Lokale Handlungsansätze im Bestand Das Beispiel der Stadt Dortmund Ullrich Sierau Oberbürgermeister der Stadt Dortmund Fachtagung des Bündnis für Wohnen, 06.02.2014, Düsseldorf
Daten und Fakten über Dortmund Stadtgebiet 280 km² - fast 70 % Grün- und Erholungsflächen Rund 574.000 Einwohner - ca. 306.300 Haushalte Wohnungsbestand insgesamt rund 316.000 Wohnungen, ca. 220.000 vermietete Wohnungen (davon ca. 27.000 gefördert) Struktureller Wohnungsleerstand 2,0 % (Bruttoleerstand fluktuations- und modernisierungsbedingt 3 %) Planungsrechtlich gesicherte Baulandreserve auf 160 ha Wohnbaufläche für 5.000 Wohnungen Eigentumsquote 23 % 2
Wohnungen Daten und Fakten über Dortmund Fertig gestellte und genehmigte Wohnungen in Dortmund 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 1.538 1.365 1.299 916 902 855 1.331 1.421 957 979 750 499 1.287 1.280 1.077 1.104 1.118 884 899 950 400 200 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Baufertigstellungen Baugenehmigungen 3
Daten und Fakten über Dortmund Vergleichsweise gemäßigtes Mietniveau Bestandsmieten steigen leicht Zunehmend hochpreisige Neubaumietwohnungen Angebotsmieten (netto kalt) Bestand Neubau 2010 5,25 /m² 7,18 /m² 2011 5,31 /m² 7,88 /m² 2012 5,38 /m² 10,13 /m² Quelle: empirica-preisdatenbank (IDN ImmoDaten GmbH, ab 2012 empirica-systeme GmbH) 4
Daten und Fakten über Dortmund Dortmund ist ein Wissenschaftsstandort 6 Hochschulen 19 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen Ca. 10.000 Beschäftigte in wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen Rund 47.000 eingeschriebene Studentinnen und Studenten 5
Daten und Fakten über Dortmund Hohe Nachfrage nach preiswertem Wohnraum Arbeitslosenquote Dezember 2013: 12,5 % 42.000 Bedarfsgemeinschaften nach SGB II 9.000 Empfänger von Grundsicherungsleistungen (SGB XII) Rund 50 % der Privathaushalte erfüllen die Einkommensvoraussetzungen des geförderten Wohnungsbaus (schematische Hochrechnung auf Grundlage des Mikrozensus) 6
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Die ausreichend quantitative und qualitativ vielfältige Wohnraumversorgung ist ein klassisches Ziel der kommunalen Wohnungspolitik Analytische und strategische Instrumente der Dortmunder Wohnungspolitik Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung Masterplan Wohnen Kommunales Wohnkonzept Kleinräumiges Wohnungsmarktmonitoring Qualitative Quartiersanalysen 7
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand gesamtstädtische Ebene Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung Informationen über quantitative und qualitative Marktentwicklungen (Angebot, Nachfrage, Preise) Grundlage für wohnungspolitische und -wirtschaftliche Entscheidungen Masterplan Wohnen und Kommunales Wohnkonzept Dortmund Entwicklung von Rahmenbedingungen und Zielen der kommunalen Wohnungspolitik im Dialog mit verschiedenen Wohnungsmarktakteuren Einbeziehung der Akteure wichtig für die spätere Maßnahmenumsetzung zur Zielerreichung Das Kommunale Wohnkonzept Dortmund ist zielgruppenorientiert und stellt den kleinräumigen Handlungsansatz in den Vordergrund - vorrangige Teilziele: Verbesserung der Wohnsituation für Familien, Senioren und Menschen mit Behinderungen Sicherung der Wohnungsversorgung von Haushalten mit Marktzugangsproblemen Verbesserung der Wohnsituation in wohnungswirtschaftlich und sozial auffälligen Quartieren 8
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand gesamtstädtische Ebene Kommunale Handlungsansätze Aktive Investorenakquise und -beratung zur Modernisierungsförderung (Landesprogramm: BestandsInvest) - Zukunftsorientierte Qualitäten durch Abbau von Barrieren und Verbesserung der Energieeffizienz - Schaffung/Erhalt von Mietpreis- und Belegungsbindungen (bei energetischen Maßnahmen) 9
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand gesamtstädtische Ebene Kommunale Handlungsansätze Erlass einer Satzung zur Begründung kommunaler Benennungsrechte - Dortmund ist einzige Kommune mit Benennungsrechtsatzung in NRW - Zugriff auf alle ca. 27.000 geförderten Mietwohnungen (nicht nur auf ca. 3.500 Mietwohnungen mit Besetzungsrechten) - Freistellung von der Satzungsanwendung aufgrund von freiwilligen Belegungsvereinbarungen für fünf Wohnungsunternehmen (DOGEWO21, Spar- und Bauverein, LEG, Deutsche Annington und Vivawest) 10
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand gesamtstädtische Ebene Kommunale Handlungsansätze Erlass einer Zweckentfremdungssatzung zur Sicherung vorhandenen Wohnraums im frei finanzierten Bestand - Abriss, Nutzungsänderung und Leerstand (länger als drei Monate) von Wohnraum steht unter Genehmigungsvorbehalt - Bereitstellung von Ersatzwohnraum - Erhebung von Ausgleichszahlungen - Wiederherstellung von Wohnraum (Instandsetzungsanordnungen) - Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (Geldbußen bis zu 50.000 Euro) 11
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand gesamtstädtische Ebene Kommunale Handlungsansätze Durchführung der Wohnungsaufsicht - Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum NRW - Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe - Ziel: Instandsetzung, Erfüllung von Mindestanforderungen und ordnungsgemäße Nutzung von Wohnraum - Anordnungsbefugnis der Kommunen - Geeignetes Instrument zum Schutz von Wohnraum 12
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand kleinräumige Ebene In welchen Stadtteilen/Quartieren muss vorrangig gehandelt werden? Kleinräumiges Wohnungsmarktmonitoring zur Ressourcensteuerung - 170 Statistische Unterbezirke - Aussagekräftige Ziel- und Kontextindikatoren - Orientierung an den Zielen des Kommunalen Wohnkonzeptes - Aufmerksamkeit erzeugen - Entwicklungen aufzeigen - Versachlichung von Diskussionen über gefühlte Problemlagen - Identifizierung von möglichen Handlungserfordernissen 13
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene Entwicklung konkreter quartiersspezifischer Handlungsoptionen auf Grundlage von qualitativen Quartiersanalysen Räumliche Abgrenzung von gewachsenen Wohnquartieren (Statistische Unterbezirke zu groß) Tiefer gehende Informationen durch Experteninterviews und -workshops, Bewohnerbefragungen, Ortsbegehungen Identifizierung von Schwächen und Risiken sowie Stärken und Chancen Kommunikation der Ergebnisse mit Politik, Akteuren und Experten vor Ort (wichtig für die Umsetzung) Anschub von Maßnahmen und Investitionen zur Quartiersentwicklung 14
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene Quartiersanalysen als Basis oder Entscheidungsgrundlage für Integrierte Handlungskonzepte, z. B. Dortmund-Löttringhausen (Modernisierungsförderung BestandsInvest) Erweiterung eines Stadterneuerungsgebietes (Stadtbezirkszentrum Hörde) Modernisierungsinvestitionen (ohne Landesförderung) z. B. LEG-Siedlung Dortmund-Wickede Projekte in Quartieren aus verschiedenen Förderkulissen (Stadtumbau, Ziel 2, lokaler Aktionsraumfonds), z. B. IdEE Nordstadt, Eigentümerberatung, Fassadengestaltung, Konkrete Befassung mit Handlungsbedarfen in der Lokalpolitik Etablierung und Stärkung von lokalen Netzwerken im Quartier, z. B. Mieterbeirat Dortmund-Westerfilde 15
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene Sozialverträgliche Privatisierung Dortmunder Weg : Solidarische statt überforderte Nachbarschaften Gesamtkonzept für jede Siedlung nach Problemlage maßschneidern Abstimmung der Interessen der Bewohner, Eigentümer, Kommune durch interaktiven Partizipationsprozess Kommune als Moderator und Impulsgeber Umsetzung klassischer Maßnahmen: Modernisierung und energetische Nachrüstung Anpassung Grundrisse Verbesserung Wohnumfeld (Teil-) Privatisierung und Verkauf an Selbstnutzer Umgang mit Leerständen Veränderung einseitiger Bewohnerstrukturen durch aktives Belegungsmanagement 16
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand - Quartiersebene Sozialverträgliche Privatisierung Beispiel: Vogelsiedlung in Dortmund-Oestrich Siedlung mit ca. 250 Wohnungen Modernisierungs- und Instandhaltungsstau Leerstände Unzufriedenheit in Siedlung Mischung aus Modernisierung und Privatisierung durch Eigentümer geplant Moderation und Koordination des Abstimmungsprozesses durch Stadt Zahlreiche Gesprächsrunden mit allen Beteiligten erfolgt Ergebnisse und Vereinbarungen: Lebenslanges Kündigungsschutzrecht für alle Mieter älter als 65 Jahre, alle anderen haben 10 Jahre Begrenzte Neubebauung in der Siedlung Gezielte Modernisierung einzelner Objekte Aufstellung Gestaltungssatzung Kein Blockverkauf bei Privatisierung und Übernahme der Kündigungsschutzelemente in Kaufverträge 17
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene Lösungsorientierter Umgang mit Problembeständen von (internationalen) Finanzinvestoren Situation in Dortmund - Ca. 5.000 Wohnungen in vernachlässigten Wohnsiedlungsbeständen - Zusätzlich rund 30.000 Wohnungen im Eigentum von Fondsgesellschaften mit stark eingeschränkter Investitions- und Kooperationsbereitschaft - Ballung in einzelnen Stadtteilen/Quartieren - Gravierende Wohnungsmängel und Vernachlässigung des Wohnumfeldes - Abwanderung, Kaufkraftverlust und hoher Leerstand - Kein Mieterservice und fehlende Partner in der Stadt- und Quartiersentwicklung - Negative Auswirkungen auf angrenzende Wohnungsbestände und Infrastruktur 18
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene Lösungsorientierter Umgang mit Problembeständen von (internationalen) Finanzinvestoren Handlungsansätze - Wohnungsamt sucht konsequent Kontakt zu den Eigentümern - Ziel: Dialog, Interessenabwägung, Entwicklung von Aufwertungskonzepten - Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Mietervereinen und Mieterbeiräten - Durchführung von Quartiersanalysen - Einsatz hoheitlicher Instrumente - Vorkaufsrechtssatzung (BauGB) - Bau- und Wohnungsaufsicht (LBO und WFNG NRW) - Anwendung der Zweckentfremdungssatzung - Quartiersmanagement 19
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene In-Wert-Setzung von Schrottimmobilien (in der Dortmunder Nordstadt) Beratungsangebote - Eigentümerforen - IdEE-Netzwerk - Wohnungs- und Städtebauförderung Ankauf von Schrottimmobilien - durch das kommunale Wohnungsunternehmen (17 Wohngebäude in 2013) - durch die Stiftung Soziale Stadt (1 Wohngebäude in 2013) 20
Sicherung bezahlbaren Wohnens im Bestand Quartiersebene In-Wert-Setzung von Schrottimmobilien (in der Dortmunder Nordstadt) - Revolvierendes System - Auswahl bezahlbarer Schlüsselimmobilien - Ankauf und Entwicklung - Akquise und Bewilligung von Wohnungsbaufördermitteln - Verknüpfung mit Beschäftigungsprogrammen und -maßnahmen - Erlös aus Weiterverkauf des modernisierten Gebäudes als Einsatz für den Ankauf einer weiteren Problemimmobilie - Soziale Verantwortung der Akteure - als wichtiger Beitrag zur Quartiersentwicklung - Impuls für Eigentümer in der Nachbarschaft ebenfalls in ihre Immobilie zu investieren - Wohnungs- und sozialpolitisches Signal für den richtigen Umgang mit Problemimmobilien 21
Ausblick Erhalt und Erweiterung der guten Kommunikations- und Kooperationskultur zwischen Stadt und den Wohnungsmarktakteuren Weitere Stärkung der integrierten Quartiersentwicklung = Vernetzung von stadtentwicklungs-, sozial- und wohnungspolitischen Zielsetzungen Und: Neubau von heute ist der Bestand von morgen! Wohnbauflächenentwicklung - insbesondere für den geförderten Mietwohnungsneubau - zur Angebotserweiterung wichtig 22
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 23