STABILITÄT, WACHSTUM UND VERANTWORTUNG IN EUROPA



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Transkript:

EU / EURO STABILITÄT, WACHSTUM UND VERANTWORTUNG IN EUROPA HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZU DEN BESCHLÜSSEN VOM 29. JUNI 2012 DIE MITTE.

Am Freitag, dem 29. Juni 2012, wurden wichtige Weichen für die Stabilität des Euro gestellt: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben auf dem Europäischen Rat Beschlüsse für mehr Europa gefasst. Bundestag und Bundesrat haben die Gesetze zur Einführung des Fiskalpaktes und des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM mit klarer Mehrheit beschlossen. Die CDU hielt dabei klaren Kurs. Wir haben Konjunkturprogramme auf Pump verhindert. Denn Sparen und Wachstum sind zwei Seiten einer Medaille. Entgegen einiger Medienberichte wird es auch keine Finanzhilfen ohne Auflagen geben. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Für uns gilt weiterhin der Grundsatz: Keine Hilfe ohne Gegenleistung. Direkte Hilfen für Banken sind überhaupt nur denkbar, nachdem eine funktionierende gemeinsame Bankenaufsicht in der Eurozone geschaffen wurde. Haftung und Kontrolle gehören für uns weiterhin zusammen. Hier finden Sie die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: I. Ergebnisse des Europäischen Rates am 28./29. Juni 2012 zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion Was wurde auf dem Gipfel beschlossen? Die Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise bestimmte die Agenda des EU- Gipfels. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich dabei mit unserem Ansatz durch: Die Überwindung der Staatsschuldenkrise braucht einen Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen, die die Probleme an der Wurzel packen. 1. Pakt für Wachstum und Beschäftigung Bereits im Januar hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beschlossen, die vorhandenen EU-Mittel besser einzusetzen, um gezielt Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Sie hatten damals eine Reihe von Zielen formuliert unter anderem Beschäftigungsimpulse für junge Menschen und mehr Förderung für kleine und mittelständische Unternehmen. Und sie hatten die Europäische Kommission beauftragt, bis zur Sitzung des Europäischen Rates konkrete Maßnahmen hierfür vorzuschlagen. Dieser 1

Bitte ist die Kommission nachgekommen, so dass nun insbesondere folgende Maßnahmen verabschiedet wurden: Die EU-Strukturfonds werden so ausgerichtet, dass sie Wachstum und Beschäftigung gezielt fördern. Hierzu zählt die gezielte Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Vor allem in den Staaten Südeuropas sollen Jugendliche dadurch bessere Zukunftsperspektiven bekommen. Das Kapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) wird um 10 Milliarden Euro erhöht, um damit in den nächsten vier Jahren insgesamt Investitionen in Höhe von 180 Milliarden Euro auszulösen. Mit begrenzten Projektanleihen sollen bis zu 18 Milliarden Euro von privaten Investoren mobilisiert werden. Solche Anleihen gibt es schon heute. Sie sind eine Art Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP), damit strikt projektgebunden und haben nichts mit Eurobonds zu tun. Der neu beschlossene Pakt für Wachstum und Beschäftigung hat ein Gesamtvolumen von etwa 120 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr einem Prozent des Bruttoinlandprodukts, dem Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Europäischen Union hergestellt werden. Der CDU war es dabei wichtig, dass dafür keine neuen Schulden aufgenommen werden müssen. Bei dem Pakt geht es deshalb darum, vorhandene Mittel besser einzusetzen. Ein europäisches Konjunkturprogramm auf Pump, wie es einige Mitgliedstaaten gefordert hatten, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel verhindert. 2. Errichtung einer Bankenunion Wenn Banken Hilfen benötigen, bekommt bislang der Staat, zu dem diese Banken gehören, das Darlehen. Er muss es an seine Banken weiterleiten und dafür sorgen, dass sie die zugehörigen Auflagen einhalten. Dies ist bislang nötig, weil die EU bei nationalen Banken der Mitgliedstaaten noch nicht direkt eingreifen kann. Dadurch steigt aber gleichzeitig die Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten, da sie das Darlehen von EFSF bzw. ESM bekommen. 2

Eine hohe Verschuldung eines Staates erschwert wiederum die Kreditaufnahme der nationalen Banken. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, soll die Europäische Kommission so schnell wie möglich Vorschläge für eine einheitliche Bankenaufsicht erarbeiten. Erst wenn unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank eine wirksame einheitliche Bankenaufsicht für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet würde, wäre es denkbar, dass Banken gegen strenge Auflagen direkte Hilfen des ESM bekommen könnten. Denn Haftung und Kontrolle gehören zusammen! Die Schaffung einer funktionierenden Bankenunion ist ein längerer Prozess. Bis Ende des Jahres soll die Europäische Kommission einen Vorschlag hierzu unterbreiten. Zur Umsetzung des Vorschlags bedarf es eines neuen Beschlusses des Europäischen Rates, dem der Deutsche Bundestag ebenfalls noch zustimmen müsste. 3. Weitere Flexibilisierung der Rettungsschirme Im Herbst vergangenen Jahres hat der Deutsche Bundestag zugestimmt, dass die Instrumente der Euro-Rettungsschirme flexibler gestaltet werden. Seitdem sind auch vorsorgliche Hilfen an Staaten, Darlehen an Regierungen zur Stützung ihrer Banken sowie der Ankauf von Staatsanleihen grundsätzlich zulässig. Ländern, die, anders als Griechenland, über eine funktionierende Wirtschaft verfügen, aber im Zuge der Staatsschuldenkrise unter Druck geraten sind, soll so wirksam, aber mit möglichst wenig Kosten für die Geberländer geholfen werden. Auch wenn ein solches Programm nur Teile der jeweiligen Wirtschaft betrifft, muss der Staat, der die Hilfen in Anspruch nimmt, strenge Auflagen erfüllen. Diese betreffen diejenigen Teile seiner Wirtschaft, für die er die Hilfen bekommt. Spanien hat beispielsweise nur Hilfen für seine Banken beantragt. Das Land muss sich im Gegenzug verpflichten, diese strenger zu überwachen, zu restrukturieren, und eventuell sogar abzuwickeln. Diese Verpflichtung wird festgehalten in einer Vereinbarung, dem sogenannten Memorandum of Understanding (MoU). Auf dem Gipfel ist nun beschlossen worden, dass die Auflagen im MoU für solche Teilprogramme daraus bestehen könnten, die sogenannten Länderempfehlungen der Europä- 3

ischen Kommission verpflichtend umzusetzen. Die Länderempfehlungen werden seit diesem Jahr im Rahmen des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch die Kommission gegeben. Für jedes Land hält die Kommission fest, was es für die Verbesserung seiner wirtschaftlichen Entwicklung tun sollte. Diese Empfehlungen sind unter anderem wegen der Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verpflichtend. Ein Staat, der Hilfen aus EFSF oder ESM haben möchte, müsste sich im MoU im Gegenzug selbst dazu verpflichten, diese Empfehlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums umzusetzen. Da die Europäische Kommission im Rahmen des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspaktes die Länder ständig beobachtet und kontrolliert, kennt sie die Probleme, die Schwächen und die Stärken der Mitgliedstaaten. Deshalb ist es sinnvoll, diese Länderempfehlungen zur Grundlage für das Memorandum of Understanding zu machen. Klar ist: Wie bei jedem anderen Hilfsprogramm auch wird die Erfüllung dieser Auflagen überwacht. Grundsätzlich gilt: Der Deutsche Bundestag muss immer erst zustimmen, bevor ein Hilfsprogramm von EFSF oder ESM überhaupt bewilligt werden darf. 4. Einführung einer Finanztransaktionssteuer Wie der Rat der Finanzminister (ECOFIN) auf seiner Tagung vom 22. Juni 2012 offiziell festgestellt hat, ist der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der gesamten EU nicht umsetzbar. Deshalb werden mehrere Mitgliedstaaten auf Betreiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Antrag auf Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit in diesem Bereich stellen, damit die Steuer im Dezember 2012 angenommen werden kann. Dies bedeutet, dass sich mindestens neun Mitgliedstaaten einig sind, eine solche Steuer bei sich einzuführen. Dann kann der Ministerrat eine solche Verstärkte Zusammenarbeit genehmigen. Diejenigen Mitgliedstaaten, die eine solche Steuer nicht einführen wollen, beteiligen sich nicht an dieser Verstärkten Zusammenarbeit und müssen die Steuer dann auch nicht einführen. 4

Welche Schwerpunkte konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel durchsetzen? Angela Merkel hat die wichtigsten deutschen Positionen auf dem Gipfel durchgesetzt: 1. Keine Konjunkturprogramme auf Pump Der Pakt für Wachstum und Beschäftigung wird nicht durch neue Schulden finanziert. Sparen und Wachstum sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb werden im EU-Haushalt ohnehin vorhandene Mittel künftig besser eingesetzt beispielsweise zur gezielten Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Parallel werden Anreize für private Investoren gesetzt, sich an staatlichen Projekten, zu beteiligen. Denkbar sind Projekte zum Ausbau von Verkehrswegen oder zur Anbindung des ländlichen Raums, beispielsweise über mobiles Telefon und Internet. 2. Keine Eurobonds Die Einführung von Eurobonds hat Angela Merkel erneut verhindert. Eine Transfer- und Schuldenunion lehnen wir ab. Mit dem Fiskalpakt sorgen wir stattdessen dafür, dass Europa zu einer Stabilitätsunion wird. Es ist unter Fachleuten unstrittig, dass gerade die für Euro-Staaten lange bestehende Möglichkeit, zu sehr günstigen Konditionen an Kredite kommen, zur derzeitigen Schuldenkrise wesentlich beigetragen hat. Eurobonds würden vor allem den hochverschuldeten Staaten der EU genau diese Möglichkeit wieder einräumen. Sie sind damit keine Lösung, sondern würden die Schuldenkrise nochmals verschärfen. 3. Keine Hilfen ohne Gegenleistung, keine Haftung ohne Kontrolle Jedes Land, das solidarische Hilfen aus den Rettungsschirmen haben möchte, muss sich im Gegenzug verpflichten, strenge Auflagen zu erfüllen. Das gilt für alle Länder und damit auch für Italien, Spanien, und Frankreich. Die Fortschritte der staatlichen Entschuldungsund Wachstumsprogramme werden streng überwacht. Der Deutsche Bundestag muss bei allen Hilfsmaßnahmen und jeder Änderung des ESM-Vertrages zustimmen und behält so weiterhin die Kontrolle über den deutschen Bundeshaushalt. Voraussetzung für direkte Hilfen für Banken ist eine funktionierende gemeinsame Bankenaufsicht in der Eurozone. Vorher wird es direkte Hilfen für Banken nicht geben. Auch solchen Regelungen muss der Deutsche Bundestag zustimmen, bevor sie in Kraft treten können. 5

II. Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM und Fiskalpakt Was genau haben Bundestag und Bundesrat am 29. Juni 2012 beschlossen? Die Kombination aus Fiskalpakt und ESM ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr finanzieller Stabilität in Europa. Die breite Parlamentsmehrheit für beide Verträge ist ein starkes Signal für Europa. Einmal mehr ist deutlich geworden, dass Deutschland zu europäischer Verantwortung bereit ist. Es bleibt klare Richtlinie, dass Solidarität und Solidität zusammengehören. Deutschland ist bereit, anderen Ländern zu helfen. Wir erwarten aber auch, dass Staaten, die auf ESM- Hilfen zurückgreifen, alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um möglichst rasch wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Mit ESM und Fiskalpakt kann dies erreicht und somit Vertrauen in den Euro zurückgewonnen werden. Fiskalpakt Alle Euro-Staaten und fast alle anderen EU-Mitgliedstaaten haben sich mit dem Fiskalpakt verpflichtet, weniger neue Schulden zu machen. Gleichzeitig wird in den nationalen Gesetzen eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild verbindlich und gerichtlich überprüfbar verankert. Wie jeder Vertrag, den Staaten miteinander schließen, müssen die nationalen Parlamente diesen ratifizieren also durch Gesetz in nationales Recht aufnehmen damit er wirksam werden kann. Weil mit dem Fiskalpakt die Deutsche Schuldenbremse im Grundgesetz nun nicht mehr geändert werden kann, war diesmal wie bei jeder Verfassungsänderung eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich. ESM Der erste Euro-Rettungsfonds EFSF wurde 2010 aufgrund der damaligen Turbulenzen als Notfallmaßnahme geschaffen. Er ist befristet bis Juni 2013. Der ESM wird den Euro- Rettungsfonds ablösen und von Seite der Euro-Mitgliedstaaten bis zu 500 Milliarden Euro an Hilfen gewähren können. Eventuelle ESM-Finanzhilfen werden an strenge Auflagen geknüpft, deren Einhaltung strikt überwacht wird. Der ESM soll also keine bequeme Gelegenheit für schlecht haushaltende Euro-Staaten sein, an billige Kredite zu kommen. Finanzhilfen werden nur bereitgestellt, wenn eine solche Maßnahme zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets 6

insgesamt als unerlässlich erachtet wird. Zudem kann ein Staat nur dann Hilfen beantragen, wenn er zuvor den Fiskalpakt in nationales Recht umgesetzt und sich damit zu einer sparsamen Haushaltspolitik verpflichtet hat. Das letzte Wort bei allen Hilfsmaßnahmen hat der Deutsche Bundestag: Der Deutsche Vertreter beim ESM darf einer Finanzhilfe und den zugehörigen Auflagen nur zustimmen, wenn der Deutsche Bundestag das vorher durch Beschluss erlaubt hat. Fehlt dieser Beschluss, muss er mit Nein stimmen. Auch eine Enthaltung ist dann nicht erlaubt. Da solche Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen, kann es keine ESM-Hilfen geben, wenn der Deutsche Bundestag nicht damit einverstanden ist. Dies ist wichtig, weil die Haushaltshoheit das Königsrecht des Parlaments ist. Was passiert mit den Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht? Die Linke im Bundestag, einige Abgeordnete und einige Bürgerinitiativen haben vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen den ESM und den Fiskalpakt erhoben. Dazu haben sie einen Eilantrag gestellt, um die Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Joachim Gauck zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht kann in so einem Fall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Bei einem solchen Eilverfahren trifft das Gericht lediglich eine so genannte Folgenabwägung. Dabei prüft es einerseits, welche Nachteile eintreten könnten, würde es die betreffende Maßnahme [hier: sofortiges In-Kraft-Treten von Fiskalpakt und ESM] nicht stoppen, die Verfassungsbeschwerde aber im späteren, ausführlichen Hauptsacheverfahren Erfolg haben [heißt: Fiskalpakt und ESM würden also für verfassungswidrig erklärt werden]. Andererseits prüft das Bundesverfassungsgericht, welche Nachteile entstehen könnten, wenn es die Gesetze stoppte, die Klagen aber im späteren Hauptsacheverfahren keinen Erfolg hätten. Je nachdem würden einstweilige Anordnungen erlassen und die Gesetze unter Umständen vorläufig gestoppt. 7

Warum hat Bundespräsident Gauck schon vorher angekündigt, die Gesetze nicht zu unterschreiben? Die aktuelle Diskussion um die Ankündigung des Bundespräsidenten, bis zur Entscheidung über den Eilantrag die entsprechenden Gesetze nicht zu unterschreiben, ist übertrieben und sachlich nicht gerechtfertigt. Im Sinne eines kollegialen Miteinanders der Verfassungsorgane haben seine Vorgänger vergleichbare Fälle ebenfalls so gehandhabt: beispielsweise Bundespräsident Horst Köhler beim Lissabon-Vertrag und Bundespräsident Richard von Weizsäcker beim Maastricht-Vertrag. Zudem sind wir in Europa nicht die einzigen, bei denen die Gesetze zum ESM oder zum Fiskalpakt vor ihrer Unterzeichnung noch einmal intensiv geprüft werden: Estland hat die Ratifizierung bis zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Verfassungsmäßigkeit des ESM ausgesetzt. In Frankreich wird diskutiert, ob die Ratifizierung des Fiskalpakts einer vorherigen Änderung der Verfassung bedarf. Dort könnte ebenfalls noch der Verfassungsrat befasst werden. Stand: 3. Juli 2012 8