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Transkript:

(JAV) und bei Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern Nachrücker einzuladen ( 29 BetrVG). Ansonsten kann die Beschlussfassung zu ungültigen Ergebnissen führen. Der Vorsitzende hat mit seiner Unterschrift auf den Protokollen die Richtigkeit des Sitzungsverlaufs und der Beschlüsse zu bestätigen. Schließlich muss der Vorsitzende für die ordnungsgemäße Durchführung der gesamten Betriebsratsarbeit nach innen sorgen. Entscheidungen trifft der Betriebsrat durch Beschlüsse Arbeitgeber muss Kosten und Sachaufwand übernehmen Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Ein Sonderfall ist eine Klausur, die ein Betriebsrat einmal jährlich zur Planung seiner Arbeit veranstalten kann. Die Sitzungen werden vom Vorsitzenden einberufen und sind nicht-öffentlich. Entscheidungen trifft der Betriebsrat durch Beschlüsse. Zu deren Wirksamkeit muss mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder anwesend sein. Das Protokoll muss mindestens diese Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis enthalten. Außerdem muss die Teilnehmerliste beigefügt sein. Jeder Beschluss kann vor dem Arbeitsgericht auf seine Gültigkeit hin überprüft werden. Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten der Geschäftsführung trägt der Arbeitgeber ( 40 I BetrVG). Dazu gehören z. B. Dolmetscher- oder Übersetzerkosten oder Druckkosten für ein Rundschreiben. Außerdem muss der Arbeitgeber die sachlichen Mittel für die Arbeit des Betriebsrats zur Verfügung stellen ( 40 II BetrVG). 2.7.5. Ausgewählte Streitfälle Bevor wir gleich dazu kommen, welche Beteiligungsrechte der Betriebsrat bei seiner Arbeit hat, möchte ich Ihnen gerne einige Streitfragen (vergleichsweise detailliert) vorstellen. Und zwar solche, die im Rahmen der Betriebsratsarbeit immer wieder eine Rolle spielen und für Streit sorgen. Sämtliche Konstellationen knüpfen an die bereits oben, eher grundsätzlich erläuterte Stellung des Betriebsrats und seiner Mitglieder (2.7.1) sowie an die laufende Betriebsratsarbeit (2.7.4) an. 2-212

Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen 6 Arbeitsbefreiung für Betriebsratstätigkeit Der Arbeitgeber muss die Betriebsräte von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreien, wenn dies nach Umfang und Arbeit des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben erforderlich ist ( 37 II BetrVG). Dies kann auch bedeuten, dass ein Arbeitgeber bei der Zuteilung des Arbeitspensums berücksichtigen muss, dass der Arbeitnehmer Betriebsratsmitglied ist. Arbeitgeber muss Betriebsratsmitglied (zeitweise) von beruflichen Tätigkeiten befreien Beispiel: Eine Pflegekraft arbeitet in Wechselschicht. Ist sie Betriebsrat, so kann es, je nach den Umständen, notwendig sein, sie in eine Normalschicht zu versetzen. Die Arbeitsbefreiung dürfen die Mitglieder des Betriebsrats auch nutzen, um sich auch außerhalb von Betriebsrats- und Ausschusssitzungen zusammenzusetzen. Natürlich nur, wenn es dafür Gründe nach dem BetrVG gibt. Weitere Betriebsratsaufgaben können sein: Besprechungen mit dem Arbeitgeber, Unfalluntersuchungen der Berufsgenossenschaft, Betriebsbesichtigungen der Heimaufsicht und Sprechstunden des Betriebsrats. Nicht zu den Betriebsaufgaben gehört es, wenn Besprechungen mit den Gewerkschaften, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Betrieb haben, stattfinden. Oder wenn ein Betriebsratsmitglied an Gerichtsverhandlungen teilnimmt, an denen weder der Betriebsrat Beteiligter ist noch eine grundsätzliche Bedeutung für den Betrieb besteht. Beispiel: Ein Betriebsratsmitglied in einem Pflegeunternehmen will an einem Kündigungsschutzprozess, den ein Mitarbeiter gegen den Träger führt, teilnehmen. Dafür muss der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied nur dann freistellen, wenn dies grundsätzliche Bedeutung für den Betrieb hat. Wenn es z. B. um ein Mobbingproblem geht, das auch andere Mitarbeiter betrifft. Wenn ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Befreiung hat, dann muss es dies vom Arbeitgeber nicht genehmigen lassen. Allerdings gibt es eine Meldepflicht: Das Betriebsratsmitglied hat sich beim Verlassen des Arbeitsplatzes ab- und später Arbeitsbefreiung kommt nicht nur für Betriebsrats- oder Ausschusssitzungen infrage Arbeitgeber muss Freistellung nicht genehmigen, aber Betriebsratsmitglied muss sich an- und zurückmelden 2-213

wieder zurückzumelden. Bei der Abmeldung muss der Mitarbeiter angeben, wie lange er voraussichtlich abwesend ist und wo er sich für seine Betriebsratsarbeit voraussichtlich aufhält. Das Betriebsratsmitglied muss angeben, dass die Tätigkeit zur Erfüllung seiner Aufgaben nach dem BetrVG notwendig ist. Es muss aber keinesfalls seine (konkrete) Tätigkeit preisgeben. Und muss schon gar nicht z. B. Namen von Mitarbeitern nennen, mit denen es eine Besprechung geben wird. Die Arbeit des Betriebsrats soll vor jeglicher Gefahr, dass der Arbeitgeber Druck ausüben könnte, freigehalten werden. Es ist außerdem ausreichend, wenn das Betriebsratsmitglied nicht persönlich Mitteilung macht. Dies kann auch ein anderer erledigen. Auch muss die Abmeldung nicht schriftlich erfolgen. Die Ab- und Rückmeldung soll dem Arbeitgeber lediglich ermöglichen, den Arbeitsablauf zu organisieren und, wenn nötig, eine Vertretung zu beschaffen. Was aber auch heißt: Wenn eine Überbrückung nicht notwendig ist, dann muss sich das Betriebsratsmitglied nicht abmelden! Also z. B. dann, wenn die Abwesenheit nur kurz dauert. Oder wenn die Art der Tätigkeit, beispielsweise in der Verwaltung eines Pflegeunternehmens, einen Aufschub gut verkraften kann. Vollständige Freistellung ist ab 200 Mitarbeitern zwingend Ab 200 Mitarbeitern müssen Mitglieder des Betriebsrats vollständig freigestellt werden ( 38 BetrVG). Dabei ist auch eine Teilfreistellung möglich. So ist es zulässig, zwei Mitarbeiter jeweils zu fünfzig Prozent freizustellen, um ihnen für die Hälfte ihrer Arbeitszeit eine Beschäftigung auf dem Arbeitsplatz zu ermöglichen. Vollkommen freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen weiterhin im Betrieb anwesend sein und die betriebsüblichen Arbeitszeiten einhalten. Es sei denn, es sind Tätigkeiten außerhalb des Betriebs erforderlich. Jedenfalls dürfen diese Betriebsratsmitglieder ihre Arbeit nicht von zu Hause oder anderswo aus erledigen. 2-214

Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen 6 Arbeitnehmer Anzahl freizustellender Betriebsräte 200-500 1 501-900 2 901-1500 3 1501-2000 4 Tab. 6.6: Anzahl der freizustellenden Betriebsräte Eine vollständige Freistellung von mehr Mitarbeitern als den gesetzlich geforderten ist möglich, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Amtsgeschäfte des Betriebsrats erforderlich ist. Gleiches gilt für Betriebe mit unter 200 Mitarbeitern. Obwohl das Gesetz in diesen Fällen keine zwingende Komplettfreistellung vorsieht, kann dies dennoch im Einzelfall so sein. Zum Beispiel bei zahlreichen oder weit verstreut liegenden Betriebsteilen, bei Wechselschichtbetrieb oder bei längerfristiger Beurlaubung von Mitgliedern des Betriebsrats. Zum Verfahren bei vollständig freizustellenden Betriebsratsmitgliedern: Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein einziger Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Ist nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen, so wird dieses mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekanntzugeben. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt. Betriebsrat wählt vollständig freizustellende Mitglieder aus seiner Mitte 2-215

Lohnfortzahlungen für Befreiungen Für diese Fälle gilt nach 37 III BetrVG: Muss die Betriebsratsarbeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit stattfinden, dann ist dafür ein Ausgleich zu gewähren. Es dürfen also nicht bloß persönliche, sondern es müssen betriebsbedingte Gründe vorliegen, die das Betriebs- Betriebsratsmitglied erhält Lohnfortzahlung nach Lohnausfallprinzip Arbeitnehmer muss Erforderlichkeit nachweisen Für die Betriebsratsarbeit ist der Lohn nach dem Lohnausfallprinzip weiter zu zahlen. Das heißt: Das Betriebsratsmitglied erhält das, was er bei normaler Arbeit erhalten hätte. Also den laufenden Lohn sowie alle sonstigen Leistungen inklusive z. B. Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit. Anders als bei der Befreiungspflicht muss das Betriebsratsmitglied hier dem Arbeitgeber aber nachweisen, dass es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich war, von der Arbeit fernzubleiben! Hat der Arbeitgeber also erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit, dann kann er zwar nichts gegen die Befreiung von der Arbeit unternehmen, er kann aber die Entgeltfortzahlung verweigern. Dann muss der Mitarbeiter den Beweis dafür antreten, dass die Befreiung von der Arbeit erforderlich war. Ausgleich für Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit Nicht selten kommt es vor, dass die Betriebsratsarbeit gar nicht während der Arbeitszeit stattfindet, es deswegen also gar keiner Freistellung bedarf. Zum Beispiel wenn eine Sitzung des Betriebsrats in einer anderen Schicht stattfindet. Oder wenn ein Betriebsratsmitglied einen Mitarbeiter, der zu anderen Zeiten als er selbst arbeitet, aufsuchen muss. Betriebsratsmitglied muss Ausgleich für Arbeit außerhalb eigener Arbeitszeit bekommen Ausdrücklich erkennt das Gesetz auch den Fall an, dass die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. 2-216

Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen 6 ratsmitglied veranlassen, außerhalb seiner normalen Arbeitszeit tätig zu werden. Wichtig: Die Zeiten sind nicht vom Arbeitgeber zu genehmigen, sondern der Betriebsrat hat einen Ermessensspielraum. Allerdings kann der Arbeitgeber dies überprüfen. Der Ausgleich ist in Form von Arbeitsbefreiung, also Freizeit, zu gewähren. Und zwar vor Ablauf eines Monats. Bei dem Anspruch auf Arbeitsbefreiung sind auch Wege-, Fahrt- und Reisezeiten einzuberechnen soweit sie mit der Durchführung der Betriebsratstätigkeit in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang standen. Kann die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht gewährt werden, so ist die Zeit als Mehrarbeit zu vergüten. Diesen Abgeltungsanspruch muss der Arbeitnehmer aber ausdrücklich geltend machen! Der Freizeitanspruch wandelt sich also nicht automatisch in den Abgeltungsanspruch um. Ausgleich erfolgt in Form von Freizeit, ersatzweise als Abgeltung (Geldanspruch) Diese Regelung gilt übrigens auch für die Teilnahme an den weiter unten zu besprechenden Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Betroffen sind vor allem Teilzeitbeschäftigte, die ganztags Schulungen besuchen. Ihnen ist in diesem Fall ein entsprechender Ausgleich für die Zeit der Schulung zu gewähren, die über ihre Arbeitszeit hinausgeht. Keinen Anspruch auf Ausgleich hat ein Betriebsratsmitglied, wenn die Tätigkeit aus betriebsratsbedingten Gründen erfolgt. Zum Beispiel wenn die Betriebsratssitzung länger als die reguläre individuelle Arbeitszeit dauert. Sprechstunden Der Betriebsrat kann während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten ( 39 BetrVG). Zeit und Ort sind mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Betriebsrat und Arbeitgeber müssen sich über Zeit und Ort verständigen 2-217

Arbeitnehmer muss lediglich sachlichen Grund für Sprechstundenbesuch haben Alle Arbeitnehmer eines Betriebs sind zum Besuch der Sprechstunde berechtigt. Sie müssen allerdings einen sachlichen Grund dafür haben, der mit dem Betrieb zusammenhängt und in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fällt. Auch Leiharbeitnehmer dürfen die Sprechstunde besuchen ( 14 II 2 AÜG). Besucht ein Arbeitnehmer die Sprechstunde des Betriebsrats, dann darf der Arbeitgeber für diese Zeit nicht das Entgelt kürzen. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer vor dem Besuch der Sprechstunde bei einem Vorgesetzten ab- und später wieder zurückmelden. Auch außerhalb der Sprechstunde kann sich ein Arbeitnehmer an ein Betriebsratsmitglied wenden. Umgekehrt kann das Betriebsratsmitglied den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz aufsuchen. Der Arbeitgeber kann weder Arbeitnehmer noch Betriebsratsmitglieder darauf verweisen, man möge die Angelegenheit während der Sprechstunde klären. Schulungs- und Bildungsveranstaltungen Betriebsräte haben Anspruch auf vom Arbeitgeber bezahlte Schulungsveranstaltungen Der Betriebsrat hat einen Anspruch darauf, an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilzunehmen ( 37 VI, VII BetrVG). Da der Arbeitgeber den Betriebsrat dazu (bezahlt!) freistellen muss, ist dies ein beliebter Streitpunkt. Sehr häufig wird darum gestritten, ob eine Schulung auch wirklich erforderlich ist. Zur Klärung kann die Einigungsstelle angerufen werden. Zunächst müssen Sie zwei Ansprüche unterscheiden: Anspruch des Betriebsrats nach 37 VI BetrVG Anspruch von Betriebsratsmitgliedern nach 37 VII BetrVG Betriebsrat hat zeitlich unbegrenzten Anspruch Zunächst zum Anspruch des Betriebsrats. Der Betriebsrat hat einen zeitlich nicht begrenzten Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Zu diesen Veranstaltungen kann er einzelne Mitglieder des Betriebsrats entsenden. Entscheidende Kriterien für die Zulässigkeit einer Veranstaltung: 2-218