VL März 2012 R Was ist der Mensch? Andreas Brenner FS 12

Ähnliche Dokumente
Immanuel Kant. *22. April 1724 in Königsberg +12. Februar 1804 in Königsberg

Deontologie Die Bausteine der Kantischen Ethik

Ethik-Klassiker von Platon bis John Stuart Mill

Bearbeitet von Andreas Groch C.C.BUCHNER

Grundformel, Naturgesetzformel und Menschheitsformel des kategorischen Imperativs nur verschiedene Formulierungen desselben Prinzips?

1.1 Die Disziplinen der Philosophie Der Begriff Ethik Der Aufgabenbereich der Ethik... 3

Vorlesung. Willensfreiheit. Prof. Dr. Martin Seel 8. Dezember Kant, Kritik der reinen Vernunft, B472:

Immanuel Kant "Die Metaphysik der Sitten", 539; "Friede ist das Meisterstück der Vernunft" Immanuel Kant 1

Schulinternes Curriculum für das Fach Philosophie

Modul Ethik in der Biologie

Die Schule von Athen - La scuola di Atene

Immanuel Kant in KdrV zu menschlicher Freiheit und Kausalität.

Gegenstände / Themen / Inhalte Arbeitstechniken / Arbeitsmethoden Kompetenzen. - philosophisches Gespräch

Über die Gründe, moralisch zu handeln. Eine Reflexion im Ausgang von Kant Peter Schaber (Universität Zürich)

Immanuel Kant Grundlegung zur Metaphysik der Sitten Überblick. Ralf Stoecker

Kants,Kritik der praktischen Vernunft'

Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Ein Rückblick auf halber Strecke

Schopenhauers Kritik an Kants Kategorischem Imperativ

Kants 'guter Wille' in: "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"

Larissa Berger. Der»Zirkel«im dritten Abschnitt der Grundlegung. Eine neue Interpretation und ein Literaturbericht

Oliver Sensen. Die Begründung des Kategorischen Imperativs

Aristoteles. Nikomachische Ethik. (c) Dr. Max Klopfer

Ethik Zusammenfassung JII.1 #1

GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL WERKE 8

Aristoteles Nikomachische Ethik. Neuntes Buch. Hilfsfragen zur Lektüre von: Kapitel 1 3. Kapitel 4

Schulinternes Curriculum. Philosophie. Abtei-Gymnasium Brauweiler verabschiedet am

Aus: Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a. M S

Protokoll zu Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ( ,2)

1 Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Erster Abschnittäus ders.: Kritik

Vorlesung Der Begriff der Person : WS 2008/09 PD Dr. Dirk Solies Begleitendes Thesenpapier nur für Studierende gedacht!

Wissen und Werte (Philosophie-Vorlesung für BA)

Arbeitsblatt 184. Gerechtigkeit und Tugend

Ethik heute. Bernhard Schleißheimer. Eine Antwort auf die Frage nach dem guten Leben. Königshausen & Neumann

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kernstellen aus Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten - Portfolio

Prof. Dr. Simone Dietz, Wintersemester 2010/11 Vorlesung: Einführung in die Ethik

Materialien zur vertiefenden Beschäftigung mit Aristoteles

David Hume zur Kausalität

[DAS ÄLTESTE SYSTEMPROGRAMM

Recht und andere gesellschaftliche Systeme oder Normengefüge

Achim Volkers. Wissen und Bildung bei Foucault

Staatsexamen Ethik/Philosophie schriftlich Praktische Philosophie

Kants Begründung von Freiheit und Moral in Grundlegung III

Vorlesung Ethische Begründungsansätze : SoSe 2009 PD Dr. Dirk Solies Begleitendes Thesenpapier nur für Studierende gedacht!

Folien zur Vorlesung Perspektivität und Objektivität von Prof. Martin Seel. Sitzung vom 1. November 2004

Denk Art. Ethik für die gymnasiale Oberstufe. Arbeitsbuch. Schöningh. Herausgegeben von: Matthias Althoffund Henning Franzen

Wirtschaftsmoralische Kompetenz

Seminar: Schönheit Erhabenheit Genie. Einführung in Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft

Fabian Hundertmark Matrikel-Nummer: Juni 2007

Ethik in der Suchtbehandlung

PHILOSOPHISCHER ANARCHISMUS:

Menschenbild und Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft

Ruprecht- Karls- Universität Institut für Bildungswissenschaft Die Bildung des Bürgers Sommersemester Kant Über Pädagogik

Voransicht. Immanuel Kant ( )

Inhaltsverzeichnis. Vorwort 11

Lehrveranstaltungen von Wilhelm G. Jacobs

MARX: PHILOSOPHISCHE INSPIRATIONEN

Was kann man hoffen? Philosophische Perspektiven Stephan Sellmaier

Würde als normativer Status

Aristoteles über die Arten der Freundschaft.

Vortrag: Was ist Glück?

Kritik der Urteilskraft

FREIHEIT ZWEI FREIHEITSBEGRIFFE DER TEMPEL DES SARASTRO (1), 34-36

(erschienen in: DIE. Zeitschrift für Erwachsenenbildung 13 (2005), Heft 1, S )

L E H R P L A N P H I L O S O P H I E

Vorlesung Einführung in die Soziologie WiSe 2017/18 Mo Uhr, Auditorium Maximum. 16. Oktober Einführung und Arbeitsplanung

Einführung in die Rechtsphilosophie

Soziale Arbeit und Lebensführung: Einige sollensund strebensethische Reflexionen über den Gegenstand und die Funktion Sozialer Arbeit

Ethik Kursstufe (2-stündig)

Das radikal Böse bei Immanuel Kant und die Banalität des Bösen bei Hannah Arendt

Moralische Erziehung in der Schule. 1. Wie definiert sich moralisches Handeln, Sitte und Sittlichkeit?

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Was soll ich tun? Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.

Immanuel Kant und die politische Philosophie

4. Sitzung Kant, Kritik der Urteilskraft

Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

4. Sitzung Kant, Kritik der Urteilskraft

Klausurrelevante Zusammenfassung WS Kurs Teil 1 Modul 1A 1/14 vom

Glück und Schönes bei Immanuel Kant

Philosophische und anthropologische Grundlagen der Beratungsarbeit

Ethik Sek II Seite 1 Immanuel Kant. Immanuel Kant. Daten. Hauptwerke. Besonderheiten. S. Kurpierz Kant_Textsammlung.odt

Einführung in die Rechtsphilosophie Prof. Dr. Pierre Hauck

Lehrplan Philosophie

Ethik und Beruf (Prof. Dr. Zitt)

II. Ethik und vorphilosophisches moralisches Bewußtsein Die Ethik als praktische Wissenschaft Die Irrtums-Theorie...

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

VL Mai 2012-R Was ist der Mensch? Andreas Brenner FS-12

Erschienen in: Ian Kaplow (Hg.): Nach Kant: Erbe und Kritik. Münster 2005,

ARNO ANZENBACHER EINFÜHRUNG IN DIE ETHIK

t i u z. d e Auf den Spuren der Republik

Lichtmetaphorik. Aufklärung. Literarische Epoche von 1720 bis Deutsch LK/Q2 Referenten: Marius Poth Nico Schumacher

Die Nikomachische Ethik 1. Buch ( v. Chr.)

Prof. Dr. Jürgen Rath Besonderer Teil III: Delikte gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit. B. Was ist Recht?

Freiwillig ehelos? Vom Sinn einer Lebensform in der Kirche. BnP,

Philosophie Ergänzungsfach

Das Böse. Prof. Dr. Detlef Horster

Veronika Schlüter. Zum Achtungsverhältnis bei Kant

Psychologische Grundfragen der Erziehung

STOA UND EPIKUR. Josch und Paul

Einführung in die Praktische Philosophie

Prof. Jörn Müller. Philosophie als Lebensform: Glück und Tugend bei Aristoteles. Ringvorlesung: VerANTWORTung leben. Würzburg, 18.

Curriculum für das Fach Ethik

Transkript:

VL 4 12. März 2012 R.3.119 Was ist der Mensch? Andreas Brenner FS 12 1

Der Mensch als moralisches Wesen 2

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die staatliche Gemeinschaft (besteht) der tugendhaften Handlungen wegen ( ) und nicht des Zusammenlebens wegen. (Aristoteles, Politik, 1281a3) 3

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Man darf freilich schon sehr zufrieden sein, wenn man einem einzigen Menschen zum Wohle verhilft, aber schöner und göttlicher ist es doch, wenn dies bei einem Volke oder einem Staate geschieht. (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1094b9ff ). 4

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die drei Lebensformen: 1. Die Genussmenschen 2. Die politischen Menschen 5

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die drei Lebensformen: 3. Die philosophischen Menschen 6

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die Glückseligkeit ( ) will keiner wegen jener Güter und überhaupt um keines anderen willen. (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1097b 5ff ) 7

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die Glückseligkeit stellt sich dar als ein Vollendetes und sich selbst Genügendes, da sie das Endziel allen Handelns ist. (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1097b) 8

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Eudaimonia und zoon politikon gehören zusammen. 9

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Begierden und Lüste (sind) teils nach Art und Grad menschlich und natürlich, teils sind sie tierischer Art ( ) Denn da Tier hat nicht Willenswahl und Vernunft. (Aristoteles, Nikomachische Ethik 1149b34). 10

1. Der Mensch als moralisches Wesen: Aristoteles Die Tugend aber liegt (dort), wo das Übermass verfehlt ist und der Mangel Tadel erfährt, die Mitte aber Lob erntet und das Rechte trifft. (Aristoteles, Nikomachische Ethik 1106b25). Mesotes Lehre Bedeutung der Phronesis, Klugheit 11

1. Moralisch sein: Immanuel Kant 12

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. (1798) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785) 13

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Vernunft und Freiheit als menschliche Bestimmungsgründe, die in der Natur angelegt sind (GMS) Ja, das Kind, welches sich nur eben dem mütterlichen Schoße entwunden hat, scheint, im Unterschiede von allen anderen Tieren, bloß deswegen mit lautem Geschrei in die Welt zu treten, weil es sein Unvermögen, sich seiner Gliedmaßen zu bedienen, für Zwang ansieht und so seinen Anspruch auf Freiheit (wovon kein anderes Tier eine Vorstellung hat), sofort ankündigt. (Anthropologie, A 231). 14

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Der Mensch war nicht bestimmt, wie das Hausvieh, zu einer Herde, sondern wie die Biene, zu einem Stock zu gehören. Notwendigkeit, ein Glied irgend einer bürgerlichen Gesellschaft zu sein. (Anthropologie, 1798a, A 330). 15

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Was aus dem Freiheitsdrang folgt: Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Rücksicht wirklich frei. (GMS BA 101) Kategorischer Imperativ Sollen ist eigentlich ein Wollen. (GMS BA 102 und 113) 16

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Was aus dem Freiheitsdrang folgt: Kategorischer Imperativ Sollen ist eigentlich ein Wollen. (GMS BA 102 und 113) 17

1. Moralisch sein: Immanuel Kant Freiheit Moralische Einsichtsfähigkeit Autonomie Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur. (GMS, BA 79) 18

Würde 19

Würde, intelligibel 20

2. Des Menschen Würde Würde kommt einem vernünftigen Wesen (zu), das keinem Gesetz gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt. (GMS, BA 76) 21

2. Des Menschen Würde Es ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm Beispiele der Redlichkeit ( ) vorlegt, nicht wünsche, daß er auch so gesinnt sein möchte. Er kann es aber nur wegen seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl in sich zu Stande bringen; wobei er dennoch zugleich wünscht, von solchen ihm selbst lästigen Neigungen frei zu sein 22

2. Des Menschen Würde Er beweist hierdurch also daß er mit einem Willen, der von Antrieben der Sinnlichkeit frei ist, sich in Gedanken in eine ganz andere Ordnung der Dinge versetze, (und dabei) nur einen größeren inneren Wert seiner Person erwarten kann. Diese bessere Person glaubt er aber zu sein, wenn er sich in den Standpunkt eines Gliedes der Verstandeswelt versetzt. (GMS, BA 113) 23

2. Des Menschen Würde Das moralische Sollen ist also eigenes Wollen (GMS, BA 113) 24

Würde, empirisch 25

2. Des Menschen Würde: Cicero Das Schickliche (wird) bei allen Handlungen, Äußerungen, endlich in der Bewegung und Haltung des Körpers sichtbar. ( ) drei Voraussetzungen: Schönheit, Sinn für Ordnung und ein dem Handeln angemessenes Auftreten. (Cicero, De officiis 1, 126) 26

2. Des Menschen Würde: Cicero Reden: Zügellosigkeit und Anzüglichkeit der Rede vermeiden Unterschied zwischen Reden und Tun: (Cicero, De officiis 1, 128) 27

2. Des Menschen Würde: Cicero (Cicero, De officiis 1, 128) Räuberei, Betrug, Ehebruch Reden ehrenhaft Tun schändlich Kinderzeugen schändlich ehrenhaft 28

2. Des Menschen Würde: Cicero Takt und Anstand als natürliche Gefühle, Nähe, Abstand, Kraft und Intensität einstudierte Bewegungen sind oft recht geckenhaft. ( schlechte Schauspieler, Affektiertheit (Cicero, De officiis 1, 130) 29