Umgang mit Reservemedikation. Dr. med. Evelyn Nonnenmacher

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Transkript:

Umgang mit Reservemedikation Dr. med. Evelyn Nonnenmacher 15.9.2016

Wo sterben alte Menschen? Nur 7% aller alten Menschen wechseln ihre Adresse im letzten Lebensjahr Über 50% aller alten Menschen sterben nicht an ihrer Wohnadresse 15% aller Todesfälle in Akutspitälern betreffen Pflegeheimbewohner

Wann Reservemedikation? Advance Care Planning Erkenntnisse aus einem Interview mit 25 Schweizer Hausärzten: Im Beziehungsnetz handeln - Teamwork von allen Mitarbeitenden als entlastend empfunden - Hospitalisation zu Hause Informationen im Netz zirkulieren lassen, Notfälle antizipieren - Informationen beim Patienten deponieren (Notarzt!) - Erreichbarkeit des Hausarztes garantieren - Reservemedikation Betreuung der Angehörigen nach dem Tode des Patienten De- Briefing der Mitglieder des Betreuungsnetzes

Unruhe - Reserve Neuroleptika gegen wahnhafte Störungen 1. Wahl Haldol (2-10mg/d) 2. Wahl Seroquel, Risperdal, Nozinan, (sind schwächer als Haldol, reichen bei schweren, progredienten Zuständen nicht!) Benzodiazepine gegen motorische Unruhe 1. Wahl Temesta ( geriatrische Patienten benötigen in Kombination mit z.b. Seroquel oft nur eine niedrige Dosis) 2. Wahl Dormicum, Tranxilium

Empfehlungen für Durchbruchschmerzen Durchbruchschmerz (DBS) Vorübergehender starker Schmerzanstieg bei gut kontrolliertem Basisschmerz Häufigkeit variabel Dauer von Sekunden bis mehrere Stunden Inzidentaler Schmerz DBS der durch Aktivität ausgelöst wird (gewisse Bewegungen, Lasten tragen, Husten usw.) Oft schwierig kontrollierbar, auch nicht durch Erhöhung der Opiat-Reserve-Dosis. Deshalb immer 5-30 Min. vor geplanter Provokation prophylaktisch Reserve-Dosis (RD) verabreichen (bei i.v. 5-10 Min., s.c. 15 Min. und p.o. 30 Min.). Bei jeder Analgetika-Therapie sollte eine Reserve-Dosis verschrieben werden, auch bei gut kontrollierter Einstellung! Durchbruchschmerzen verfasst von: Dr. med. Astrid Schönenberger (Onkologin Spital SRO AG), kontrolliert durch Dr. med. Bettina Gujer (Hausärztin Langenthal), Zustimmung durch Pflegefachpersonen. 8. Dezember 2013_Durchbruchschmerzen Seite 2/4

Anwendung Schmerzreserve 1. Instruktion des Patienten / Angehörige 1. Bei DBS Reservedosis bis stündlich anwendbar 2. Bei DBS kann einmalige Reservegabe noch zu niedrig sein 3. Abwarten von drei bis vier Stunden (Wirkdauer eines kurzwirksamen Morphinsulfats) beeinflusst Schmerzsituation nur unterschwellig 2. In der Regel können Durchbruchschmerzen nach zwei Reservedosen im Zeitraum von zwei Stunden deutlich verbessert werden.

Medikamentenwahl Bei Stufe I (Paracetamol/ NSAR) nur falls dies total mögliche Tages-Dosis noch erlaubt totaler Tagesdosis bereits ausgeschöpft Opioid in Reserve bei regelmässig nötiger Reserve, Basis-Therapie auf Stufe II oder III wechseln In der Stufe II und III Einsatz des gleichen Opioids wie für Basis- Therapie; Ausnahmen: Bei Fentanyl TTS (Fentanyl, Durogesic ) kurz wirkendes Morphin, Hydromorphon (Palladon ) Bei Oxycodon Oxynorm Tropfen oder Oxynorm Kps.(ab 5 mg) Bei transdermalem Buprenorphin (Transtec ) Einsatz in Reserve von Temgesic sl, max. 6 stündlich Reservemedikation wenn immer möglich, peroral verabreichen Patient möglichst lange selbständig Bei rasch nötiger Wirkung sc oder iv

Dosierung der Reservemedikation 1. Nicht-Opioide: 50-100% der regulären Basis-Einzeldosis, sofern die max. Tagesdosis durch die Basis-Therapie nicht schon erreicht wurde 2. Opioide: Einzel-Dosis 10-15% der Opioid-Tages-Dosis wird vernünftig gerundet (Beispiel nicht 18 mg sondern 20 mg) 10-15% gelten als Ausgangswert können je nach Situation reduziert oder gesteigert werden (in der Regel zwischen 5 und 20% der Tages-Dosis).

Berechnung Reservedosis Morphin Beispiel: Fentanyl TTS 50 mg/h = ca. 50 mg Morphin i.v. pro Tag = (X 3) ca. 150 mg Morphin oral pro Tag > pro Reservedosis 15 bis 20 mg Morphin oral (entspricht 10 16% der Tagesdosis).

Dosis-Intervall 1. Nicht-Opioide Dosis-Intervall abhängig von Pharmakokinetik meist bis 4-stündlich aber die max. Tages-Dosis nicht überschritten werden darf (z.b. Paracetamol 4 g/tag bei normaler Leberfunktion). 2. Opioide: Je nach Pharmakokinetik orale und subkutane Reservedosis bis 1-stündlich wiederholen Gilt für Morphin, Oxycodon und Hydromorphon sowie Codein. Ausnahme Methadon Wg langer Halbwertszeit max. 3-stündlich verabreicht werden darf. Methadon in Reserve häufiger als 3 x/tag Rücksprache mit Spezialisten! Bei anderen Opioiden Reserve-Intervall von 60 Min. ungenügend ebenfalls Rücksprache mit Spezialist

Anzahl Dosen Bei gut kontrollierten Basis-Schmerzen in der Regel 3 Schmerzdurchbrüche/Tag Bei > 3 SD an 2 aufeinanderfolgenden Tagen Basis-Therapie reevaluieren Erhöhung der Tages-Dosis (TD) Erhöhung der RD, da RD = 10-15% der TD Bei guter Basis-Therapie je nach Ansprechen/Nebenwirkungen RD erhöhen / erniedrigen (d.h. 10-20% der Tages-Dosis sind nur ein Richtwert!) Gründe für > 3 Reserve-Dosen/Tag 1. Ungenügende Basis-Therapie 2. Schlecht kontrollierte Durchbruchschmerzen 3. Noch nicht erkannte psychosoziale Stressfaktoren (Stichwort: ganzheitliche Betreuung!)

Zusammenfassung Eine Analgetika-Therapie kann sehr dynamisch sein mit regelmässigem Angleichen der Basis-Therapie und entsprechend auch der Reserve-Dosis! Voraussetzung für eine gute Schmerztherapie: Schmerzdokumentation (Schmerz-Blatt) Einnahme der Reserve-Medikation Erfolg dieser Reserve-Medikation nach 60 Min. Nebenwirkung Dokumentation muss für alle involvierten Personen einsehbar sein!

Management bei persistierenden Durchbruchschmerzen 1. Basis-Therapie reevaluieren und optimieren 2. Andere palliative Interventionen evaluieren (z.b. Radiotherapie, bei drohenden oder manifesten Frakturen stabilisierende Chirurgie?) 3. End of dose-schmerz? Regelmässiger DBS wenige Stunden vor der nächsten Dosis der Basis-Medikation. primär Anpassung der Basis-Therapie. Bei gleich bleibendem DBS-Muster bei der peroralen Medikation das Intervall von 12h auf 8h verkürzen

Management Schmerzkrise >>> nur im Spital!

Danke für die Aufmerksamkeit