Anlagentechnik der Hebel für eine schnelle Umsetzung der Energiewende im Bausektor

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Transkript:

310 Ewert Anlagentechnik der Hebel für eine schnelle Umsetzung der Energiewende im Bausektor Dr.-Ing. Markus Ewert Bereichsleiter zentrale Forschung & Entwicklung Imtech Deutschland GmbH & Co.KG Hammerstraße 32 22041 Hamburg

Ewert 311 1 Rahmenbedingungen Wesentliche Treiber für die Energiewende in Deutschland sind die weltweiten CO 2 - Reduktionsziele und die angestrebte Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung. Eine Untersuchung der IEA zeigt auf, dass für das Erreichen des Cancun Ziels von maximal 450 ppm CO 2 in der Atmosphäre viele Maßnahmen gegenüber einem As usual Szenario ergriffen werden müssen. Den größten Anteil hat mit 54% der Bereich Energieeffizienz oder anders ausgedrückt: Ohne die Umsetzung der Effizienzpotentiale ist das Cancun Ziel nicht zu erreichen. Trotzdem ist die Umsetzung der Maßnahmen im Vergleich zu anderen Optionen - wie der Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien - vergleichsweise zögerlich. In dem IEA-Szenario Cancun- Ziel müssten zwischen 2015 und 2030 durch Effizienzmaßnahmen im Mittel 500 Mio. tco 2 /a eingespart werden, was einer zusätzlichen Effizienzsteigerung gegenüber dem As usual Szenario von 2,5%/a entspricht. 54% Energieeffizienz Abb. 1: Entwicklung der weltweiten CO 2 Emissionen im As usual Szenario und bei Erreichung des Cancun Ziels (450 ppm CO 2 in der Atmosphäre) zur Begrenzung der Erderwärmung auf +2 C mit den entsprechenden notwendigen Reduktionsmaßnahmen [1] Die Tatsache, dass bisher relativ wenig über Effizienzmaßnahmen eingespart wird, ist vor allem vor dem Hintergrund erstaunlich, dass der größte Teil der Effizienzmaßnahmen wirtschaftlich ist und eigentlich auch ohne Förderung von den Unternehmen und Bürgern umgesetzt werden müsste. Eine Begründung der Unternehmen ist häufig, dass sie nur Investitionen mit Amortisationszeiten von 2-3 Jahren umsetzen. Energietechnische Anlagen werden aber häufig über 20 Jahre betrieben und Maßnahmen amortisieren sich oft erst nach 5-15 Jahren. Sie sind dann zwar wirtschaft-

312 Ewert lich, werden aber aufgrund der Anforderungen an Amortisationen in die eigenen Produktionsanlagen nicht umgesetzt. Aufgrund der großen Bedeutung der Energieeffizienz für das Erreichen der Klimaziele kann man aber davon ausgehen, dass bei fehlender Umsetzung zunehmend regulatorische Vorgaben über ambitionierte Standards und regelmäßige Prüfungen der Effizienz vorhandener Anlagen erfolgen werden. Dem Gebäudebereich kommt mit einem Anteil von ca. 40% an den CO 2 -Emissionen in Deutschland die größte Bedeutung bei der Reduktion zu. Die Erneuerungsquote ist im Mittel mit 0,8-0,9 %/a in diesem Bereich allerdings sehr gering und reicht zum Erreichen der Ziele nicht aus. Die Einsparungen in 20-30 Jahren kommen dann zum Abwenden des Klimawandels schlichtweg zu spät. Daher hat die Bundesregierung eine Intensivierung der Sanierung angekündigt und die Quote in den nächsten Jahren auf 2% als Zielwert gesetzt. Dies entspricht einer Verdopplung. Die Frage bei dieser Zielvorgabe ist: Welche Maßnahmen können dieses Ziel erfüllen oder ggf. sogar übererfüllen und was bedeuten die verschiedenen Maßnahmen hinsichtlich der Dimensionen: CO 2 - bzw. Energieeinsparung (Menge pro Maßnahme und Anzahl der Maßnahmen pro Zeit) Investitionsvolumen Kapitalrendite 2 Effizienzmaßnahmen Im Gebäudebereich gibt es in der Gebäudehülle und der Gebäudetechnik eine Vielzahl an Maßnahmen, um CO 2 zu reduzieren (s. Abb. 2). Von McKinsey wurde dazu eine Studie durchgeführt [2], in der die CO 2 -Vermeidungskosten und die erreichbare Menge an CO 2 -Einsparungen in Deutschland für den Zeitraum 1990-2020 berechnet wurden. Betrachtet man die Maßnahmen in der Gebäudehülle und die Gebäudetechnik insgesamt, so ist erkennbar, dass der größte Teil der Maßnahmen tatsächlich wirtschaftlich ist (s. Abb. 3). Die Gebäudetechnik hat jedoch ein deutlich größeres Umsetzungspotential in dem betrachteten Zeitraum und die Maßnahmen sind im Vergleich zur Gebäudehülle auch wirtschaftlicher.

Ewert 313 Abb. 2: CO 2 -Einsparungspotential in Deutschland zwischen 1990 und 2020 durch unterschiedliche Maßnahmen geordnet nach der Wirtschaftlichkeit mit aufsteigenden CO 2 -Vermeidungskosten (negative Werte bedeuten, dass die Maßnahmen wirtschaftlich sind) [2] CO 2 -Emissionen und Einsparungen in Mio.t/a 216-40 -15-5 - 4 152 1990 Technik Hülle Technik Hülle 2020 CO 2 -VK < 0 /t CO 2 -VK > 0 /t Abb. 3: CO 2 -Einsparung in Gebäuden zwischen 1990 und 2020 in Gebäudetechnik und Gebäudehülle sind meist wirtschaftlich (CO 2 -Vermeidungskosten (CO 2 -VK ) < 0 /t), das absolute Einsparpotential bei Investitionen in Gebäudetechnik ist deutlich größer [2]

314 Ewert Deutlich wird dies sehr gut an einem konkreten Beispiel, in dem die Fassadensanierung eines Bürogebäudes aus den 60er Jahren mit der Sanierung der RLT-Anlagen auf den neusten technischen Stand mit Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung (WRG) verglichen wird [3]. Die Sanierung der Fassade nach fast 50 Jahren reduziert den Heizenergiebedarf und den Kältebedarf des Gebäudes um insgesamt 250 MWh/a. Die Sanierung der 6 RLT-Anlagen spart insgesamt 1.200 MWh/a. Es wird 5- mal so viel Energie gespart und die Maßnahme ist mit deutlich geringeren Investitionen verbunden. Häufig wird bei der Frage der Sanierung von Gebäuden auf die Gebäudehülle fokussiert. Eigentlich müsste die technische Sanierung aber erste Priorität haben und man müsste sie wenn möglich beschleunigen, um die notwendigen CO 2 -Reduktionen durch Effizienzmaßnahmen rechtzeitig und zu möglichst geringen Kosten zu realisieren. Verdoppelt man alleine die Sanierungsquote bei der Gebäudehülle von 0,8%/a auf 2%/a, so sind die CO 2 -Reduktionsziele nicht zu erreichen (s. Abb. 4). Erst die Verdoppelung der Sanierungsquote der Gebäudehülle von 0,8%/a auf 2%/a und die der Gebäudetechnik von 4%/a auf 8%/a erreicht die Ziele durch eine um den Faktor 4 höhere CO 2 -Einsparung. CO 2 -Emissionen Deutschland in Gebäuden Mio.tCO 2 /a 216 121 106 48 Maßnahmen 1 : Nur Gebäudehülle Sanierungsquote: 0,8 2%/a Kombiniert: Hülle 0,8-2%/a Technik 4-8%/a Ziel Ziel 1990 2000 2010 2020 2030 1 Eigene Berechnungen; Annahmen zur mittleren Energieeinsparung je Maßnahme: Gebäudehülle 50%, Technik: 50% Abb. 4: Mögliche Entwicklung der CO 2 -Emissionen von Gebäuden bei Verdoppelung der Sanierungsquote der Gebäudehülle oder der Gebäudehülle und der Gebäudetechnik Neben dem zeitlichen Aspekt ist die Wirtschaftlichkeit ein wesentliches Kriterium für die Umsetzung von Maßnahmen, da nicht nur Energie sondern auch Kapital begrenzt zur Verfügung stehende Güter sind. Berechnet man die Investitionen, CO 2 - Einsparung und interne Verzinsung für eine exemplarische Maßnahme an einem

Ewert 315 Mehrfamilienhaus im Bereich der Gebäudehülle (Erreichen des KfW100 Standards) und zum Vergleich im Bereich der Gebäudetechnik (neue eff. Heizungssysteme), so ergeben sich signifikante Unterschiede. Als Berechnungstool wurde der Sanierungskonfigurator des Bundesministeriums BMVBS genutzt. Für den Vergleich wurde angenommen, dass für ein Portfolio von Gebäuden die gleiche Investitionssumme für beide Maßnahmen aufgewendet wurde [4]. Im Ergebnis wird durch die Gebäudetechnik bei gleicher Investitionssumme wie der Gebäudehülle 6-mal so viel CO 2 eingespart (s. Abb. 5). Die interne Verzinsung der Maßnahmen unter Berücksichtigung der Betriebsdauer beträgt bei der Gebäudehülle 4% und bei der Technik 26%. Der Kapitaleinsatz in Gebäudetechnik ist wesentlich kosteneffizienter als der in die Gebäudehülle. Investition von 1 Mio. in Effizienzmaßnahmen - Hülle: Dämmung zu KfW 100 - Technik: Neue Heizung CO 2 -Einsparung (t/a): Interne Verzinsung (%): 621 26 105 4 Technik Hülle Technik Hülle Abb. 5: CO 2 -Einsparung und interne Verzinsung bei Investition von 1 Mio. in Effizienzmaßnahmen in die Gebäudetechnik und Gebäudehülle [4] 3 Flexibilisierung Die Energiewende wird in der Öffentlichkeit meist synonym gesetzt mit dem Zuwachs an erneuerbaren Energien. Auch finden zu erneuerbaren Energien die meisten Diskussionen statt, da im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien umfangreiche Regulierungen bestehen (Förderbeträge durch EEG, Ausnahmeregelungen Industrie, etc.). Aufgrund der positiven Rahmenbedingungen ist der Anteil erneuerbarer Energien in den letzten 10 Jahren auch sehr stark angestiegen, was sich mittlerweile auf das Energiesystem als Ganzes auswirkt.

316 Ewert Zu Beginn des Ausbaus wurden die vom Wetter aufgeprägten Stromerzeugungen durch Wind und Sonne ohne Probleme abgepuffert und im System wurde die steuerbare Stromproduktion aus konventioneller Erzeugung entsprechend der Produktion aus Wind und Sonne angepasst. Mittlerweile ist der Betrag an erneuerbaren Energien aber so groß, dass Netzengpässe entstehen, die Produktion der erneuerbaren Energien in Regionen den Bedarf übersteigt, die Erzeugung aus erneuerbaren Energien zunehmend gedrosselt wird und die Strompreise an der Börse so niedrig sind, dass sich der Betrieb von vorhanden Kraftwerken aufgrund der geringen Betriebsstunden nicht mehr lohnt [5]/[6]. Technisch und energiewirtschaftlich gibt es dafür mehrere Lösungen, die letztendlich im System im direkten Wettbewerb zueinander stehen. Dies sind: Ausbau der Stromnetze Ausbau von Energiespeichern Steuerung des Strombedarfs entsprechend der Erzeugung (Demand Side Management) Ausbau von Backup Kapazitäten, wenn weder Wind noch Sonne Strom produzieren Alle diese Maßnahmen profitieren von zunehmenden Strompreisdifferenzen (zeitlich und örtlich) sowie Regelenergiebedarfen oder Dispatching von Energie bei Netzengpässen. Das heißt, wird eine oder werden mehrere dieser Maßnahmen massiv erweitert, ändern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für alle. Im Idealfall entsteht ein liquider wettbewerblicher Markt, an dem die Gebäude durch intelligente Steuerungen ihre Energiekosten optimieren können. In dieser zukünftigen Situation bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien können Gebäude mit ihrer großen Speichermasse einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie Flexibilität zur Verfügung stellen. Gebäude sind in der Lage, Lasten zu verschieben (Wärmepumpen, Kältemaschinen) und z. B. bei hoher Stromproduktion den Bedarf zu erhöhen dezentral Energie zu erzeugen (PV, KWK), wodurch die Netze entlastet werden und Backup Kapazitäten zur Verfügung stehen durch eine stärkere Anwendung von Strom anstelle von fossilen Energien, den Beitrag von flexiblen Stromanwendungen gegenüber dem Status quo zu erhöhen durch die Speicherung von Wärme/Kälte im Gebäude, kostengünstige Speicherkapazität zur Verfügung zu stellen (Kapazität um mehrere Größenordnungen höher als die vorhanden Stromspeicherkapazitäten) Werden diese technischen Optionen in Gebäuden in Zukunft stärker angewendet, so müssen dadurch weniger Netze ausgebaut, weniger zentrale Backup Kapazitäten

Ewert 317 installiert oder weniger zentrale Speicher gebaut werden. All diese Maßnahmen erfordern wesentlich höhere Investitionssummen und werden zunehmend kritisch begleitet. Vergleicht man die Umsetzung der großen zentralen Maßnahmen, ist der Aufwand im Gebäude perspektivisch deutlich geringer. Es gibt drei wesentliche Voraussetzungen, damit dieses Szenario Realität werden kann: Es müssen dynamische Tarife auf allen Kundenebenen (von der Industrie bis zum Haushalt) angeboten werden, um die Bereitstellung der Flexibilität vergütet zu bekommen (Diese Vorgabe ist aber bereits in einer EU-Verordnung beschrieben) Die neuen Technologien (DSM, dez. Erzeuger, Kommunikation) müssen in großen Stückzahlen hergestellt werden, um die Einzelstückkosten zu reduzieren Der Bedarf an Flexibilität muss gegenüber heute noch zunehmen. Der Anteil an erneuerbaren Energien muss dafür weiter steigen (entsprechende Ziel in der EU und Deutschland bereits formuliert) Alle drei notwendigen Kriterien sind aus heutiger Sicht realistisch erfüllbar. Die Technik im Gebäude und das Gebäude selbst werden also zur Unterstützung der Energiewende in Zukunft nicht alleine im Zusammenhang mit Energieeffizienz eine Rolle spielen, sondern auch Dienstleistungen für das Energiesystem durch Flexibilität erbringen, die den Betrieb der Gebäude durch bessere Tarife kostengünstiger macht. 4 Zusammenfassung Die Energieeffizienz in Gebäuden ist ein entscheidender und notwendiger Beitrag für das Erreichen der CO 2 -Ziele und der Begrenzung der Klimaerwärmung Aufgrund der vergleichsweise schleppenden Umsetzung von Effizienzmaßnahmen wird mit stärkeren regulatorischen Vorgaben gerechnet Das wirtschaftliche Potential von Effizienzmaßnahmen ist im Bereich der Anlagentechnik im Gebäude deutlich höher und schneller zu realisieren als Maßnahmen an der Gebäudehülle. Sie sollten daher mit Priorität umgesetzt werden, um die CO 2 -Ziele noch zu erreichen Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wird die Flexibilität von Gebäuden und der darin enthaltenen Anlagentechnik in Zukunft zu vermarkten sein. Die notwendigen Voraussetzungen für eine Umsetzung in der Zukunft sind weitgehend vorhanden. Es wird in dieser durch Kommunikationstechnik vernetzten Welt ein Internet der Dinge entstehen

318 Ewert Literatur [1] IEA, World Energy Outlook 2009 [2] McKinsey, Kosten und Potentiale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland, 2009 [3] Eigene Berechnung mit Thermischer Gebäudesimulation und Anlagensimulation für ein konkretes Sanierungsprojekt, 2003 [4] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/ Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; www.sanierungskonfigurator.de, hier: Nutzung zur Berechnung der Einsparung in einem MFH (Baujahr 1958-1968, Ölkessel 1985, Endenergie 261 kwh/m² a) durch Dämmmaßnahmen an der Gebäudehülle (KfW 100 Standard) oder alternativ den Ersatz des Wärmeerzeugers (durch Wärmepumpe mit Kessel) [5] Clemens Schömann-Finck, Teures Opfer für die Energiewende: Der Irrsinn von Irsching, Focus-Online, 26.04.2013 [6] Sebastian Peters, Trianel verschiebt Neubau von Uerdinger Kraftwerk um drei Jahre, RP-online, 09.07.2013