Wenn Zucht zur Qual wird?! Hochleistungszucht bei Nutztieren im Spannungsfeld zwischen Profit und Tierschutz Fachgespräch am 23. Mai 2011 in Berlin Elterntierhaltung beim Geflügel ein weißer Fleck im Tierschutzrecht? Michael Erhard Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung (LMU)
Weißer Fleck? Tierschutzgesetz und nach geordnete Regelungen gelten für alle Nutztiere aber: Elterntierhaltungen sind etwas Besonderes mit spezifischen Problemen
Hühner 29 Tage alt (Quelle: kagfreiland, Nutztierschutz-Organisation): links Legerasse rechts Masthuhn
Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Tierschutz??? Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Zuchtziele Legehennen Die besondere Eignung für die Boden- und Freilandhaltung ist durch das Verbot der Käfighaltung innerhalb kürzester Zeit zum Selektionsschwerpunkt geworden und sorgt für eine stärkere Differenzierung der Produkte*. Nestgängigkeit und Stabilität der Befiederung sind Selektionsschwerpunkte für die Alternativhaltung. Eine Verlagerung der Leistungsprüfung von der Käfig- zur Bodenhaltung mit stärkerer Berücksichtigung des Tierverhaltens und der Gefiederbeschaffenheit hat für den europäischen Markt bereits stattgefunden * Produkt = Tier (Legehennen) Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Zuchtziele Legehennen (2) Die Zuchtzieldefinition hat sich deshalb in den braunen Hennen im letzten Jahrzehnt deutlich gewandelt. Da ein Stutzen der Schnäbel als praxisübliche Vorbeugemaßnahme gegen Kannibalismus und Federpicken in Europa als längerfristige Maßnahme ausscheidet, sind neben einer geringen Neigung zum Kannibalismus eine stabile Gefiederbeschaffenheit bis zum Ende der Produktion, hohes Anpassungsvermögen und Stoffwechselstabilität sowie die Leistungsbereitschaft die bestimmenden Merkmale für Legehennen der Zukunft. Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Zuchtziele Legehennen (2) Die Zuchtzieldefinition hat sich deshalb in den braunen Hennen im letzten Jahrzehnt deutlich gewandelt. Da ein Stutzen der Schnäbel als praxisübliche Vorbeugemaßnahme gegen Kannibalismus und Federpicken in Europa als längerfristige Maßnahme ausscheidet, sind neben einer geringen Neigung zum Kannibalismus eine stabile Gefiederbeschaffenheit bis zum Ende der Produktion, hohes Anpassungsvermögen und Stoffwechselstabilität sowie die Leistungsbereitschaft die bestimmenden Merkmale für Legehennen der Zukunft. Haltung der Elterntiere von Legehennen nicht tierschutzrelevant!!! Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Rudolf Preisinger (Lohmann Tierzucht) Struktur der Legehennenzucht weltweit
Haltung von Elterntieren in Geflügelbereich Zuchtbetriebe mit strikten Hygienebedingungen Leistungsprüfungen an verschiedenen Standorten Haltungsbedingungen nahezu perfekt aber: Mastrassen genetisch bedingte Gesundheitsprobleme nicht vermeidbar (z.b. Wachstumspotential, Beinschwäche, Aortenrupturen ) d. h. Probleme v. a. bei den Mastrassen (Huhn, Pute, Ente, )
Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Hartmut Meyer (Moorgut Katzfehn) Putenzuchtunternehmen heute
A und B - Körpergewicht - Futterverwertung - Brustfleischanteil Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Hartmut Meyer (Moorgut Katzfehn) Putenzuchtunternehmen heute
C und D - Körpergewicht - Eizahl, Befruchtung - Schlupf Quelle: Geflügeljahrbuch 2011 (Ulmer Verlag) Hartmut Meyer (Moorgut Katzfehn) Putenzuchtunternehmen heute
Masthühner Masthühner sind auf extremes Wachstum, damit verbundene hohe Futteraufnahme und maximale Futterverwertung selektiert Elterntiere dieser Mastrassen werden in der Praxis im Hinblick auf Erhalt hoher Fruchtbarkeit und langer Nutzungsdauer entgegen des genetisch definierten Wachstumspotentials restriktiv gefüttert Auswirkungen für die Elterntiere: - chronisches Hungergefühl - Durchführung unnormaler Verhaltensweisen - vermehrtes Trinken - vermehrtes Picken an nicht lebensmittelartigen Objekten - vermehrtes Laufen (Savory and Maros, 1993; Savory and Kostal, 1996; Hocking et al., 1997)
Vergleichende Untersuchungen zum Verhalten der Elterntieren von Masthähnchen bei unterschiedlichem Fütterungsmanagement Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung (LMU) Elke Heyn, K. Damme 1, M. Pledl, C. Sacher, M. Staudt, M. Erhard 1 gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
ZIEL DIESER STUDIE Untersuchung, ob die Aufzucht dieser restriktiv gefütterten Elterntiere von tierschutzrechtlicher Relevanz ist bzw. mögliche Alternativen dazu (Tierversuch mit Aktenzeichen 621-2531.01-72/04, Regierung von Unterfranken ) Gegenüberstellung der restriktiv gefütterten Tiere (Kontrolle, Gruppe A) zu den ad libitum (Versuchsgruppe 1, Gruppe B) bzw. den Nährstoff verdünnt gefütterten Tieren (Versuchsgruppe 2, Gruppe C) Untersuchte Parameter: - Leistungsdaten (Gewicht, Futterverzehr, Legeleistung, etc.) - physiologische Belastungsparameter (Stoffwechsel, Immunsystem) - Knochenbruchfestigkeit, Muskelhistologie - Verhalten (Direkt- und Videobeobachtung)
ERGEBNISSE DURCHSCHNITTL. FUTTERVERZEHR (w) Aufzuchtdauer: 24 Wochen Angaben in g/ Tier und Tag b c Weiblich 171 170 178 186 Ross 308 Cobb 500 a 68 65 Restriktiv Ad libitum Nährstoffreduziert a/b/c p<0,05
ERGEBNISSE DURCHSCHNITTL. FUTTERVERZEHR (m) Aufzuchtdauer: 24 Wochen Angaben in g/ Tier und Tag c Männlich 194 b 202 211 219 Ross 308 Cobb 500 a 79 76 Restriktiv Ad libitum Nährstoffreduziert a/b/c p<0,05
Angaben in g ERGEBNISSE KÖRPERGEWICHT (w) 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 ROSS 308 weiblich Ad libitum Nährstoffreduziert Restriktiv 2.000 1.000 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 Alter in Wochen Verlauf des Körpergewichts in Abhängigkeit von der Futtervariante
Angaben in g ERGEBNISSE KÖRPERGEWICHT (m) 7.000 6.000 5.000 ROSS 308 männlich Ad libitum Nährstoffreduziert 4.000 3.000 Restriktiv 2.000 1.000 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 Alter in Wochen Verlauf des Körpergewichts in Abhängigkeit von der Futtervariante
VERGLEICH DER TIERE (22. LW) ad libitum verdünnt restriktiv
VERGLEICH SCHLACHTKÖRPER (22. LW)
Triacylglycerin (mg/dl) 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 ERGEBNISSE TRIACYLGLYCERIN (w) Ross (w) A Ross (w) B Ross (w) C Cobb (w) A Cobb (w) B Cobb (w) C 0 14. LW 18. LW 22. LW Lebenswoche A = restriktiv B = Ad libitum C = verdünnt
Gefiederbonitierung ERGEBNISSE GEFIEDERQUALITÄT 2,2 2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 Ross (w) A Ross (w) B Ross (w) C Cobb (w) A Cobb (w) B Cobb (w) C 1,0 6. LW 10. LW 14. LW 18. LW 22. LW Lebenswoche A = restriktiv B = ad libitum C = verdünnt
ERGEBNISSE VIDEOBEOBACHTUNG (22. LW) Ross (w) A Anteil in (%) Ross (w) B Anteil in (%) Ross (w) C Anteil in (%) Cobb (w) A Anteil in (%) Cobb (w) B Anteil in (%) Cobb (w) C Anteil in (%) Fressen 9,97% 17,16% 21,51% 8,87% 24,36% 27,46% Leerpicken im Trog 21,70% 0,00% 0,00% 37,02% 0,00% 0,00% Trinken 13,46% 9,37% 19,26% 10,14% 17,06% 19,90% Scharren und Picken 28,95% 4,74% 9,15% 16,63% 1,52% 3,07% Laufen - Stehen 21,43% 20,98% 23,29% 22,92% 18,24% 20,83% Gefiederpflege 0,27% 6,57% 5,85% 0,30% 7,01% 5,61% Ruhen - Liegen 0,27% 37,83% 18,06% 0,61% 28,97% 20,20% sonstige Verhaltensw. 0,00% 0,25% 0,29% 0,35% 0,49% 0,39% Tiere ohne zugeord.vw. 3,94% 3,11% 2,59% 3,14% 2,35% 2,54% Gesamt 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% Gesamtübersicht über das Verhalten (in %) der weibl. Elterntiere in der 22. LW, aufgeteilt nach Herkunft und Fütterungsvariante (Videobeob.)
ERGEBNISSE VIDEOBEOBACHTUNG (42. LW) Ross A Anteil in (%) Ross B Anteil in (%) Ross C Anteil in (%) Cobb A Anteil in (%) Cobb B Anteil in (%) Cobb C Anteil in (%) Fressen 9,03% 28,61% 31,80% 13,26% 33,87% 35,36% Leerpicken im Trog 3,32% 0,00% 0,00% 7,28% 0,00% 0,00% Trinken 5,12% 4,49% 4,85% 5,06% 2,00% 6,80% Scharren und Picken 8,71% 2,39% 1,09% 4,42% 0,83% 0,43% Laufen - Stehen 52,67% 36,06% 29,08% 57,58% 21,23% 19,21% Gefiederpflege 3,51% 3,06% 5,06% 2,49% 3,55% 3,99% Ruhen - Liegen 13,73% 21,97% 22,06% 5,81% 36,42% 28,85% Aufsuchen Nest 0,25% 0,19% 0,64% 0,85% 0,22% 0,47% sonstige Verhaltensw. 0,10% 0,24% 0,07% 0,03% 0,00% 0,00% Tiere ohne zugeord.vw. 3,56% 3,01% 5,36% 3,21% 1,88% 4,89% Gesamt 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% davon T. im Scharr-Raum 38,08% 18,72% 7,50% 24,60% 4,82% 5,61% Gesamtübersicht über das Verhalten (in %) der Elterntiere in der 42. LW, aufgeteilt nach Herkunft und Fütterungsvariante (Videobeob.)
KÖRPERGEWICHT und VERLUSTE Weiblich Gewicht in Gramm Verluste in Prozent (%) Männlich Gewicht in Gramm Verluste in Prozent (%) Ross A (restriktiv) 2950 6.8 3650 7.7 Ross B (ad libitum) 5420 25.0 6480 30.8 Ross C (verdünnt) 5010 10.1 5889 25.9 Cobb A (restriktiv) 2746 0.7 3142 5.9 Cobb B (ad libitum) 5602 11.8 6554 48.5 Cobb C (verdünnt) 5010 6.3 6470 30.3
SCHLUSSFOLGERUNG Restriktiv gefütterte Tiere zeigten kein Normalverhalten Aufzucht- und Haltungsbedingungen aus ethologischer Sicht nicht vertretbar Tierschutzrelevant Ad libitum gefütterte Tiere sind viel zu schwer und verfettet Fütterung aus gesundheitlicher Sicht nicht vertretbar Tierschutzrelevant Durch eine Nährstoffverdünnung konnte teilweise eine Verbesserung erzielt werden; Tiere waren nicht so schwer, zeigten weniger gesundheitliche Probleme, weniger Verhaltensauffälligkeiten Bisherige Verbesserungen noch nicht ausreichend
SCHLUSSFOLGERUNG Leistungsgrenze der heute gängigen Mastelterntier-Rassen deutlich überschritten Qualzucht Änderung nur auf züchterischer Ebene möglich!