Zwangssterilisation im Dritten Reich 1: Arbeitsmaterial

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Transkript:

Zwangssterilisation im Dritten Reich 1: Arbeitsmaterial 1933 wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses durch die Reichsregierung beschlossen und ist Anfang 1934 in Kraft getreten. Hier sind die Paragrafen 1 und 12 aus dem Gesetz abgedruckt. 1 5 10 15 20 25 30 (1) Wer erbkrank ist, kann durch chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht (sterilisiert) werden, wenn nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß seine Nachkommen an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden leiden werden. (2) Erbkrank im Sinne des Gesetzes ist, wer an einer der folgenden Krankheiten leidet: 1. angeborenem Schwachsinn, 2. Schizophrenie, 3. zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, 4. erblicher Fallsucht, 5. erblichem Feitstanz (Huntingtonsche Chorea), 6. erblicher Blindheit, 7. erblicher Taubheit, 8. schwerer erblicher körperlicher Mißbildung. (3) Ferner kann unfruchtbar gemacht werden, wer an Schwerem Alkoholismus leidet. 12 (1) Hat das Gericht die Unfruchtbarmachung endgültig beschlossen, so ist sie auch gegen den Willen des Unfruchtbarzumachenden auszuführen, sofern nicht dieser allein den Antrag gestellt hat. Der beamtete Arzt hat bei der Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen zu beantragen. Soweit andere Maßnahmen nicht ausreichen, ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges zulässig. (2) Ergeben sich Umstände, die eine nochmalige Prüfung des Sachverhalts erfordern, so hat das Erbgesundheitsgericht das Verfahren wieder aufzunehmen und die Ausführung der Unfruchtbarmachung vorläufig zu untersagen. War der Antrag abgelehnt worden, so ist die Wiederaufnahme nur zulässig, wenn neue Tatsachen eingetreten sind, welche die Unfruchtbarmachung rechtfertigen. Auszüge aus: Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 (Reichsgesetzblatt I, Seite 529) Hintergrundinformationen aus der Sekundärliteratur 1933 wurde das Gesetz zur Verhütung Erbkranken Nachwuchses beschlossen und Anfang 1934 trat es in Kraft. Dieses Gesetz diente zur Freigabe der Sterilisation von etwa 400.000 Menschen im Dritten Reich. Eine Grundlage dafür waren Gutachten von Ärzten über Personen, die geisteskrank oder sozial auffällig geworden waren.

5 10 15 20 25 30 Insgesamt wurden im Sterilisationsgesetz neun Krankheiten bzw. Gründe genannt, die Anlass zu einer Sterilisation gaben, wenn sie bei einer betroffenen Person festgestellt wurden. Die meisten Opfer wurden sterilisiert, weil sie angeblich unter angeborenem Schwachsinn oder Schizophrenie gelitten haben. Die Festlegung, ob die jeweilige Krankheit durch Vererbung oder durch äußere Einflüsse aufgetreten war, war in der Regel nicht möglich. In Lehrbüchern der damaligen Zeit wurde auch zugegeben, dass die Vererbung fraglich sei (Oswald Bumke). Viele der damals gestellten Diagnosen gingen von erblich bedingten Krankheitsbildern aus, so dass eine Sterilisation begründet erschien: Zunächst war vorgesehen, daß die zu Sterilisierenden ( Erbkranken ) selbst den Antrag stellen sollten bzw. deren gesetzliche Vertreter. Die Anträge für den Eingriff konnten aber auch von beamteten Ärzten oder Anstaltsleitern gestellt werden. Diese Kann-Regelung wurde [ ] schließlich zu einer Anzeigepflicht abgewandelt. (Reiter, 1997: S.125). Schließlich sollte jedes neugeborene Kind und jede Person die auffällig war, auf vermeintliche Erbschäden geprüft und gemeldet werden. Es gab nicht wenige Betroffene die versuchten, sich gegen Entscheidungen der Erbgesundheitsgerichte zu wehren. Eine Möglichkeit bestand darin, Einspruch gegen den Beschluss zur Sterilisation zu erheben. Dies hatte jedoch nur selten Erfolg und so wurde bei den meisten der nicht gewollte Eingriff in einem Krankenhaus durchgeführt. Für Niedersachsen lässt sich für Mitte der 30-er Jahre feststellen, dass die Betroffenen selbst und ihre gesetzlichen Vertreter nur ausnahmsweise Anträge stellten, nämlich durchschnittlich ca. 5 % der Fälle. Der überwiegende Teil (ca. 3/4) der Anzeigen wurden von Amtsärzten gestellt. (Reiter, 1997: Seite 125-126). Auch in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg wurden ab 1934 Patienten zur Zwangssterilisation gemeldet. In dieser Zeit war Dr. Max Bräuner amtierender Anstaltsdirektor und auch er veranlasste regelmäßig Sterilisationen von Patienten. Noch zwischen 1942 und 1943 wurden 26 Patienten sterilisiert. Quelle: Raimond Reiter, Psychiatrie im Dritten Reich in Niedersachsen, Hannover 1997. Zwangssterilisation von Patienten der Landes Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. 1934 bis 1943 Jahr Zahl der durchgeführten Sterilisationen gesamt Frauen Männer 1934 75 18 57 1936 52 27 23 1937 67 36 31 1938 44 17 27 1939 37 10 27 1940/1941 19 3 16 1941/1942 27 9 18 1942/1943 26 8 18 gesamt 347 128 217 Quelle der Tabelle: 100 Jahre Niedersächsisches Landeskrankenhaus Lüneburg, Lüneburg 2001, Seite 106.

Zwangssterilisation im Dritten Reich 1: Arbeitsaufträge 1. Welches Ziel verfolgten die Nationalsozialisten mit der Zwangssterilisation und welche Menschen waren davon betroffen? 2. Kann man im Gesetzestext die Zwangsmaßnahmen erkennen, die in der Praxis angewendet wurden? 3. Verfasst einen Dialog zwischen den Eltern eines Patienten, in dem es um deren Sorge geht, dass dieses 1933 neu beschlossene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses menschenunwürdig sei und nicht in Kraft treten solle. Hinweise zur Bearbeitung der Aufgaben findet Ihr auf dem Blatt: Zwangssterilisation im Dritten Reich 1: Hilfestellung und Lösungsbeispiele

Zwangssterilisation im Dritten Reich 1: Hilfestellung und Lösungsbeispiele 1. Hinweise zum Thema Was war bzw. ist Sterilisation? Der Vorgang der Kastration bezieht sich auf das operative Entfernen der Geschlechtsdrüsen wie Hoden oder Eierstock, kann also sowohl auf Männer als auch auf Frauen bezogen werden. Allerdings hört man den Begriff in der Humanmedizin in Bezug auf Frauen selten, weil der Eingriff wesentlich riskanter ist. In der Tiermedizin dagegen ist die Kastration auch für weibliche Tiere ein gängiger Begriff. Die Kastration erfolgt hier oft durch die Entfernung von Eierstöcken und Gebärmutter, während bei Tiermännern die Hoden entfernt werden. Der für weibliche Tiere oft ins Spiel gebrachte Begriff der»sterilisation«beschreibt eine andere Methode. Hier werden Tiere unfruchtbar gemacht, indem Eileiter unterbrochen werden. Sowohl Kastration als auch Sterilisation sind also bei beiden Geschlechtern möglich. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/wikipedia:hauptseite, 2009 2. Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufträge 1. Welches Ziel verfolgten die Nationalsozialisten mit der Zwangssterilisation und welche Menschen waren davon betroffen? Die Nationalsozialisten verfolgten mit der Zwangssterilisation das Ziel, die Volksgemeinschaft von Krankheiten zu säubern. Das Ziel war also auf gesellschaftlicher Ebene angesiedelt. Die Maßnahme betraf jedoch nur die Individuen: Hier wurden Menschen zu opfern, welche Behinderungen aufwiesen, die tatsächlich zu 100% vererbt werden (autosomal dominant: Chorea Huntington), aber auch Syndrome (also komplexe Erkrankungen) wie Epilepsie oder Schizophrenie, bei denen allenfalls zu geringem Anteil das Erbe, aber vor allem die Umwelt einen Einfluss haben. Auch der Alkoholismus wurde genannt, dessen Entstehung primär sozial bedingt ist. Außerdem gibt es für viele vererbte Merkmale kompliziertere Erbgänge: Im Falle der autosomal-rezessiven Gehörlosigkeit kann man leicht nachweisen, dass zwei gehörlose Eltern nicht zu 100% Wahrscheinlichkeit gehörlose Kinder haben, weil auch hier ca. 30 verschiedene Genorte zusammenwirken. Hier sollte also eine politische Frage pseudomedizinisch beantwortet werden. Aus biologischer Sicht ist festzustellen, dass das Ziel, erbliche Krankheiten aus einem Genpool herauszumendeln niemals erreicht werden kann. Dieses Faktum wird durch das Hardy-Weinberg-Gesetz beschrieben. Rezessive Erbanlagen werden unentdeckt von Generation zu Generation weitergegeben. Das Verhältnis zwischen rezessiven und dominanten Erbanlagen bleibt somit in jeder Generation gleich. Diese Gesetzmäßigkeit wurde von dem Engländer Godfrey Harald Hardy 1908 veröffentlicht, kurz zuvor hatte der Arzt Wilhelm Weinberg die gleiche Erkenntnis im deutschsprachigen Raum. Den Nazis war diese Regel also bekannt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass Eugenik (so wurde der wissenschaftliche Ansatz genannt, nach dem der Genpool von schlechten Genen gesäubert werden sollte) auch im angelsächsischen Bereich und im europäischen Ausland seit der Jahrhundertwende weit verbreitet war.

Die humangenetische Familienberatung heute distanziert sich explizit von dieser Tradition und arbeitet ausschließlich mit dem Ziel, die individuelle Familie über Chancen und Risiken aufzuklären. Auch geht es nicht um Sterilisation, sondern um die Frage nach einer Abtreibung. Die Entscheidung dazu wird nicht von Ärzten oder Beratern getroffen, sondern liegt ausschließlich in den Händen der Eltern bzw. der schwangeren Frau. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch heute zu einer menschenverachtenden Einflussnahme auf diese individuellen Entscheidungen kommen kann. 2. Kann man im Gesetzestext die Zwangsmaßnahmen erkennen, die in der Praxis angewendet wurden? - Entscheidung durch ein Gericht, auch gegen den Patientenwillen. - Der Arzt konnte die notwendigen Schritte beantragen ohne weitere Rücksprache mit der Familie. - Bei Widerstand konnte der Patient auch zu der OP gezwungen werden. - Im weiteren zeitlichen Verlauf konnte das Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn neue Umstände festgestellt wurden (dies wird sehr unwahrscheinlich gewesen sein). 3. Verfasst einen Dialog zwischen einem Vater und einer Mutter eines Patienten, in dem es um deren Sorge geht, dass dieses 1933 neu beschlossene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses menschenunwürdig sei und nicht in Kraft treten solle. Der Dialog kann sehr vieldeutig sein. In der historischen Situation wird es durchaus häufig nicht um das absolute Recht auf Leben gegangen sein (anders, als wir es heute sehen). Dazu war die NS-Ideologie zu wirksam und die Situation zu komplex. - Sorge um die Gesundheit insbesondere der Tochter. - Mögliche Erleichterung, weil die Großeltern ein behindertes Enkelkind hätten betreuen müssen. - Schmerz, weil das eigene Kind leiden muss und den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit betrauert.