Der Irrweg der Bankenunion und der Schaden für den deutschen Sparer

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Transkript:

Der Irrweg der Bankenunion und der Schaden für den deutschen Sparer Roland Vaubel Universität Mannheim Thementag Der Euro und der Schaden für den Sparer Mannheim, 05.12.15 1

Die sogenannte Bankenunion erweitert die Macht der EU in drei Bereichen: 1. Europäische Bankenaufsicht Die EZB beaufsichtigt seit dem 4. November 2014 120 große Banken des Eurogebiets darunter 24 deutsche. Die EZB kann darüber hinaus bei allen Banken des Eurogebiets die Zuständigkeit an sich ziehen, wenn sie Gefahren für die Finanzmarktstabilität sieht. Sie hat angekündigt, dass sie etwa 100 weitere Banken im Visier hat. Das Aufsichtsgremium entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Stimmen werden nicht nach der Größe des Landes oder seines Bankensektors gewichtet. Wenn der EZB-Rat oder mindestens ein betroffener Teilnehmerstaat innerhalb einer Frist widerspricht, wird der Fall zunächst an eine Schlichtungsstelle überwiesen. Die Letztentscheidung liegt aber beim EZB-Rat. Damit ist Mario Draghi, ehemaliger Vice-President von Goldman Sachs, oberster Bankenaufseher in der Eurozone geworden. 2

2. Sanierung oder Abwicklung von Banken Alle EU-Staaten haben sich auf eine Haftungskaskade und die Errichtung nationaler Sanierungs- und Abwicklungsbehörden sowie fonds geeinigt. Ist die Haftung der Eigentümer und der Gläubiger (in der Regel zusammen mindestens 8 Prozent) und die Finanzierung durch den zuständigen Bankenfonds (maximal 5 Prozent) erschöpft, kann die Abwicklung aus nationalen Steuermitteln finanziert werden. Es bleibt also eine Deckungslücke von 87 Prozent (abzüglich der verfallenden Sicherheiten der Kreditnehmer). Den Eurostaaten kann der ESM zu diesem Zweck wie bisher im Rahmen seiner Mittel Kredite gewähren. Wenn der ESM entscheidet, dass er dem antragstellenden Staat keinen Kredit geben kann, darf er die Banken im Umfang von bis zu 60 Mrd. Euro direkt rekapitalisieren, ohne dass die Regierung zu wirtschaftspolitischen Auflagen verpflichtet wird. 3

Die Monopolkommission hat kritisiert, dass die Haftung der Gläubiger ausgesetzt werden kann, wenn geltend gemacht wird, dass sie das Funktionieren der Finanzmärkte derart stören würde, dass dies die Wirtschaft des Mitgliedsstaats oder der Union erheblich beeinträchtigen würde. Auch der Sachverständigenrat (JG 2014/15) schrieb: Den Regeln zur Gläubigerbeteiligung mangelt es aufgrund von Ausnahmeregeln an Glaubwürdigkeit (Z. 319). Es liegt im Ermessen des Single Resolution Board, ob die Instrumente zur Durchsetzung der Gläubigerhaftung überhaupt angewendet werden (Z. 338). Bei der Sanierung der griechischen Banken brauchen die Gläubiger nicht beteiligt zu werden, weil die Sanierungsund Abwicklungsrichtlinie noch nicht von allen Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist. 4

Für die Banken der Eurozone und einiger kooperierender Mitgliedstaaten wird es anders als vor der Bundestagswahl angekündigt anstelle der nationalen einen zentralen Sanierungs- und Abwicklungsfonds geben, der aus Beiträgen aller Banken der Eurozone gespeist wird. Davor hatten im Juni 2012 mehr als 280 Wirtschaftsprofessoren des deutschsprachigen Raums gewarnt. Da der Sanierungs- und Abwicklungsbedarf bei den deutschen Banken vergleichsweise gering ist, wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Banken durch die Umlage geschwächt. Die deutschen Banken werden die zusätzlichen Kosten zum großen Teil an die deutschen Sparer weitergeben. 5

Der Fonds beruht auf einem speziellen völkerrechtlichen Vertrag, der wie der ESM-Vertrag von jedem einzelnen Vertragsstaat gekündigt werden kann. Die Kommission und die EZB fordern, dass der ESM eine Brückenfinanzierung für den Fonds bereit stellen soll, solange dieser noch nicht ganz gefüllt ist. Schäuble lehnt das ab, solange die Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie noch nicht überall umgesetzt worden ist. Insolvente Banken können von der EZB, der nationalen Aufsichtsbehörde oder einem gemeinsamen Abwicklungsrat geschlossen werden, es sei denn Kommission und Rat widersprechen. Damit ist die Entscheidung nicht nur zentralisiert, sondern auch politisiert worden. 6

3. Einlagenversicherung Für die nationalen Einlagenversicherungen gelten in der EU seit einigen Jahren einheitliche Regeln. Die Kommission hatte ihren Vorschlag einer gemeinsamen Einlagenversicherung für die Eurozone 2014 aus taktischen Gründen zunächst zurückgezogen. Im Bericht der fünf Präsidenten ( Die Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln, Juni 2015) wurde erneut eine gemeinsame Einlagenversicherung der Eurozone gefordert. Mehrere Mitglieder des EZB-Direktoriums (z.b. Coeuré, Constancio, Praet) unterstützen Draghi. Am 24. November hat die Kommission ihren neuen Vorschlag einer Verordnung für eine Euro-Einlagenversicherung vorgelegt. Die nationalen Einlagenversicherungsfonds sollen von 2020 bis 2024 in fünf gleich großen Schritten vergemeinschaftet werden. Der Einlagenversicherungsfonds soll zum Schluss 45 Mrd. Euro enthalten. Er soll nach dem Sanierungs- und Abwicklungsfonds einspringen. Finanzminister Schäuble will nicht über diesen Vorschlag diskutieren, solange noch nicht alle EU-Staaten die Richtlinie über die nationalen Einlagenversicherungen umgesetzt haben. 7

Rechtfertigungsanalyse: 1.Europäische Bankenaufsicht Rechtfertigung Nr. 1: Die subventionierten ESM-Kredite, der gemeinsame Sanierungs- und Abwicklungsfonds der Eurozone und die Vergemeinschaftung der nationalen Einlagenversicherungen würden die nationalen Bankenaufsichtsbehörden veranlassen nicht streng genug zu sein, weil für die Folgen einer zu laxen nationalen Bankenaufsicht überwiegend die anderen Länder aufkommen. Kritik: Sollte es denn überhaupt subventionierte ESM-Kredite, einen Sanierungs- und Abwicklungsfonds der Eurozone und eine Einlagenversicherung für die Währungsunion geben? Nein! Damit entfällt das Argument. 8

Rechtfertigung Nr. 2: Die nationale Bankenaufsicht führt zu einem Teufelskreis. Durch politischen Druck und die regulatorische Bevorzugung von Staatsanleihen (im Rahmen der Risikovorsorge) veranlassen die nationalen Aufsichtsbehörden die Banken, dem heimischen Staat zu viel Geld zu leihen. Wenn dann eine Finanzmarktkrise eine Verschuldungskrise des Staates auslöst, schlägt der Kursverfall der Staatsanleihen auf die Bilanzen der Banken zurück und verschärft die Finanzmarktkrise. Die europäische Bankenaufsicht ist notwendig, um diesen Teufelskreis zu unterbrechen. Kritik: Der angebliche Teufelskreis beruht auf der regulatorischen Bevorzugung der Staatsanleihen. Staatsanleihen sollten in Zukunft nicht mehr als risikolos eingestuft werden, und auch für Forderungen an den Staat sollte die Regel gelten, dass die Forderungen an einen Schuldner nicht mehr als 25 Prozent des Eigenkapitals ausmachen dürfen ( Klumpenrisiko ). Dann gibt es auch keinen Teufelskreis, der eine Euro-Bankenaufsicht rechtfertigen könnte. 9

Rechtfertigung Nr. 3: Auf der nationalen Ebene ist die Gefahr größer, dass die Banken einzeln oder als Interessengruppe die Aufsichtsbehörde vereinnahmen und dazu bewegen, ein Auge zuzudrücken. Eine europäische Bankenaufsicht kommt den Lobbyisten weniger entgegen. Kritik: - Der Einfluss der Lobby hängt davon ab, was sie bieten kann. Wenn die Banken ihrem Heimatstaat nicht mehr als 25 Prozent ihres Eigenkapitals leihen dürfen, sind ihre Lockmittel auf nationaler Ebene kaum größer als auf europäischer Ebene. - Gerade die EZB hat für Interessengruppen ein offenes Ohr. Ihre Direktoriumsmitglieder treffen sich kurz vor wichtigen geldpolitischen Entscheidungen mit Spitzenmanagern der Banken. - Die EZB billigt auch, dass die nationalen Zentralbanken im Rahmen der "Notfall-Liquiditätshilfe" minderwertige Sicherheiten von den Banken akzeptieren. Benoit Coeuré, das französische Mitglied des EZB- Direktioriums, gab dem zypriotischen Zentralbankchef sogar im Juli 2012 dazu "Tipps, wie er die Regeln lockern und umgehen könnte" (FAZ, 21.11.14). In der Zypernkrise hat die EZB auf diese Weise zugelassen, dass der Konkurs der Laiki-Bank verschleppt wurde. Dies weckt starke Zweifel an der Lobby-Resistenz der EZB. 10

Der Stress-Test und Asset Quality Review der EZB hat die Banken in höchst auffälliger Weise geschont: Geprüft wurde nicht die Eigenkapitalquote (gemäß Basel III ab 2019 3 Prozent), sondern die risikogewichtete Kernkapitalquote, in der Staatsanleihen als risikolos und Hypothekenkredite als kaum riskant eingestuft werden. Ein Beispiel: die Deutsche Bank hat eine risikogewichtete Kernkapitalquote von 8,8 Prozent, aber nur eine Eigenkapitalquote von 2,4 Prozent. Das ungünstige Szenario sah weder Staatsinsolvenzen noch Deflation noch einen Aktienkursverfall wie in der Finanzmarktkrise vor. Eine Analyse der New York Business School ergab viel ungünstigere Resultate. Die Ausführung der Stresstests hat die EZB den Banken überlassen. Die EZB kauft den Banken seit Januar 2015 im Rahmen ihres Quantitative Easing Asset-Backed Securities und andere notleidende Forderungen ab. 11

Die Lobbyaktivitäten auf europäischer Ebene sind der Aufmerksamkeit der Wähler und der Medien stärker entzogen als die Lobbyaktivitäten im Heimatland. Dies mag erklären, weshalb zum Beispiel die empirische Untersuchung von S.S. Andersen und K.A. Eliassen zu folgendem Ergebnis gelangt: The EC system is now more lobbying-oriented than any national European system (European Journal of Political Research 1991). Unabhängige Bürokratien wie die EZB kommen den organisierten Interessengruppen stärker entgegen als Politiker, weil Bürokraten nicht darauf angewiesen sind, von den Bürgern wieder gewählt zu werden. 12

Rechtfertigung Nr. 4: Die nationalen Bankenaufsichtsbehörden haben nicht vor der Finanzmarktkrise gewarnt und waren nicht darauf vorbereitet. Kritik: - Die europäischen Institutionen haben die Finanzmarktkrise auch nicht kommen sehen weder die EZB noch die Generaldirektion Binnenmarkt der EU- Kommission, die für die europäische Finanzmarktgesetzgebung zuständig ist. - Die Krise ist nicht dadurch entstanden, dass den nationalen Aufsichtsbehörden Informationen über das Auslandsgeschäft ihrer Banken fehlten. Der Informationsaustausch war gewährleistet. Eine wirksame Bankenaufsicht erfordert gerade local knowledge, die einer zentralen Behörde fehlt. 13

Rechtfertigung Nr. 5: Die nationalen Bankenaufsichtsbehörden waren nicht streng genug, weil sie einen möglichst großen Teil des internationalen Bankgeschäfts attrahieren wollten. Kritik: Es ist zwar richtig, dass der internationale Wettbewerb zwischen Regulierungsbehörden zu einem niedrigeren Regulierungsniveau führt als ein europäisches Regulierungsmonopol, denn er schützt vor ineffizienten Regulierungen. Aber bei hinreichender Information ist das wettbewerbliche Regulierungsniveau nicht zu niedrig, denn die nationalen Aufsichtsbehörden haben kein Interesse daran, unzureichende Regulierungen zu beschließen. Zu einem vertrauenswürdigen Bankenstandort gehört auch eine angemessene Regulierung. 14

Auch und gerade in einem System des Regulierungswettbewerbs wäre es nicht zur Finanzmarktkrise gekommen, wenn die nationalen Aufsichtsbehörden die mit den Finanzmarktinnovationen verbundenen Risiken erkannt hätten. Die nationalen Gesetzgeber und Behörden der Finanzzentren haben aus ihrem Irrtum gelernt. Was zum Beispiel das Eigenkapital der Banken angeht, sind die Anforderungen in der Schweiz (4 Prozent), Großbritannien (4,05 bis 5 Prozent) und den USA (5-6 Prozent) inzwischen höher als in der EU (3 Prozent). 15

Probleme einer Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB 1. Wenn dieselbe Institution für die Bankenaufsicht und die Geldpolitik zuständig ist, kann es leicht zu Zielkonflikten kommen (Orientierung der Geldpolitik an den Problemen der Banken und an den Konsequenzen für den Abschreibungsbedarf der Zentralbank). 2. Die EZB begibt sich bei der Bestellung des Aufsichtsgremiums in eine Abhängigkeit vom Europa-Parlament, was zu geldpolitischen Konzessionen führen kann. 3. In der Ausübung der Aufsicht wird die EZB von der European Banking Authority (EBA) abhängig. 4. Die angebliche Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV bezieht sich nur auf besondere Aufgaben in der Beaufsichtigung der Banken. Dem widerspricht, dass die EZB mindestens 85 Prozent des Bankgeschäfts beaufsichtigen soll und dass der EZB die Entscheidungskompetenz für beinahe alle aufsichtlichen Fragen übertragen worden ist (Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2013, S. 26). Die Bankenaufsicht der EZB ist daher rechtswidrig. Namhafte Juristen haben dagegen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt. 16

Bekannte Expertengremien haben davon abgeraten, die Bankenaufsicht der EZB zu übertragen: While the Group supports an extended role for the ECB in macro-prudential oversight, it does not support any role for the ECB for micro-prudential supervision (Report of the High-Level-Group of Experts chaired by Jacques de Larosière, 2009, Ziffer 171). Die Gruppe betont die Zielkonflikte und die Haushaltsrelevanz und fügt hinzu: Conferring a micro-prudential role on the ECB would be particularly difficult given the fact that a number of ECB/ESCB members have no competence in terms of supervision. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Zur Stabilität des europäischen Finanzsystems, September 2012: Die Nachteile einer Zusammenlegung der Bankenaufsicht und der Geldpolitik würden gerade in der Eurozone besonders zum Vorschein kommen. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Jahresgutachten, November 2012: Um Geldpolitik und Aufsicht klar zu trennen, sollte die europäische Aufsicht in einer von der EZB getrennten Institution angesiedelt werden. 17

2. Der gemeinsame Fonds für die Sanierung und Abwicklung der Banken und die gemeinsame Einlagensicherung in der Eurozone Gegen die Zentralisierung der Sanierungs- und Abwicklungsentscheidungen sprechen die gleichen Gründe, die gegen eine Zentralisierung der Bankenaufsicht sprechen. Sie brauchen nicht noch einmal behandelt zu werden. Die Frage, ob die Euroländer gemeinsam für die Risiken ihrer Banken haften sollten, stellt sich in gleicher Weise beim Sanierungsfonds und der Einlagensicherung. Sie werden daher im Folgenden zusammen behandelt. Rechtfertigung: Gemeinsam sind die Risiken leichter zu tragen, weil sich die verschiedenen Schocks aufgrund der Diversifikation ausgleichen. Kritik: Versicherungsschutz hat Vorteile, er ist aber auch mit Kosten verbunden. Die Kosten können viel größer als der Nutzen sein. Nicht jede Versicherung lohnt sich. Zu den Kosten des Versicherungsschutzes gehört, dass die Versicherten leichtsinniger werden. Deshalb ist es in der Regel besser, dass jeder für sich selbst haftet. 18

Die Risiken der Banken in den Euroländern sind sehr unterschiedlich. Der Anteil der notleidenden Kredite ist in den Krisenländern viel höher als zum Beispiel in Deutschland. Das gleiche gilt für die Zukunft. Die Aussicht auf eine gemeinsame Haftung verzögert die Offenlegung der notleidenden Kredite. Theoretisch könnten die Unterschiede in den Risiken bei der Berechnung der Beitragsätze berücksichtigt werden. Das wird aber nicht geschehen, weil ein Großteil der notleidenden Kredite von den verantwortlichen Bankiers nicht offen gelegt wird. Der Asset Quality Review der EZB hat daran kaum etwas geändert, weil die EZB die örtlichen Verhältnisse nicht kennt oder ein Auge zudrückt. Außerdem hat die Eurozone die Differenzierung der Beitragsätze für den gemeinsamen Sanierungs- und Abwicklungsfonds eng begrenzt. Die zulässige Spanne reicht nur vom 0,8 bis 1,5fachen des normalen Beitragsatzes. In den USA kann der Beitragsatz für die riskanten Banken 18mal höher sein. Die deutschen Banken werden für die Banken in den Krisenländern haften. Das schwächt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Sie werden ihre höheren Kosten in Form niedrigerer Sparzinsen an ihre Kunden weiter reichen. Die Zeche zahlen vor allem die deutschen Sparer. 19

Die Haftung sollte nicht zentralisiert, sondern nach Möglichkeit dezentralisiert werden. Wenn eine Bank gestützt oder abgewickelt werden muss, war ihre Geschäftspolitik falsch. Anreizverträglich ist daher letztlich nur die Haftung der Eigentümer. Deshalb müssen die Eigenkapitalvorschriften viel stärker verschärft werden, als bisher vorgesehen ist. Der Deutschen Bank genügte eine (ungewichtete) Eigenkapitalquote von 30 Prozent, um die Weltwirtschaftskrise von 1929-33 ohne Solvenzprobleme zu bestehen. Mehr ist wohl nicht nötig. Ich plädiere für 25 bis 30 Prozent. Damit die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften nicht die Kreditvergabe der Banken hemmt, sollte das höhere Eigenkapital zunächst nicht als Quote, sondern für die nächsten Jahre als absoluter Betrag festgelegt werden. Nicht eine immer detailliertere Regulierung der Banken ist die Lösung, sondern eine verstärkte Haftung der Eigentümer. 20

Was will Wolfgang Schäuble? We can only achieve political union if we have a crisis Mr. Schäuble said (New York Times, 18.11.11). Schäuble will die Krise dazu nutzen, sein Lieblingsprojekt die politische Zentralisierung Europas voranzutreiben. Er ist nicht daran interessiert, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. 21

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