Szenarien zur Zukunft der Arbeit in der psychiatrischen Versorgung Hypothesen / Thesen 7. Fachtagung Donnerstag, den 19. Februar 2015
Thesen der Szenariogruppe I: Neue Rollen und Aufgaben in der psychiatrischen Versorgung
Szenariogruppe I: Neue Rollen und Aufgaben in der psychiatrischen Versorgung These 1: Die Psychiatrie der Zukunft wird sich einer weiteren De-Institutionalisierung stellen müssen und will dies offensiv angehen. Dies setzt strukturelle und inhaltliche Veränderungen, vor allem auch im Bereich der Arbeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen, voraus. These 2: These 3: Der Patient in seiner Lebenswelt wird im Mittelpunkt aller Reformbemühungen stehen: das fordern die UN Behindertenrechts-konvention, die S3-Leitlinien, die Psychiatrie-Erfahrenen und nicht zuletzt die psychiatrisch Tätigen. Psychiatrische Arbeit wird dann primär in ambulanten Teams erfolgen mit erheblichen Konsequenzen für alle Akteure! Der Sozialraum wird zu einem weiteren Aktionsraum für die psychiatrisch Tätigen und stellt neue Anforderungen. (Steinhart) Ein Zukunftsmodell der Psychiatrie muss die Leistungen für Patienten flexibilisiert und bedarfsgerecht, nicht institutionsgebunden erbringen. Neben ambulanten Teams braucht es krankenhausalternative Rückzugsorte (Rückzugsräume, Krisenpensionen), Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen, PIA-Beratungen, eine differenzierte Krankenhausbehandlung sowie neue psychosoziale Unterstützungsleistungen. (Steinhart) 3
These 4: Die Umsetzung erfordert eine Umsteuerung der Budgets der Leistungsträger, insbesondere des SGB V und SGB XII-Bereichs, die von Politik und Selbstverwaltungspartnern in Angriff genommen muss. Wie viele Krankenhausbetten und Heim-/Werkstattplätze man letztendlich nach der Umsetzungsphase noch braucht, wird man erst dann entscheiden können (Steinhart). These 5: Veränderungen in der psychiatrischen Versorgung erfordern Veränderungen in der Qualifikation und im Einsatz der Mitarbeitenden: Es braucht neben Spezialisten auch zunehmend Generalisten. Die traditionellen Berufsrollen (Pflegende, Ärzte, Psychologen, Therapeuten, Sozialarbeiter) werden in der jetzigen Form nicht ausreichen für die Herausforderungen der Zukunft. (Längle) These 6: Psychiatrische Teams stehen vor neuen Herausforderungen. Dies betrifft neben der Art der Zusammenarbeit auch die Übernahme von Verantwortung im Rahmen der eigenen Professionalität. Kompetenzen werden noch zu wenig genutzt. (Längle) 4
Hypothesen der Szenariogruppe II: Personalmanagement und Personalbemessung der (klinischen) psychiatrischen Versorgung
Szenariogruppe II: Personalmanagement und Personalbemessung Hypothese 1: Kliniken sind zu regionalen Kompetenz-Zentren geworden, die regional vernetzt Patienten und Lebensraum orientiert arbeiten. Hypothese 2: Hypothese 3: Während der Einführungsphase des neuen Entgeltsystem PEPP gab es einen Streit der Richtungen: - Die Kostenrechner vertraten die Auffassung, das sich die Personalsituation in den Ist- Kosten widerspiegelt und daher eine Personalbemessung nicht notwendig sei. - Die Personaler und Professionals der psychiatrischen Versorgung haben an der Entwicklung eines neuen Personalbemessungssystems gearbeitet. Das Ergebnis: Das neue Personalbemessungssystem ist in ein neues Entgeltsystem integriert worden. Das neue Personalbemessungssystem hat folgende Vorteile: - Die Daten basieren auf neuen aktuellen Erfassungen des Personalbedarfs. - Das System umfasst die Erfassung des Personalbedarfs im nichtstationären Bereich (u.a. stationsäquivalente Behandlung). - Regelmäßig fließen Erhebungen über die Arbeitssituation und belastung der Beschäftigten in das System ein. - Es ist gelungen, akzeptierte und transparente Methoden zur Berücksichtigung des therapeutischen Milieus bei der Personalbemessung zu entwickeln. - Es findet regelmäßig eine Evaluation und Weiterentwicklung des Systems statt. - Das System ist so gestaltet, dass der Dokumentationsaufwand angemessen ist. 6
Thesen zur Zukunft der Personalbemessung II Hypothese 4: Hypothese 5: Angesichts der Bedeutung des Personals für die psychiatrische Versorgung von Patienten ist es dem Personalmanagement gelungen, aktiven Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen und die Attraktivität des Arbeitgebers Psychiatrie zu verbessern. Personalmanagement ist auf der ersten Managementebene verantwortlich angesiedelt (Vorstand, Geschäftsführung u.ä.) Themen des strategischen Personalmanagements sind dabei insbesondere: das Management des Personalbedarfs, Personalmarketing, Arbeitsplatzgestaltung, Personalentwicklung, Personalcontrolling, Organisationsentwicklung, Motivation und Personalführung. Das Personalmanagement ist eingebunden in den Versorgungsverbund. Ein Netzwerkmanagement steuert dabei einen internen Arbeitsmarkt, in dem das Personal die Möglichkeit hat, unterschiedliche Arbeitssituationen zu erproben und sich weiter zu entwickeln. Es gibt ein verbindliches Regelwerk, in dem die Rahmenbedingungen dieses internen Arbeitsmarktes vereinbart sind. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit und Mitbestimmung der Interessenvertretungen der Beschäftigten. 7
Hypothesen der Szenariogruppe III: Qualifizierung und Akademisierung von Mitarbeitenden in der psychiatrischen Versorgung
Szenariogruppe III: Qualifizierung und Akademisierung Hypothese 1: Gesellschaftliche und epidemiologische Veränderungen und der daraus resultierende Fachkräftemangel (in allen Berufsgruppen) macht die Akademisierung der Pflege mit direktem Patientenbezug unabdingbar notwendig. Hypothese 2: Die Aufgaben innerhalb der Pflege (Case Mix) und die Aufgabenverteilung zwischen den Berufsgruppen wird sich neu ordnen. Die Angleichung der Professionalisierungskonzepte wird die Zusammenarbeit verbessern und nicht belasten! Hypothese 3: Die Akademisierung der Pflege muss Generalisten und Spezialistenprofile ermöglichen. Es gilt sorgfältig und individuell abzuwägen, wie viel Spezialisierung und wie viel Generalisierung sinnvoll ist. 9
Hypothese 4: Psychiatrische Pflege im direkten Umfeld der Patienten wird eine wesentliche Zukunftsentwicklung psychiatrischer Pflege sein. Hypothese 5: Es bedarf guter Strukturen und institutioneller Unterstützung, damit die akademisierten Pflegenden ihre Kompetenzen in der Organisation entfalten können! 10
Hypothesen der Szenariogruppe IV: Arbeitssituation und Arbeitsbelastung in der psychiatrischen Versorgung
Szenariogruppe IV: Arbeitssituation und Arbeitsbelastung in der psychiatrischen Versorgung Hypothese 1: Es gibt wenig Befragungen, die Aufschluss über die Arbeitssituation und -belastung in der Psychiatrie geben. Studien zur Belastung in der GEMEINDEpsychiatrie und bzgl. der Arbeitssituation der Psychiatrischen Pflege gibt es praktisch gar nicht. Träger-, Organisations- und Trägervielfalt erschweren einen systematischen Blick. Hypothese 2: Es bedarf einer umfassenden Analyse der Bedürfnisse der Mitarbeitenden immer wiederkehrend. Hierfür sind Instrumente erforderlich, und (kreative) Angebote für unterschiedliche Zielgruppen in unterschiedlichen Lebensphasen. Dies ist eine Managementaufgabe. Hier hat sich die Kooperation von Unternehmen und angewandter Wissenschaft bewährt. Dies unterstützt die Entwicklung neuer Konzepte. Hypothese 3: Trotz aller Teamorientierung in der Psychiatrie gibt es noch Differenzen zwischen den Berufsgruppen. Es überwiegen berufsständische Sozialisationen mit institutionsorientierter Prägung. Berufsethos sorgt für unterschiedliche Bedürfnisse/Stärken/Schwächen im Arbeitsalltag. Management sollte diese kennen und Umgang finden. 12
Hypothese 4: Die Psychiatrielandschaft wird heterogener. Wirtschaftliche Interessen spielen größere (dominante) Rollen. Es gibt zunehmend Fehlanreize in Richtung stationäre Entwicklung. Hypothese 5: Die Unterschiede zwischen Privaten und Öffentlichen Trägern verstärken sich: Betreuungsroboter in ländlichen Gebieten, Verwahrung der Patienten überwiegt, medikamentöse Behandlung steht im Vordergrund vs. ambulante Satelliten große ambulante Stationen, Wohngruppen, etc. Hypothese 6: Prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu. Es wird mehr Flexibilität gefordert von Arbeitnehmern (3 Arbeitgeber parallel, unterschiedliche Einsatzorte ) vs. mehr eigenverantwortliches Handeln, mehr Entwicklungsmöglichkeiten. 13
Hypothesen der Szenariogruppe V: Neue Lebens- und Arbeitsmodelle (Work-Life-Balance) Auswirkungen auf die psychiatrische Versorgung
Szenariogruppe V: Neue Lebens- und Arbeitsmodelle Hypothese 1: Der Arbeitsmarkt des deutschen Gesundheitssektors steht unabhängig von der zu erwartenden Refinanzierungsstruktur zukünftig vor zunehmend kritischen Herausforderungen, welche ursächlich in den tiefgreifenden demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen des Klienten- und Arbeitnehmerstamms begründet sind. Hypothese 2: Die Generation Y ist der Auslöser für einen radikalen Umbruch: Tradierte Arbeitszeitmodelle werden den Vorstellungen einer Work-Life-Balance nicht länger gerecht. Hypothese 3: Der Paradigmenwechsel in der Arbeitszeitgestaltung birgt Chancen und Risiken. 15
Hypothese 4: Es gibt bereichs- und fachübergreifende Grundsätze einer Arbeitszeitgestaltung, welche sowohl vom Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer als überwiegend erfolgreich erlebt werden. Hypohese 5: Es gibt bereichs- und fachübergreifende Personaltools, welche die Einflussfaktoren 1. zunehmende Alterung des Klienten- und Arbeitnehmerstamms 2. Verknappung der Ressource resilienter Arbeitskräfte 3. Verlängerung der Lebensarbeitszeit berücksichtigt und auch für den psychiatrischen Sektor maßgeschneiderte Lösungen anbietet.. 16