Bestandsaufnahme Frauenarmut in Berlin



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Transkript:

Bestandsaufnahme Frauenarmut in Berlin Die Anzahl der Menschen, die in Berlin in Armut lebt, steigt. Es fehlt jedoch eine geschlechtsspezifische Betrachtung der unterschiedlichen Ursachen und Lebenslagen von Männern und Frauen. Frauen tragen allein schon aufgrund ihres Geschlechts immer noch ein durchgehend erhöhtes Armutsrisiko. Wir haben im nachfolgenden Text vor dem Hintergrund unserer verschiedenen Praxisfelder spezifische Armutsrisiken von Frauen benannt und Forderungen formuliert und verstehen diese Bestandsaufnahme als sich fortentwickelnde Diskussionsgrundlage ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit. Ursachen von Frauenarmut: Kein eigenes Einkommen, wegen unbezahlter Haus-, Familien- und/oder Pflegearbeiten Zuordnung zu einer Bedarfsgemeinschaft (nach SGB II) ökonomische Abhängigkeit vom Partner und/oder Staat; kein Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und zur Altersversorgung, zusätzliches Armutsrisiko: Tod des Partners, Scheidung und Trennung keine Leistung, keine berufliche Förderung, Abhängigkeit vom Partner, fehlende soziale Absicherung und Altersvorsorge. Herausfall aus der Arbeitslosenstatistik. Nachteile wegen nicht durchgängiger Beschäftigungszeiten Nach wie vor geben Frauen ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie auf und nehmen geringere Rentenansprüche sowie anschließend Nachteile auf dem Arbeitsmarkt in Kauf. Im Jahr 2008 waren in der Kategorie Berufsrückkehrer bei der Bundesagentur für Arbeit 1.696 Männer (das waren 0,1% aller arbeitslos gemeldeten Männer) und 122.215 Frauen (= 7,7% aller arbeitslos gemeldeten Frauen) gemeldet. 1 Einschränkungen in der beruflichen und rentenbezogenen Biographie. Geringe Beschäftigungszeiten schlagen auf Rentenansprüche nieder und programmieren Altersarmut Prekäre Arbeitsverhältnisse 2008 waren in Berlin 73,6% 2 der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten Frauen, davon Mini-Jobs (Frauen 59,8%) und selbständig Beschäftigte (2008 Frauen 34,2%). Diese Beschäftigungsverhältnisse liegen in der Regel im unteren 1 Analyse des Arbeitsmarktes für Frauen und Männer von der Bundesagentur für Arbeit, Januar 2008 2 Gender Datenreport Berlin 2009 Seite 1 von 5

Einkommens- und Stundenbereich und/oder sind zeitlich befristet (2008: Anteil abhängig erwerbstätiger Frauen in befristeten Arbeitsverhältnissen 13,9%). Armut trotz Arbeit drastische Zunahme ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse massive Zerstörung versicherungspflichtiger Beschäftigungen keine Existenzsicherung unzureichende sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, fehlende Altersvorsorge keine Aufstiegschancen in den ersten Arbeitsmarkt (Im Juni 2008 waren in Berlin 1,081 Mio. Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt; 51,4 % davon waren Frauen) 3 Niedriglöhne Typische Frauenberufe wie soziale und personenbezogene Dienstleistungsarbeit (Pflege, Arzthelferinnen, Friseurin usw.) sowie Arbeit im Gastgewerbe bieten keine/wenig Aufstiegschancen und sind dem Niedriglohnsektor zugeordnet, wenn diese versicherungspflichtigen Beschäftigungen nicht schon durch einen versicherungsfreien Minijob ersetzt wurden. Hinzu kommen teilweise große Unterschiede in den Stundenlöhnen und Gehältern von Männern und Frauen von bis zu 25% zu Lasten der Frauen. Ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 1.100 Euro erzielten 41% der erwerbstätigen Frauen, aber nur knapp ein Drittel der Männer. Höhere Einkommen von über 2.000 Euro erzielten 27% der Männer und nur 15% der Frauen. Armut trotz Arbeit Keine oder geringe Rentenansprüche Abhängigkeit von zusätzlichen Transferleistungen Alleinerziehende und Armut Alleinerziehende Frauen sind Mütter mit Kind(ern) ohne PartnerIn, der oder die sich am Haushaltseinkommen beteiligt. Allein erziehende Frauen kommen aus allen Bildungsschichten und sozialen Milieus. 4 Sie bilden eine heterogene Gruppe, die jedoch eins gemeinsam hat: ArbeitgeberInnen stehen ihnen außerordentlich skeptisch gegenüber und das macht es ihnen schwer, auf den ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ein Kind allein groß zu ziehen, bedeutet eine große Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt. Jede dritte Mutter in Berlin lebt allein mit ihrem Kind und die Hälfte von ihnen leben von Hartz IV. Sie gelten damit jedoch nicht zwingend als arm, denn nach einer EU- Definition ist arm, wer von weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens im 3 Gender Datenreport Berlin 2009 4 Deutschlandweit haben 25 % der Frauen Abitur, 40% einen Realschulabschluss und 30% Hauptschulabschluss; Monitor Familienforschung 15/2008, Bundesfamilienministerium Seite 2 von 5

jeweiligen Bundesland leben muss. Diejenigen, die mit weniger als 60 Prozent auskommen müssen, gelten als armutsgefährdet. Folgt man dieser EU-Definition, sind in Berlin 23,3 Prozent der Alleinerziehenden und 14,4 Prozent aller Berliner von Armut bedroht. 5 Wenn allein erziehende Frauen den Einstieg in den Arbeitsmarkt geschafft haben, muss die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie geklärt werden. Oftmals werden Terminplanungen, Weiterbildungen und Meetings in den Unternehmen nicht auf Menschen mit Kindern abgestimmt. In Zeiten, da die Bereitschaft zu Überstunden als Ausdruck gesteigerter Arbeitsmotivation gilt, werden allein erziehende ArbeitnehmerInnen erheblich unter Druck gesetzt, obwohl sie mit knapp kalkuliertem Zeitbudget oft Höchstleistungen vollbringen. Alleinerziehende haben höhere Kosten bei der Kinderbetreuung außerhalb der Kindergartenzeiten als ArbeitnehmerInnen ohne Kinder oder mit zweitem, aktiven 6 Elternteil. Wohnungslosigkeit bei Frauen ist Ausdruck von finanzieller, sozialer und/oder emotionaler Armut! Wohnungslosigkeit bei Frauen ist gesellschaftlich extrem stigmatisiert und vorurteilsbelastet. Anders als bei Männern unterliegen Frauen zusätzlich der Gefahr, auf der Straße Opfer insbesondere sexueller Gewalt zu werden. Um dem Leben auf der Straße zu entgehen, begeben sich viele Frauen in Zweckgemeinschaften, in denen sexuelle Verfügbarkeit gegen vermeintlich persönlichen Schutz und/oder eine Unterkunft getauscht wird. 7 So entsteht verdeckte Wohnungslosigkeit. Auslöser von Wohnungslosigkeit bei Frauen sind u.a. Trennung und Scheidung, Arbeitslosigkeit, Mietschulden z.t. in Zusammenhang mit hoher Verschuldung, Überforderung, Gewalt, Suchtmittelabhängigkeit oder Straffälligkeit. Oft liegen psychische und gesundheitliche Beeinträchtigungen zugrunde. Ein Auffangnetz aus dem familiären und sozialen Lebensumfeld fehlt diesen Frauen in der Regel oder es ist ebenfalls überfordert. Häufig sind die Frauen nicht in der Lage, eigenständig Hilfe und Unterstützung zu suchen. Sie verschließen sich gegenüber Verpflichtungen ohne Berücksichtigung der Konsequenzen wie den Wohnungsverlust. Migrantinnen Eine Koppelung des Aufenthaltsstatus der Frau an den Ehemann oder ein ungeklärter Status erhöhen die Gefahr von Armut betroffen zu sein. Auch mangelnde Sprachkenntnisse und/oder traditionelle Rollenfestlegungen verhindern eine aktive Teilhabe und erhöhen das Armutsrisiko für diese Frauen signifikant. Armutsrisiko Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder unabhängig von Alter, Herkunft, Lebensform und sozialem Status begünstigt Armut. Ausgehend von der Tatsache, dass in bis zu 80% Frauen und Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind, 5 Alleinerziehende sind arm dran, Kathleen Fitz, Lisa Geiger; aus: taz, 16.12.2009 6 aktiv= die sich an der Finanzierung des Lebens kontinuierlich beteiligen (Miete, Freizeit, Lebensmittel, Nachhilfe, Kleidung etc.) 7 vgl.: Dr. Uta Enders-Dragässer, Geschlechtsspezifischer Hilfeansatz und geschlechtergerechte Weiterentwicklung en in der Wohnungslosenhilfe mit Gender Mainstreaming, 2006 Vortrag: Fachveranstaltung AK Wohnungsnot: Gender Mainstreaming in der Wohnungslosenhilfe gibt es einen geschlechtsspezifischen Hilfebedarf bei wohnungslosen Menschen? Seite 3 von 5

sprechen 16.382 aktenkundige Fälle häuslicher Gewalt in Berlin im Jahr 2008 für sich. 8 Wenn Frauen mit oder ohne Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind, und zudem noch in einer Bedarfsgemeinschaft leben und der Partner überwiegend der Haushaltsvorstand ist, stoßen diese Frauen häufig auf Widerstände, wenn sie aufgrund häuslicher Gewalt gegen sie und/oder die Kinder umziehen wollen. Oft müssen sich diese Frauen eine vollkommen neue Existenz aufbauen, da sie bei einer Flucht auch sämtliches Hab und Gut zurücklassen. Durch die Einrichtung einer neuen Wohnung entstehen enorme Kosten. Das derzeitige Mietrecht lässt die Frauen i. d. R. nicht aus ihren alten Mietverträgen (der ehemalige Partner muss einer Kündigung zustimmen, beide Unterschriften sind notwendig). Es fallen häufig Doppelmieten an. Ein weiteres Armutsrisiko besteht, wenn Frauen aufgrund von hoher Gefährdung um ihr Leben in eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Land ziehen. Neben den o. g. Neuanschaffungen besteht das Risiko sozialer Ausgrenzung. Ein Gesundheitsrisiko ist und bleibt das derzeitige Umgangsrecht für gemeinsame Kinder für den (vormals) gewalttätigen Partner. Die Mütter sind dazu angehalten, diesen Umgang zu ermöglichen und können zivilrechtlich dazu zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie sich weigern. Illegalisierte Frauen und Frauen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus Diese Gruppe von Frauen umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Lebenswelten mit verschiedenen kulturellen Hintergründen (Sprache, Familiäre Bindungen, finanzielle, berufliche, gesundheitliche Situation). Die Aufenthaltsstatus (3-Monats-Visum, ungeklärter Status und Frauen, die auf Grund einer Eheschließung mit einem Deutschen in einer Abhängigkeit leben) sind sehr unterschiedlich. Größtenteils sprechen wir von Frauen, die sich prostituieren, allerdings treffen wir auch einen kleinen Teil von Frauen in dieser Lebenssituation, an anderen Brennpunkten. Durch die EU-Erweiterung zeigt sich immer wieder verstärkt die Problematik der ungeklärten Mietverhältnisse. Da die Frauen keine Verdienstbescheinigung vorweisen können, finden sich selten seriöse Vermieter, die Mietverträge mit den Frauen abschließen. Dies führt häufig zu unzumutbaren Wohnverhältnissen, die sich darin äußern, dass sie bei Menschen wohnen, die ihnen keine Miet- oder Untermietverträge ausstellen wollen. Sie verfügen somit über keinerlei Rechte und sind ständig mit der Gefahr konfrontiert, ihre Unterkunft zu verlieren. Auch straffällig gewordene Frauen, suchtmittelabhängige Frauen und Prostituierte gehören zu den Personengruppen, die mit Armut konfrontiert sind. Diese Aufzählung ist noch lange nicht abgeschlossen. Forderungen: Gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit. Gleichberechtigter Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und zur Altersversorgung; Unterbrechungen in der Erwerbstätigkeit aufgrund von 8 Polizeiliche Kriminalstatistik 2008; http://www.berlin.de/sen/frauen/gewalt/haeusliche.html, 22.06.2010 Seite 4 von 5

Kinderbetreuung und Pflegeleistungen sind in angemessener Weise zu berücksichtigen. Gender-sensible Beratung und Vermittlung in den JobCentern Freier, kostenloser Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten Ausbau von Unterstützungsmöglichkeiten für belastete, überforderte Mütter Aufwertung von Teilzeitarbeit und von Frauen dominierten Arbeitsbereichen (monetär und Wertschätzung) Förderung der Teilhabe und von Aufstiegschancen für Frauen. Qualitative Verbesserung und Ausbau der Kinderbetreuung. Ein Finanzbonus für Firmen und Arbeitgeber, die nachweislich familienfreundlich sind Ein Chauvietikett für schlechte Arbeitsbedingungen von Firmen wie Schlecker oder Lidl Mindestlöhne, um nicht von Transferleistungen abhängig zu sein Ausreichend finanzierte Teilzeitstellen siehe Niederlanden, Schweden usw. Abschaffung des Ehegattensplitting und hohe Steuererleichterung für Familien mit Kindern siehe Frankreich Datenschutzregelung über Familienstand bei ArbeitnehmerInnen ähnlich wie in den USA bei Angabe des Alters oder Passfotos, d.h. es ist unzulässig, sich über den Familienstand der Arbeitnehmer zu informieren Reformierung / Änderungen des Mietrechts zugunsten der Opfer von häuslicher Gewalt Die Möglichkeit eine Meldeadresse zu erhalten ohne in Abhängigkeiten zu gelangen oder eine soziale Beratung in Anspruch nehmen zu müssen Frauenarmut ist ein gesamtgesellschaftliches Problem! Eine Gesellschaft, die Frauen wertschätzt, verhindert ihre Armut! Seite 5 von 5