Das Quartier als Handlungsebene

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Transkript:

Das Quartier als Handlungsebene - Beispiel: Großwohnsiedlung - Demografie-Plattform Hamburg 11. November 2009 von Dr. Birgit Wolter Institut für Gerontologische Forschung e.v., Berlin

Prognosen Weniger, älter, ungleicher, bunter. Demographischer Wandel in der Diskussion (Saarbrücker Zeitung, 22.04.2009) Die Großsiedlungen sind in der Gefahr abzurutschen (Berliner Zeitung, 02.04.2009)

Das Forschungsprojekt Primärpräventive Wirkungen der Arbeit des Netzwerkes Märkisches Viertel Studie gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen / Förderschwerpunkt Präventionsforschung Laufzeit 2007-2010

Das Forschungsprojekt Theoretischer Hintergrund Settingansatz Die Gesundheit eines Menschen ist abhängig von dem Zusammenwirken des individuellen gesundheitsförderlichen Verhaltens und der gesundheitsförderlichen Verhältnisse (WHO, Ottawa Charta 1986)

Das Forschungsprojekt Untersuchungsphasen Phase 1: Interne Struktur des Netzwerkes Phase 2: Lebenslage SeniorInnen im MV und Setting Phase 3: Partizipative Weiterentwicklung der Netzwerkaktivitäten

Das Setting: Märkisches Viertel

Das Setting: Märkisches Viertel 1963-1974 errichtet Offene Bauweise, überwiegend 8-15geschossige Zeilenbebauung Ca. 17.000 Mietwohnungen, davon ca. 15.000 im Besitz einer Wohnungsbaugesellschaft Anteil der geförderten Wohnungen seit 2008 23%, vorher ca. 80%

Das Setting: Märkisches Viertel

Das Setting: Märkisches Viertel Ca. 37.000 BewohnerInnen Ca. 21% BewohnerInnen über 65 Jahre Ca. 30% BewohnerInnen mit Migrationshintergrund, davon ca. 10% 65+

Das Netzwerk Märkisches Viertel Struktur des Netzwerkes 2003 Zusammenschluss lokaler Akteure Partner: Dienstleister, soziale Einrichtungen, Wohnungsbaugesellschaft, Gewerbetreibende, Bezirksamt Ehrenamtlich und freiwillig, seit Oktober 2008 als Verein Ziele des Netzwerkes: Förderung des selbständigen Lebens im Alter Gestaltung und Stabilisierung eines intakten sozialen Gefüges u.a. durch Schließen von Versorgungslücken Verknüpfung von Angeboten Unterstützung in Notlagen

Die Netzwerk-Aktivitäten Angebote für SeniorInnen: Alltagsbewältigung und Partizipation Barrierefreie Musterwohnung Fortbildungsangebote, z.b. Computerkurse, Informationsveranstaltungen zu Gesundheitsthemen Weiterleitung von Hilfebedürftigen durch Servicestelle Nachbarschaftshilfe Ehrenamtlicher Besuchsdienst Angebote für NetzwerkpartnerInnen: Vernetzung von Akteuren im Quartier Schnittstellenmanagement Akquise Bedarfsermittlung, Entwicklung neuer Angebote Fortbildungsveranstaltungen, z. B. Wohnraumanpassung, Pflege, Gesundheit

Ergebnisse der Phase 1: Struktur des Netzwerkes Strukturelle Vorteile des Netzwerkes: - Wichtige Sozialraumakteure sind aktive Netzwerkpartner (Wohnungsbaugesellschaft, Bezirksamt, Beratungsstellen) - Netzwerksteuerung durch Kerngruppe - Begrenzung auf Sozialraum Märkisches Viertel - Aktive Netzwerkpartner profitieren von Vernetzung Verbesserungswürdige Aspekte: - Teilweise wenig Wissen über Bedürfnisse der Zielgruppe, vor allem von sozial Benachteiligten - Wenig Austausch mit Institutionen/Multiplikatoren, z.b. religiöse Gemeinschaften oder Kümmerer aus der Nachbarschaft

Projektphase 2: Lebenslage SeniorInnen im MV Befragung der Zielgruppe mit drei Methoden: (1) Befragung von TeilnehmerInnen an Veranstaltungen, die über das Netzwerk beworben werden (2) Fokusgruppen mit gesundheitlich besonders gefährdeten, sozial benachteiligten alten Menschen 60+ (3) Schriftliche Repräsentativbefragung von 1000 BewohnerInnen 60+ des Märkischen Viertels (Fragebogen)

Projektphase 2: Lebenslage SeniorInnen im MV Fokusgruppen mit sozial benachteiligten BewohnerInnen: Deutsche BewohnerInnen 60+ (14 Tn) Russlanddeutsche AussiedlerInnen 60+ (10 Tn) Türkische BewohnerInnen 60+ (15 Tn) Methoden: Nadelkarte Szenario-Entwicklung Gruppendiskussion

Projektphase 2: Ergebnisse Lebenslage Wohnen Lange Wohndauer im Quartier: länger als 20 Jahre (ca. 77 %) Nachbarschaftliche Kontakte gut bis sehr gut (ca. 91%) Hoher Anteil 2-Personenhaushalte (ca. 62%) Versorgung Orientierung auf Quartier bei Einkauf (ca. 80%) und Ärzten (ca. 75%) Gesundheit Gesundheit beeinträchtigt Alltagsbewältigung (ca. 60%) Freizeit Bevorzugung kostenloser, informeller Aktivitäten Geringe Kenntnisse über Freizeitangebote Hilfe und Unterstützung Vor allem durch Familie, Bekannte, Nachbarn Große Bedeutung von informellen MultiplikatorInnen Teilweise große Informationsdefizite Netzwerk MV Ca. 20% der Befragten kennen das Netzwerk

Projektphase 2: Ergebnisse Setting Märkisches Viertel = guter Ort zum Altwerden Kurze Wege im Zentrum Gute Versorgungs-/Dienstleistungsangebote im Zentrum Moderne Wohnungen mit Fahrstuhl Viel Grün aber: Aktionsradius der meisten SeniorInnen: max. 1-2 km Mobilität bei Randlage der Wohnung eingeschränkt Versorgung fast ausschließlich durch Discounter/Ketten Mobile SeniorInnen nutzen Angebote außerhalb des Quartiers Angst vor Übergriffen im öffentlichen Raum Orientierungsschwierigkeiten Nachbarschaftskonflikte belasten Wohnqualität

Projektphase 2: Ergebnisse Setting

Potentiale der Großwohnsiedlung als Wohnort im Alter Zusammenfassung: Kleine Wohnungen Barrierearme Erschließungsstruktur Große, offene Grünräume als Parkanlagen Infrastruktur begünstigt Vernetzung der Akteure Dadurch möglich: Förderung von nachbarschaftlichen Beziehungen und Strukturen Entwicklung von zugehenden, wohnungsnahen Angeboten Optimierung und Anpassung der Angebotsstruktur Aktivierung der BewohnerInnen durch Partizipation

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Projektteam: Dr. Josefine Heusinger Kerstin Kammerer Maja Schuster Dr. Birgit Wolter Institut für Gerontologische Forschung e.v. Berlin Torstraße 178 10115 Berlin www.igfberlin.de