BI-Betriebsorganisation Business Intelligence am Beispiel von ITIL Kim T. Witzkewitz, OPITZ CONSULTING, Hamburg GmbH Business Intelligence (BI) adressiert nicht nur an das Top-Management, auch die mittleren Entscheidungsebenen sowie operative Geschäftseinheiten profitieren von der Geschäftsanalytik. Die Integrationsfähigkeit heutiger BI-Werkzeuge bietet eine nahtlose Einbindung und Unterstützung wesentlicher Geschäftsprozesse. Business Intelligence hat den Status des Bastelkellers längst hinter sich gelassen. Erklärtes Ziel dieser geschäftsanalytischen Methode ist die Versorgung des gesamten Managements mit entscheidungsrelevanten Informationen. Zur Veranschaulichung dieser Entwicklung lässt sich ein Reifegradmodell aus dem IT- Management heranziehen. Es zeigt einzelne Stufen mit zugehörigen Kriterien und dem damit verbundenen Kulturwandel von der reinen Technologie hin zu der strategischen Businessorientierung (siehe Abbildung 1). Die in dem Reifegradmodell veranschaulichten gängigen Kriterien sind in folgender Aufzählung als Merkmale von BI-Systemen dargestellt. Aufgrund der Entwicklung einer Reife sind die Merkmale höherer Stufen in den niedrigeren Stufen enthalten. Stufe 1: Durch Technologie motiviert Die Technologie bestimmt Art und Umfang der fachlichen Unterstützung. Gänige Merkmale von BI-Systemen sind: Betriebsverantwortung trägt DB- Abteilung; Optimierungen auf DB- Ebene Reaktive Störungsverfolgung durch Auswertung der ETL-Protokolle und Systemmeldungen Tuning von Abfrage-Statements einzelner Auswertungen Stufe 2: Technologiesteuerung Die Technologie wird kontrolliert, die Arbeit wird organisiert und verwaltet. Gängige Merkmale von BI-Systemen sind: Unterschiedliche Umgebungen (Entwicklung, Test, Produktion etc.) Redundanz von kritischen Komponenten Technisch konsolidierte Datenbestände Automatisierte Batch-Verarbeitung mit Wiederaufsetzbarkeit und Rollback Abbildung 1: Reifegradmodell im IT-Management [vgl. OGC 2007, S.91] Robuste sowie automatisierte Prozesse mit Fehlerbehandlung Abschaffung von Kopfmonopolen durch Dokumentation von Teilkomponenten Fachliche Aufbereitung der technischen Datenstruktur Nutzung von technischen Metadaten Anwendung von Software-Engineering-Methoden Aufbau auswertungsoptimierter Datenbestände (Data Marts) Durchgehende Historisierung von Dimensionen Stufe 3: Technologie-Integration Die Arbeit wird mit Hilfe von Standardprozessen durchgeführt, wodurch sich die Arbeitsweise verbessert. Spezialisierte Technologien werden in die Gesamt-IT-Architektur integriert. Gängige Merkmale von BI-Systemen sind: Proaktive Störungsvermeidung durch kontinuierliche Analyse von Laufzeitmetriken Automatische Generierung von standardisierter und vollständiger Dokumentationen auf Metadatenbasis Konventionen und Architekturen sind allgemein etabliert Integration in allgemeine IT-Services (Change-/Konfigurationsmanagement, Service-Desk etc.) Fachliche Konsolidierung für widerspruchsfreie geschäftsfunktionsübergreifende Analysen Herausbilden von funktional differenzierten Anwenderprofilen Notfallplan existiert Lifecycle-Management existent Konsistente technische Metadaten ermöglichen Impact-Analyse 22 www.doag.org
Stufe 4: Servicebereitstellung Bündelung von technischen und fachlichen Prozessen zur übergreifenden Geschäftsunterstützung. Gängige Merkmale von BI-Systemen sind: Konzernweit verwalteter Kennzahlenkatalog mit vollständiger fachlicher Beschreibung BI als Service zur Abbildung der fachlichen Anforderungen Steuerung über BICC / BI-Strategie Verbindung von technischen und fachlichen Metadaten für Lineage- Analysen Ermittlung und Bereitstellung von Datenqualitätsmetriken Informationsportal mit strukturierten/unstrukturierten Informationen und freier Wahl des Darstellungsmediums BI 2.0 (analog Web 2.0 beispielsweise als interaktive Komponente) Stufe 5: Strategischer Beitrag Die Technik muss einen messbaren Beitrag zur Unternehmensstrategie leisten. Gängige Merkmale von BI-Systemen sind: Integration in zentrales Serviceportfolio-Management Messung des Wertbeitrags zur Strategieumsetzung Es müssen nicht alle BI-Lösungen die höchste Stufe erreichen. Hier ist es sinnvoll, dies im Einzelfall zu entscheiden. Zumindest ab Stufe 2 empfiehlt es sich, definierte und damit wiederholbare Prozesse einzuführen. Abbildung 2: ITIL V3 Core Framework [ITIL 2009] Bereits definierte und bewährte Verfahren existieren und lassen sich adaptieren. Ob SWEBOK, etom, CobiT oder Six Sigma, jedes Modell eignet sich durch seine individuellen Schwerpunkte für unterschiedliche Einsatzbereiche. Hinsichtlich der BI- Betriebsorganisation bietet sich ITIL als Sammlung von Best Practices als Grundlage für die Ausgestaltung eigener Prozesse an. ITIL bietet dem Anwender Vorlagen für Begriffsdefinitionen, Prozessbeschreibungen, Service Level Agreements (SLA), Rollen oder Kennzahlen. Der Vorteil bei der Nutzung von Standards ist die damit verbundene niedrigere Einstiegshürde sowie eine steilere Lernkurve durch bereits existierende Erkenntnisse. ITIL setzt sich aus den Kernpublikationen Service Strategie, Service Design, Service Transition, Service Operation und Continual Service Improvement zusammen. Diese Bücher beschreiben den gesamten IT-Service-Lebenszyklus. Dabei werden die IT-Services aus einer zentralen Service- Strategie heraus entwickelt und über eine Konzeptions- und Implementierungsphase in den operativen Betrieb überführt. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess sorgt begleitend für eine Steigerung der Effizienz und Effektivität der IT-Services. Um das ITIL- Framework hier sinnvoll verwenden zu können, sind BI-inhärente technische und fachlich/organisatorische Besonderheiten zu berücksichtigen. Unterstützung des (technischen) Change-Managements Am Beispiel des technischen Change- Management wird im Folgenden die konkrete Abbildung auf BI skizziert. Dem Service Transition angehörend bildet das technische Management den Prozess einer kontrollierten Veränderung an einer Technologie ab. Das ITIL-Framework liefert ein generisches Prozessmodell mit grundlegenden Einund Ausgabespezifikationen. Ein zwischen den Spezifikationen liegender Prozess kann aus weiteren Aktivitäten und Unterprozessen bestehen (siehe Abbildung 3). Die Prozessausführung liefert als Ergebnis die durchgeführte Änderung und eine Fertigstellungs- Meldung, wie beispielsweise einen Bericht. Ein Aktivitätendiagramm beschreibt das technische Change-Management (siehe Abbildung 4). Für diese Aktivitäten lassen sich Rollen wie der Change Manager und das Change Advisory Board aus dem ITIL-Framework verwenden. Zur Messung der Zielerreichung der Changes werden Kennzahlen definiert und ausgewertet. Die Anzahl erfolgreich durchgeführter Änderungen oder die Geschwindigkeit der Umsetzung von Änderungen kön- Gewusst wie Best Practices Technische Besonderheiten Multidimensionale Modellierungsverfahren (Datenmodelle wie Star-/ Snowflake-Schema) Spezialisierte Werkzeuge (wie ETL-Tools) Verschiedene Datenarten (Nutz- / Metadaten) Heterogene Medien (Datenbanken, Dateisysteme etc.) Fachlich/organisatorische Besonderheiten Einbindung des Anwenders als Teil des BI-Systems Hohe Sensibilität durch Datenkonzentration Abweichende Ansprüche an Datenbeschaffenheit bei analytischer beziehungsweise operativer Verwendung Immanenter Änderungsdruck durch interne und externe Einflussfaktoren (BASEL II etc.) DOAG Business News 1-2009 23
Abbildung 3: Beispiel für (technisches) Change Management nen zur Bewertung des Prozesses verwendet werden. Aufgrund einer kompatiblen Prozess- Struktur ist das technische Change- Management grundsätzlich gut geeignet, im BI-Bereich Anwendung zu finden. Es sind nur kleine Anpassungen notwendig, wenn beispielsweise Änderungen an unternehmensweit einheitlichen Standard-Berichten oder am Datenmodell über das oben beschriebene Change-Management-Verfahren durchgeführt werden. Der Selbstbedienungsgedanke sollte sich jedoch beim Ad-hoc-Reporting nicht durch organisatorischen Overhead behindern lassen. BI-Anforderungen haben häufig geschäftsfunktions- oder unternehmensübergreifende Implikationen. Zur Durchsetzung der Änderungen ist eine Instanz erforderlich, die mit entsprechender Kompetenz ausgestattet ist. Um die Tragweite von Änderungen sowie das filigrane Zusammenspiel von Systemkomponenten aufdecken zu können, bedarf es einer sorgfältigen Auswahl geeigneter Werkzeuge. BI-Suiten als Werkzeugkasten Abbildung 4: Beispiel für ein Change-Management-Aktivitätendiagramm Abbildung 5: Tool Repositories Miteinander in Beziehung stehende Systemkomponenten werden nach ITIL als Configuration Items (CI) bezeichnet. Eine Configuration-Management-Database (CMDB) übernimmt dabei die Verwaltung der CIs und kann auch organisatorische sowie kaufmännische Informationen enthalten. Von den marktgängigen BI-Werkzeugen, wie dem Oracle Warehouse Builder, werden alle relevanten Steuer-Informationen in Datenbanken, den sogenannten Metadaten-Repositories, abgelegt. Bei entsprechender Verknüpfung dieser Daten ist eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Quellsystemen und Auswertungsobjekten (Impact-Analyse) oder eine Verfolgung der Herkunft von (transformierten) Informationen (Lineage-Analyse) möglich (siehe Abbildung 5). Im Rahmen einer Impact-Analyse lässt sich beispielsweise der Wechsel des Datentyps eines Tabellenattributs durch das gesamte System verfolgen, 24 www.doag.org
so dass die anzupassenden CIs identifizierbar sind. Umgekehrt können die Anwender im Zuge einer Lineage- Analyse die genaue Herkunft der Informationen durch das System verfolgen, wodurch die Transparenz verbessert und das Vertrauen in die Daten gesteigert werden kann. Abbildung 6 macht deutlich, wie der OWB mittels durchgängiger Metadaten eine Bestimmung der Informationsquellen ermöglicht und damit den Entwicklungsprozess unterstützt. Die Metadaten erfüllen darüber hinaus auch die Funktion einer sich selbst aktualisierenden Dokumentation und je nach Ausgestaltung eine Verbindung zwischen fachlicher Begriffswelt und den zugrundeliegenden technischen Systemen. Eine generische Anpassung dieser Dokumentation im Hinblick auf eine verstärkt fachliche oder technische Ausrichtung, ist abhängig von den Bedürfnissen der Zielgruppe. Zur Abbildung des konkreten Change-Management-Prozesses sind am Markt spezialisierte Werkzeuge für die übergreifende Verwaltung und Steuerung verfügbar, die nicht direkt aus dem BI-Umfeld stammen. Deren Datenbasis kann einfach über bestehende Verfahrensweisen (ETL oder EUL/Universum) eingebunden und mit den gewohnten Werkzeugen visualisiert werden. Die Auswertung der zuvor festgelegten Kennzahlen kann direkt über die BI-Werkzeuge erfolgen. So entstehen zusätzliche Synergien bezüglich eines Informationsportals oder der Security. Die verfügbaren Werkzeuge bieten umfangreiche Methoden und Funktionalitäten für Deployment, Kollaboration und Versionsmanagement. Für eine sichere Zugriffssteuerung auf diese Werkzeuge lassen sich in einem übergreifenden Rollenkonzept die (organisatorischen) Rollen der Betriebsfunktionen sowie die technischen Rollen für Zugriffskontrolle, funktionale Steuerung und Inhaltseinschränkungen, erfassen. Eine technische Abbildung in eine (extern verwaltete) Anwender/ Gruppen-Hierarchie ist möglich. Die Zuordnung der Kompetenzen und Funktionen dieser Rollen kann dann Abbildung 6: Lineage-Analyse im Oracle Warehouse Builder Abbildung 7: Rollenkonzept Abbildung 8: Anbindung an Directory Server mit der Oracle BI Suite DOAG Business News 1-2009 25
Prominente Keynote-Speaker zeigen den Weg Kompetente Anwender geben Erfahrungen weiter Wir führen die Oracle-Community zum Erfolg Interessante Aussteller präsentieren den Markt Fachkundige Oracle-Experten informieren 17. 19.11.2009 in Nürnberg www.doag2009.org 26 www.doag.org DOAG 2009 Konferenz + Ausstellung
in den jeweiligen Tool-Komponenten erfolgen. Außerdem besteht die Möglichkeit zur übergreifenden Verwaltung der Rollen auch außerhalb der Systeme etwa über einen externen Directory Server (siehe Abbildung 7). Der Directory Server übernimmt neben der technischen Funktion der Authentifizierung auch die Autorisierung und steuert die Berechtigungen in den Werkzeugen gemäß den erteilten Rollen (siehe Abbildung 8). Neben der rein technischen Prozesssteuerung, wie sie für jede Art von ETL- Werkzeug Standard ist, werden durch Ergänzungen um Web-Services auch SOA-Konzepte unterstützt. Eine Integration auf Makro-Ebene bis in die Geschäftsprozesse eines Unternehmens ist möglich. Fazit ITIL ist als übergeordnetes Framework auch für Business Intelligence geeignet, weil es vom Grundkonzept her ausreichend Freiheiten für individuelle Anpassungen bietet. Es können unterschiedliche Prozesse darauf abgebildet und nach individuellen Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden. Die gängigen BI-Werkzeuge liefern die entsprechende Funktionalität zur Unterstützung der notwendigen Prozesse und ermöglichen dadurch eine konsequente Behandlung von BI-Themen im Zusammenhang mit bewährten Verfahren (Best Practices) wie ITIL. Quellen Office of Government Commerce (OGC): ITIL Service Operation, Erstveröffentlichung erschienen bei The Stationery Office (TSO) 2007, Seite 91, ISBN 9-780-11331-1415 ITIL: http://www.itil.org Kontakt: Kim T. Witzkewitz kim.witzkewitz@opitz-consulting.de Unsere Inserenten Actebis Peacock GmbH www.actebispeacock.de U 4 Cirquent GmbH www.cirquent.de U 2 Hays AG www.hays.de Seite 17 Krug & Partner GmbH www.krug-und-partner.de Seite 31 mt ag www.mt-ag.com Seite 27 ORACLE Deutschland GmbH www.oracle.com U 3 Primus Delphi Group GmbH www.primus-delphi-group.com Seite 15 PROMATIS software GmbH www.promatis.de Seite 3 Trivadis AG www.trivadis.com Seite 33 DOAG Business News 1-2009 27