stress Mangel an Antioxidanzien Fermentationsstörungen im Pansen Inflammatorische Effekte Immunsuppression Ungenü- Abfall des Histamin- Labmagengende Milchfett- bildung verlagerung Glukose- u. eiweiß- Nachgeburtsversorgung gehaltes Entzündungen: verhaltung Klauen Klauenrehe Fruchtbarkeits- Euter störungen Gebärmutter * wasserlösliche Kohlenhydrate (Zucker + Fruktane) M. Hoffmann, LKV Sachsen, 2015 Anstieg der Zellzahl
Warum Heu ad libitum? Heu tut meinen Kühen gut! Kühe fressen Heu gerne! Heu bringt den Pansen in Gang! Heu ist gesund! Unsere Altvorderen können doch nicht geirrt haben Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Praktische Erfahrungen Betrieb A: 1. 6. LT großzügige separate Aufstallung die Tiere erhielten die Frischmelkerration (je kg TS): (7,1 MJ NEL; 160 g Rpr; 133 g strw.rfa; 219 g Zucker / Stärke) + Heu ad libitum Verzehrsmenge unbekannt (79 g Rpr; 4,5 MJ NEL; 119 g Zucker; 314 g strw. Rfa; 334 g ADF) der Herdenmanager war vollauf von der positiven Wirkung des Heu s überzeugt dagegen machten aber die Frischmelker in der Startergruppe keinen guten Eindruck BCS an unterster Grenze (teilweise < 2,5) Ursachen? - BCS a.p. nicht zu hoch! - Umstellungsstress - Rangkämpfe Jungkühe werden in separater Gruppe gehalten - Heu ad libitum ab Mitte Dezember 2014 kein Heu mehr ad libitum Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Auswertung Krankheitshäufigkeiten bis 30. MT Art der Erkrankung 01.01. 30.06.2014 01.07. 31.12.2014 01.01. 30.06.2015 Bewegungsapparat 3 6 1 Eutererkrankungen 26 46 20 Fortpflanzungsstörungen 36 59 28 Stoffwechsel- / Verdauungsstörungen 3 2 1 davon Stoffwechselstörung 1 davon Azidosen 1 davon Labmagenverlagerung 2 2 Gesamterkrankungen 68 (100 %) 113 (+ 66 %) 50 (- 27 %) Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Praktische Erfahrungen Betrieb B: 1. 6. LT großzügige separate Aufstallung Stroh ohne Liegeboxen die Tiere erhielten eine Frischmelkerration (je kg TS): (7,3 MJ NEL; 160 g Rpr; 127 g strw.rfa; 272 g Zucker / Stärke) + Heu ad libitum errechneter Verbrauch entsprach: 2,5 kg Heu / Tier u. Tag Gehäuftes Auftreten von klinischen Ketosen ab Ende April 2015 kein Heu mehr ad libitum Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde)
Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Analyse Ernährungszustand Fett / Eiweiß Monat Verdacht auf Ketose Fett % 1. 30. MT Fett % 31. 100. MT Differenz März 2015 11 (17,5 %) 4,25 3,60 0,65 April 2015 10 (23,8 %) 4,35 3,65 0,70 Mai 2015 14 (23,3 %) 4,40 3,60 0,80 Juni 2015 5 (11,9 %) 4,00 3,45 0,55 August 2015 5 (10,6 %) 3,90 3,55 0,35
Versuch Zentrum für Tierhaltung und Technik Iden Effekte des Angebotes von langem Wiesenheu als Einzelkomponente zur freien Aufnahme als Ergänzung zu einer TMR für Milchkühe in der 1. Laktationswoche
Zusammensetzung und Gehaltswerte der im Versuchszeitraum gefütterten TMR Futtermittel % der TM der TMR Maissilage 23 Grassilage + Luzernesilage 13 + 8 Luzerneheu, zerkleinert + Stroh, gehäckselt 5 + 3 Pressschnitzelsilage 9 Feuchtkornmais + Energiekonzentrat-Mix 1) 8 + 10 Rapsextraktionsschrot 18 Gycerin-Propylenglykol-Mix + pansenstabiles Fett Mineralfutter einschl. Kalk 1 + 1 1 Gehaltswert je kg TM der TMR (Empfohlener Bereich 2) ) Rohprotein, g 159 (160 170) Rohfaser, g 175 ( 160) Strukturwirksame Rohfaser 3), g 132 ( 125) NDF OM, g 342 ( 300) NDF OM aus Grobfutter 4), g 262 ( 190) ADF OM, g 207 ( 180) Stärke + Zucker, g 221 ( 270) NEL,M J 6,98 ( 7,0) 1) Gerste, Roggen, Mais, melassierte Trockenschnitzel 2) nach DLG (2012) 3) Faktor Strukturwirksamkeit: Grobfutter = 1, Pressschnitzel = 0,25 4) einschl. Pressschnitzel Thomas Engelhard, ZTT Iden
Angebot von Wiesenheu als Einzelkomponente zur freien Aufnahme für die Kühe der Gruppe H im Abkalberabteil Analysenwerte einer Stichprobe - 397 g Rohfaser, - 408 g ADF, - 510 g NDF, 40 g Zucker - 4,1 MJ NEL Schwankungen des Futterwertes im Versuchszeitraum möglich, durchgehend gute sensorische Qualität (Keine Fütterung/Anfütterung mit Heu als Einzelkomponente in der Vorbereitungsfütterung a.p.) Verbrauch je Kuh und Tag ca. 1,0 kg 10 % Verlust, Verzehr 0,9 kg Thomas Engelhard, ZTT Iden
Beschreibung der Versuchsgruppen Parameter Gruppe mit Gruppe ohne Heu Heu Mittelwert (Stabw.) Anzahl 22 22 Vorlaktation (MLP 305 d) Laktationsnummer 2,73 (1,80) 2,86 (1,46) Milchleistung, kg Milchfettgehalt, % Milcheiweißgehalt, % 12.439 (1.830) 3,73 (0,61) 3,32 (0,19) 12.635 (1.611) 3,76 (0,54) 3,38 (0,21) Nach der Kalbung Körpermasse, kg 697 (87) 708 (72) Rückenfettdicke, mm 19,9 (6,4) 19,6 (5,7) Thomas Engelhard, ZTT Iden
Messwerte im Harn zur Beurteilung des Säuren-Basenhaushaltes der Versuchskühe in der Frühlaktation Unterstrichene Mittelwerte: sign. Differenz, p < 0,05 Thomas Engelhard, ZTT Iden
Ketonkörper im Blut und Fett-Eiweißquotient in der Milch der Versuchskühe in der Frühlaktation Thomas Engelhard, ZTT Iden
Pansenfüllung und Pansenmotorik der Versuchskühe in den ersten Tagen nach der Kalbung Thomas Engelhard, ZTT Iden
Labmagenverlagerungen mit Heu: 4 Kühe/Fälle = 18 % ohne Heu: 1 Kuh/Fall = 4 % Verbleib im Abkalberabteil Routine 6 Tage, verlängert bei unzureichender Stoffwechselstabilität und Fitness mit Heu: 10,6 Tage (Min. 6, Max. 46) ohne Kuh mit längstem Verbleib (nach LMV-OP): 8,9 Tage ohne Heu: 8,4 Tage (Min. 6, Max. 21) ohne Kuh mit längstem Verbleib (nach LMV-OP): 7,6 Tage Thomas Engelhard, ZTT Iden
Bedarfsgerechte Grundversorgung der Milchkühe Voraussetzung: Kenntnis der Futteraufnahme / Kontrolle des Restfutters 1. Schritt: Strukturwirksamkeit strukturw.rohfaser, strukturw.adf, pendf Anteil Grobfutter, Maissilage : Grassilage-Verh., max. Anteil Konzentrate 2. Schritt: Energieversorgung NEL, Stärke, Zucker, Durchflussstärke, Rohfett energiereiche Konzentrate, Nebenprodukte, pansengeschütztes Fett 3. Schritt: Rohproteinversorgung Rohprotein, nutzbares Rohprotein, Durchflussprotein (UDP), Proteinlöslichkeit rohproreinreiche Konzentrate, Futterharnstoff, Nebenprodukte, pansengeschütze Eiweißfuttermittel 4. Schritt: Ergänzung mit Mineralstoffen und Vitaminen Ca, P, Na, Mg, S (K), DCAB ; Mn, Cu, Zn, Se, J, Co Vitamine: A, D 3, E (ß-Carotin) vitaminierte Mineralfutter, DCAB-Regulatoren M. Hoffmann, LKV Sachsen, 2011
Einfluss der Zerkleinerung auf Eigenschaften von Futterstroh (Gerste) FA Struktur- strukturwirk- Anteil Fressge- Fressje Tag faktor same Rohfa. Partikel schwindigkeit dauer relativ f g / kg TS > 2 cm kg TS / h min/kg TS lang 30 (1,5) 630 (100) 0,6 100 gehäckselt > 20 cm 50 (1,5) 630 (100) 0,9 67 10-20 cm 65 1,0 420 80 1,2 50 5-10 cm 80 1,0 420 60 1,8 33 3-4 cm 100 1,0 420 45 2,4 25 < 3 cm 110 0,5 210 25 3,0 20 gemahlen lose 150 0 0 0 3,6 17 pelletiert 280 0 0 0 4,8 13 Quelle: Hoffmann,M. "Tierfütterung", Landwirtschaftsverlag Berlin, 2. Aufl.1990, Forschungsbericht "Einfluss der physikalischen Form von Stroh auf Verzehrs- und Wiederkauverhalten beim Wiederkäuer" Wissenschaftsbereich Tierfütterung & Ernährungsschäden, Sektion Tierproduktion/Veterinärmedizin, Universität Leipzig, 1986/1988 Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
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Fazit Die vorliegenden Praxiserfahrungen und der Versuch zeigen, dass Heu kein Allheilmittel ist Die Versorgung von Kühen mit Heu kann nicht pauschal empfohlen und positive Effekte erwartet werden Eine ad libitum Fütterung, ist wegen der vielen Unbekannten, kritisch zu sehen Die Kuh hat keinen Bedarf nach einem bestimmten Futtermittel, Kühe haben einen Bedarf an Energie, Rohprotein an Nährstoffen Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Bei zu hohen Heu Aufnahmen durch die Tiere kommt es offensichtlich zu erhöhtem Energiemangel Scheinbar positive Effekte sollten kritisch hinterfragt werden Bei eindeutig positiven Effekten, sollte man diese weiterhin nutzen Eine Heufütterung im gesamten geburtsnahen Zeitraum könnte sich positiver auswirken Eine Dosierung der Heumengen, Gewöhnung bzw. Anfütterung scheint empfehlenswert Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Gehäckseltes Heu ist Langheu vorzuziehen, ggf. Einmischen in die TMR Beim Einsatz von Heu sollte eine Laboranalyse erfolgen Bei freier Aufnahme - Ermittlung der aufgenommenen Heumengen und deren Berücksichtigung in der Ration Einzelgaben nach LMV können sinnvoll sein Mit hochwertigem Heu und Kraftfutter (ohne Silagen) sind aber auch durchaus hohe Leistungen möglich Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Jörg Häußler (LKS mbh Lichtenwalde) & Thomas Engelhard (LLFG Sachsen-Anhalt, Iden)