Arzthaftung - update Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner LL.M. Universität Wien - Juridicum
Themen Labienkorrektur Dokumentation Haftung des Herstellers bei fehlerhaften MP Aufklärung über alternative Behandlungsformen - Sectio
Labienkorrektur
OLG Köln Sachverhalt Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio Indikation: grenzwertig hoch aufgebaute Gebärmutterschleimhaut (Endometriumsdicke 13,3 mm) Diagnose einer Hypermenorrhoe Keine sonographische Messung Ergebnis der OP: Labienreduktion an der Gefäßbasis Optisches Ergebnis der OP ist nicht auffällig Begehren: Schmerzensgeld (schlechtes optisches Ergebnis, Scheidenentzündung, Veränderung des Harnstrahles,..
Urteil und Begründung Kein Behandlungsfehler: Ein ärztlicher Operationsstandard für die Verkleinerung von Labien, der insbesondere vorgibt, wie viel der kleinen Labien zu belassen ist, besteht nicht. Labienreduktion an der Gefäßbasis ist zulässig, aber nicht zwingend, denn die Reduktion kann an jeder Stelle der Labien erfolgen. Anzeichnen der Resektionslinien vor der Operation nicht erforderlich. Es steht auch nicht fest, dass im Falle eines Anzeichnens der Linien der an der Gefäßbasis vorgenommenen Reduktion ein ästhetisch anderes Ergebnis erzielt worden wäre.
Urteil und Begründung Aufklärungsfehler: Eine Aufklärung über die Schnittlinie wäre geboten gewesen. Urteil: Schmerzensgeld: 2.000,- Kein Ersatz für: Entzündung der Scheide: Krankheitsbild schon vor der OP Harnstrahlveränderung: Altersbedingte Gewebeveränderung und Hormonumstellungen Es gibt Frauen, die, obwohl nicht operiert, ein ähnliches Erscheinungsbild aufweisen.
Dokumentation
OLG Köln Sachverhalt Zwillingsschwangerschaft einer 35-jährigen Patientin hochgradiger Verdacht der Fehlbildung eines Feten operativer Schwangerschaftsabbruch des fehlgebildeten Feten in der 11. + 4 Schwangerschaftswoche Die Entfernung des zweiten Embryos gestaltete sich schwierig. Perforation der Gebärmutter Abriss des von der rechten Niere ausgehenden Harnleiters, der mit den Resten des zweiten Embryos mit der Abortfasszange herausgezogen wurde. Legen eines Nierenfistelkathers Entfernung der rechten Niere.
OLG Köln Dokumentation Festsitzen des Feten oder seines Köpfchens... mehrfache ruckelnde Bewegungen Urteil: die im Operationsbericht angeführten ruckelnden Bewegungen deuten auf den Einsatz einer gewissen manuellen Gewalt hin, die nach Lage der Dinge nicht angebracht war. Aus dem Hinweis, dass der Embryo offensichtlich sehr fest sitze, spricht für die Anwendung einer gewissen Kraft Schmerzensgeld : 25.000.
Dokumentationspflichten BGH - Gynäkologie Schulterdystokie bei Geburt (linksseitige Armplexusparese, Horner-Syndrom, Schulterschiefstand, Atrophie der linken Schulter-, Arm- und Handmuskulatur, vermindertes Wachstum des gesamten linken Armes) Dokumentation:...nach rascher unauffälliger Eröffnungsphase wird der Kopf des Neugeborenen aus SL mit 3 Presswehen geboren. Dann Eintritt einer schweren Schulterdystokie Schulter im Geburtskanal verkeilt. Vagina und Weichteile ausreichend weit. Unter wechselnden Traktionen (Fr. W, Sr. H, Dr. H) gelingt es nicht, den Körper zu entwickeln In Maskennarkose gelingt es dann schließlich, die Axilla mit 1 Finger zu fassen und den Körper zu extrahieren. Mängel bei der Dokumentation: Hoher Schultergeradstand? Einzelne Schritte der Vorgangsweise? zb McRoberts wechselnde Traktionen? Abschalten des Wehentropfs wehenhemmende Mittel? Beweislastumkehr zu Lasten des Gynäkologen Freibeweis misslingt - Haftung
Haftung für fehlerhafte MP
Fall EuGH 5.3.2015, C-503/13 und C-504/13 Boston Scientific Medizintechnik GmbH vs. AOK Sachsen-Anhalt Sachverhalt: Boston Scientific Medizintechnik GmbH vertreibt Herzschrittmacher sowie implantierbare Cardioverte Defibrillatoren in Deutschland. Unternehmenseigene Qualitätskontrolle zeigte, dass einige dieser Produkte fehlerhaft sein könnten und daher eine Gefahr für die Patienten darstellen. Der Hersteller empfahl den Ärzten deshalb, die den Patienten implantierten Schrittmacher durch andere, kostenlos zur Verfügung gestellte Schrittmacher zu ersetzen. Parallel dazu empfahl der Hersteller den behandelnden Ärzten, einen Schalter bei den Defibrillatoren zu deaktivieren.
Fall EuGH 5.3.2015, C-503/13 und C-504/13 Boston Scientific Medizintechnik GmbH vs. AOK Sachsen-Anhalt Begehren der Sozialversicherungsträger: Ersatz, der durch die Entnahme und Neuimplantierung entstandenen Kosten.. (MP wurden gratis vom Hersteller zur Verfügung gestellt). Problem: : Im Einzelfall wurde nicht geprüft, ob das konkrete Gerät fehlerhaft war. Nicht jedes Gerät war fehlerhaft. Frage an den EuGH: Gelten die ausgetauschten Geräte im vorliegenden Fall selbst dann als fehlerhaft, wenn beim konkret getauschten Gerät kein Fehler festgestellt wurde,, aber vom Hersteller bei Geräten desselben Modells durchgeführte Qualitätskontrollen einen potenziellen Fehler offenbarten.
Fall EuGH 5.3.2015, C-503/13 und C-504/13 Boston Scientific Medizintechnik GmbH vs. AOK Sachsen-Anhalt Urteil: Begründung: medizinische Geräte unterliegen in Anbetracht ihrer Funktion und der Verletzlichkeit der sie nutzenden Patienten besonders hohen Sicherheitsanforderungen. der potenzielle Sicherheitsmangel dieser Produkte besteht in der anormalen Potenzialität des Personenschadens Der Gerichtshof entschied daher, dass: bei Feststellung eines potenziellen Fehlers eines medizinischen Geräts werden alle Produkte desselben Modells als fehlerhaft eingestuft, ohne dass der Fehler des Produkts in jedem Einzelfall nachgewiesen zu werden braucht. Für die Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch der Herzschrittmacher, der auf die vom Hersteller selbst ausgesprochenen Empfehlungen zurückgeht,, haftet der Hersteller.
Aufklärungspflicht Sectio als alternative Behandlungsmethode Wann ist aufzuklären?
Aufklärung über Sectio BGH - Sachverhalt Schwangere wird in der 29 + 2 Schwangerschaftswoche wegen vorzeitiger Wehen aufgenommen. Während der Schwangerschaft: Wiederholt Nierenbeckenentzündungen und Schwangerschaftsdiabetes. Stationäre Aufnahme am 27.1: Leukozyten und der CRP-Wert deutlich erhöht. Nierensonographie: Harnstau auf beiden Seiten festgestellt. wehenhemmende Mittel und Antibiotika medikamentöse Induktion der fetalen Lungenreife (2x Celestan). Aufklärung über Möglichkeit einer Sectio Schwangerschaftsdiabetes, wiederholte Nierenbeckenentzündungen, starkes Erbrechen in der Frühschwangerschaft, vorzeitige Wehentätigkeit
Aufklärung über Sectio BGH - Sachverhalt Geburtsvorgang 8.2. Blasensprung Absetzen des wehenhemmenden Mittels fortlaufende CTG-Registrierung, Wehentropf. 9.2. ab 15.50 Uhr auffälliger Verlauf der fetalen Herzfrequenz. ab etwa 16.25 Uhr zeigte das CTG ein pathologisches Muster. um 16.42 Uhr Indikation für Notsectio.
Aufklärung über Sectio OLG Karlsruhe - Urteil Geburt: 16.59 Uhr Geburt Reanimation Beatmung bis zum 18. 2. Schäden: subarachnoidaler und epikranieller Blutungen, akutes Nierenversagen, Leberinfarkt, Cholestase bei Leberinfarkt und Hämolyse akute Blutungsanämie cerebrale Krampfanfällen schwerstbehindert
Aufklärung über Sectio BGH - Sachverhalt Urteil OLG Karlsruhe Verpflichtung zur nochmaligen Aufklärung nach dem Blasensprung Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms Sectio gleichwertige Behandlungsalternative zu einer vaginalen Entbindung Mangels hinreichender Aufklärung müsse die Beklagte deshalb für alle Schäden einstehen, die auf den Versuch einer vaginalen Entbindung zurückzuführen seien.
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Normale Entbindungssituation Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit ist dann erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. In einer normalen Entbindungssituation, in der die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist keine Aufklärungspflicht über Sectio
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Anzeichen für ein Risiko - Sectio Eine Aufklärungspflicht besteht, wenn aufgrund konkreter Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im weiteren Verlauf eine Konstellation eintritt, die als relative Indikation für eine Schnittentbindung zu werten ist. Eine - vorgezogene - Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden ist deshalb bereits dann erforderlich, wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird. Bei der Wahl zwischen vaginaler Entbindung und Schnittentbindung handelt es sich für die davon betroffene Frau um eine grundlegende Entscheidung, bei der sie entweder ihrem eigenen Leben oder dem Leben und der Gesundheit ihres Kindes Priorität einräumt.
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Anzeichen für ein Risiko - Sectio Besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die Schnittentbindung im weiteren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsmethoden und die mit ihnen im konkreten Fall verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der Schnittentbindung unterrichten, wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist. Der Arzt braucht die erfolgte Aufklärung in einem solchen Fall nicht zu wiederholen. Denn er hat der Schwangeren bereits die zur eigenverantwortlichen Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts erforderliche Entscheidungsgrundlage vermittelt (informed consent) und damit seine Verpflichtung zur Aufklärung erfüllt..
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Nochmalige Aufklärung - Sectio Eine neuerliche Aufklärung ist hingegen erforderlich, wenn sich nachträglich - sei es aufgrund einer Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse - Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken und Vorteile führen und die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen. In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit über das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis - beispielsweise über nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken der von ihr gewählten Entbindungsmethode - zu informieren und ihr eine erneute Abwägung der für und gegen die jeweilige Behandlungsalternativen sprechenden Gründe zu ermöglichen. (zb Lageänderung des Kindes).
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Durch den Blasensprung ist es zu keiner relevanten Veränderung der bereits am 27.1 aufgeklärten Risikolage gekommen Schwangerschaftsdiabetes, wiederholte Nierenbeckenentzündungen, starkes Erbrechen in der Frühschwangerschaft, vorzeitige Wehentätigkeit, Lediglich der Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms ist hinzugekommen erfordert die Beendigung der Schwangerschaft die Wahl des vaginalen Entbindungsweges sei bei der hier gegebenen spontanen Wehentätigkeit und Kopflage jedoch nicht zu beanstanden gewesen. In den Leitlinien werde bei Vorliegen eines Amnioninfektionssyndroms lediglich eine zügige Entbindung, aber keine bestimmte Entbindungsmethode empfohlen.
Aufklärung über Sectio BGH - Urteil Urteil: Keine Verpflichtung zur nochmaligen Aufklärung Keine Haftung