Rabatte bei Marktbeherrschung

Ähnliche Dokumente
Marktbeherrschung. Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht, Arbeitsgruppe Schweiz. Dr. Monique Sturny

Das Urteil des EuGH im Fall Intel

Der As-efficient-Competitor-Test nach der Intel-Entscheidung des EuGH

Examinatorium im SPB 8 WS 2018/2019. Das Missbrauchsverbot

Online-Plattformen im Wettbewerb

Übung zu Kapitel 8/9: Mißbrauch marktbeherrschender Stellung

Der as-efficient-competitor-test nach dem EuGH-Urteil im Fall Intel

Die Kosten-Preis-Schere im EU-Kartellrecht

Europäisches und deutsches Kartellrecht

Dr. Maria Mesch, LL.M. (Aberdeen) Examinatorium im Schwerpunktbereich 3 Kartellrecht

Europäisches und deutsches Kartellrecht

Examinatorium im SPB 8 WS 2017/2018. Das Missbrauchsverbot

Die schweizerische Kartellrechtspraxis aus Sicht der Unternehmen

Die Intel-Entscheidung des EuGH

Europäisches und deutsches Kartellrecht

Übung zu Kapitel 9/10: Mißbrauch marktbeherrschender Stellung

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre ( )

Die neueste Praxis der WEKO: Eine Tour d Horizon

Rabatte als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäss Art.7 KG

Zusammenspiel von Datenschutz und Kartellrecht

Rabattgewährung nach Intel wie viel Spielraum bleibt noch? Kartellrechtsforum Frankfurt 11. Februar 2015

Kapitel 8 SVE-Paradigma. Marktstruktur. Marktverhalten. Marktergebnisse

Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik 263. Daniel Petzold. Die Kosten-Preis-Schere im EU-Kartellrecht. Nomos

Ökonomische Aspekte von Preisdiskriminierung

AVWL I, Wirtschaftspolitik, Markt und Wettbewerb, Block C: Wettbewerb, PT 2/ Aufgaben zu je 20 Punkten, Bearbeitungszeit insges. 60 Min.

Abhängigkeitsverhältnisse im Kfz-Gewerbe

Aktuelles zu Vertikalabreden

Jahresmedienkonferenz WEKO 9. April 2015

Zuerst nehmen wir eine allgemeine Würdigung des indirekten Gegenvorschlages vor und formulieren danach unsere Änderungsanträge.

Allgemeine Volkswirtschaftslehre I für WiMA und andere (AVWL I)

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre ( )

8., aktualisierte und erweiterte Auflage

Aufgabe 2 (Gewichtung: 40%) Prüfungslaufnummer: Punkte maximal. Punkte erreicht

Art. 102 AEUV [Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung]

LEITFADEN KARTELLRECHT

Der KMU-Schutz im Kfz-Markt und gegenüber

Energiespeicher im Kartellrecht

Horizontale Kooperationen

IV. Vertiefung zentraler Aspekte

II. Teil 1. II.1 Inhalt Teil 1

Instrumente der Wettbewerbspolitik als Reaktion auf Wettbewerbsbeschränkungen

Ökonomische Analyse von Kopplungsverträgen

BGYTW 2015 VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE LF 12/1 KAPITEL 1

Blockchain & Kryptowährungen

Nachfragemacht: Theoretische Grundlagen und wettbewerbspolitische Folgerungen

Robert Pindyck Daniell Rubinffeld

Skript zur Vorlesung Mikroökonomik II (WS 2009) Teil 3

Aufgabe 2 (Gewichtung: 40%) Prüfungslaufnummer: Punkte erreicht. Punkte maximal

BGYTW 2017 VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE LF 12/1 KAPITEL 1

Kapitel 07. Konsumenten, Produzenten und die Ezienz von Märkten

Unterschiedliche Betreibermodelle für Sendernetze

«Relative Marktmacht bietet KMU die notwendige Sicherheit»

Wettbewerbsrechtliche Entwicklungen im Automobilvertrieb

Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht, FS 2016 OA Dr. iur. des. Damiano Canapa

Der Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrankungen

Bedingungen für vollkommene Konkurrenz

Ausschließlichkeitsbindungen, Rabatte und marktbeherrschende

VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE I

Wirtschaftspolitik. 1Einführung

Das essential facility Prinzip und seine Verwendung zur Öffnung immaterialgüterrechtlich geschützter de facto Standards für den Wettbewerb

Robert S. Pindyck Daniel L. Rubinfeld. MikroÖkonomie. 5., aktualisierte Auflage PEARSON. Studium

bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis

Inhaltsübersicht. Teil 2 Kopplungsgeschäfte im Europäischen und deutschen Lauterkeitsrecht. 123

13. Monopol. Auf dem Markt gibt es nur einen Anbieter. Der Monopolist kann den Marktpreis beeinflussen.

Abkürzungsverzeichnis... IX Literaturverzeichnis... XI Rechtsprechungsverzeichnis... XIII

MikroÖkonomie PEARSON. Daniel L Rubinfeld. Robert S. Pindyck. 8., aktualisierte Auflage. Massachusetts Institute of Technology

E-Commerce - Vertriebsgestaltung vs. WEKO. Dr. Michael Tschudin

Aktuelle Herausforderungen in

Bundesgericht: Wie das Gaba-Urteil die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen beeinflusst

Einheit 2: Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / 1 GWB) Dr. Jochen Bernhard Menold Bezler, Stuttgart Würzburg, 15. Oktober 2014

Determinanten der Marktmacht

Vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test: Neue Schläuche, neuer Wein? Daniel Zimmer

Wirtschaftswachstum. Realisierung von technischem. Fortschritt. Entdeckungsbzw. Fortschrittsfunktion

b) Erläutern Sie mit Blick auf die rasche Erhöhung von Marktanteilen die Eignung der preispolitischen Optionen Penetrations- und Skimmmingstrategie!

Leseprobe Rabatt- und Bonusgestaltung. Optionen für eine zukunftsorientierte und rechtskonforme Vertragsgestaltung im Vertrieb

Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen

Inhaltsverzeichnis VII. Winner/Holzweber, Kartellrecht 2, LexisNexis

Die Missbrauchsaufsicht nach dem Intel-Urteil des EuG Quo vadis, Kommission?

Die Theorie des Monopols

Effizienz und Handel

Welchen Beitrag kann die Wettbewerbspolitik zur Bekämpfung überhöhter Preise in der Schweiz und der Folgen der Frankenstärke leisten?

Preistheorie und Industrieökonomik

Neuerungen im Kartellrecht der Schweiz Revidierte Vertikalbekanntmachung und KMU-Bekanntmachung

Preispolitik. Behavioral Pricing und Preissysteme. Hans Pechtl. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Siehe ergänzend vor allem die angefochtene Entscheidung der EG-Kommission v. 14. Juli 1999, Fall Virgin/British Airways, Tz. 69 ff.

Relationship Pricing im System des Customer Linking Managements als Instrument der Kundenbindung

Quersubventionierung öffentlicher Unternehmen zur Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge

Preisdiskriminierung. 1. Grundlagen. 2. Preisdiskriminierung 1. Ordnung. 3. Preisdiskriminierung 3. Ordnung. 4. Preisdiskriminierung 2.

Teures Missverständnis? Die rechtliche Funktion des Drei- Stufen-Tests und die Bedeutung der marktlichen Auswirkungen

Europäisches und deutsches Kartellrecht

Nachfragemacht aus Sicht der Europäischen Kommission

(EuGH, Urteil v. 15. März 2007, Rs. C-95/04 P British Airways) 1. Sachverhalt (vereinfacht):

Wirtschaftspolitik. 1 Einführung

Wirtschaftspolitik. 1 Einführung

Funktionen des Wettbewerbs: Leistungsgerechte Einkommensverteilung und Konsumentenwohlfahrt

Zusammenfassung des Schlussberichts des Sekretariats der WEKO vom 1. Mai 2018

Projektmanagement Projekte professionell leiten mit Bezugnahme auf Elemente der Swiss ICB 4.0

Vorlesung Mikroökonomie II. SS 2005 PD Dr. Thomas Wein

Transkript:

Rabatte bei Marktbeherrschung Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht Arbeitsgruppe Schweiz 15. September 2016 Dr. Christian Jaag

Agenda 1. Was sind Rabatte aus ökonomischer Sicht? 2. Motive für Rabattgewährung 3. Rabattarten 4. Ökonomische Schädlichkeit 5. Beispiele: Preispolitik der SDA und Post Danmark II 6. Ein Compliance-Trilemma 2

Was sind Rabatte? «Unter bestimmten Bedingungen gewährter (meist in Prozenten ausgedrückter) Preisnachlass» (Duden) Rabatte sind ein Element der Preisbildung (und in deren Kontext zu beurteilen) ein Instrument zur Preisdifferenzierung Listenpreis Rabatt Verkaufspreis 3

Motiv I Abschöpfung der Konsumentenrente Unterschiedliche Preise nach Zahlungsbereitschaft (z.b. Studentenpreise) P M Preis P 1 P 2 Preis Konsumentenrente Produzentenrente Wohlfahrtsverlust P W : effizienter Preis (ohne Wohlfahrtsverlust) P 3 P W P W Q M Menge P M : Einheitspreis eines marktbeherrschenden Unternehmens Q 1 Q 2 Q 3 Menge P 1, P 2, P 3 : Preisdiskriminierung Die Abschöpfung der Konsumentenrente durch Preisdiskriminierung erhöht i.d.r. die Gesamtwohlfahrt und ist unproblematisch 4

Motiv II Kundensteuerung Steuerung der Menge Preisnachlass für den Bezug von grösseren Mengen eines Gutes Rabatt bildet Skalenerträge ab Steuerung des Zeitpunkts Steuerung der Kapazität über die Zeit bzw. Ausgleich von Nachfrageschwankungen Rabatt bildet unausgelastete Kapazität ab Steuerung des Umfangs Gewährung eines tieferen Preises, wenn die Abnehmer Vor- oder Gegenleistungen selber erbringen Rabatt bildet Unterschiede in der bezogenen Leistung ab Eine Kundensteuerung durch Rabattierung ist meist unproblematisch 5

Motiv III Behinderung von Wettbewerbern Rabattgewährung als Mittel zur Behinderung von Wettbewerbern Kundenbindung über bedingte Rabatte Kampfpreise mit Verdrängungswirkung Diskriminierung zwischen internen und externen Nachfragern Die Behinderung von Wettbewerbern ist problematisch 6

Rabattarten Systematik nach Basler Kommentar Mengenrabatt Rabatt in Abhängigkeit von der bezogenen Menge Zielrabatt Rabatt, der bei Erreichen eines individuell ausgehandelten Ziels gewährt wird (z.b. Jahresumsatz) Treuerabatt Rabatt für den Bezug eines bestimmten Mengenanteils (bis 100%) beim gleichen Unternehmen (unabhängig von der absoluten Menge) Funktionsrabatt Rabatt für Gegenleistungen der Handelspartner (z.b. Werbe-, Logistik- oder Wartungsleistungen) Überlappungen in der Definition; keine Aussage über Wirkung oder Schädlichkeit möglich 7

Rabattarten Systematik nach Wirkung Funktionsrabatt Skalenerträge sonst. Einsparungen Treuerabatt explizit implizit Zielrabatt gestuft «kontinuierlich» individuell global < 100 % ~100 % Mengenrabatt Exklusivrabatt rückwirkend angestossen Bündelrabatt 8 gekoppelt nicht gekoppelt

Ökonomische Schädlichkeit Behinderung im gleichen Markt Ausschliesslichkeitsregelung («exclusive dealing arrangement») Treuerabatt, Exklusivrabatt, Zielrabatt Gestufter und/oder rückwirkender Mengenrabatt Kampfpreise («predatory pricing») Rabattsystem mit der Wirkung gezielter Kampfpreise Inkaufnahme temporärer Verluste 9

Ökonomische Schädlichkeit Behinderung im benachbarten / nachgelagerten Markt Mengenrabatt Rabatt beim Zugang zum monopolistischen Engpass durch ein vertikal integriertes, marktbeherrschendes Unternehmen Z.B. Swisscom ADSL (2004): Reiner Mengenrabatt, der nur von der Swisscom Tochter Bluewin erreicht werden konnte Koppelung Rabatt abhängig vom gemeinsamen Bezug mit einem anderen Gut Marktbeherrschendes Unternehmen kann seine Marktmacht in einen benachbarten oder nachgelagerten Markt übertragen Aber: Reine «secondary-line injury» (ohne Behinderung) ist ökonomisch i.d.r unproblematisch 10

Preispolitik der SDA Behinderung von Konkurrenten Die marktbeherrschende Nachrichtenagentur SDA gewährte Zeitungen und Radiostationen einen Exklusivrabatt von 20%, wenn sie ihren Basisdienst ausschliesslich bei der SDA bezogen Mit dem Exklusivrabatt hat die SDA den Konkurrenten Associated Press (AP) in der Ausübung des Wettbewerbs behindert Medienkunden konnten ihre Dienste nicht ausschliesslich bei AP beziehen AP verlor Kunden und Skalenerträge Behinderung von AP war naheliegend 11

Preispolitik der SDA Diskriminierung von Handelspartnern Die WEKO erachtete Exklusivrabatt der SDA auch als unzulässige Diskriminierung von Handelspartnern Gemäss WEKO führte dies zu einer «Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den Medienkunden der SDA» Weder Verdrängung noch Ausbeutung; reine «secondary-line injury» «Theory of harm»? 12

Post Danmark II Sachverhalt Standardisierter Mengenrabatt basierend auf dem erwarteten Briefvolumen für ein Jahr Rückwirkende Anpassung entsprechend dem tatsächlichen Volumen Stellungnahme EuGH Auswirkungen in den relevanten Märkten sind zu prüfen Relevant ist Eignung zur Entfaltung einer Verdrängungswirkung (nicht dass eine Verdrängung tatsächlich erfolgte) Kostentest («as efficient competitor test») nicht zwingend, da ein «ebenso leistungsfähiger Wettbewerber» unwahrscheinlich ist Sehr hohe Marktanteile von Post Danmark 70% der Sendungen im mit-rabattierten Monopolbereich 13

Post Danmark II Ökonomische Einordnung Keine eindeutige Abgrenzung zwischen «exclusive dealing» und «predatory pricing» Sogwirkung aufgrund der Stufung, Rückwirkung Erlös Angestossener Mengenrabatt Erlös Rückwirkender Mengenrabatt Menge Q 1 Q 2 Q 3 Menge Q 1 Q 2 Q 3 Aber: Rückwirkung zur Vermeidung von Diskriminierung notwendig Kein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber aufgrund der Marktstruktur Aber: Kostenorientierung bei unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten führt zur Behinderung von Wettbewerbern 14

Ein Compliance-Trilemma Behinderung Diskriminierung Ausbeutung Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann oft nur zwei der drei Verbote beachten 15

Fazit Die aktuelle Praxis der Wettbewerbsbehörden folgt grundsätzlich der ökonomischen Logik Schwerpunkt: Behinderung von Wettbewerbern Ausbeutung durch unangemessene Preise und reine «secondary-line injury» sind kaum problematisch Berücksichtigung der Auswirkungen in den relevanten Märkten Auswirkungen sind selten offensichtlich und deshalb im Einzelfall zu prüfen Die Marktkonstellation kann zu einem Compliance-Trilemma führen (allenfalls verstärkt durch sektorspezifische Regulierung) 16

Kontakt Dr. Christian Jaag Managing Partner Swiss Economics Weinbergstrasse 102 CH-8006 Zürich +41 44 500 56 26 christian.jaag@swiss-economics.ch www.swiss-economics.ch