Betreuertätigkeit im Strafverfahren gegen Betreute als Beschuldigte oder die Vertretung von Betreuten als Opfer
1. Teil Betreuertätigkeit im Strafverfahren gegen Betreute
Das Ermittlungsverfahren gegen Betreute 160 ff. StPO Ermittlungsverfahren wird durch die StA geleitet; sog. Vorverfahren Ermittlung v. belastenden und entlastenden Umständen StA als objektivste Behörde der Welt Polizei als weitere Ermittlungsperson
Antragsdelikt: 77 StGB Tat ist nur auf Antrag des Verletzten verfolgbar; Bsp.: Beleidigung Hausfriedensbruch einfache Körperverletzung Sachbeschädigung Antragsfrist: 3 Monate ab Kenntniserlangung
Offizialdelikt: Ermittlungen müssen von Amts wegen aufgenommen werden durch Anzeige eines Sachverhaltes oder sonst. Kenntniserlangung
Die Beschuldigtenvernehmung des Betreuten keine Anklage, ohne Möglichkeit des Beschuldigten, sich zu äußern Eröffnung des Tatvorwurfs mit Benennung Strafvorschriften Angabe Tatzeit- u. Ort
Belehrung gemäß 136 StPO Aussagefreiwilligkeit; Verteidigerhinzuziehung, Beweisantragsrecht bei Verstoß gegen Belehrungspflicht: keine Verwertbarkeit der Aussage Benennung der Personalien, mit Staatsangehörigkeit, Familienstand, Beruf, Wohnanschrift Pflichtangaben gemäß 111 OWiG
kein Anspruch auf Erhalt einer Kopie der Vernehmungsniederschrift Keine Beeinflussung der Aussage durch Folter oder Täuschung Ausnutzung d. Ermüdung des Beschuldigten
Praktische Konsequenz für Betreuer: Keine Verpflichtung des Beschuldigten zur Aussage Termin zur BV muss nicht wahrgenommen werden Angaben zur Person können schriftlich gemacht werden Mitteilung über Betreuung mit Aufgabenkreisen
Der Betreuer als Zeuge Kein Zeugnisverweigerungsrecht des Betreuers Beachte: Angaben des beschuldigten Betreuten zur Tat gegenüber Betreuer können erfragt werden
Schuldfähigkeit Frage der Anwendbarkeit von 20 StGB 20 StGB: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Verminderte Schuldfähigkeit Anwendbarkeit 21 StGB: Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach 49 Abs. 1 gemildert werden.
keine ärztliche Schweigepflicht des Sachverständigen auch im Hinblick auf Angaben zur Tat Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über psychischen Zustand des Beschuldigten zulässig; 81 StPO max. 6 Wochen Pflichtverteidigung
Praktische Konsequenz für Betreuer: Keine Verpflichtung des Beschuldigten zur Mitarbeit beim Sachverständigen Mitarbeit regelmäßig zu empfehlen Begleitung durch Betreuer, für weitergehende Angaben Persönl. und schulischer Werdegang Medikamente; stat. Aufenthalte Betreuungsverlauf
Abschluss des Ermittlungsverfahrens Verfahrenseinstellung Anklageerhebung
Einstellung 170 Abs. 2 StPO: Fehlen des hinreichenden Tatverdachts Einstellung 153 StPO: es liegt nur geringe Schuld vor Einstellung 153 a StPO: Einstellung gegen Auflagen Geldauflagen, Arbeitsstunden
Hauptverhandlung Grundsatz der Mündlichkeit Beschuldigter muss sich nicht äußern Zeugen sind zur Aussage verpflichtet auch der Betreuer als Zeuge auch Gericht kann Begutachtung zur Schuldfähigkeit anordnen
Pflichtverteidigerbestellung gemäß 140 StPO Verbrechen Sicherungsverfahren Schwere der Tat Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage Unfähigkeit der Selbstverteidigung Für unter Betreuung stehende Beschuldigte reichen schon Zweifel an Verteidigungsfähigkeit; vgl. OLG Hamm; Beschl.v.14.8.03, 2 Ss 439/03 vgl. auch LG Braunschweig, Beschl.v.12.12.11; 5 Qs 301/11
Praktische Konsequenz für Betreuer: Spätestens nach Erhalt der Anklage Mitteilung an Strafgericht über Betreuung m. Aufgabenkreisen ggfs. Hinweis auf Pflichtverteidigung (Vertrauens-)anwalt kann benannt werden Anwalt aufsuchen
Maßregeln der Besserung und Sicherung 63 Unterbringung in psych. KH Schutz der Allgemeinheit und Heilung und Pflege des Täters Begehung einer rechtswidrigen Tat Schuldunfähigkeit bzw. Verminderung negative Gefährlichkeitsprognose bei Gesamtwürdigung Tat und Täter
zum Zeitpunkt der Aburteilung weitere erheblich rechtswidrige Taten sind zu erwarten Gefährlichkeit für die Allgemeinheit Anordnung ist nicht zeitlich befristet
BGH Beschluss v. 20.12.2001 4 StR 379/01: Verurteilter bekam ca. 6 Monate nach Tat Betreuer bestellt (AU, GE, UN) LG hatte 63 StGB angeordnet; ohne Aussetzung zur Bewährung rechtliche Möglichkeit für Betreuer, Maßnahmen nach 1906 BGB zu treffen es ist notwendig zu prüfen, ob die vom Verurteilten ausgehende Gefahr durch andere Betreuungsmaßnahmen abgewendet werden kann
64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf Heilung ausgerichtete Maßregel der Besserung, aber auch sichernde Maßregel Höchstdauer: 2 Jahre; 67d StGB Hang zu Drogen berauschende Mittel Alkohol, Betäubungsmittel, Amphetamine, Kokain etc., schmerzstillende Arzneimittel, Schlafmittel Konsum im Übermaß
Anlasstat, begangen im Rausch oder ursächlich zum Hang; Gefahr künftiger erheblicher Taten bloße Selbstgefährdung nicht ausreichend keine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit notwendig Erfolgsaussicht der Therapiebehandlung hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges Anordnung auch bei therapieunwilligen Täter gegen seinen Willen
Praktische Konsequenz für Betreuer: Beratung mit Verteidiger Prüfung des Sachverständigengutachtens prüfen, inwieweit Unterbringung nach 1906 BGB in Betracht ggfs. Beratung mit Betreuungsgericht
Strafvollstreckung: Vollstreckung der Geldstrafe Möglichkeit von Stundung oder Ratenzahlung Umwandlung in gemeinnützige Arbeit mgl. Im übrigen tritt an die Stelle der Geldstrafe Ersatzfreiheitsstrafe Vollstreckung der Freiheitsstrafe erfolgt durch StA als Vollstreckungsbehörde Möglichkeit des vorübergehenden Vollstreckungsaufschubes (max. 4 Monate)
Für anfallende Verfahrenskosten kann Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung gestellt werden
Entscheidung zur Reststrafaussetzung Grundsatz bestmöglicher Sachaufklärung kann Anhörung des Betreuers bedingen zu Lebensumständen für Entscheidung im Strafvollstreckungsrecht Vgl. OLG Hamm; Beschl. V. 17.01.2013 III-3 Ws 349/12 gleiches dürfte für Bewährungsentscheidung gelten
2. Teil Betreuertätigkeit in der Vertretung des Opfers
Antragsdelikt: 77 StGB Tat ist nur auf Antrag des Verletzten verfolgbar; Bsp.: Beleidigung Hausfriedensbruch einfache Körperverletzung Sachbeschädigung Antragsfrist: 3 Monate ab Kenntniserlangung
Praktische Konsequenz für Betreuer: prüfen, ob Strafantrag gestellt werden muss eigene Aufgabenkreise prüfen ggfs. Erweiterung beantragen Strafantragsfrist läuft erst ab Aufgabenkreiserweiterung Vgl. OLG Celle; Beschl. V.21.02.2012; 32 Ss 8/12
Zu beachten: Stellung des Strafantrages durch den Betreuer bei Delikten mit Anwendbarkeit des 247 StGB Tatbegehung durch Angehörige, Vormund oder Betreuer des Betreuten höchstpersönliches Antragsrecht Aufgabenkreis der Vermögenssorge od. Vertretung gegenüber Behörden nicht ausreichend Aufgabenkreis der Stellung von Strafanträgen erforderlich Vgl. OLG Celle; Beschl. V.21.02.2012; 32 Ss 8/12
Offizialdelikt: Ermittlungen müssen von Amts wegen aufgenommen werden durch Anzeige eines Sachverhaltes oder sonst. Kenntniserlangung Ermittlungen werden auch gegen den Willen des Verletzten aufgenommen
Die Zeugenvernehmung des Betreuten Aussagepflicht nur vor Gericht und StA, nicht vor Polizei zwangsweise Vorführung zum Gericht und StA zulässig Zeuge ist bei Beginn der Vernehmung zu belehren: Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht Wahrheitspflicht; 52 ff. StPO
Zeugnisverweigerungsrecht: bei Verwandtschaft, Verschwägerung, Verlöbnis, Ehe, eing. Lebenspartner Geistliche, Suchtberater, Arzt, Anwalt nicht: Betreuer, Bewährungshelfer, Jugendgerichtshilfe
Auskunftsverweigerungsrecht: 55 StPO wenn der Zeuge bei wahrheitsgemäßer Auskunft eine eigene Straftat einräumen müsste sog. nemo tenetur -Grundsatz nemo tenetur, se ipsum accusare = niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen
Der Zeugenbeistand: 68 b StPO wenn Zeuge nicht in der Lage, bei Vernehmung Rechte wahrzunehmen zwingend, wenn Verbrechen Vergehen gegen sexuelle Selbstbestimmung vorliegen gilt für Vernehmung durch Gericht oder StA; Antrag ist zu stellen
Praktische Konsequenz für Betreuer: Zeugenpflicht des Betreuten beachten ggfs. eigene Zeugenpflicht beachten prüfen, ob Betreuter in der Lage ist, Zeugenvernehmung zu absolvieren; ggfs. Anwalt als Zeugenbeistand hinzuziehen
Die Nebenklage 395 StPO Befugnis zur Nebenklage: Verletzte Person bei enumerativ aufgeführten Delikten z. Bsp. Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung Körperverletzungsdelikte versuchte Tötungsdelikte Eltern, Kindern, Geschwistern, Ehegatten eines Getöteten
Rechte des Nebenklägers: Anwesenheit in HV; jedoch keine Pflicht Recht der anwaltlichen Vertretung Akteneinsicht Fragerecht gegenüber Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen Beweisantragsrecht Schlussvortrag
Bestellung eines Beistands: bei Sexualdelikt 395 Nr. 1 a StPO bei versuchtem Tötungsdelikt 395 Nr. 2 bei Verbrechen Geschädigter noch nicht 16 im übrigen gelten Vorschriften der Prozesskostenhilfe
Das Adhäsionsverfahren 403 ff. StPO Verletzter oder Erbe können gegen Beschuldigten Ersatzansprüche erheben materieller Schadenersatz Schmerzensgeld Anhangsverfahren zum Strafverfahren weiterer Zivilprozess entbehrlich Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Geschädigten und eingeschränkt für Angeklagten möglich
Praktische Konsequenz für Betreuer: anwaltliche Vertretung für das Opfer beauftragen prüfen Schadenersatzansprüche prüfen zerstörtes / beschädigtes Eigentum des Betreuten (z.b. Kleidung) Zuzahlungen zu Medikamenten etc. Schmerzensgeld Antragstellung nach Opferentschädigungsgesetz prüfen
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!