IT-Product-Engineering



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Transkript:

Studienphase STUDIENFACH Hauptstudium IT-Product-Engineering Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow, Berlin / Dipl.-Wirtsch.-Inf. Falk Uebernickel / Dipl.-Wirtsch.-Ing. Carlos Bravo-Sánchez / Prof. Dr. Walter Brenner, St. Gallen IT-Produkte sind Dienstleistungen, die entsprechend den Kundenanforderungen konzipiert und konstruiert werden müssen. Dabei hilft das IT-Product-Engineering. Eine Vorgehensweise von IT-Dienstleistern Service-Engineering Software-Engineering 1. Zum Begriff Mithilfe des IT-Product-Engineering modellieren IT-Dienstleister ihre Angebote für Anwender bzw. Kunden. Dies kann beispielsweise die IT-Abteilung in einem Unternehmen sein, die ein IT-Produkt für eine andere Abteilung erstellt, aber auch außenstehende Business-Process-Outsourcing-Provider. Beim IT-Product-Engineering steht die Kundenorientierung im Vordergrund und damit die Frage, mit welchen IT-Produkten die Anwender/Kunden bei ihren Geschäftsprozessen unterstützt werden können. Es ist eine Methode, wie sich ausgehend von den Kundenanforderungen und unter Berücksichtigung fertigungstechnischer Gegebenheiten, der Applikationslandschaft und der IT-Infrastruktur absatzfähige IT-Produkte konstruieren und mit der gewünschten Qualität und Effizienz wirtschaftlich herstellen lassen. Diese Vorgehensweise erlaubt es dem IT- Dienstleister auch, sein Spektrum an IT-Produkten trotz komplexer Applikations- und Prozesslandschaften übersichtlich und effizient darzustellen. Das IT-Product-Engineering ist damit zwischen dem Entstehen der Anforderungen auf Anwender-/Kundenseite und der Erstellung der IT-Produkte auf Dienstleisterseite angesiedelt. Im Gegensatz zum IT-Produkt-Engineering konzentriert sich das Service-Engineering auf Dienstleistungen in der Güterindustrie, es geht also nicht um IT-Dienstleistungen. Beim Software-Engineering (methodische Software-Entwicklung) wird Software geplant, definiert, entworfen und realisiert, die den Funktionsanforderungen der Kunden entspricht (vgl. Balzert 2000, S. 39). Der Unterschied zum IT-Product-Engineering liegt beim Produkt. Während dieses beim klassischen Software-Engineering eine Software- Applikation ist, wird darunter beim IT-Product-Engineering eine Dienstleistung verstanden, die mithilfe von Anwendungen, Server, Speichern, Netzen und Personal erbracht wird. Mit Software-Engineering werden also Applikationen erstellt, die ein Baustein des späteren IT-Produkts sind. Frage 1: Was ist der Unterschied zwischen IT-Produkten und Software-Engineering? Komplexität des Problemlösungsprozesses Kundenund Anwenderorientierung Komponentenstandardisierung und -modularisierung 2. Nutzenpotenziale Mit IT-Product-Engineering als systematischer Methode lassen sich komplexe Probleme bewältigen. Ausgehend von den Anforderungen der Kunden sollen modularisierte und wenn möglich mit den vorhandenen Produktionsmitteln herstellbare IT- Produkte entwickelt werden. Während des gesamten Prozesses sind zahlreiche Probleme zu lösen und die Anforderungen verschiedener Beteiligter zu berücksichtigen. Dies erfordert eine Methode, mit der sich Rollen, Aktivitäten, Ergebnisse und Techniken spezifizieren lassen. Eine Methode, die diese Kriterien erfüllt, integriert auch den Kunden in den Entwicklungsprozess. Dies führt nicht nur zu einem kunden- und marktgerechten Produkt, sondern ermöglicht auch die Beschreibung standardisierter IT-Produkte entsprechend den Kriterien des Anwenders. Beim IT-Dienstleister führt die systematische Konstruktion von IT-Produkten zur Standardisierung von Komponenten. Diese können in unterschiedlichen Produkten gebündelt und angeboten werden. Ähnlich dem objektorientierten Paradigma in der Informatik soll durch eine möglichst hohe Standardisierung und Modularisierung die Wiederver- 1

STUDIENFACH Studienphase wendung von IT-Komponenten gefördert werden. Frage 2: Inwieweit unterstützt das IT-Product-Engineering die Forderungen der IT Infrastructure Library (ITIL) zur IT-Serviceorientierung? Bitte andere Frage, auf ITIL wurde im Text nicht eingegangen! Bestimmungsfaktoren des Konstruktionsprozesses 3. Die Konstruktion von IT-Produkten Die Konstruktion von IT-Produkten wird maßgeblich vom Neuigkeitsgrad und der organisatorischen Beziehung zum Kunden bestimmt. Was den Neuigkeitsgrad anbelangt, so lassen sich mit Neuentwicklung, Weiterentwicklung, Anpassung und Migration vier Grundtypen unterscheiden. Neuentwicklungen decken neue Bedürfnisse des Kunden ab, sie lassen sich nicht aus vorhandenen Produkten zusammenstellen. In diesem Fall muss das Produkt neu konzipiert, produziert und implementiert werden. Eine Weiterentwicklung beruht auf technischen Fortschritten, mit denen der Fertigungsprozess rationalisiert wird (Kostenersparnis) oder die zur einer besseren Produktqualität (z.b. höherer Service Level) führen. Anpassungen erfolgen bei bestehenden IT-Produkten, sie werden aufgrund von Änderungen oder zusätzlichen Anforderungen der Geschäftsprozesse des Kunden erforderlich. Bei der Migration wird von einer bestehenden Leistungsaustauschbeziehung zwischen Dienstleister und Kunde ausgegangen, die im Sinne der IT-Produktorientierung neu abgebildet wird (sollte besser erklärt werden). Bei konzerninternen IT-Abteilungen besteht eine andere organisatorische Beziehung zum Kunden (andere Abteilungen im Unternehmen), als wenn das IT-Produkt von außenstehenden Business-Process-Outsourcing-Providern (BPO) konstruiert wird. Während sich IT-Abteilungen meist auf die IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen der jeweiligen Fachbereiche beschränken, übernehmen BPO-Provider personalintensive Geschäftsprozesse ihrer Kunden oft ganz oder teilweise. Aus all dem ergeben sich unterschiedliche Ziele beim Konstruktionsprozess, z.b. eine höhere Produktqualität, Sicherheit, Geschwindigkeit, Funktions- oder Kostenoptimierungen. Abb. 1: IT-Produktportfolio von Wasabi (Auszug) IT-Produktportfolio Nach Zarnekow et al. (2006) ist ein IT-Produkt ein IT-Leistungsbündel, das den Geschäftsprozess des Kunden unterstützt (vgl. Böttcher/Meyer 2004). Die Vorgehensweise wird am Modellunternehmen Wasabi demonstriert. Abb. 1 zeigt einen Ausschnitt aus dem IT-Produktportfolio des Fachbereichs Personalabteilung, der mit Aufgaben wie Lohnabrechnung, Recruiting etc. befasst ist, wobei er durch Informationssysteme unterstützt werden muss. Wasabi verfügt über zahlreiche Applikationen. Durch IT-Product-Engineering erfolgte eine Migration der Leistungsbeziehungen in ein IT-Produktportfolio, das sich aus IT-Produkten wie Personalreporting, Lohnabrechnung und 2

Studienphase STUDIENFACH Druck etc. zusammensetzt. Verwendung industrieller Methoden Das Vorgehensmodell in Abb. 2 lehnt sich an klassische Konstruktionsmethoden der Industrie, insbesondere an die VDI-Richtlinie 2221 (Verein Deutscher Ingenieure), an. Es besteht aus sechs Schritten: Mit der Geschäftsprozessanalyse wird der Prozessablauf beim Kunden ermittelt. Durch die Ermittlung der Funktionen wird der Nutzen der einzelnen Geschäftsprozesse identifiziert. So liegt oft eine 1 : n Beziehung zwischen Geschäftsprozessen und Funktionen vor. In der letzten Phase werden Funktionen auch zur Produktbeschreibung verwandt. Der Abgleich von Funktionen, Informationssystem und Prozesslandschaften stellt die Verbindung der Funktionen zu den vorhandenen Produktionsmitteln (Anwendungssystemen) her. Das führt zur so genannten prinzipiellen Lösung, die vor allem bei Neukonzeptionen eine Rolle spielt. Dann folgt die Gestaltung und Bündelung der realisierbaren Module, d.h. die Produkte werden unter Berücksichtigung fertigungstechnischer Restriktionen gebildet. Bei der Gestaltung des gesamten Produktes werden die Bündelungsmöglichkeiten der Einzelprodukte geklärt. Zuletzt werden alle Produktbestandteile dokumentiert. Abb. 2: Vorgehensmodell in Anlehnung an VDI 1993 Wie Abb. 2 zeigt, ist auf allen Stufen ein Vor- oder Zurückspringen möglich. Konstrukteure von IT-Produkten sollten immer dann von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn sich eine neue Informationslage ergibt oder ein Schritt irrelevant ist. Von den Prozessen zu den Produkten 3.1. Geschäftsprozessanalyse und Funktionsbestimmung Im Rahmen der Geschäftsprozessanalyse werden die Arbeitsabläufe beim Kunden analysiert und systematisch aufgezeichnet. Auf diese Weise erlangt der IT-Dienstleiter ein grundlegendes Verständnis der Geschäftsabläufe, ohne das eine Modellierung der IT-Produkte nicht möglich ist. Allerdings hat sich für die Konstruktion von Prozessen was die Systematik, den Detaillierungsgrad und die Prozesslänge anbelangt bis heute keine eindeutige Vorgehensweise herausgebildet, weshalb vor allem in dieser Phase die Erfahrungen und das Wissen der Konstrukteure besonders wichtig sind. Handelt es sich um einen Dienstleister wie einen BPO-Provider, der seine IT-Produkte auf dem Markt anbietet, muss außerdem eine Marktanalyse durchgeführt werden. Am Beispiel Wasabi wurden die Geschäftsprozesse der beiden Kunden A und B bei der Lohnabrechnung untersucht. Die Analyse ergibt die Prozessschritte Lohndatenbearbeitung, Abrechnungssimulation, Kontierungsprüfung, Lohnfreigabe, Lohnreporting und Lexikonabfragen. 3

STUDIENFACH Studienphase Funktionsspezifikation Analysemethoden Während mit der Geschäftsprozess- und Marktanalyse die Anforderungen und Geschäftsabläufe ermittelt und in einer kundenspezifischen Sprache beschreiben werden, transformiert die Spezifikation der Funktionen diese in eine informationsverarbeitungsnahe Sprache. Funktionen werden in Analogie zur Software-Technik als Aktionen interpretiert, die entweder Eingabe- in Ausgabedaten transformieren oder Veränderungen des Inhalts oder der Strukturen von Informationen bewirken (vgl. Balzert 2000). Bei Wasabi ergibt sich für die sechs Prozessschritte die Funktionsgliederung, wie sie aus Abb. 4 hervorgeht. Die Funktionen ergeben sich aus den Gesprächen mit den Anwendern und dienen der Zuordnung von Software-Anwendungen und Dienstleistungsprozessen. Beispiel (Bescheinigung Arbeitnehmer): Diese Funktion übernimmt den Ausdruck sowie den Versand der berechneten Lohnbescheinigungen an die Mitarbeiter von A. Dazu sind die Datensätze aus den Lohnbearbeitungs- und -berechnungssystemen auszulesen und für den Druck vorzubereiten. Zur Unterstützung eignen sich Entwicklungstechniken für maschinelle Systeme und Produkte sowie das Umfeld der traditionellen Software-Entwicklung. Beispiele: Marktpotenzialanalysen, Prozessanalysen sowie Methoden zur Funktionsbeschreibung und Strukturierung. Frage 3: Inwieweit ist der Prozess auf der Kundenseite für die Konstruktion von IT-Produkten maßgebend? System- und Prozesslandkarten 3.2. Abgleich zwischen Funktionen und der System-/Prozesslandschaft des Dienstleisters Anschließend erfolgt die Zuordnung der identifizierten Funktionen zur System- und Prozesslandschaft des IT-Dienstleisters (Dualität des Produktionsprozesses). Diese Unterscheidung ist wichtig, weil Teilfunktionen von Computer-Programme durchgeführt werden, aber auch personalintensiven Prozessen unterliegen. Für die Verbindungen zwischen Kundengeschäftsprozess und Applikationsebene des IT-Dienstleisters kann eine Software-Landkarte verwandt werden, die nach den Geschäftsprozessen angelegt ist. Sie sollte um die Dienstleistungsprozesse des IT-Dienstleisters erweitert werden. Es ist möglich, dass eine Applikation eine Vielzahl von Funktionalitäten unterstützt. Andererseits können Funktionsanforderungen des Kunden/Anwender identifiziert werden, die noch nicht von der bestehenden System- und Prozesslandschaft abgedeckt sind. Dann kommt eine Ergänzungsentwicklung in Betracht. Das Ergebnis ist eine Dokumentation der prinzipiellen Lösung, die sämtliche Möglichkeiten der Produktgestaltung aufgrund der Ist-Situation des IT-Dienstleisters ausweist. Für Wasabi wurden Landkarten entworfen, welche die Geschäftsprozesse des Kunden/ Anwenders mit den Funktionen und Systemen sowie Dienstleistungsprozessen des IT- Dienstleisters abbilden. Abb. 3 zeigt, dass ein Großteil der Funktionen durch eine Anwendung LODEB abgedeckt wird, die in Interaktion mit weiteren Anwendungen zwei Funktionalitäten der Lohnfreigabe durchführt. Außerdem wird die Funktionalität rechtliche Fragen durch jeweils eine Komponente der System- und Prozesslandschaft unterstützt. 4

Studienphase STUDIENFACH Abb. 3: Landkarte zum Verbinden von Funktionen mit der System- und Prozesslandschaft des IT-Dienstleisters Das Gestalten realisierbarer Module 3.3. Modul- und Produktgestaltung Realisierbare Module sind im Sinne des IT-Product-Engineering Fertigungsprodukte des IT-Dienstleisters, die Funktionalitäten der System- und Prozesslandschaft des Dienstleisters, ausgerichtet an den Kundengeschäftsprozessen, kapseln. In Erweiterung der meisten Methoden zur Bildung serviceorientierter Architekturen (SOA) bezieht das IT-Product-Engineering die Prozesslandschaft explizit in den Bildungsprozess ein. So werden Dienstleistungsprozesse wie die Bereitstellung von Desktops oder eine Support- Hotline mitberücksichtigt und beim nächsten Schritt der Produktgestaltung integriert. Aufgrund der starken Überschneidung mit den SOA-Konstruktionskonzepten kommt es zu Nutzeneffekten wie die Vermeidung fachlicher Redundanzen, die Identifizierung und Beseitigung von Abhängigkeiten sowie die Standardisierung der Fertigung und die Komponenten-Wiederverwendung. Für die Konstruktion eignen sich Techniken wie PIT-Modell, SOMA-Modell (IBM) und der Enterprise Service Design Guide (SAP). Abb. 4 zeigt die Anwendung bei Wasabi. Wie sich bereits aus der Analyse der Verbindung zwischen Prozess- und Applikationsebene ergibt, stellt die Anwendung LODEB einen Großteil der Funktionalität beim Kundengeschäftsprozess bereit. LODEB bedient sich dabei bestimmter Funktionen der Schnittstellen weiterer Applikationen (KKS, Elster, Sunopsis), die als separate Fertigungsprodukte gekapselt wurden. In der Praxis ist für die Fertigungsprodukte der Systemlandschaft auch der Begriff Service und Web Service üblich. Aufgrund der geringen Entflechtungsmöglichkeiten von Einzelfunktionalitäten der LODEB-Applikation entschied sich das Konstruktionsteam für ein einziges Fertigungsprodukt (Lohnbearbeitung), das gleich mehrere Prozessschritte unterstützt. Andererseits war es möglich, die Funktionalität des Druckes einer Lohn- und Gehaltsabrech- 5

STUDIENFACH Studienphase nung einzeln zu kapseln. Abb. 4: Bündelung von Fertigungsprodukten (Services) Dienstleistungsprozesse Katalogisierung der IT-Produkte Das Gestalten des gesamten Produktes Absatzkatalog Bei Wasabi wurde zudem der Leistungserstellungsprozess der Anwender-Support-Hotline (Prozesslandschaft) modelliert. Diese unterstützt gemeinsam mit der Internet-Anwendung LexCon die Funktionalität zur Klärung von Rechtsfragen bei Lohnabrechnungen. Das Ergebnis ist ein IT-Fertigungsproduktkatalog zur System- und Prozesslandschaft. Er sollte so aufgebaut sein, dass er neben der vollständigen Beschreibung auch Zusatzinformationen wie die Kombinationsfähigkeit von Fertigungsprodukten, die Voraussetzungen auf Kundenseite etc. enthält. Diese Informationen dienen nicht nur der Dokumentation, sondern sind auch die Grundlage für die Modellierung der Absatzsicht des IT- Dienstleisters. Ziel dieses Konstruktionsschrittes ist auch die Absatzsicht des IT-Dienstleisters. Die Absatzsicht ist die Verkaufsperspektive des IT-Dienstleisters. GMX, Google und Yahoo bündeln als führende Anbieter von E-Mail-Konten beispielsweise SMS-Service, E-Mail- Service, Spam-Schutz etc. zu kundenspezifischen IT-Produkten wie Light-, Premiumund Gold-E-Mail-Konten. Entsprechend müssen bei der Bündelung absatzfähiger IT-Produkte die Kunden-/Anwender- oder Marktanforderungen einbezogen werden. Darüber hinaus ist die Beschreibung der Absatzsicht das Bindeglied zwischen Kunden/Anwender und Dienstleister, weshalb die Fertigungsprodukte (Services) in der Kundensprache beschrieben werden müssen. Am Ende dieser Konstruktionsphase steht der Absatzkatalog. Er fasst die IT-Produkte kundenorientiert (Absatzsicht) zusammen. Gliederungskriterien können beispielsweise Kundengeschäftsprozesse, Bedürfnisse des Kunden, Branchen oder Qualitätskriterien sein. Bei Wasabi entstand anhand der Kundenwünsche von A und B ein Hauptprodukt mit mehreren optionalen Komponenten. Es ergibt sich aus der Schnittmenge der Anforderungen aller Kunden. Für Wasabi traf dies für das Fertigungsprodukt Lohnbearbeitung zu. Darüber hinaus wurde während der Geschäftsprozessmodellierung und Funktionsidentifizierung festgestellt, dass Unternehmen B den Druck der Lohnabrechnung selbst durchführen und diese Leistung nicht in Anspruch nehmen möchte. Da keine fertigungstechnischen Restriktionen bei der Herauslösung des Drucks aus der Systemlandschaft bestehen, wurde das Fertigungsprodukt Druck als optionale Komponente beim IT- Produkt Lohnbearbeitung und Druck gewählt. Ähnlich verhält es sich bei den Ferti- 6

Studienphase STUDIENFACH gungsprodukten Reporting, Lexikon und Hotline. Frage 4: Was ist der Unterschied zwischen Konstruktionsmethoden für Serviceorientierte Architekturen und dem IT-Product-Engineering? Fertigungssicht Absatzsicht 3.4. Ausarbeitung der Dokumentation Der letzte Arbeitsschritt ist die Dokumentation des gesamten Konstruktionsprozesses sowie der Fertigungs- und Absatzprodukte. Wie bereits erläutert, ist zwischen Fertigungsprodukten der System- und Prozesslandschaft zu unterschieden. Für Fertigungsprodukte der Systemlandschaft (z.b. Web Services) eignen sich bewährte Katalogsysteme wie UDDI (Universal Description, Discovery and Integration) oder Erweiterungsformen (vgl. Overhage/Thomas 2005). Für Fertigungsprodukte auf Basis von Dienstleistungsprozessen eignen sich klassische Prozess- und Ressourcenmodelle aus dem Dienstleistungssektor. Für die Dokumentation der Absatzsicht kann je nach Zahl der IT-Produkte und Produktvarianten, die angeboten werden sollen, zwischen einfachen Papierkatalogen, Online-Katalogsystemen und komplexen Produktkonfiguratoren gewählt werden. Hier sind die spezifischen Eigenschaften der IT-Produkte abzulegen. Sie umfassen neben funktionalen Beschreibungen auch Angaben zum Bezug des Produkts, Qualitätskriterien, Mengenangaben, Preisinformationen und die Nutzenaspekte für den Kunden/Anwender. Literaturempfehlungen: Balzert, H.: Lehrbuch der Software-Technik. Heidelberg 2000. Böttcher, M./Meyer, K.: IT-basierte Dienstleistungen. In: Fähnrich, K./van Husen, C. (Hrsg.), Entwicklung IT-basierter Dienstleistungen in der Praxis. Stuttgart 2004, S. 10-20. Bullinger, H.; Scheer, A.: Service Engineering Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Berlin Heidelberg 2003. OGC: Best Practice for Planning to Implement Service Management. The Stationary Office, Norwich, 2002. Overhage, S./Thomas, P.: WS-Specification: Ein Spezifikationsrahmen zur Beschreibung von Web- Services auf Basis des UDDI-Standards. In: Ferstl, O./Sinz. E.J./Eckert, S./Isselhorst, T. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik 2005, eeconomy egovernment esociety. Bamberg 2005, S. 1539-1558. VDI: VDI 2221 Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte. 2, Düsseldorf 1993. Zarnekow, R./Brenner, W./Pilgram, U.: Integrated Information Management. Applying Successful Industrial Concepts in IT. 1, Berlin 2006. Die Fragen werden im WISU-Repetitorium beantwortet. Antworten Frage 1: Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Engineering-Disziplinen ist, dass sich das Software-Engineering mit der Konstruktion von Anwendungssystemen auseinandersetzt, während das IT-Product-Engineering IT-Dienstleistungen für den Endanwender modelliert. Das Software-Engineering ist damit die Grundlage dafür, dass IT-Dienstleister ihren Kunden/Anwendern durch den zusätzlichen Einsatz von Personal, Software, Hardware und weiteren Ressourcen überhaupt IT-Produkte anbieten können. Aus dieser Sichtweise ist Software-Engineering die Aufgabe großer Software-Hersteller wie SAP, Oracle und Microsoft. Demgegenüber müssen IT-Dienstleister wie T-Systems, Accenture und CSC ein IT-Produktportfolio herstellen, das sich an den Bedürfnissen der Kunden ausrichtet. Hier kommt dann das IT-Product-Engineering zum Einsatz. 7

STUDIENFACH Studienphase Frage 2: Die IT Infrastructure Library (ITIL) ist ein Rahmenwerk für IT-Dienstleister, das die Prozesse des Service Supports und der Service Delivery beschreibt. Als Grundlage dieses Frameworks hat das Office of Government Commerce (OCG) IT-Services wie folgt definiert: The deliverables of the IT-Services organisation as perceived by the customers; the services do not consist merely of making computer resources available for customers to use (OGC 2002). Diese Definition aufgreifend, unterstützt das IT-Product-Engineering die systematische Konstruktion und Ableitung von IT-Produkten für IT-Dienstleister. IT-Produkte (engl. IT-Services) werden auf Basis von Markt- oder direkten Kundenanforderungen formuliert und systemtechnisch abgeleitet. Frage 3: Der Geschäftsprozess des Kunden ist in vielerlei Hinsicht für die Modellierung von IT- Fertigungs- und Absatzprodukten wichtig. Zum einen verschafft die detaillierte Analyse der Kundengeschäftsprozesse Einblick in die Arbeitsweise und Probleme des Kunden, was sich positiv auf die Produktkonstruktion auswirkt. Zum anderen sind die Anforderungen sowohl bei der Produktbildung als auch bei der Beschreibung von Absatzprodukten zu berücksichtigen. So fließen die Kundenanforderungen hinsichtlich Menge, Qualität und Funktionalität in die Definition der Fertigungsprodukte ein. Bei den Absatzprodukten nutzt der Konstrukteur die gewonnen Kundenprozessdaten, um daraus sinnvolle IT-Produktbündel und Varianten abzuleiten (vgl. das E-Mail-Beispiel mit den Produktvarianten Light, Premium und Gold ). Frage 4: Methoden zur Konstruktion von SOAs wie sie beispielsweise von SAP zur Bildung von Enterprise Services oder von IBM zur Konstruktion von Service Components genutzt werden sind ein Teil der Techniken zur Ableitung von IT-Fertigungsprodukten mit IT- Product-Engineering. Darüber hinaus erweitert die hier vorgestellte Methode den Konstruktionsraum in mehrfacher Hinsicht: 1) Auf der Ebene der Fertigungsprodukte müssen nicht zwingend Software-Komponenten als Repräsentanten für systemtechnische Fertigungsprodukte existieren. Stattdessen ist es in den ersten Modellierungsphasen ausreichend, das reine Dokumentationsbeziehungsmuster zu wählen und erst in späteren Phasen diese Beziehungen durch eigenständige Komponenten abzubilden (z.b. durch Web- Service-Technologien). 2) Das IT-Product-Engineering berücksichtigt in der Phase Das Gestalten realisierbarer Module auch die Prozesslandschaft des Dienstleisters. Dadurch werden Dienstleistungen, wie Stammdatensatzpflege, Einrichtevorgänge und Supportprozesse systematisch in die Fertigungsproduktmodellierung einbezogen. 3) Die Methode erweitert die bestehenden Konstruktionsverfahren um die Absatzsicht. Während sich viele Methoden ausschließlich auf die technische Realisierung und Abbildung konzentrieren, bezieht diese Methode die Verkaufssicht des IT-Dienstleisters ein und berücksichtigt dabei fertigungstechnische Restriktionen. 8