Zur Organisationslücke bei IT-Projekten - Jan Windheuser -
Maersk baut ein Containerschiff*. Ist das gut? Kommt darauf an, wen man fragt. MAERSK: Eurogate: HHLA: Greenpeace: 2 *400m lang, 59m breit, 73m hoch, 18.000 Container (+16%)
Gliederung 1. Die Organisationslücke aus wissenschaftlicher Sicht Ausgangssituation / Der Begriff der Organisationslücke / Gründe für das Entstehen von Organisationslücken / Kontingenz als Entstehungsbedingung / Mangelhafte Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern 2. Erscheinungsformen der Organisationslücke IT ohne Organisation / IT vor Organisation / IT statt Organisation 3. Zusammenfassung / Normstrategien Cui bono wer profitiert von Orga-Lücken? / Erfolgsfaktoren / Steuerungsgremien: Die Anwender organisieren und mobilisieren 3
Gliederung 1. Die Organisationslücke aus wissenschaftlicher Sicht Ausgangssituation / Der Begriff der Organisationslücke / Gründe für das Entstehen von Organisationslücken / Kontingenz als Entstehungsbedingung / Mangelhafte Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern 2. Erscheinungsformen der Organisationslücke IT ohne Organisation / IT vor Organisation / IT statt Organisation 3. Zusammenfassung / Normstrategien Cui bono wer profitiert von Orga-Lücken? / Erfolgsfaktoren / Steuerungsgremien: Die Anwender organisieren und mobilisieren 4
Ausgangssituation ( schon immer ) Hardware und Software werden immer leistungsfähiger immer neue Funktionen und Nutzungsszenarien Aber: Unternehmen, Behörden u.a. Organisationen tun sich schwer mit dem Innovationstempo in der IT IT-gestützte Veränderungen in der Organisation vollziehen sich deutlich langsamer als die Weiterentwicklung der IT selbst vergleichbare IT-Systeme haben oft völlig unterschiedliche Organisationssysteme zur Folge kein one best way, wie in der Industrie der 70er / 80er Jahre vermutet 5
Zum Begriff der Organisationslücke Prägung des Begriffs mit Blick auf Electronic Data Interchange (EDI) (Kubicek 1992): 6 Struktureller Nutzen von EDI steigt mit Anzahl der Beteiligten Bilateraler Abstimmungsaufwand explodiert mit Anzahl der Beteiligten Idee: Standardisierung als Schlüssel zur Intensivierung des EDI. Aber: Leistungsfähigkeit und Nutzeffekte von EDI überschätzt Branchenübergreifende EDI-Nutzung erzeugt zweierlei organisatorische Probleme soziotechnische Systeme mit Funktionen, die unterschiedlich organisierbar sind Entwicklung dieser Systeme erfordert selbst einen Beispiele für branchenübergreifende EDI -Nutzung: Sichere elektronische Kommunikation in und mit der Verwaltung (unter Nutzung von bspw. XÖV, OSCI, De- Mail, E-Postbrief, )
Entstehung von Organisationslücken Phänomen der mangelnden Abstimmung zwischen Organisation und IT von Kubicek 1992 als Organisationslücke beschrieben Gründe für das Entstehen (nach Breiter/Wind): mangelnde strategische Orientierung oder Verunsicherung über weitere technische Entwicklung oder Fehleinschätzungen, Kommunikationsprobleme, innerbetriebliche Kontroversen oder einfach Ignoranz gegenüber organisatorischen Gestaltungserfordernissen E-Government als Ungleichzeitigkeit von Technik und Organisation * 7 * Wulff 2011
Kontingenz als Entstehungsbedingung Situation der Anwender von IT ist durch Kontingenz im Sinne der soziologischen Systemtheorie geprägt Kontingent ist etwas, was weder notwendig noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. (Luhmann 1991) Hohe Kontingenz von Ereignissen bedeutet, dass alles, was ist, auch anders sein könnte. (Münch 2004) Warum hast Du das so gemacht? Weil es geht. Kontingenz (und doppelte Kontingenz) begegnen uns innerhalb von Organisationen sowie organisationsübergreifend 8
Typische Missverständnisse zwischen Dienstleistern und Kunden: Das Gap-Modell Erwarteter Service Wahrgenommener Service Gelieferter Service Externe Kommunikation mit Kunden Umsetzung in Leistungsspezifikation 9 Wahrgenommene Serviceerwartung Gap nach Zeithaml, Berry, Parasuraman 1990 (zitiert nach Breiter, Wind 2011)
Lücken in der Interaktion zwischen IT-Entwicklern und Anwendern Mindestens zwei verschiedene Perspektiven in IT- Projekten informationstechnologische organisationswissenschaftliche Vielfältige Fehlerquellen in der Kommunikation (siehe vorige Folie) Entwicklungsmodelle zur Vermeidung dieser Lücken: sequenzielle fachliche Anforderungen am Anfang fixieren iterative / agile realisieren, Feedback erhalten, realisieren, Feedback problematisch bei öffentlichen Ausschreibungen 10
Gliederung 1. Die Organisationslücke aus wissenschaftlicher Sicht Ausgangssituation / Der Begriff der Organisationslücke / Gründe für das Entstehen von Organisationslücken / Kontingenz als Entstehungsbedingung / Mangelhafte Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern 2. Erscheinungsformen der Organisationslücke IT ohne Organisation / IT vor Organisation / IT statt Organisation 3. Zusammenfassung / Normstrategien Cui bono wer profitiert von Orga-Lücken? / Erfolgsfaktoren / Steuerungsgremien: Die Anwender organisieren und mobilisieren 11
IT ohne Organisation Fachliche Anforderungen werden vor IT-Beschaffung nicht (ausreichend) erfasst Anwendererwartungen divergieren, sind ggf. widersprüchlich 12 Anbieter chancenlos Requirements Engineering, Anforderungsmanagement, etc. Aber: Warum scheitern Software-Projekte dennoch so häufig? Fehlende Berücksichtigung der zu Grunde liegenden organisatorischen Kultur und sozialen Prozesse
IT ohne Organisation Führt häufig zu Durchführung von Entwicklungsprojekten Vernachlässigt die Organisation des dauerhaften Betriebs Millionenfach verwaiste Projekte, Initiativen, Newsletter etc. im Internet Grund für den Erfolg von IT Service Management sowie entsprechenden Frameworks wie ITIL 13 anpassbar, interpretierbar einheitliches Vokabular für Anwender und IT-Organisation Betrachtung des Services (Nutzen, Qualität), nicht des Systems (Technologie)
IT vor Organisation Was verbinden Sie mit dem Stichwort Konzernweite ERP-Einführung? Ablösung vorhandener Systeme, Zusammenführung von Daten unter großem Migrationsaufwand Komplexität unterschätzt, netter Markt für externe Berater Allgemein: Primat der IT (in der bestimmte Prozesse hinterlegt sind) über die Organisation Gestaltung der Organisation gemäß Vorgaben und Möglichkeiten der IT 14
IT statt Organisation IT dient als Alibi, weil die zu Grunde liegenden Probleme unlösbar sind oder erscheinen Beispiel Innere Sicherheit 15 Zuständigkeiten und Kompetenzen sind zersplittert Effizienz und Effektivität der herrschenden Strukturen sind umstritten Aber: Reformen sind besonders schwer umzusetzen Gelegentliches Propagieren einer neuen, übergreifenden IT- Lösung Beispiel Wissensmanagement Systemeinführung löst scheinbar die Probleme, übersieht aber die sozialen Regeln Teilen von wertvollem Wissen, etwa Wikis, Vertriebsinformationen, etc.
Gliederung 1. Die Organisationslücke aus wissenschaftlicher Sicht Ausgangssituation / Der Begriff der Organisationslücke / Gründe für das Entstehen von Organisationslücken / Kontingenz als Entstehungsbedingung / Mangelhafte Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern 2. Erscheinungsformen der Organisationslücke IT ohne Organisation / IT vor Organisation / IT statt Organisation 3. Zusammenfassung / Normstrategien Cui bono wer profitiert von Orga-Lücken? / Erfolgsfaktoren / Steuerungsgremien: Die Anwender organisieren und mobilisieren 16
Ansatzpunkte zur Überwindung Es (geht) um die Organisation, insbesondere Koordination der Entwicklung und des Betriebs solcher Informationsverarbeitungsverbünde (Kubicek) Organisation im Allgemeinen als Aufgabe Koordination der Entwicklung Koordination des Betriebs sich Begreifen als Informationsverarbeitungsverbund Erkennen der Interessen der Beteiligten 17
Wem nützen IT-Projekte, die scheitern? Beratern, Systemintegratoren, Denen, die dagegen waren Denen, denen unerwünschte Veränderungen erspart bleiben Finanzielle Gründe nicht genug Budget Politische Gründe Projekterfolg nicht erwünscht Wer ein IT-Projekt plant oder durchführt, sollte sich im Klaren sein, wem das Scheitern des Projekts nützen würde. 18
Organisationslücke: Beispiel IT-Planungsrat Deutschland-Online: 2003 2006: wenig Ressourcen, Organisationsstruktur kaum arbeitsfähig Neustart Juni 2006: bessere finanzielle Ausstattung, veränderte Organisation März 2009: Föderalismuskommission II empfiehlt Neuregelung der IT- Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern Standards und Kooperation durch IT-Planungsrat mit KOSIT Standardisierung von Datentransport/-austausch organisatorisch geregelt MEDIA@Komm 1999: Transport- und Inhaltsdatenstandards 19
Organisationslücke: Beispiel EGVP Initiativen aus NRW sowie der Bundesgerichte zusammengeschlossen Straffe Steuerung des Gesamtprojekts Lenkungskreis Arbeitsgemeinschaften Testcamps Anwender steuern den Entwicklungsprozess Organisatorische Anforderungen führen teils zu (aus technischer Sicht) erstaunlichen Ergebnissen, etwa Fax- Backend oder die Antworten-Diskussion Technik-Entscheidung folgte organisatorischen Kriterien 20
Erfolgsfaktoren I Ein Steuerungsgremium bilden Infrastrukturprojekte brauchen einen langen Atem Der Auftraggeber muss Herr des (langwierigen) Prozesses sein Institutionalisierung der Kommunikation zwischen IT sowie Anwendern Extensive Einbeziehung der Anwender, Befassung der Anwender mit der Weiterentwicklung der IT durch seit Jahren geforderte Verbindung zwischen der Nutzung von IT / E-Government und der Organisationsarbeit (Wulff 2011) Anwendung etablierter Technologien statt cutting-edge Das Ziel erreichen statt etwas Schickes bauen 21
Erfolgsfaktoren II Begreifen des Vorhabens als Programm, weniger als Projekt Nicht nur die Implementierung sehen Den gesamten Lifecycle denken: Organisation Implementierung Betrieb Weiterentwicklung Eigentum am Programm begründen z.b. im rechtlichen Sinne z.b. Beteiligte zu buy-in bewegen, für die Sache begeistern 22
Informationstechnologie trifft Anwenderorganisation? 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jan Windheuser +49 421 204 95-55 jwi@bos-bremen.de bremen online services GmbH & Co. KG Am Fallturm 9 28359 Bremen www.bos-bremen.de 24