Qualitätsindikatoren für die Langzeitpflege Lässt sich die Qualität unserer Arbeit messen?

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Transkript:

20.08.2015 RAI-NH-Fachtagung (Zürich, 19. August 2015) Qualitätsindikatoren für die Langzeitpflege Lässt sich die Qualität unserer Arbeit messen? Franziska Zúñiga, MSN, RN Institut für Pflegewissenschaft Medizinische Fakultät, Universität Basel, Schweiz Themen Was gehört zur Qualität in der Langzeitpflege? Nationales Projekt zur Messung von medizinischen Qualitätsindikatoren: Projektorganisation und ablauf Vorgeschlagene Indikatoren Herausforderungen in der Messung von Qualitätsindikatoren Öffentliche Berichterstattung 1

Was gehört zur Qualität eines Leistungerbringers? Qualität in der Langzeitpflege OECD Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen Andere Faktoren, die Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen beeinflussen (z. B. sozio-ökonomische Faktoren, Verhalten) Leistungsfähigkeit des Langzeitpflegesystems (von der Prävention bis zur end-of-life Pflege) Klinische Wirksamkeit, Bewohnersicherheit Qualität (Prozess und Ergebnis) Person-zentriertheit Koordination und Integration der Pflege an Schnittstellen Zugang (Finanziell und Wartezeit) Kosten / Ausgaben Schlüsselfaktoren (Mittel zur Qualitätserreichung) Arbeitskräfte / Arbeitsumgebungsqualität Wohnumgebung / physische Umgebung Unterstützende Technologien (Informations-, Kommunikationstechnologie und andere) OECD/European Commission 2013 (angepasst) 2

Gesetzlicher Auftrag gemäss KVG Art. 22a 1 Daten der Leistungserbringer 1 Die Leistungserbringer sind verpflichtet, den zuständigen Bundesbehörden die Daten bekannt zu geben, die benötigt werden, um die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen Ca. 80% zu der überwachen. OECD-Länder Namentlich sind folgende Angaben zu machen: messen Strukturkriterien in der Langzeitpflege a. Art der Tätigkeit, Einrichtung und Ausstattung, Rechtsform; vgl. CH: SOMED-Statistik b. Anzahl und Struktur der Beschäftigten und der Ausbildungsplätze; c. Anzahl und Struktur der Patientinnen und Patienten in anonymisierter Form; d. Art, Umfang und Kosten der Wenige erbrachten OECD-Länder Leistungen; messen Qualitätsindikatoren (Prozess und e. Aufwand, Ertrag und finanzielles Outcomes), Betriebsergebnis; noch weniger Erfahrungen f. medizinische Qualitätsindikatoren. von Nutzern der Langzeitpflege 2 Die befragten natürlichen und juristischen Personen sind zur Auskunft verpflichtet. Die Angaben sind kostenlos zur Verfügung zu stellen.. Medizinischen Qualitätsindikatoren im Langzeitbereich Pilotprojekt 3

Projektorganisation PROJEKTLEITUNG CURAVIVA Schweiz AUSSCHUSS BAG, GDK, BFS, CV Fachexperten nach Bedarf und Auftrag BEOBACHTER GDK, CV, tarifsuisse, HSK, senesuisse INSTRUMENTE Q-Sys AG, BESA Care AG Plaisir/isesuisse/EROS Stand: ab 20.05.2014 Pilotprojekt medizinische Qualitätsindikatoren von CURAVIVA Schweiz 2009 Start des Projektes, Vorarbeiten durch Kompetenzzentrum Qualitätsmanagement, Berner Fachhochschule und Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel - Themenfestlegung durch Steuergruppe 2012 Erarbeitung vertiefter Grundlagen durch Fachexperten 2013 Verifizierung durch Spezialistinnen und Spezialisten und Vorarbeiten zur Anpassung der Bedarfserfassungsinstrumente 2014 Vernehmlassung des Berichts der Arbeitsgruppe 2015 Anpassung der Bedarfserfassungsinstrumente und voraussichtlich Start Pilot 4

Nächste Schritte Durchführung Pilot Ziele des Pilot: Für die Heime: Daten möglichst zeitnah Benchmarking Für das Gesamtprojekt: Auswertungsbericht als Grundlage für nationale Erhebung Definitive Umsetzung: Erhebung durch Bundesamt für Statistik Publikation durch Bundesamt für Gesundheit Medizinischen Qualitätsindikatoren im Langzeitbereich Kriterien und Beschreibung 5

Was sind Kriterien für gute Qualitätsindikatoren? Veränderbar Machbar Verallgemeinerbar Reliabel, zuverlässig, valide Basiert auf vereinbarter Definition Beschreibt für Benutzer klar identifizierbare Ereignisse, klinisch relevant Quantifizierbar Unterscheidet gut Erlaubt sinnvolle Vergleiche Mainz et al. 2003, Progress 2010 Grundlagen für Erhebung von medizinischen Qualitätsindikatoren in der Langzeitpflege der CH Zielsetzung: keine separaten oder parallelen Erhebungen. Alle Themen werden in bestehende Assessmentinstrumente integriert (RAI-NH, BESA, Plaisir) und im entsprechenden Rhythmus gemessen Start mit Messungen, die bereits vorhanden sind in Instrumenten (RAI-MDS, BESA) oder für die nur geringe Anpassungen notwendig sind 6

Erste Messthemen Mangelernährung Bewegungseinschränkende Massnahmen Schmerzen Polypharmazie Mangelernährung Qualitätsindikator Prozentualer Anteil an Bewohner/innen mit einem Gewichtsverlust von 5% und mehr in den letzten 30 Tagen oder 10% und mehr in den letzten 180 Tagen. 7

Mangelernährung - Hintergrund Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung Das Risiko erhöht sich bei Eintritt in eine Pflegeinstitution Prävalenz Gewichtsverlust in Pflegeinstitutionen: 5% - 34% Auswirkungen: verminderte Funktionsfähigkeit und Lebensqualität, erhöhte Morbidität und Mortalität, erhöhtes Risiko für Dekubitus und Infektionen Behandlung einer Mangelernährung vermindert Morbidität und Mortalität Mangelernährung wird tendenziell nicht erkannt, unterschätzt und unterbehandelt in Gesundheitsinstitutionen Bell et al. 2013, Dent et al 2012, Elia et al. 2005, Imoberdorf & Balmer 2014, Pauly et al. 2007, Rasheed & Woods 2013, Volkert et al. 2006 Mangelernährung Interventionsmöglichkeiten Institutionelle Ebene: Essensangebot, Essenszeiten, Essensumgebung Hilfsmittel, Ressourcen Screening und Behandlung von Mangelernährung Interprofessionelle Zusammenarbeit inkl. Ernährungsberatung Bewohner/innen: Klären und Angehen von Ursachen von Appetitlosigkeit, psychischen Erkrankungen, Schluck- und Kauprobleme, orale Gesundheit, Nebenwirkungen von Medikamenten, etc. DNQP 2009, Volkert et al. 2013 8

Bewegungseinschränkende Massnahmen - Qualitätsindikator Prozentualer Anteil an Bewohner/innen mit täglicher Fixierung des Rumpfes oder mit Sitzgelegenheit, die die Bewohner/innen am Aufstehen hindern in den letzten 7 Tagen. Prozentualer Anteil an Bewohner/innen mit täglichem Gebrauch von Bettgittern und anderen Einrichtungen an allen offenen Seiten des Bettes, welche Bewohner/innen am selbständigen Verlassen des Bettes hindern, in den letzten 7 Tagen. Bewegungseinschränkende Massnahmen Hintergrund Die Anwendung von BEM kann Bewohner/innen gefährden: erhöhtes Risiko für Dekubitus, Verlust von Muskelkraft, Kontrakturen, Stürze, Inkontinenz, sowie zunehmende Aggressivität, Depression, Abnahme von Kognition und sozialen Interaktionen Eine Reduktion von BEM erhöht die Lebensqualität der Bewohner/innen ohne dass sturzbedingte Verletzungen erhöht werden Kinder- und Erwachsenenschutzrecht per 1.1.13 unterstützt das sorgfältige Abwägen des Einsatzes von BEM bei urteilsunfähigen Bewohner/innen Castle & Engberg 2009, Hamers & Huizing 2005, Köpke et al 2012 9

Bewegungseinschränkende Massnahmen Interventionsmöglichkeiten Betriebsebene: Konzeptuelle Vorgaben, definierte Entscheidungsprozesse Personalebene: Unterstützung in herausfordernden Situationen, mit Erwartung von Angehörigen Unterstützung in der Anwendung von Alternativen Köpke et al 2012, Möhler et al. 2012 Schmerzen Qualitätsindikatoren Prozentualer Anteil der Bewohner/innen, die in den letzten sieben Tagen mässige und mehr Schmerzen angaben (Selbsteinschätzung). Prozentualer Anteil der Bewohner/innen, bei denen in den letzten drei Tagen mindestens einmal Schmerzen im Alltag beobachtet wurden (Fremdeinschätzung). 10

Schmerzen Hintergrund Ca. 40% - 85% der Bewohner/innen in Pflegeinstitutionen haben Schmerzen Vorhandene Schmerzen von beträchtlicher Stärke werden gemäss internationaler Literatur teilweise gar nicht medikamentös behandelt oder nur mit WHO-Stufe 1 Es fehlen teilweise systematische Screeningverfahren und adäquates Schmerzmanagement Boerlage et al. 2008, DNQP 2011 Schmerzen Interventionsmöglichkeiten Systematisches Schmerzmanagement (Screening, Assessment, Behandlung, Überprüfung) Interprofessionelle Zusammenarbeit Erweiterung von Kenntnissen zum Thema Schmerz im Alter bei involvierten Berufsgruppen (inkl. pharmakologische und nichtpharmakologische Interventionen) Algorithmen für Schmerzmanagement DNQP 2011 11

Polypharmazie Qualitätsindikator Prozentualer Anteil an Bewohner/innen, die in den letzten 7 Tagen 9 und mehr Wirkstoffe einnahmen. Polypharmazie - Hintergrund In Europa nehmen ca. 24% der Bewohner/innen in Pflegeinstitutionen 10 und mehr Medikamente ein. In der Schweiz sind es gemäss unveröffentlichten Zahlen ca. 42% der Bewohner/innen mit 9 und mehr Wirkstoffen Mehr Medikamente: erhöhtes Risiko für potentiell gefährdende Medikamente, Interaktionen, unerwünschte Arzneimittelreaktionen, Hospitalisationen Polypharmazie reduziert Funktionsfähigkeit bei älteren Menschen, erhöht Risiko für Stürze, Mangelernährung, Inkontinenz und Mortalität, reduziert Lebensqualität Bronskill et al. 2012, Mahler et al. 2013, Onder et al. 2012, Tamura et al. 2012 12

Polypharmazie Interventionsmöglichkeiten Zusammenarbeit mit Geriater/in, Apotheker/in Regelmässige Überprüfung der Medikation zusammen mit Arzt / Ärztin Locca et al. 2009, Patterson et al. 2012, Tamura et al. 2012 Qualitätsindikatoren Herausforderungen 13

Themenauswahl für Qualitätsindikatoren Das Setzen von Zielen hat einen normativen Charakter ( Was wird weggelassen?) Ziele ändern sich je nach Gesellschaft und Zeitpunkt Balance: welche negativen Auswirkungen hat die Messung auf andere Themen? (z. B. Messung von Mangelernährung mehr Ernährung per Sonde?) Mor 2007, Schwappach, Patientensicherheit Schweiz, Unterrichtsunterlagen 2013 2 Beispiele zur Balance aus den USA Schmerz, Delirium, funktionale Einschränkung als Indikatoren im postakuten Bereich: Einführung von öffentlichem Rapportieren der Indikatoren 2003 war mit einer erhöhten Rate von Rehospitalisationen verbunden bis 14 Tage nach Eintritt (danach werden die Patient/innen bei den Qualitätsindikatoren mitgezählt) Die Anwendung von bewegungseinschränkenden Massnahmen wurde nach der Einführung von öffentlichem Rapportieren reduziert, ging jedoch einher mit der Erhöhung der Anwendung von Antipsychotika Konetzka et al. 2013, 2014 14

Stehen hinter besseren Resultaten tatsächlich andere Pflegeprozesse? Gewichtsverlust (% BW): Heime mit tiefen Werten haben tatsächlich weniger BW mit Gewichtsverlust und das Personal forderte häufiger verbal zum Essen und Trinken auf während Mahlzeiten, offerierte mehr sozialen Kontakt, besonders bei BW mit höherem Risiko für Gewichtsverlust Bewegungseinschränkende Massnahmen (BEM): Heime mit höheren Werten wenden mehr BEM an, wenn Bewohner/innen im Bett sind, aber nicht ausserhalb, und Bewohner/innen sind zeitlich länger im Bett, weniger im Essraum, erhalten weniger Unterstützung beim Essen Kein Unterschied in Bezug auf Assessment von Gleichgewichts- und Gangproblemen Schmerz: Bildet Schmerzprävalenz korrekt ab Heime mit höheren Prävalenzwerten haben bessere Schmerzassessment- und Schmerzbehandlungsprozesse Cadogan et al. 2004, Schnelle et al. 2004, Simmons et al. 2003 1. Beispiel Schmerzprävalenz 12 10 Prozentualer 8 Anteil von BW 6 mit Schmerzen 4 2 0 Baseline 24 Monate nach Intervention Interventionsgruppe Kontrollgruppe Studie mit 58 Pflegeheimen in Missouri, die in ausgewählten QI über der 40ten Perzentile lagen (schlechtere Qualität): Intervention zur Qualitätsverbesserung im Bereich Schmerz führte zu Beginn zu einer Erhöhung der Fallzahlen Russell et al. 2010 15

2. Beispiel Schmerzprävalenz 30.0 25.0 20.0 15.0 10.0 5.0 Betrieb 1 Betrieb 2 Betrieb 3 obere Grenze CH 12% 0.0 Okt 08 Dez 08 Feb 09 Apr 09 Jun 09 Aug 09 Okt 09 Dez 09 Feb 10 Apr 10 Jun 10 Aug 10 Okt 10 Dez 10 Internes Qualitätsverbesserungsprojekt im Bereich Schmerzmanagement: gleiche Interventionen in drei Betrieben: Erhöhung des QI kann eine erhöhte Problemwahrnehmung bedeuten und nicht unbedingt eine Verschlechterung der Qualität Anonymisierte Daten, die Betriebe sind der Referentin bekannt Public reportingvon Qualitätsindikatoren 16

Ziele der öffentlichen Berichterstattung Möglichkeit der Auswahl von geeigneten Leistungserbringern durch Patienten, Angehörige u.a. Anreiz zur Qualitätsverbesserung für Leistungserbringer Qualitätsmessung und -verbesserung Zweck PATHWAY 1 Auswahl Kenntnisse der Performance Konsumenten Patienten Zuweisende Kliniker Auftraggeber Behörden Auswahl & Rechenschaft Ziel Resultate (Performance) Messung zur Verbesserung Motivation PATHWAY 2 Veränderung Kenntnisse über Prozesse und Resultate Organisationen Leistungserbringerteams und Praktiker Berwick 2003 17

Auswahl und Verbesserung? Wahl eines besseren Leistungserbringers / mit besseren Outcomes wenn: Es verschiedene Anbieter mit guten Leistungen gibt Es möglich ist, einen informierte und ungehinderte Wahl zu treffen Qualität des Leistungserbringers stabil ist Das Angebot dem Bedarf entspricht Durch die Möglichkeit der Auswahl wird nicht automatisch die Leistung aller Anbieter verbessert Berwick 2003 Hindernisse für die Auswahl Die Öffentlichkeit ist sich nicht bewusst über die Daten Konsumenten glauben nicht an Unterschiede unter den Leistungserbringern Konsumenten trauen den Daten nicht Die öffentliche Berichterstattung ist nicht zugänglich / verständlich Die Kosten und der tatsächliche Zugang zum Leistungserbringer sind zentrale Faktoren bei der Auswahl eines Leistungserbringers, Qualität spielt keine oder eine sekundäre Rolle Konsumenten suchen eher Rat im persönlichen Umfeld Langzeit: Entscheidung für einen Heimeintritt wird unter Druck gefällt Berwick 2003, Faber et al. 2009, Rodrigues et al. 2014 18

Hindernisse für Veränderungen Keine zeitnahe Berichterstattung über Resultate der Qualitätsverbesserung wird in der einzelnen Institutionen keine Wichtigkeit gegeben Kein unmittelbarer Gewinn aus einer Qualitätsverbesserung (z. B. bessere Pflege tiefere Pflegestufe mit weniger Entgelt, mehr Austritte mit höherem Arbeitsanfall und geringerer Bettenbelegung) Berwick 2003 Umgang vom Pflegeinstitutionen mit öffentlich rapportierten QI Reaktion auf öffentliche Berichterstattung von QI abhängig von: strategische Ausrichtung von Führung: Schwerpunkt auf Innovation, Flexibilität, Anpassung an Markt (Prospector): greift Resultate auf und ergreift Massnahme Schwerpunkt auf Kerngeschäft, Stabilität und Service (Defender): eher keine Reaktion auf QI (Defenders kommen 2x häufiger vor in US Pflegeheimen) Ausmass der Abweichung von anderen Betrieben, tiefere Qualität Ausmass der Konkurrenz im Umfeld Bettenbelegung Zugehörigkeit zu einer Kette / Verbund Zeitgerechtes Feedback der QI Unterstützung in der Qualitätsverbesserung (z. B. advanced practice nurses) Clement et al. 2012, Hutchinson et al. 2009, Mukamel et al. 2010, Zin et al. 2008 19

Fazit Qualitätsindikatoren führen vor allem zu mehr Qualität über den Weg des Anreizes zur Verbesserung Bei zeitnaher Rückmeldung erlauben sie Betrieben eine kontinuierliche Qualitätsüberwachung und -verbesserung Qualitätsindikatoren sind nützlich für die Auswahl, wenn sie zugänglich, vertrauenswürdig und verständlich sind und eine Wahl möglich ist Herausforderungen: Schwerpunkte in der Auswahl: Patientensicht- und zentriertheit? Schnittstellenmanagement? Betriebe brauchen weiterhin Freiraum, um eigene Qualitätsthemen anzugehen Aufbereitung der Daten für Öffentlichkeit Überwachung der Auswirkungen des öffentlichen Rapportierens (Balance) Bibliografie (1) Bell, C. L., Tamura, B. K., Masaki, K. H. und Amella, E. J. (2013). Prevalence and measures of nutritional compromise among nursing home patients: weight loss, low body mass index, malnutrition, and feeding dependency, a systematic review of the literature. Journal of the American Medical Directors Association, 14(2), 94-100 Berwick, D. M., James, B., & Coye, M. J. (2003). Connections between quality measurement and improvement. Medical Care, 41(1 Suppl), I30-38. Boerlage, A. A., van Dijk, M., Stronks, D. L., de Wit, R. und van der Rijt, C. C. (2008). Pain prevalence and characteristics in three Dutch residential homes. European Journal of Pain, 12(7), 910-6 Bronskill, S. E., Gill, S. S., Paterson, J. M., Bell, C. M., Anderson, G. M. und Rochon, P. A. (2012). Exploring variation in rates of polypharmacy across long term care homes. Journal of the American Medical Directors Association, 13(3), 309 e15-21 Cadogan, M. P., Schnelle, J. F., Yamamoto-Mitani, N., Cabrera, G., & Simmons, S. F. (2004). A minimum data set prevalence of pain quality indicator: Is it accurate and does it reflect differences in care processes? J Gerontol A BiolSci Med Sci, 59(3), 281-285. Castle, N. G. und Engberg, J. (2009). The health consequences of using physical restraints in nursing homes. Medical Care, 47(11), 1164-73 Clement, J. P., Bazzoli, G. J., & Zhao, M. (2012). Nursing home price and quality responses to publicly reported quality information. Health Serv Res, 47(1 Pt 1), 86-105. 20

Bibliografie (2) Dent, E., Visvanathan, R., Piantadosi, C. und Chapman, I. (2012). Nutritional screening tools as predictors of mortality, functional decline, and move to higher level care in older people: a systematic review. Journal of Nutrition in Gerontology and Geriatrics, 31(2), 97-145 DNQP (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege) (Hrsg.). (2009). Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege. Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.). (2011). Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen. 1. Aktualisierung 2011. Osnabrück: DNQP Elia, M., Zellipour, L. und Stratton, R. J. (2005). To screen or not to screen for adult malnutrition? Clinical Nutrition, 24(6), 867-884 Faber, M., Bosch, M., Wollersheim, H., Leatherman, S., & Grol, R. (2009). Public reporting in health care: how do consumers use quality-of-care information? A systematic review. Med Care, 47(1), 1-8. Hamers, J. P. H. und Huizing, A. R. (2005). Why do we use physical restraints in the elderly? Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 38(1), 19-25 Hutchinson, A. M., Draper, K., & Sales, A. E. (2009). Public reporting of nursing home quality of care: lessons from the United States experience for canadian policy discussion. Healthc Policy, 5(2), 87-105. Imoberdorf, R. und Ballmer, P. E. (2014). Die Epidemiologie der Mangelernährung. Therapeutische Umschau, 71(3), 123-6 Bibliografie (3) Konetzka, R. T., Polsky, D., & Werner, R. M. (2013). Shipping out instead of shaping up: rehospitalization from nursing homes as an unintended effect of public reporting. J Health Econ, 32(2), 341-352. doi: 10.1016/j.jhealeco.2012.11.008 Konetzka, R. T., Brauner, D. J., Shega, J., & Werner, R. M. (2014). The effects of public reporting on physical restraints and antipsychotic use in nursing home residents with severe cognitive impairment. Journal of the American Geriatrics Society, 62(3), 454-461. Köpke, S., Mühlhauser, I., Gerlach, A., Haut, A., Haastert, B., Möhler, R. und Meyer, G. (2012). Effect of a guideline-based multicomponent intervention on use of physical restraints in nursing homes: A randomized controlled trial. JAMA, 307(20), 2177-2184 Locca, J.-F., Ruggli, M., Buchmann, M., Huguenin, J. und Bugnon, O. (2009). Development of pharmaceutical care services in nursing homes: practice and research in a Swiss canton. Pharmacy World & Science, 31(2), 165-173 Maher, R. L., Hanlon, J. und Hajjar, E. R. (2013). Clinical consequences of polypharmacy in elderly. Expert Opinion on Drug Safety, 0(0), 1-9 Mainz, J. (2003). Defining and classifying clinical indicators for quality improvement. International Journal for Quality in Health Care, 15(6), 523-530. Möhler, R., Richter, T., Köpke, S. und Meyer, G. (2012). Interventions for preventing and reducing the use of physical restraints in long-term geriatric care a Cochrane review. Journal of Clinical Nursing, 21(21-22), 3070-3081 Mor, V. (2005). Improving the quality of long-term care with better information. Milbank Q, 83(3), 333-364. doi: 10.1111/j.1468-0009.2005.00405.x 21

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