Kommunikation zwischen Arzt und Patient Grundlagen

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Transkript:

Kommunikation zwischen Arzt und Patient Grundlagen Dr. med. Andreas Walter Chirurgie München Nord Dr. Katja Unkel Consulting Training Coaching

Inhaltsverzeichnis Einführung: Der Arzt als Kommunikations-Manager Was ist Kommunikation? Eine Erklärung Vom Arzt zum Patienten Bruchstellen und Informationsverlust Grundregeln der Kommunikation: Die 5 Axiome von Paul Watzlawick 1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren 2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt 3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung 4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten 5. Axiom: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär Zusammenfassung und Fazit 2

Der Arzt als Kommunikations-Manager Arzt sein, ist ein sprechender Beruf. Neben der medizinischen Kompetenz bedarf es daher auch einer sprachlichen, kommunikativen Kompetenz. Ärzte müssen miteinander und anderen kommunizieren zur Erstellung und Übermittlung von Diagnosen zur Lösung von Sachproblemen zur Entscheidungsfindung zur Gestaltung der Zusammenarbeit zur Anerkennung und Kritik/Korrektur zur Erzielung von Resultaten Der Patient steht dabei im Mittelpunkt! 3

Was ist Kommunikation? Kommunikation von lat. communicare = teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, gemeinsam machen, vereinigen. Kommunikation ist die Übertragung oder Austausch von Informationen. Was in der Theorie so einfach erscheint, ist in der Praxis jedoch oftmals herausfordernd. Warum ist das so? Hierauf gibt es viele Antworten. Zusammenfassend kann man sagen, weil wir Menschen komplexe Wesen sind und Vieles die Übertragung von Information beeinflusst. Aber: Das Wissen um ein paar Grundlagen sowie die Beachtung einiger Regeln helfen, die Kommunikation deutlich zu verbessern für sich und für andere und zum Wohle des Patienten. 4

Was ist Kommunikation? Vom Arzt zum Patienten Kommunikation lässt sich vereinfacht als folgender Prozess oder Regelkreis beschreiben: 5

Was ist Kommunikation? Vom Arzt zum Patienten Dieser Regelkreis kann auch in Form von 6 Stufen dargestellt werden: 6

Was ist Kommunikation? Vom Arzt zum Patienten Beispiel: Patient kommt zum Arzt Patient fühlt sich unwohl und hat Schmerzen und dem Arzt mitgeteilt 7

Was ist Kommunikation? Bruchstellen Auf jeder Stufe des Regelkreises kann es zu Fehlern oder sogenannten Kommunikationsbrüchen kommen. Das, was man meinte wird nicht derart symbolisiert ( verpackt ) und ausgedrückt, so dass es der Arzt/Patient auch genauso versteht. Beispiel: Ein Bayer kommt zum Arzt und sagt, dass ihm der Fuß weh tut. Er meint aber das Bein, weil im Bayerischen Fuß = Bein sein kann. Beispiel: Der HNO Arzt bittet den Tinnitus-Patienten, sein Ohrgeräusch zu beschreiben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass hierbei Informationsverluste entstehen. (Denn wie beschreibt man ein Ohrgeräusch?) Man spricht auch von der Informationsverlust-Treppe 8

Was ist Kommunikation? Die Informationsverlust-Treppe Nichtsprachliche Information Sagen Hören Ausgesprochene Information Verstehen Informationsverlust-Treppe 9

Fazit Arzt sein ist ein sprechender Beruf. Damit die medizinische Kompetenz volle Wirkung erzielen kann, ist eine sprachliche, eine kommunikative Kompetenz notwendig. Kommunikation ist ganz einfach gesagt das Senden und Empfangen von Informationen. Dabei kodiert der Sender, dass was wer mitteilen möchte, schickt es an den Empfänger, welcher es wiederum dekodiert und für sich interpretiert. Da wir Menschen komplexe Wesen sind, ist es leider nicht immer so einfach mit der Kommunikation: es entstehen Bruchstellen und Informationsverluste. Man spricht auch von der Informationsverlust-Treppe 10

Grundregeln der Kommunikation: Die 5 Axiome Paul Watzlawick (1921-2007) war ein Psychotherapeut, Philosoph und Kommunikationswissenschaftler. Im deutschsprachigen Raum wurde er vor allem wegen seiner Veröffentlichungen zur und über die Kommunikation bekannt, obwohl sein Denken auch Einfluss auf die Familientherapie und Psychotherapie hatte. Watzlawick stellte im Rahmen seiner Kommunikationstheorie fünf pragmatische Axiome auf, die die menschliche Kommunikation erklären und ihre Paradoxie beschreiben. 11

Grundregeln der Kommunikation: Die 5 Axiome Diese Axiome werden im Folgenden dargestellt und erläutert. Sie helfen dabei, einige grundlegende Fehler und Missverständnisse in der Kommunikation mit anderen zu vermeiden. Denn das Wissen um die Störfaktoren, beseitigt diese oft schon. Zur vertiefende Lektüre, wird das Buch von Paul Watzlawick Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien empfohlen. Hinweis: Ein Axiom bezeichnet einen Grundsatz, der keines Beweises bedarf. Los geht es mit dem 1. Axiom 12

1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren. Nein, es handelt sich nicht um einen Tippfehler. Es geht vielmehr darum, zu zeigen, dass Kommunikation vielschichtig ist und weit über das reine Sprechen hinausgeht. Mimik, Gestik, Körperhaltung sprechen Bände, ganz ohne Worte. Auch Kleidung, Schmuck, Statussymbole kommunizieren. Genauso kommuniziert das Nähe-Distanzverhalten des Arztes, die Art der Begrüßung, der Händedruck (fest, locker, feucht, etc.). Selbst der Versuch, sich einer Kommunikation zu entziehen, ist bereits Kommunikation! 13

1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren. Beispiel: Ist der Chefarzt nicht da, dann kommuniziert er oder sie. Patienten können das ganz unterschiedlich deuten, wie z.b. Hmm, der interessiert sich halt nicht für einfache Fälle. Vermutlich hat er viel zu tun. Dem ist alles wichtiger nur die Patienten nicht. Daher empfiehlt es sich, im obigen Fall die Abwesenheit zu begründen bzw. von anderen begründen zu lassen, z.b. von der Schwester, dem stellvertretenden Arzt oder einem Aushang, wann der Chefarzt anwesend ist, etc. 14

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Vereinfacht lässt sich das wie folgt darstellen: Der Inhaltsaspekt ist das Was der Mitteilung. Der Beziehungsaspekt spiegelt die emotionale Beziehung wieder, die die beiden Kommunikationspartner haben. Kommunikation ist nicht nur der reine Austausch von Sachinformationen. Es geht immer auch darum, wie die Personen zueinander stehen. 15

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Der Beziehungsaspekt bestimmt dabei den Inhaltsaspekt. Er dominiert ihn. Er beeinflusst, wie der Patient den Inhalt der Nachricht interpretiert. Beispiel 1: Oftmals gibt mir erst die Antwort darüber Auskunft, wie die Beziehung der beiden Kommunikationspartner aussieht bzw. wie der Empfänger die Beziehung sieht. 16

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Beispiel 2: Und denken Sie an Ihre Leberwerte sagt der Arzt zum Patienten Müller. Müller antwortet: Ja, mache ich, Herr Doktor. Versprochen. Beim nächsten Familienfest der Müllers geht es lustig zu. Nach dem deftigen Essen werde Schnäpse gereicht. Frau Müller sagt zu ihrem Mann: Denk an Deine Leberwerte. Wie wird Herr Müller wohl reagieren? Das Beispiel zeigt, dass derselbe Inhalt völlig unterschiedlich aufgenommen werden kann; je nachdem in welcher Beziehung die beiden Kommunikationspartner zueinander stehen. Was bedeutet das für die Arzt-Patienten-Kommunikation? 17

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Die Arzt-Patienten-Beziehung sollte, eingebettet in die medizinische Kompetenz, geprägt sein von Vertrauen, Sorgfalt und unter Umständen von Fürsorge (um nicht von ärztlicher Seelsorge zu sprechen). Diese Beziehung gilt es herzustellen. Denn heutzutage wird der Arzt immer weniger als Halbgott in weiß angesehen. Daher ist es ratsam, die Beziehungsebene im Blick zu haben, wenn Sie mit Patienten kommunizieren. 18

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Ganz praktisch kann das so aussehen, dass man dem Patient in für ihn verständlichen Worten erklärt, warum man auf jene Diagnose kommt und warum man die Behandlung xy vorschlägt. Da jeder Patient anders ist, gilt es, den Patienten als Individuum anzusehen und ihn ernst zu nehmen auch in der Kommunikation. Das klingt einfach und banal in der täglichen Praxis wird die Umsetzung aber oft vergessen. 19

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Wie wichtig eine gute Beziehungsebene mit dem Patienten ist, veranschaulicht das bekannte Eisberg-Modell. Es verdeutlicht, dass Sprache zwar ein bedeutender Teil der Kommunikation ist, sie ist aber nicht mit ihr identisch. Das, was wir explizit aussprechen oder sichtbar machen, ist nur die Spitze eines Eisberges und macht je nach Situation nur bis zu 24% der Gesamtinformation aus! 20

2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Vieles, was uns Menschen prägt, bewegt, antreibt und leitet, liegt unterhalb der Wasseroberfläche. Salopp kann man sagen: je weiter unten es ist, desto weniger ist es in unserem Bewusstsein. Wenn ein Patient einen Arzt als reinen Seelsorger ansieht, dann wird seine Kommunikation und vor allem seine Wahrnehmung anders sein als bei einem Patienten, der rein aus medizinischen Gründen (ein gebrochener Arm, Durchfall oder Fieber) zum Arzt geht. Wenn ein Patient dem Arzt nicht vertraut und/oder die Beziehungsebene nicht stimmt, dann wird er ihm vermutlich auch nicht alles sagen, was für die Diagnose aber wichtig wäre. Der Arzt sieht dann z.b. nur eine allergische Reaktion der Haut, kennt die Ursache dafür aber nicht, weil ihm entscheidende Informationen fehlen. 21

3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung Arzt und Patient gliedern und zwar jeder für sich - den Kommunikationsprozess unterschiedlich auf. Das eigene Verhalten wird meist als Reaktion auf das Verhalten des anderen interpretiert. Das führt dazu, dass z.b. im Streit- oder Konfliktfall, oft der andere angefangen hat und somit Schuld ist. In dem Verhalten des anderen wird der Grund für den Konflikt gesehen. 22

3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung Nach Watzlawick lässt sich menschliche Kommunikation aber nicht in sogenannte Kausalketten zerlegen. Ursache und Wirkung verschmelzen bzw. verlaufen kreisförmig. Die Ursache wird zur Wirkung, die Wirkung wird zur Ursache. Interdependenz nennt man den Ablauf, in dem Ursache und Wirkung ihre Stellung im Kommunikationskreislauf verändern können. Im Folgenden ein Beispiel dazu. 23

3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung Beispiel: Der Ehemann stellt fest, dass die Ehefrau ständig nörgelt. Daraufhin zieht er sich zurück. Befragt man die Ehefrau, sagt diese, dass ihr Mann sich immer weiter zurück zieht, was sie ihm auch sagt. Bei einer erfolgreiche Kommunikation wissen die beteiligten Personen um dieses Phänomen ( Henne oder Ei Problem) und sprechen ihn im Konfliktfall offen an. Nimmt jedoch einer an, dass der andere dieselben Informationen besäße, wird die Kommunikation gestört. Was bedeutet das für die Arzt-Patienten-Kreislauf? 24

3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung Beispiel: Patient Schulze berichtet seinem Arzt von seinen Beschwerden. Plötzlich denkt er: Der hört mir gar nicht richtig zu. und kürzt die Ausführungen ab. Auf die Fragen des Arztes reagiert er wortkarg. Durch das vermehrte Nachfragen des Arztes gerät dieser in Zeitnot, weil das Wartezimmer voll ist und der Notfall am Vormittag die gesamte Planung durcheinander brachte. Der Arzt muss die Diagnose beschleunigen. Patient Schulze denkt: Der nimmt sich nicht die Zeit, mir richtig zuzuhören. und wird weiter wortkarg. 25

3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung Das zuvor genannte Beispiel soll zeigen, wie schnell eine Kommunikation schief laufen kann und wie sehr für den anderen verborgene Dinge (Eisberg-Modell) Einfluss nehmen können. Das können z.b. schlechte Erfahrungen mit anderen Ärzten sein, die nicht zuhörten, den Patienten nicht ernst nahmen, nach Schema F vorgingen etc. Wichtig ist, dass es hier nicht um Schuld geht, sondern um Eigenverantwortung. 26

4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten. Es sei an das 1. und 2. Axiom erinnert. Nicht nur das gesprochene Wort (digitale Kommunikation) zählt, sondern auch non-verbale Äußerungen (analoge Kommunikation) zählen: Digitale Kommunikation: Der Inhaltsaspekt einer Nachricht wird vermittelt wie z.b. komplexes Wissen, logische Verknüpfungen etc. Analoge Kommunikation: Die Beziehung und Beziehungsebene wird vermittelt. Analoge Kommunikation ist häufig mehrdeutig. Es gibt Tränen der Freude und des Schmerzes, ein Lächeln kann Sympathie oder Verachtung ausdrücken und eine Faust kann ein Symbol für Unterstützung oder Drohung sein. Watzlawick sagt in diesem Zusammenhang: Kommunikation besteht zu 7% aus Worten, zu 38% aus dem Tonfall und ist zu 55% nonverbal. 27

4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten. Wichtig ist: Passen für den Patienten die verbalen Äußerungen nicht zu den nonverbalen (man sagt z.b. Nein, nein, nehmen Sie sich ruhig Zeit und schaut dabei entnervt auf die Uhr), dann dominiert in der Regel das nonverbale Verhalten. Dasselbe gilt auch für den Tonfall. Die deutsche Sprache ist eine sinnbetonte Sprache: Operiert ihn, nicht warten! versus Operiert ihn nicht, warten! Non-verbale Kommunikation kann sich wie folgt ausdrücken: Körpersprache Raumsprache Objektsprache Blickkontakt Kleidung Distanzzone Mimik Schmuck Persönliche Zone Gestik Statussymbole Sitzplatzwahl Körperhaltung Einrichtung Körperkontakt 28

4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten. Das dominierende non-verbale Verhalten geschieht oftmals unbewusst. Es bietet Anlässe für Missverständnisse und Störungen in der Kommunikation. Um die non-verbale Kommunikation in die gewünschten Bahnen zu lenken, empfiehlt es sich als Arzt aktiv zuzuhören. Wer den anderen ausreden lässt und dabei schweigt aber aktiv zuhört (Blickkontakt, ab und zu ein verstehendes Nicken, ein Hmm, Aha, Ok) kommuniziert z.b. Sie haben meine volle Aufmerksamkeit. Achtung: Es gibt kein bewiesenes ABC der Körpersprache, d.h. man kann nicht jeder einzelnen Verhaltensweise eine bestimmte Bedeutung zuordnen. 29

5. Axiom: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär Je nachdem ob die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern auf Gleichgewicht oder auf Unterschiedlichkeit beruht, sind die zwischenmenschlichen Kommunikationsabläufe symmetrisch oder komplementär. Begegnen sich die Kommunikationspartner auf Augenhöhe und streben eine Gleichstellung und Gleichheit an, spricht man von symmetrischer Kommunikation. Herrscht eher eine Über- und Unterordnung vor und wird diese vor allem auch zum Ausdruck gebraucht, ist die Kommunikation komplementär. Es gibt immer einen superioren und einen inferioren Partner. Wird dieses Verhältnis von beiden Seiten anerkannt, ergänzen sich die Kommunikationspartner. Bemühen sich Sender und Empfänger nicht um Gleichheit oder wird das Über-/Unterordnungsverhältnis nicht anerkannt, kann das den Interaktionsprozess stören. 30

5. Axiom: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär Beispiele für Störungen: A sagt zu B: Nimm doch einen Mantel mit, es ist kalt geworden. B antwortet: Hör endlich auf, mich zu bemuttern. Der Chefarzt zur Anästhesistin: Vielleicht wurde bei der Voruntersuchung etwas übersehen. Wollen Sie mir etwa Fahrlässigkeit unterstellen? Krankenschwester A zu Krankenschwester B: Denkst Du daran, dass Patient C ab heute nur noch die halbe Ration Schmerztabletten bekommt? Krankenschwester B sagt: Natürlich, schon erledigt. Und denkt: Hält die mich eigentlich für total blöd? Das Ärzteteam betritt das Zweibettzimmer und begrüßt zuerst Patient A. Patientin B denkt: War ja klar, die Privatversicherten werden mal wieder bevorzugt behandelt. Wäre der Arzt zuerst zur Patientin B gegangen, hätte Patient A vielleicht gedacht: Natürlich, Blondinen bevorzugt! 31

5. Axiom: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär Auch hier gilt: Das Wissen um solche symmetrischen und komplementären Beziehungen lässt einen wachsam werden, denn viele Störungen passieren lediglich aus Unwissenheit, nicht aus Absicht. Einige der Beispiele zeigen ferner, dass es nicht immer in unserer Macht liegt, jegliche Störungen zu verhindern. Dennoch hilft es, bei einer unerwarteten Reaktion nicht reflexhaft zu kontern, sondern sich an die zuvor genannten 5 Axiome zu erinnern und auf der Sachebene die Störung oder das Missverständnis anzusprechen (sofern nötig und hilfreich). Das Wissen um die zuvor genannten Axiome und Regeln erleichtert und verbessert die Kommunikation. 32

Empfängerorientiert kommunizieren Ergänzend zu den 5 Axiomen soll ein weiterer Grundsatz genannt werden, weil er erfolgreiche Kommunikation maßgeblich beeinflusst. Hierzu eine kleine Übung vorab: Bitte nehmen Sie einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und machen Sie folgendes: Zeichnen Sie eine 10 cm lange horizontale Linie und schreiben Sie an den Anfang und das Ende den Anfangsund Endbuchstabens Ihres Nachnamens. 33

Der Sinn der Nachricht entsteht beim Patienten Nehmen wir beispielhaft meinen Nachnamen Unkel : Falsch ist: U L Richtig ist: UL UL Wer hat hier versagt? Richtig, der Sender, weil er eine missverständliche Botschaft formulierte. Der Sender ist verantwortlich, dass die Nachricht wie beabsichtigt ankommt. Es gilt empfängerorientiert zu kommunizieren. Das ist die Pflicht des Senders. Spreche ich also mit einem Arzt aus demselben Fachgebiet, einem anderen Fachgebiet oder spreche ich mit einem Patienten (welchen Hintergrund hat er oder sie?). 34

Zusammenfassung und Fazit Kommunikation ist vielschichtig und mehr als die bloße Übertragung von Daten oder Informationen. Störungen können an vielen Stellen passieren und oftmals unwissend zu Kommunikationsbrüchen führen. Das Wissen um die zuvor genannten Axiome und Regeln erleichtert und verbessert die Kommunikation. 1. Man kann nicht nicht kommunizieren. 2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. 3. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung. 4. Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten. 5. Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär. 35

Zusammenfassung und Fazit Neben dem Wissen um die Axiome und möglichen Störungen ist Eigenverantwortung zentral. Ich übernehme als Sender-Arzt die Verantwortung, patientenorientiert oder patientengerecht zu kommunizieren. Ich bemühe mich als Arzt so weit es irgend geht, in der Sprache des Patienten zu kommunizieren. (Das schließt in der Regel lateinische Begriffe, komplizierte, lange medizinische Fachbegriffe aus.) Als Empfänger-Arzt übernehme ich die Verantwortung, sicherzustellen, dass ich auch das verstanden habe, was der Patient gemeint hat. Ich frage nach und gebe eine sogenannte Verständnisquittung. Der Arzt wiederholt in eigenen Worten, was der Patient zuvor geschildert hat. (Und hört zuvor aufmerksam und aktiv zu.) Mit der Übernahme dieser Verantwortung ist man reibungsloser, wirksamer Kommunikation bereits einen großen Schritt näher. 36