Wahlprüfstein DIE LINKE Perspektif Merheimer Str. 229 50733 Köln Integrationspolitik/ Religionsgemeinschaften/ Islam/ NSU Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften 1. Welche Schritte wird ihre Partei gehen, um die rechtliche Integration des Islam in Deutschland bis hin zur rechtlichen Gleichstellung voranzutreiben? Wir treten für die konsequente institutionelle Trennung von Staat und Religion und die Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften ein. In einer multireligiösen Gesellschaft darf es keine staatliche Privilegierung bestimmter Religionen geben. Laut Grundgesetz gibt es keine Staatskirche und keine Staatsreligion. Tatsächlich wird jedoch der christlichen Religion gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften ein Vorrang eingeräumt. Wir wollen diese Ungleichbehandlung überwinden. Alle Glaubensgemeinschaften müssen die gleichen Rechte haben. Dazu bedarf es vieler Schritte. So fordern wir beispielsweise die Einführung eines für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtenden Ethikunterrichts. Soweit jedoch Bekenntnis vermittelnder Religionsunterricht an Schulen als Wahlfach angeboten wird, sollen sich alle Religionsgemeinschaften, besonders muslimische Gemeinden, stärker als bisher daran beteiligen. Voraussetzung dafür ist, dass anerkannte Studiengänge auch für die Ausbildung von Imamen geschaffen werden. Dafür setzt sich DIE LINKE ein. Daneben sollen auch Muslime an ihren wichtigen religiösen Feiertagen von der Schule und Arbeit befreit werden können. 2. Wird Ihre Partei den muslimischen Religionsgemeinschaften religionsverfassungsrechtliche Gleichbehandlung gewährleisten? DIE LINKE tritt für die konsequente Gleichbehandlung aller Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften ein. Keine Religion und keine Glaubensgemeinschaft darf gegenüber einer anderen privilegiert werden. Der Islam ist Teil unserer Gesellschaft geworden und wird auch weiterhin stärker an Bedeutung gewinnen. Wir verstehen diesen Wandel als Chance und begreifen die wachsende religiöse Vielfalt unserer Gesellschaft als Reichtum, den es zu schützen und zu fördern gilt. 3. Kann sich Ihre Partei vorstellen, in allen Bundesländern und dort wo es den Bund betrifft mit dem Bund (z.b. Staatsleistungen, Militärseelsorge) einen Staatsvertrag mit muslimischen Religionsgemeinschaften abzuschließen? Im Sinne einer Gleichbehandlung erscheint das gegenwärtig vielen als ein geeignetes Instrument. Um die Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften
zukünftig zu regeln, wäre ein Religionsverfassungsrecht, das die Rechte und Pflichten der Religionsgemeinschaften und ihr Verhältnis zum Staat unabhängig von ihrer Größe und Bedeutung gleichberechtigt regelt, jedoch geeigneter. Allerdings wollen wir die Militärseelsorge abschaffen und den seit 1919 bestehenden Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die christlichen Kirchen endlich umsetzen. Islamfeindlichkeit 4. Was sind ihrer Meinung nach die Gründe für den Anstieg von Islamfeindlichkeit in Deutschland, die sich zum Beispiel auch in den vermehrten Angriffen auf Moscheen zeigen? Hierfür ist eine Vielzahl von Gründen verantwortlich. Nach dem 11. September 2001 wurden Ängste gegenüber Muslimen zum Teil politisch instrumentalisiert. Zwischen dem Islam und terroristischen Gewalttaten, die zu Unrecht unter Berufung auf den Islam erfolgen, wird häufig nicht angemessen differenziert. In den Medien werden häufig zudem Klischees und Negativbilder unreflektiert wiederholt. Bei Debatten um eine angebliche Integrationsverweigerung wurden immer wieder Migranten aus muslimisch geprägten Ländern (Türkei, Libanon) zu Unrecht negativ hervorgehoben. Auch in dem millionenfach verkauften Buch Thilo Sarrazins wurde gegen angeblich besonders integrationsunfähige muslimische Migrantinnen und Migranten gehetzt. 5. Was wird ihre Partei gegen die steigende Islamfeindlichkeit unternehmen? DIE LINKE setzt sich für ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander in Anerkennung der Verschiedenheit aller Menschen ein. Für uns gehört die Meinungsfreiheit genauso zu den grundlegenden und zu bewahrenden Menschenrechten wie die Glaubens- und Religionsfreiheit. Ein sensibler Umgang mit religiösen Gefühlen anderer Menschen ist Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. DIE LINKE kämpft gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Stigmatisierung von Andersgläubigen und verfolgt einen Politikansatz gleicher Rechte für alle. 6. Wird ihre Partei dafür eintreten, dass islamfeindliche bzw. antimuslimische Straftaten künftig nach dem Vorbild des Umgangs mit antisemitischen Taten durch die Polizei separat erfasst werden? Ja. Die Linksfraktion im Bundestag hat im Rahmen Kleiner Anfragen an die Bundesregierung bereits mehrfach auf das Problem einer insofern mangelnden Differenzierung der polizeilichen Kriminalstatistik hingewiesen und eine Änderung der Erfassungspraxis angeregt. Musliminnen auf dem Arbeitsmarkt 7. Vor allem Musliminnen sind auf dem Arbeitsmarkt mehrfach benachteiligt als Frau und ggf. auch als Kopftuchträgerin. Was wird Ihre Partei unternehmen, um dieser Benachteiligung entgegenzuwirken? DIE LINKE verurteilt die Diskriminierung von Musliminnen auf dem Arbeitsmarkt, auch bei der Wohnungsvergabe, im Bildungssystem oder durch Behörden. Diese Ausgrenzung und Benachteiligung muss überwunden werden. Dafür braucht es neben permanenter Aufklärung und einem öffentlichen Bewusstseinswandel einen effektiven Diskriminierungsschutz. Wir
setzen uns für einen Ausbau des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ein und fordern die Einrichtung von Leitstellen gegen Diskriminierung und Rassismus in allen Bundesländern, sowie den Ausbau von Beratungsstellen, um Betroffene über ihre Rechte aufzuklären und sie in ihren Rechten zu stärken. Lehrkräfte mit Kopftuch 8. Kann sich Ihre Partei vorstellen, dass Lehrerinnen an öffentlichen Schulen mit Kopftuch unterrichten? Wir setzen uns für die Religionsfreiheit aller in Deutschland lebenden Menschen ein. Dazu gehört, dass keine Religion staatlich bevorzugt und keine benachteiligt wird. Die Bevorzugung christlicher Symbolik in Schulen oder öffentlichen Gebäuden, beispielsweise durch sichtbar angebrachte Kruzifixe in Klassenzimmern, ist mit diesem - im Grundgesetz verankerten - Prinzip nicht vereinbar. Andererseits darf den Menschen, die in öffentlichen Einrichtungen arbeiten, im Hinblick auf ihre persönliche Religionsfreiheit nicht verwehrt werden, eine Kruzifix-Halskette oder ein Kopftuch als Ausdruck ihrer individuellen religiösen Überzeugung zu tragen. Verbraucherschutz 9. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Lebensmittel, die tierische Bestandteile enthalten, für die Verbraucher erkennbar gekennzeichnet werden? Nach unserer Auffassung sollte in Zweifelsfällen klar erkennbar sein, ob tierische Bestandteile in Lebensmitteln enthalten sind. Dies kann nicht nur bei der Beachtung religiöser Vorschriften wichtig sein, sondern zum Beispiel auch für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren möchten. Islamkonferenz 10. Wird Ihre Partei die Deutsche Islamkonferenz fortsetzen? Wenn ja, mit welcher inhaltlichen Ausrichtung und wenn nein, wieso nicht? Die Deutsche Islamkonferenz wurde vom Bundesinnenministerium von Beginn an instrumentalisiert für Fragen der Integrations- oder auch Sicherheitspolitik. Es ist jedoch falsch und nährt bestehende Vorurteile, wenn mit Vertretern des Islam vor allem über Fragen der Inneren Sicherheit oder Gewaltthemen diskutiert wird, die in erster Linie mit kulturellen Traditionen und nicht mit religiösen Aspekten zusammenhängen (z.b. Zwangsehen). Das Anliegen eines gleichberechtigten säkularen Umgangs mit den Religionen, für das DIE LINKE steht, ist keine Frage der Integration und kann oft besser auf der Landesebene debattiert und geregelt werden, wenn es z.b. um Fragen des Religions- oder Ethikunterrichts geht. Aufklärung NSU-Hintergründe
11. Was wird Ihre Partei unternehmen, um die bisher nur unbefriedigende Aufklärung der NSU-Hintergründe, voranzutreiben? DIE LINKE im Bundestag wird das Thema NSU-Aufklärung auch in der nächsten Legislaturperiode als einen Schwerpunkt behandeln. Auch unsere Abgeordneten in den Untersuchungsausschüssen in Thüringen und Sachsen werden möglichen staatlichen Verstrickungen und den Machenschaften der Verfassungsschutzämter im Zusammenhang des NSU-Netzwerkes nachgehen. Als Konsequenz aus dem Versagen des Verfassungsschutzes und der systematischen Bagatellisierung der Gefahren durch die extreme Rechte fordert DIE LINKE die Auflösung des Verfassungsschutzes und seine Ersetzung durch eine zivilgesellschaftliche Beobachtung der Naziszene. Als ersten Schritt setzt sich DIE LINKE für eine verstärkte parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste ein. Die Option auf eine Widereinsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses in der nächsten Wahlperiode halten wir uns offen. Kommunalwahlrecht 12. Kann sich Ihre Partei vorstellen, auch nicht EU-Ausländern das Kommunalwahlrecht zu ermöglichen? DIE LINKE fordert ein Wahlrecht für alle dauerhaft hier lebenden Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, und zwar auf kommunaler, Bundes- und Landesebene. Wer dauerhaft hier lebt, muss gleichberechtigt mitbestimmen können. Das Wahlrecht sollte aus zwei Gründen von der Staatsangehörigkeit entkoppelt werden: Erstens gibt es viele Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht einbürgern lassen wollen dies ist aber kein Grund, sie von der demokratischen Teilhabe auszuschließen. Zweitens wird die Einbürgerung durch hohe gesetzliche Anforderungen erschwert, so dass im Ergebnis viele Menschen von Wahlen ausgeschlossen werden, obwohl sie im Durchschnitt bereits seit 20 Jahren in Deutschland leben. Doppelte Staatsbürgerschaft 13. Kann sich Ihre Partei vorstellen, die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft einzuführen? DIE LINKE setzt sich schon immer für eine generelle Akzeptanz von Mehrstaatigkeit aber auch für weitere Erleichterungen bei Einbürgerungen und Geburt in Deutschland ein. Der Zwang zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit ist für viele Menschen das Haupthindernis bei der Einbürgerung. Die Einbürgerungsquote in Deutschland liegt wegen den strengen gesetzlichen Anforderungen seit Jahrzehnten unterhalb des europäischen Durchschnitts. Das wollen wir ändern. Zudem ist inakzeptabel, dass hier als Deutsche geborene und aufgewachsene Kinder wegen der Optionspflicht als Erwachsene ihre deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren können, etwa in Unkenntnis der Rechtslage oder wegen bloßer Fristversäumnisse in einem komplizierten Verfahren. Öffentlicher Dienst
14. Welche konkreten Maßnahmen wird Ihre Partei einleiten, um den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst zu erhöhen? Ziel muss sein, dass Menschen mit Migrationshintergrund in etwa entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen vertreten sind. Gezielte Werbe- und Einstellungskampagnen können ebenso wie anonymisierte Bewerbungsverfahren sinnvolle Mittel sein, gegebenenfalls sollten auch Zielquoten bei der Einstellung zum Einsatz kommen. Bei Einstellungen muss die interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachigkeit vieler Migrantinnen und Migranten besonders berücksichtigt werden. Schließlich gilt es, das sozial selektive Bildungssystem in Deutschland zu überwinden, das Bildungsbenachteiligungen und insbesondere Kindern mit Migrationshintergrund von vornherein schlechtere Berufschancen zuweist. Medien 15. Inwieweit wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Redaktionen der Medien steigt? Der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in deutschen Redaktionen ist viel zu niedrig und liegt sogar noch unterhalb der Repräsentanz von Migranten in anderen wichtigen Lebensbereichen. Die oft einseitige und negative Darstellung von Migrantinnen und Migranten in den Medien hängt sicherlich auch hiermit zusammen. Im Übrigen gilt das oben Gesagte.