Rede des Bundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU), Justitiar der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zum Antrag der SPD- Fraktion für eine ehrliche und faire europäische Perspektive der Staaten des westlichen Balkans am Donnerstag, den 28. Juni 2012 Zu Protokoll! 1
Anrede, die europäische Perspektive, die die EU den Ländern des westlichen Balkans in der Erklärung des Europäischen Rats von Thessaloniki 2003 mit den Worten die Zukunft des westlichen Balkans liegt in Europa gab, wird nächstes Jahr mit dem Beitritt Kroatiens im Juli 2013 eine neue Form der Realität annehmen. Auch die anderen Staaten des westlichen Balkans sind auf dem Weg nach Europa. Die europäische Perspektive ist somit heute näher und konkreter denn je, allerdings ist sie nicht pauschal und ohne Bedingungen und Auflagen zu haben. Daher lehnen wir den Antrag der SPD ab. Die EU hat für alle Länder des westlichen Balkans einen Stabilisierungs-und Assoziierungsprozess (SAP) eingeleitet, der sie nach und nach enger an die EU 2
heranführen soll. In den letzten Jahren waren etliche Fortschritte zu verzeichnen, wobei jeder Staat selbst Tiefe und Geschwindigkeit dieses Prozesses bestimmt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, hier ergibt sich doch noch ein sehr differenziertes Bild. Als potentielle Kandidaten gelten nach heutigem Stand Albanien sowie Bosnien und Herzegowina und das Kosovo. - Was Albanien anbelangt, so hat, nachdem der Rat der EU letzten Dezember in den Schlüsselkriterien nur geringe Fortschritte verzeichnen konnte, die EU-Kommission erneut keine Empfehlung für den Kandidatenstatus ausgesprochen. Die EU hat Albanien daraufhin angehalten, seine Reformbemühungen zu intensivieren. Wir unterstützen diese Haltung der EU. 3
- Bosnien und Herzegowina muß insbesondere seine Verfassung in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention bringen, damit endlich das Stabilisierungs-und Assoziierungsabkommen (SAA) in Kraft treten kann, und die Grundlagen für einen fundierten Beitrittsantrag gelegt werden. Dies hat der Rat der EU gerade erst wieder in seinen jüngsten Schlußfolgerungen am 25.Juni bekräftigt. Für uns sind darüber hinaus substantielle Fortschritte mit Hinblick auf die Verfassungsreform im Bereich Parlamentskammer und Präsidentschaft unablässige Voraussetzungen für das Inkrafttreten des SAAs und einen möglichen EU Beitritt. - Was das Kosovo anbelangt, gilt, daß wir uns weiterhin insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption engagieren müssen, um die entsprechenden Reformen im Kosovo und 4
die Arbeiten an einem Stabilisierungs-und Assoziierungsabkommen zu unterstützen. Auch was die Kandidatenländer Mazedonien, Montenegro und Serbien betrifft, so möchte ich nicht verhehlen, dass dort Fortschritte erzielt worden sind. Gleichwohl bestehen weiterhin Defizite. Auch hier gilt: auch wenn diese Staaten auf ihrem Weg in die EU bereits weiter voran geschritten sind, bestehen wir darauf, daß alle Auflagen und Verpflichtungen der EU erfüllt sind, ehe ein Beitritt erfolgt. - In Bezug auf Mazedonien unterstützen wir daher den hochrangigen Dialog zur EU-Annäherung, der Reformen in allen Bereichen begleitet, solange die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aufgrund des Namensstreits durch Griechenland blockiert wird. 5
- Montenegro hat insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität noch etliche Reformen zu meistern. Daher begrüßen wir den Ansatz der EU-Kommission, die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen, wie vom Rat der EU erst vorgestern beschlossen, mit den Kapiteln Justiz und Rechtstaatlichkeit zu beginnen. - Auch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien im Herbst dieses Jahres muß unserer Meinung nach insbesondere an weitere Fortschritte im Stabilisierungs-und Assoziierungsprozeß sowie den bilateralen Beziehungen zu Kosovo gebunden sein. Ferner werden wir den europapolitischen Kurs des neuen serbischen Präsidenten Nikolic genauestens verfolgen. Bleibt zu hoffen, daß er den Reformkurs seines Vorgängers fortsetzt. 6
Letztendlich legen wir auch bei dem Beitrittsland Kroatien Wert darauf, daß die EU-Kommission ihr bisheriges Monitoring mit einem besonderen Fokus auf Rechtstaatlichkeit bis zum voraussichtlichen EU-Beitritt Kroatiens am 1.Juli 2013 fortsetzt. Mit dem Beitritt Kroatiens als dem ersten Land des westlichen Balkans wird eine Signalwirkung für die anderen Länder des westlichen Balkans ausgehen, die deren europäische Perspektive in greifbare Nähe rückt. 7