Geschichte Lisa Rommeiß Judenhut und Gelber Fleck Ursachen und Wirkung der Kennzeichnungsbestrebungen von Juden in Mittelalter und Neuzeit Studienarbeit
Otto-Friedrich-Universität Bamberg Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaft Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte HS: Zwischen Ausgrenzung und Abgrenzung: Juden im Mittelalter WS 2007/08 Judenhut und Gelber Fleck Ursachen und Wirkung der Kennzeichnungsbestrebungen von Juden in Mittelalter und Neuzeit Lisa Rommeiß Diplomstudiengang Geschichte: HF Mittelalterliche Geschichte, 1. NF Neuere Geschichte, 2. NF Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit Semesterzahl: 5
Inhaltsverzeichnis 1) Einleitung...3 2) Theoretische Grundlagen der Kennzeichnungsbestrebungen...5 2.1) Christliche Begründung...5 2.2) Jüdische Begründung...7 3) Rechtliche Umsetzung der Kennzeichnung...10 3.1) Das Vierte Lateran-Konzil 1215...10 3.2) England...12 3.3) Italien...13 3.4) Frankreich...15 3.5) Deutschland...16 3.6) Österreich...19 3.7) Polen...20 4) Soziale Auswirkungen...22 5) Schlussfolgerung...24 6) Literaturverzeichnis...26 6.1) Primärliteratur...26 6.2) Sekundärliteratur...26 2
1) Einleitung Die Geschichte des europäischen Judentums lässt sich nicht unabhängig von seinem christlichen Umfeld betrachten. Ob Randgruppe oder nicht 1, war das Judentum doch eine Minderheit, die auf theologischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene immer wieder Einschränkungen und Diskriminierung zu erdulden hatte. Obwohl es durchaus schon im Mittelalter Assimilationsbestrebungen und erfolge gab, gehen die Bemühungen doch vor allem im 12. und 13. Jahrhundert in Richtung vorurteilsbeladener Ausgrenzung. Das in dieser Arbeit behandelte Thema befasst sich mit der Abgrenzung des aschkenasischen 2 Judentums von seiner christlichen Umgebung durch öffentliche Kennzeichnung während des Mittelalters bis in die Neuzeit hinein. Dabei soll sowohl die Stigmatisierung 3 der Juden durch die weltlichen und geistlichen Herrschaftsträger als auch die theologisch bedingte Distanzierung des Diaspora-Judentums von der sie umgebenden Gesellschaft behandelt werden. Jedoch ist in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage zu stellen, inwieweit die Bestimmungen tatsächlich den alltäglichen Verkehr zwischen christlichen und jüdischen Nachbarn beeinflussten. Bei den Kennzeichnungsformen beschränke ich mich auf die Haartracht, besonders den Bart, sowie auf die vestimentären Symbole 4, also Kleidung, Abzeichen und Schmuck, und lasse Motive des Judenantlitzes oder der Judensau, aber auch eher moderne Phänomene, wie das den typisch jüdischen Namen, außen vor. Dies begründet sich daher, dass in den hochmittelalterlichen Rechtsquellen, die ich in den Mittelpunkt meiner Arbeit stelle, die angeborenen Merkmale in Physiognomie und Wesen der Juden kaum Beachtung finden und im Antisemitismus der Neuzeit begründet liegen. Außerdem wird auch die Ghettoisierung 5, obwohl sie als Gipfel der Stigmatisierung angesehen werden könnte, in dieser Arbeit keine 1 Zur Diskussion hierzu siehe Bernd-Ulrich Hergemöller: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Warendorf 1990. und Gerd Mentgen: Die Juden waren stets eine Randgruppe. Über eine fragwürdige Prämisse der aktuellen Judenforschung. In: Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde. hg. v. A. Haverkamp u.a. Trier 1996. S. 393-411. und Robert Jütte: Stigma-Symbole. Kleidung als identitätsstiftendes Merkmal bei spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Randgruppen. In: Saeculum 44 (1993). S.65-89. 2 Der hebräische Begriff Aschkenas im Unterschied zum Sephardim bezeichnet die jüdischen Ansiedlungen zuerst des westlichen Deutschlands und Nordostfrankreich, ab dem 11. Jahrhundert auch in England, Schweiz, Österreich und Böhmen, und seit den spätmittelalterlichen Wanderungsbewegungen zusätzlich in Norditalien und Polen. Vgl. Michael Toch: Die Juden im mittelalterlichen Reich (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 44). München 2003. S. 4f. 3 Stigma ist hier im Sinne eines äußeren Zeichens gebraucht, das Mitmenschen in diskreditierender Weise Aufschluss über die innere Beschaffenheit des Gekennzeichneten geben soll. Vgl. Erving Goffman: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt/M 1967. 4 Zur Definition und Unterteilung von vestimentären Stigma-Symbolen siehe Jütte: Stigma-Symbole. S. 6. 5 Zu dieser Thematik siehe Alfred Haverkamp: The jewish quarters in german towns during the Late Middle Ages. In: In and out of the Ghetto. Jewish-gentile relations in late medieval and early modern Germany. hg. v. H. Lehmann u.a. Cambrigde 1995. S.13-28. 3