Ausschuss: ULA, Sitzung am 05.10.2012, RP Kassel



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Transkript:

Öffentliche mündliche Anhörung Stand: 29.08.2012 Ausschussvorlage ULA/18/39 Teil 3 Ausschuss: ULA, Sitzung am 05.10.2012, RP Kassel Stellungnahmen zu: Antrag Drucks. 18/5541 und Fragenkatalog Fracking Dr. Scholle S. 190 Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, Prof. Dr. Ewers S. 202 Dr. habil. Ralf E. Krupp S. 208 Landkreis Kassel, Landrat Uwe Schmidt S. 230

190 Dr. Scholle Stellungnahme zur Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten für den Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Hessischen Landtages am 10. September 2012 In sechs Bundesländern soll die Erkundung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten - in Nordrhein-Westfalen im großen Stil - betrieben werden. Hierbei soll u. a. auch das Fracking- Verfahren in der Bohrtechnik zum Einsatz kommen. Wie aus Niedersachsen, den USA und Australien bekannt wurde, sind dort im Zuge des Einsatzes des Fracking-Verfahrens bereits Umweltschäden (Bodenverunreinigungen, unkontrollierte Gasaustritte, Zerstörung von Landschaften, Verunreinigung von Wasser) eingetreten, weitere Auswirkungen sind grundsätzlich möglich. In NRW ist das Fracking daher per Erlass seit Nov. 2011 solange verboten, bis die möglichen Umweltauswirkungen im Rahmen eines Gutachtens untersucht worden sind, welches im Herbst 2012 vorliegen wird. Diese Initiative ist dringend erforderlich und wird von der Wasserwirtschaft ausdrücklich begrüßt. Dies gilt ebenso für die in NRW bestehende Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Vorhaben. Leider wurde in Niedersachsen in der Vergangenheit ohne diese Erlaubnis gearbeitet. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass diese Untersuchungen im Einzelfall und in der konkreten Lokalität von Bohransatzpunkten grundsätzlich durch weitere Untersuchungen im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung ergänzt werden müssen. Unabhängig von diesen Anforderungen im Einzelfall muss generell entschieden werden, ob und wo diese Gasvorkommen ohne eine Gefährdung oder Schädigung der Umweltkompartimente erkundet und gehoben werden können und wo dieses aus Vorsorgegründen, etwa in sensiblen Gebieten, unterlassen werden sollte. Energiewirtschaftlich sehe ich derzeit keinerlei Notwendigkeit, die Exploration mit derartigen Methoden zu beschleunigen. Es herrscht kein Mangel an Erdgas auch unter Berücksichtigung möglicher zukünftiger Mehrbedarfe in den nächsten 30 Jahren. Aufgrund der möglichen nachhaltigen Schädigung von Grundwasserressourcen sind gründliche Prüfungen und Auswertungen aller Erkenntnisse nötig, um eine grundsätzliche Entscheidung zur Anwendung dieser Methode in Deutschland zu fällen. Auch die schwerwiegenden Eingriffe in die Natur in 1

191 einem Ballungsgebiet wie Deutschland mit Ewigkeitsschäden müßten bei der Diskussion viel stärker berücksichtigt werden. Außerdem sollte auf jeden Fall ein Gutachten der amerikanischen Umweltbehörde im Auftrag des Präsidenten berücksichtigt werden, das 2014 vorliegen wird und auch die bisherigen Erfahrungen berücksichtigen wird. Insofern kann dem Antrag, der dem Landtag vorliegt, nur begrüßt und befürwortet werden. Das sind die Möglichkeiten, die der Landesgesetzgeber hat. Es werden z.b. bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nur europäische Standarts gefordert, die Deutschland nicht umgesetzt hat. Der Landtag sollte trotzdem überlegen, ob es nicht sinnvoller und praktikabeler und rechtlich einfacher und klarer ist, diese Form der Bohrung und Förderung für die nächsten zehn Jahre zu verbieten, aber mit dem Zusatz, eine aktive Erforschung zu unterstützen, um unkonventionelles Erdgas umweltverträglich zu fördern. Die Nationalversammlung in Frankreich ist diesen Weg gegangen mit 2 Monaten Beratung- mit den Stimmen aller Parteien. Auch die Niederlande verbietet diese Bohrungen. Damit können die Förderunternehmen keine Rechtspositionen aufbauen. Eine Änderung der bestehenden Gesetze dauert erfahrungsgemäß sehr lange, so dass die Unternehmen die Zeit nutzen werden, um Rechtspositionen auszubauen. Erdgas, das wir konventionell fördern, ist ein sehr umweltfreundliches Produkt. Dieses Produkt darf nicht mit einer Diskussion belastet werden, die kommen wird, wenn wir auch unkonventionelles Erdgas fördern, denn dieses Gas ist nach allen bisher bekannten Ökobilanzen extrem umweltbelastend. Das sehe ich auch als jemand, der früher als Präsident die Interessen der deutsche Gas- und Wasserwirtschaft vertreten hat. 2

192 1. Halten Sie eine Verfahrensbeschreibung des Antragstellers im Rahmen der Beteiligung der Landkreise gemäß Bundesberggesetz ohne konkrete Benennung der verwendeten Chemikalien/Additive für geeignet, eine erforderliche Risikobewertung vorzunehmen? Die rechtliche Grundlage für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Deutschland ist das Bundesberggesetz (BBergG). Zweck des Gesetzes ist gemäß 1 BbergG u. a., das Aufsuchen und Gewinnen bei schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern sowie die Vorsorge gegen Gefahren, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben, zu verstärken. Um diesen Grundsätzen gerecht zu werden, benötigt die Bergbehörde im Rahmen der Zulassung von Bergbauvorhaben (im Rahmen einer Erlaubnis oder Bewilligung) alle Informationen über das Bergbauvorhaben, die erkennen lassen, welche Gefahren entstehen können und welche Vorsorge zu treffen ist. Dazu gehören uneingeschränkt auch die verwendeten Chemikalien/Additive. Darüber hinaus ist im Falle der Erlaubnis einer Aufsuchung abzuwägen, ob gem. 11 BbergG überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen und einer Zulassung entgegenstehen. In diesem Abwägungsprozess hat die zuständige Bergbehörde gemäß 15 BbergG andere Behörden, also etwa die Untere Wasserbehörden der Landkreise, zu beteiligen. Hierbei ist zudem zu prüfen, ob die mit dem Bergbauvorhaben im Zusammenhang stehenden Eingriffe eine Benutzung im Sinne 9 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) darstellen und einer entsprechenden Zulassung bedürfen, was auch nur bei Kenntnis der verwendeten Chemikalien/Additive möglich ist. Eine Verfahrensbeschreibung des Antragstellers ist daher nur unter Angabe der Zusatzstoffe vollständig und geeignet. Aus Amerika wissen wir, dass die Unternehmen mit allen Mitteln und Tricks verhindern, alle Zusätze zu nennen, Stichwort Betriebsgeheimnis. Diese Unternehmen sind auch hier tätig. 2. Sind die nach dem Bundesberggesetz den Trägern öffentlicher Belange vorzulegenden Antragsunterlagen ausreichend, um eine fachspezifische Auseinandersetzung sicherzustellen? Die Aufsuchung und Gewinnung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten ist mit Umweltauswirkungen verbunden, die im Einzelfall und bezogen auf die Örtlichkeit untersucht werden müssen. Dieses auszublenden, wäre unverantwortlich. Der Unterschied zu anderen Vorhaben ist vor allem durch die Vielzahl an Bohrungen gegeben, die zur Ausschöpfung der 3

193 Lagerstätten erforderlich sein werden. Sowohl mit den Erkundungs- als auch mit den Gewinnungsbohrungen können weitreichende Umweltauswirkungen verbunden und Interessen Dritter betroffen sein. Im Sinne der Abgrenzung der Auswirkungen der Gasgewinnung von bereits vorhandenen Effekten (z. B. bestehende natürliche Methangasaustritte) kann eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands vor der Aufnahme der bergbaulichen Tätigkeiten erforderlich sein. Die einzureichenden Antragsunterlagen müssen detailliert genug sein, um die mit dem Bergbauvorhaben verbundenen Auswirkungen erkennen und beurteilen zu können. Der Verfahrensbeschreibung muss zudem zu entnehmen sein, mit welchem Verfahren aufgesucht/gewonnen werden soll, also mit oder ohne Fracking, mit welchen Zusatzstoffen gearbeitet wird, welche Störfallvorsorge getroffen wird und wie eine fachgerechte Entsorgung von entstehenden Abwässern vorgesehen ist. 3. Sind Sie für die vollständige Offenlegung der verwendeten Additive und der exakten Zusammensetzung der Fracking-Chemikalien für jeden einzelnen Frack sowie die Registrierung der verwendeten Chemikalien gemäß der REACH-Verordnung? Für die vollständige Offenlegung der verwendeten Additive gelten die Ausführungen zu Frage 1. Die REACH-Verordnung ist eine EU-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft getreten ist, und die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien EU-weit regelt, also auch in Deutschland gültig ist. U. a. müssen bei der Zulassung von Stoffen gemäß REACH Informationen über deren genaue Verwendung vorliegen, damit später Angaben zur Exposition gemacht und geeignete Risikominderungsmaßnahmen entworfen werden können. Eine Registrierung der beim Fracking eingesetzten Chemikalien dient damit der Gefahrenvorsorge und wird damit den Grundsätzen des 1 BbergG gerecht. 4. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass es bei Bohrungen zu Leckagen kommt und Chemikalien und/oder Additive ins Grundwasser gelangen? Welche Erfahrungswerte gibt es dazu beispielsweise aus den USA? Bei den notwendigen komplizierten Bohrungen ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es zu Unfällen kommt, weshalb es unverantwortlich ist, in Ballungsgebieten wie Deutschland solche Verfahren einzusetzen. Bei den Erdgasgewinnungen in den USA ist bekannt geworden, dass Schäden und Gefährdungen eingetreten sind, wie die Zerstörung von Deckschichten, die 4

194 Gefährdung von Wasserversorgungsanlagen oder unkontrolliertes Austreten von Gas (Osborn et al., 2011). Die amerikanische Umweltbehörde prüft derzeit in einer groß angelegten Studie die Folgen der Erdgasgewinnung durch Fracking. Aus Niedersachsen sind Bodenverunreinigungen mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen durch den Transport von Abwässern bekannt und in Basel ist es infolge von Erdwärmebohrungen mit Fracking zum Auslösen von Erdbeben gekommen. In einer Studie der Duke University, North Carolina (Top 10 der US Universitäten) wurden 68 Trinkwasserproben aus privaten Hausbrunnen in Pennsylvania und New York (State) untersucht. Die Brunnen waren zwischen 36 bis 190 m tief. Die zur Erdgasgewinnung mittels Fracking genutzten Marcellus-Schiefer liegen im Untersuchungsgebiet zwischen 900 1.800 m tief. 33 der Brunnen lagen in einem aktiven Gebiet der unkonventionellen Erdgasgewinnung, d. h. eine oder mehrere Gasbohrungen in max. 1 km Entfernung. Die Brunnen innerhalb aktiver Gewinnungsgebiete wiesen im Mittel Methankonzentrationen von 19,2 mg/l auf (max. 64 mg/l). Die Autoren gehen davon aus, dass durch Gasphasentransport das Methan in den oberen Grundwasserleiter gelangt ist. Als Transportmechanismen kommen undichte Gasbohrungen oder künstliche (Fracking, alte Bohrungen) oder natürliche Trennfugen im Gestein in Frage. Die Studie belegt somit, dass auch bei Erdgasgewinnungen aus 1.000 m Tiefe und mehr Methan als Gasphase aufsteigen kann. Im Rahmen einer eigenen Erkundung der GELSENWASSER AG wurde ein Hausbrunnen in Pennsylvania besichtigt, der durch nahegelegene Fracking- Maßnahmen in 3.000 m Tiefe der Firma Carbot Oil so weit beeinträchtigt war, dass er nicht mehr zur Trinkwasserversorgung genutzt werden konnte. Der Brunnen weist eine hohe Trübung und hohe Methangas-Gehalte auf. 5. Wie stark schätzen Sie die Gefährdung des Grund- und/oder Trinkwassers durch die verwendeten Chemikalien und Additive bei den Erkundungsbohrungen ein? Bohrungen stellen gemäß DVGW-Richtlinie W 101 für Trinkwasserschutzgebiete, Teil 1 Schutzgebiete für Grundwasser, grundsätzlich ein sehr hohes (Schutzzone I) bis weniger hohes Gefährdungspotenzial (Schutzzone III) dar. Zudem dürfen gemäß 13 in Verbindung mit Anlage 7 der Grundwasserverordnung Einleitungen gefährlicher Schadstoffe in das Grundwasser nicht zugelassen werden. Hierzu zählen persistente Kohlenwasserstoffe sowie persistende und bioakkumulierende organische toxische Stoffe und zahlreiche Metalle. 5

195 Im Bereich der wasserführenden Schichten, die im Rahmen der Trinkwasserversorgung genutzt werden, besteht die Gefahr des Eintrags von Bohrzusätzen/Frackwasser/Formationswasser. Dieses muss dauerhaft wirksam verhindert werden. Die Dichtheit von Deckschichten oder im Untergrund vorhandenen Trennschichten darf im Zuge der Bohrung/Fördermethoden nicht verletzt werden, auch nicht durch die bei der Gewinnung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten üblichen, hohen Bohrdichten von bis zu 6 Bohrungen pro km² (Summenwirkung, Perforierung des Untergrundes). Andernfalls besteht die Gefahr der Verschmutzung des Grundund Trinkwassers. Das Gefährungspotential für das Grund- und Oberflächenwasser ist groß. Nur wenige Firmen, wie zum Beispiel EXXON, veröffentlichen die eingesetzten Chemikalien. Andere erklären dieses zum Betriebsgeheimnis. Nach Auswertung der im Internet veröffentlichten Daten aus 27 Fracking-Maßnahmen von EXXON, also etwa 25 % der bisherigen Fracks, werden pro Bohrstelle bis zu 45 Tonnen an Zusätzen gebraucht, davon etwa 19 Tonnen gefährliche Chemikalien (nach Gefahrstoffrecht), 11 Tonnen giftige Chemikalien (nach Gefahrstoffrecht). Ansonsten handelt es sich hierbei größtenteils um die Zugabe von Sand. An anderen Stellen sind auch Erdöldestillate, wie Dieselöl und Petroleum, zum Einsatz gekommen. In Bezug auf einige Wirkstoffe, wie z. B. Biozide, reichen schon Mikroverunreinigungen (1 µg/l entspricht 0,000001 g/l) aus, um das Trinkwasser zu gefährden. Die Besorgnis ist daher groß, dass die beim Fracking eingesetzten Chemikalien in die zur Trinkwasserversorgung genutzten Ressourcen gelangen. Im Mittel werden den Bohrungen beim Fracking nach Angaben der beteiligten Unternehmen allein 45 kg an Bioziden beigefügt. Eine Einleitung der Fracking- und Formationswässer in Gewässer ist unbedingt zu verbieten und ungewollte Einleitungen über Unfälle oder Undichtigkeiten sind durch Vorsorgemaßnahmen auszuschließen. Im übrigen müssen Chemikalien, Sand, Wasser, Abwasser usw. transportiert werden. In Amerika mussten die entsprechenden Straßen ausgebaut werden. 6. Wie viel Wasser wird bei Erkundungs-. Probe- und Förderbohrungen verwendet? Wie viel dieses Wassers kann wiederverwendet/aufbereitet werden? Wie kann eine ordnungsgemäße Entsorgung des Abwassers sichergestellt werden? Beim Aufbrechen des Gesteins durch das Fracking werden an der Bohrstelle neben Wasser (7.500 bis 15.000 m³ (UBA, 2011)) vor allen Dingen große Mengen an Chemikalien eingesetzt, deren Substanzen z. T. als giftig, wassergefährdend, karzinogen oder mutagen eingestuft sind (UBA, 2011). Der Einfluss der Chemikalien im Untergrund und das Langzeitverhalten der 6

196 Bohrabdichtungen sind derzeit unzureichend untersucht. Das eingesetzte Wasser kann sowohl aus der öffentlichen Wasserversorgung als auch aus eigens dafür errichteten Förderbrunnen stammen. Im letzteren Fall ist zu klären, ob das nutzbare Grundwasserdargebot nicht überschritten wird bzw. ob es zu einem Konflikt mit der öffentlichen Wasserversorgung durch konkurrierende Wasserentnahmen aus dem Grundwasser kommen kann. Die Entsorgung der anfallenden Abwässer, also Fracking- und Formationswasser (auch als flow-back bezeichnet), ist nicht gelöst. Kommunale Kläranlagen schaffen die Reinigung aufgrund der Inhaltsstoffe, wie Biozide und Radionuklide, nicht. Eine Einleitung in Gewässer scheidet ebenfalls aus. Die Versenkung der Abwässer in der Tiefe mittels so genannter Disposalbohrungen, also benachbarter Versickerungsbrunnen, ist auch keine Lösung, da das Verhalten und der Verbleib der Abwässer im Untergrund bisher nicht untersucht wurde und nicht kontrollierbar ist. Eine aufwendige Entsorgung des Fracking- und Formationswassers vergleichbar der von Industrieabwasser ist denkbar und muss aufgrund der wechselnden Zusammensetzung des Abwassers während der Produktionsphase (anfangs höhere Anteile an Fracking-Zusätzen, später vorwiegend Formationswasser) sorgfältig geplant werden. Eine Kombination mehrerer Reinigungsverfahren ((Membran-)Filtration, Flockung, Adsorption, Ozonung, etc.) wird voraussichtlich zum Ziel führen. 7. Welche Emissionen gehen mit welchen möglichen Auswirkungen auf den Menschen von Förderanlagen in der Explorations- und in der Betriebsphase aus? Bedenklich ist beim Fracking, dass aufgrund der schwierigen Lagerstättenverhältnisse mit einer Vielzahl von Bohrungen zu rechnen ist, um die Gasvorkommen zu heben. Die möglichen Gefahren vervielfältigen sich damit ebenfalls. Die nachfolgenden Umweltauswirkungen sind grundsätzlich sowohl in der Explorations- als auch in der Betriebsphase denkbar oder bereits durch Veröffentlichungen bekannt geworden: Gewässer- und Bodenverunreinigungen, etwa durch Leckagen im Deckgebirge, im Bereich von Bohrungen, durch Fracking-Zusätze und das Formationswasser oder durch den Betrieb unkontrollierbare Methangasaustritte Beeinträchtigung der bestehenden Wasserversorgung durch konkurrierende Wasserentnahmen für das Fracking Auslösen von Erdbeben durch Fracking-Vorgänge (z. B. Erdwärmevorhaben in Basel) 7

197 Perforierung von Deckschichten aufgrund der hohen Bohrdichte (bis zu 6 pro km²) Unfälle am Bohrplatz (Brände, Gas- und Chemieaustritte) Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe, Radionuklide im Abwasser; Umweltschäden aufgrund nicht fachgerechter Abwasserentsorgung Frackinggebiete sind auf Dauer keine Naherholungsgebiete mehr 8. Wie schätzen Sie das Risiko von Erdstößen, verursacht durch die Bohrungen, in Nordhessen ein? Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass beim Fracking die gleichen Fehler beim Bohren eintreten, wie sie aus der Nutzung der Erdwärme bekannt geworden sind. In Staufen / Baden- Württemberg ist im Nov. 2008 bei ca. 140 m tiefen Bohrungen in einen Quellhorizont hinein gebohrt worden. Seitdem gerät die Stadt aus den Fugen. In der Altstadt ist ein Schaden an der Bausubstanz in zweistelliger Millionen-Höhe entstanden. In Basel ist bei 5.000 m tiefen Geothermiebohrungen im Dez. 2006 ein Erdbeben der Stärke 3,4 ausgelöst worden. Ob Erdstöße konkret in Nordhessen eintreten können, hängt vom Vorhandensein anfälliger geologischer Vorbedingungen, beispielsweise Bruchzonen, ab, deren Auftreten im Einzelnen noch untersucht werden müsste. 9. Wie bewerten Sie, dass die beantragte seismische Erkundungslinie u. a. quer durch Naturparke führt? Seismische Erkundungsverfahren kommen im Rahmen von vielfältigen ingenieur- oder hydrogeologischen Untersuchungen, etwa bei Baugrunduntersuchungen, zum Einsatz. Deren Auswirkungen sind über lange Jahre erprobt und sie fallen ausschließlich lokal, kurzzeitig und nicht dauerhaft an. Zu nennen sind Verfahren wie Reflexions- oder Refraktionsseismik oder Bohrloch-Seismik. Die Umweltauswirkungen sind im Allgemein als gering anzusehen bzw. vernachlässigbar. Inwieweit es zu Konflikten mit Naturparken kommt, hängt vom Einzelfall und den konkret ausgewählten Standorten und Verfahren der Untersuchung ab und ist genauer zu betrachten. Die staatlichen Geologen in NRW sagen, dass Erdstöße der Stärke von gut 3 entstehen können. 10. Sehen Sie die Beteiligung der Kommunen und der Öffentlichkeit nach dem Bundesberggesetz als ausreichend und zeitgemäß an? Was sollte noch Ihrer Meinung anders geregelt werden? 8

198 Die Beteiligung der Kommunen und der Öffentlichkeit sind derzeit nur unzureichend geregelt. Aufsuchungs- und Gewinnungsfelder werden auf Antrag gemäß 6 und 7 oder 8 BBergG zugelassen unter Beachtung der Versagungsgründe nach 11 oder 12 BBergG. Hierbei ist gemäß 15 BBergG derzeit lediglich eine Beteiligung anderer Behörden vorgesehen, ohne dass die Bergbehörde bei der späteren Zulassung an deren Entscheidung gebunden wäre. Da die Umweltverträglichkeitsprüfung wegen der geringen Fördermenge nicht obligatorisch für Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten ist, findet auch kein Planverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung statt. In NRW und Niedersachsen ist eine partiell vorhandene Integration der Öffentlichkeit nur das Ergebnis des öffentlichen Drucks u. a. durch die Medien und Interessensgruppen. In dieser Hinsicht sind sowohl das BBergG als auch die Umweltverträglichkeitsverordnung Bergbau (UVP-V Bergbau) als bundesweit geltende Regelungen anzupassen (s. auch Frage 12). 11. Wie stehen Sie zu den Forderungen, bereits für die Erkundungsbohrungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen? Soweit im Rahmen der Erkundung Tiefbohrungen mit/ohne Fracking vorgesehen sind, sind die möglichen Umweltauswirkungen die gleichen wie bei einer Gewinnung, d. h. es sind damit die gleichen Anforderungen an die Betrachtung möglicher Umweltauswirkungen zu stellen. 12. Wie bewerten Sie die Bundesratsinitiative von Nordrhein-Westfalen zur Novellierung des Bundesberggesetzes? In der v. g. Gesetzesinitiative werden Vorschläge zur Einführung einer generellen UVP-Pflicht für die in Rede stehenden Erdgasvorhaben gemacht, die ich ausdrücklich befürworte. Die Umweltverträglichkeit von Vorhaben im Rahmen eines Planverfahrens mit einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung zu untersuchen, ist eine bewährte Praxis, sei es bei der Gewinnung von Steinkohle oder bei der Errichtung von künstlichen Wasserspeichern von mehr als 10 Mio. m³ Inhalt. Selbst bei der Verlegung von Wasserfernleitungen von 10 km Länge außerhalb einer Gemeinde ist eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgeschrieben. Und das alles, obwohl man die genannten Tätigkeiten zum Teil seit mehr als hundert Jahren ausübt. In Bezug auf die Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten sollte mindestens eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung, die Beteiligung Betroffener, das Einvernehmen 9

199 insbesondere mit den Wasserbehörden, und das Versagen der Aufsuchung sowie der Gewinnung in Vorsorgegebieten zukünftig gesetzlich geregelt werden. Nach derzeit geltender Regelung, der UVP-V Bergbau, bedürfen lediglich Vorhaben zur Gewinnung von Erdgas mit einer täglichen Fördermenge von mehr als 500.000 Kubikmetern einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Damit fallen die Tight-Gas-, Kohleflözgas- und Schiefergas-Vorhaben bisher aus der Pflicht zur umfänglichen Überprüfung der Umweltauswirkungen heraus, da die üblichen Gas-Fördermengen deutlich niedriger ausfallen. Selbst bei günstigen Standortbedingungen gewinnt man nur etwa 25 % dieser Menge. Die gesetzlichen Regelungen bedürfen daher einer Änderung. Ich rege dazu an, die Liste der UVPpflichtigen Vorhaben in 1 Ziffer 2 der UVP-V Bergbau zu ergänzen und für Tight-Gas-, Kohleflözgas- und Schiefergas-Projekte mit Fracking ein UVP-Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtend durchzuführen. Dies gilt für die Aufsuchung und die Gewinnung. Darüber hinaus ist für alle weiteren Tight-Gas-, Kohleflözgas- und Schiefergas- Projekte eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles nach 3c UVPG (Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung) einzuführen. Aufsuchungs- und Gewinnungsfelder werden auf Antrag gemäß 6 und 7 oder 8 BBergG zugelassen unter Beachtung der Versagungsgründe nach 11 oder 12 BBergG. Bei der Zulassung von Erlaubnisfeldern für die Aufsuchung sowie von Bewilligungsfeldern für die Gewinnung sind nach meiner Auffassung unbedingt eine obligatorische Beteiligung Betroffener sowie das Erfordernis eines Einvernehmens mit anderen Behörden vorzuschreiben, da bereits mit der Aufsuchung zu einem frühen Zeitpunkt die Weichen für die spätere Zulassung der Gewinnung im Rahmen einer gebundenen Entscheidung gestellt werden. Gemäß 15 BBergG ist derzeit lediglich eine Beteiligung anderer Behörden vorgesehen, ohne dass die Bergbehörde daran gebunden wäre. Wegen der Vorprogrammierung der späteren Zulassungen zur Gewinnung sollten zudem die Anforderungen an die Antragsunterlagen und die Prüfungstiefe der Behörden ausgeweitet werden, so dass eine scheibchenweise Genehmigung (Zulassung des Erlaubnisfeldes auf Grundlage unvollständiger Informationen, aber mit Bindungswirkung für die späteren Entscheidungen über die Gewinnung) ausgeschlossen wird. In 15 und 54 BBergG sollte die Beteiligung sowie das Einvernehmen mit anderen Behörden geregelt werden. Aus Gründen der Vorsorge ist dringend abzuwägen, ob und welche Gebiete grundsätzlich von der Aufsuchung und der Gewinnung ausgenommen werden müssen. Nach meiner Einschätzung zählen beispielsweise die Wassereinzugsgebiete oder etwa großräumige Betriebseinrichtungen 10

200 (z. B. Talsperren) oder intensive Siedlungsräume zu derartigen Gebieten. 11 Ziff. 10 BBergG ermöglicht derzeit nur eine Versagung der Erlaubnis im gesamten zuzuteilenden Feld, wenn überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung ausschließen. Diese Vorgabe bedarf der Änderung, etwa durch Streichen der Worte im gesamten zuzuteilenden Feld. 13. Welche juristischen und politischen Möglichkeiten hat das Land, die Aufsuchung und/oder die Förderung generell zu untersagen bzw. die Aufsuchung und/oder die Förderung nur unter Auflagen zuzulassen? Versagensgründe sind in 11 und 12 BBergG geregelt (s. auch Frage 12), sie gelten bislang aber nur für das gesamte Feld. Die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen regelt 16 BBergG, allerdings nur sehr eingeschränkt und ohne ausreichende Berücksichtigung von Umweltbelangen. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen des WHG, insbesondere in 9 (Benutzungen), 8 (Bewilligung, Erlaubnis), 12 (Versagung), 13 (Inhalts- und Nebenbestimmungen), sofern sie im Zuge des Ermessens wie beispielsweise in NRW herangezogen werden. Die Bestimmungen sind weitreichend und berücksichtigen Umweltbelange. 14. Welche Auflagen kann das Land dem Betreiber bei einer möglichen Zulassung zur Förderung erteilen? Gemäß 16 BBergG sind technische Auflagen und Arbeitsschutzauflagen möglich. Soweit die Bestimmungen des WHG herangezogen werden (Ermessen), sind auch Umweltauflagen möglich (Versagung der Einleitung von Chemikalien, Anforderungen an die Abwasserreinigung, etc.). Nach meiner Auffassung ist nach den allgemeinen Grundsätzen des 6 Abs. Ziff. 4 WHG mit Blick auf den Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung in Wasserschutzgebieten heute schon ein Fracking-Verbot durchsetzbar. 15. Welche Ansprüche auf Förderung des Erdgasvorkommens können nach erfolgreicher Erkundung durch den Antragssteiler abgeleitet werden? Soweit im Rahmen der Aufsuchung dargelegt wird, das ein Erdgasvorkommen aus unkonventionellen Lagerstätten technisch und wirtschaftlich gewinnbar ist, (gebundene 11

201 Entscheidung, vgl. 12 BBergG), hat der Antragsteller bei entsprechender Antragstellung einen Anspruch auf Zulassung der Gewinnung. Deshalb muß der Bundesgesetzgeber jetzt handeln. Ein Zögern ist unverantwortlich. Frankreich hat deshalb so schnell gehandelt und Fracking ganz verboten. 16. Welche Konzessionsabgaben kann die öffentliche Hand verlangen? Die Erhebung einer sogenannten Feldesabgabe (Aufsuchung, 5 /km³) oder Förderabgabe (Gewinnung, 10 % des Marktwertes) ist in 30 und 31 BBergG geregelt. Bei der Aufsuchung können Bohrkosten dagegen gerechnet werden, so dass die Feldesabgabe erfahrungsgemäß gegen Null geht. Weiteres regeln Rechtverordnungen der Länder. Dortmund, den 15. August 2012 12

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208 Dr.habil. Ralf E. Krupp Flachsfeld 5 31303 Burgdorf Telefon: 05136 / 7846 e-mail: ralf.krupp@cretaceous.de Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hessischer Landtag Postfach 3240 65022 Wiesbaden 01.08.2012 Stellungnahme im Rahmen der Anhörung Unkonventionelle Erdgasförderung durch Fracking in Hessen Sehr geehrte Damen und Herren, Ihrer Aufforderung zu einer Stellungnahme zu dem Thema Unkonventionelle Erdgasförderung durch Fracking in Hessen komme ich gerne nach. Eine ähnliche Stellungnahme habe ich bereits für den Landtag in NRW erstellt (Krupp, 2011). Diese füge ich, um Wiederholungen zu vermeiden, als Anlage 1 bei. Bevor ich direkt auf die beiden Vorlagen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE, Drucksache 18/5541 Fragenkatalog der SPD-Fraktion zur Anhörung Fracking in Nordhessen eingehe, gestatten Sie mir einige grundsätzliche Anmerkungen zu dem Thema. Energiewende und Energie-Mix Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen rechnet in seinem vielbeachteten Gutachten (SRÜ, 2011) ab 2050 mit der Möglichkeit einer 100-prozentigen Stromversorgung Deutschlands aus Erneuerbaren Energien. 2010 lag der Anteil bei 16,9 Prozent (UBA, 2012) Vgl. Abbildung 1. Somit besteht trotz Nutzung von Einsparpotentialen noch auf mehrere Jahrzehnte ein Bedarf an fossilen Energieträgern zur Stromerzeugung. Hinzu kommt der Bedarf für Heizung, als Kfz-Treibstoff und als Chemie-Rohstoff. Erdgas-Kraftwerke sollten dabei nicht nur die schwankenden Stromeinspeisungen aus den Erneuerbaren Energien ausgleichen, sondern auch Uran und zunehmend Braun- und Steinkohle ersetzen. 1

209 Abbildung 1 Strommix in Deutschland, 2010. Nach UBA (2012) Treibhausgase Unterschiedliche Energieträger erzeugen pro erzeugter Kilowattstunde Strom unterschiedliche Treibhausgas-Emissionen (CO 2 -Äquivalente). Nach UBA (2009) sind dies: Erdgas 560 g CO 2 /kwh Steinkohle 938 g CO 2 /kwh Braunkohle 1 228 g CO 2 /kwh Die genannten Werte berücksichtigen aber nicht die Vorketten, sondern betrachten nur die Emissionen, die unmittelbar bei der Verbrennung entstehen. So wären bei der heimischen Braunkohle insbesondere die Emissionen durch den erheblichen Eigenenergiebedarf für die Braunkohle-Gewinnung im Tagebau, für den Transport und den Abtransport der Aschen und Rauchgasreinigungsrückstände hinzu zu rechnen, sowie die diffusen Methan-Emissionen aus den Tagebauen. Bei Import-Steinkohle wäre entsprechend vorzugehen. Bei Erdgas müssten die diffusen Methan-Emissionen bei der Gewinnung und dem Transport, ebenso die erheblichen CO 2 -Emissionen bei der Erdgas-Reinigung bzw. durch das Abfackeln, sowie die erheblichen Energieverluste durch Ferntransporte über Pipelines oder LNG-Tankschiffe sowie Energieverluste für die Speicherung in Poren- oder Kavernenspeichern angerechnet werden. Wegen der 25-fach höheren Klimawirksamkeit von Methan-Emissionen gegenüber CO 2, schlagen Methan-Emissionen besonders stark zu Buche. Die Methan-Leckagen des russischen Pipeline-Netzwerks werden von Lechtenböhmer et al. (2007) auf 0,6 Prozent des transportierten Erdgases geschätzt. Sehr detaillierte Untersuchungen zu den Treibhausgas-Emissionen der Öl- und Gas-Industrie finden sich in IPCC (2006). Nach dieser Quelle liegen die durchschnittlichen diffusen Methan-Emissionen als wichtigste Treibhausgas-Emissionen in den Industrieländern bei bis zu 0,3 Prozent des produzierten Gases, in den Entwicklungs- und Schwellen-Ländern bei bis zu 3,6 Prozent. Da natürliches rohes Erdgas auch unterschiedliche Anteile anderer Gase (CO2, Stickstoff, Schwefelwasserstoff, u.a.m) enthält, die vor der Einspeisung in die Pipelines abgetrennt werden müssen, kommen weitere Treibhausgas-Emissionen hinzu: Nach IPCC (2006) werden durchschnittlich in den Industrieländern bei Sauergas-Lagerstätten bis zu 3,5 Prozent CO2, bezogen auf die geförderte Rohgas-Menge, in die Atmosphäre abgeleitet, in Entwicklungs- und Schwellen-Ländern bis zu 8 Prozent. 2

210 Die IPCC (2006) Quelle nimmt leider keine Unterscheidung zwischen konventionellen und unkonventionellen Gas-Lagerstätten vor, dürfte aber aufgrund ihres Entstehungszeitraums im Wesentlichen konventionelle Vorkommen betreffen. Da die Übergänge zwischen konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten fließend sind und die klimarelevanten Emissionen vor allem bei der Verarbeitung und dem Transport des Gases erfolgen, dürften die Unterschiede nicht groß sein. Abbildung 2 Erdgas-Pipelines von Westsibirien (4000 km), der Barentssee (2900 km) und Zentralasien (> 4000 km) nach Deutschland. (Götz, 2006) Der Pipeline-Transport von Erdgas (Abbildung 2) über große Entfernungen erfordert alle paar hundert Kilometer eine Verdichter-Station (booster station) um Druckverluste auszugleichen. Diese Stationen bestehen aus mit (abgezapftem) Erdgas betriebenen Gasturbinen und Verdichtern, deren Energiebedarf in der Größenordung von 100 Megawatt liegt. Die hier anfallenden Treibhausgas- 3

211 Emissionen müssen in einer Ökobilanz eingerechnet werden. Auch der Betrieb von Untergrundspeichern erfordert einen hohen Energieeinsatz für die Verdichtung des Gases bei der Einspeicherung und der Erwärmung des Gases beim Ausspeichern. So soll der Energiebedarf der Verdichter-Stationen im Kavernenfeld Etzel in der Größenordnung eines Kraftwerksblocks (ca. 1000 Megawatt) liegen. Der Eigenenergiebedarf zum Betrieb langer Pipelines und für die Untergrund-Speicherung, wie sie derzeit in Deutschland intensiv ausgebaut wird, belastet also die Klima-Bilanz von Erdgas erheblich. Hinzu kommen häufig geringe Umwelt-Standards und fehlende Kontrollen in den Erdgas- Förderländern. Solange man noch auf Erdgas angewiesen ist, hat daher bei globaler Betrachtungsweise eine heimische Erdgas-Gewinnung aus Sicht des Klimaschutzes und Umweltschutzes durchaus Vorteile. Sonstige Umweltschäden durch die Gewinnung fossiler Energie-Rohstoffe Um die Risiken einer Gewinnung unkonventioneller Gaslagerstätten besser einordnen und bewerten zu können ist ein Vergleich mit anderen fossilen Energieträgern notwendig. Dies sind besonders konventionelles Erdgas, Braunkohle und Steinkohle. Unkonventionelles Erdgas: Als wichtigstes Argument gegen die unkonventionelle Gasgewinnung mit Hilfe von Horizontalbohrungen und Fracking wird, zu Recht, immer wieder auf eine mögliche Gefährdung der Süßwasservorkommen hingewiesen. Dabei richtet sich die Kritik besonders gegen den Einsatz der mit Chemikalien versetzten Frack-Fluide, von denen je hydraulisch erzeugtem Riss (frac) einige tausend Kubikmeter verpresst werden, die bei Druckentlastung wieder teilweise zurückströmen (flowback). Die größere Gefahr für das Grundwasser sollte - wegen des größeren Volumens - allerdings in der Verpressung des Lagerstättenwassers (produced water) gesehen werden, das aber genauso bei konventionellen Gas-Lagerstätten anfällt. Lagerstättenwässer sind stark salzhaltig und enthalten von Natur aus stark erhöhte Anteile auch an organischen Salzen, Kohlenwasserstoffen, Benzol, Schwermetall-Gehalte, Lithium, sowie natürliche Radionuklide in radiologisch signifikanten Mengen. Hinzu kommen chemische Additive, die zuvor zur Verbesserung der Ausbeute im Zuge von Tertiär- Maßnahmen in die Lagerstätte eingeschleust wurden. Solange das Lagerstättenwasser wieder in den gleichen Gasförderhorizont zurück verpresst wird liegt zumindest eine ausgeglichene Volumenbilanz vor, die jedoch noch nicht vor möglichen Leckagen schützt. Sehr problematisch ist hingegen eine Injektion in andere Gesteinsformationen, aus denen zuvor kein äquivalentes Volumen Porenfluid entfernt wurde (wie beispielsweise bei der Kaliabwasser-Verpressung oder bei CCS-Projekten). In diesen Fällen wird zur Raumschaffung für das injizierte Fluid zwangsläufig eine Verdrängungs-Kette ausgelöst, die an ihrem Ende in jedem Fall die Süßwasservorkommen beeinträchtigt. Braunkohle: Weitaus massivere Eingriffe in den Grundwasserhaushalt werden bei der Förderung von Braunkohle aus Tagebauen (Abbildung 3) vorgenommen. Zunächst wird eine großflächige (hunderte von Quadratkilometern) Grundwasserabsenkung bis unterhalb des Flözes vorgenommen (im Tagebau Hambach über 400 m!). Im Rheinischen Revier wurden zeitweise mehr als 1 Milliarde m³/a Sümpfungswasser gehoben (Giese 2010). Verbrennungsaschen und Rauchgasreinigungsrückstände der Kraftwerke werden in den Tagebauen deponiert. Nach dem Abbau werden Braunkohle-Tagebaue geflutet. Das sich neu bildende Tagebauwasser und insbesondere das Kippen-Grundwasser sind infolge Pyrit-Oxidation und Bildung von Schwefelsäure stark sauer, wodurch Schwermetalle und andere Schadstoffe mobilisiert werden. Auch bei der Verbrennung von Braun- und Steinkohle werden signifikante Mengen von natürlicherweise in der Kohle enthaltenen Radionukliden über die Rauchgase freigesetzt (SSK, 1981; BUND, 2008). 4

212 Steinkohle: Auch Steinkohle wird heute weltweit fast ausschließlich im Tagebau gewonnen. Dabei treten analoge Versauerungs-Probleme wie beim Braunkohle-Bergbau auf, indem durch Pyritoxidation stark saure Grubenwässer entstehen. Die Eingriffe in die Natur und die Landschaft sind teilweise verheerend (EPA, 2009-2011), beispielsweise in den amerikanischen Appalachen (West Virginia, Kentucky) durch das so genannte Hilltop- oder Mountaintop-Mining, das unter der Bush- Regierung erlaubt wurde. Dabei werden Bergkuppen abgetragen und in die benachbarten Täler geschoben um die Steinkohle frei zu legen. Aus dem so der Verwitterung preisgegebenen Gestein und der sich bildenden Schwefelsäure werden toxische Elemente wie Quecksilber, Arsen und Selen ausgewaschen. Der giftige Schlamm hat nach EPA (2009-2011) bereits 1200 km Flussläufe verseucht. Abbildung 3 Grundwassergleichen und Absenkungstrichter im Rheinischen Braunkohlerevier (Giese, 2010). 5

213 Abbildung 4 Lausitzer Braunkohle-Revier. Die gefluteten Restlöcher sind fast alle unterschiedlich stark versauert. Dies gilt auch für das Grundwasser. (LMBV, 2001) (Anm.: Der KB 4,3-Wert gibt die Basenkapazität bis ph 4,3 (Methylorange-Indikator), bzw. die Konzentration stark saurer Anionen, hier vor allem Sulfat aus der Pyrit-Oxidation, an; in mmol/l.) Seismische Ereignisse und geotechnische Risiken Beim Frack-Vorgang wird über eine kurze Zeit durch Hochdruck-Pumpen mechanische Energie in das Gebirge eingetragen. Diese berechenbare Energie wird im Moment der Rissbildung als seismische Welle abgestrahlt. Sie ist nicht ausreichend, einen Schaden an der Erdoberfläche zu verursachen. Eine Gefahr eines größeren seismischen Ereignisses wäre nur dann gegeben, wenn im Gebirge bereits ein kritischer Spannungszustand vorhanden wäre, der durch die zusätzlich eingetragene Energie zur spontanen Bruchbildung führen würde. Ein solcher Bruch würde dann früher oder später wahrscheinlich auch ohne Fracking erfolgen. Es ist bekannt, dass durch (konventionelle) Förderung von Erdgas infolge der Druck-Entlastung Erdbeben ausgelöst werden können. Beispielsweise verursachte die Erdgasförderung bei Rothenburg/Soltau 2004 ein Erdbeben der Stärke 4,5 auf der Richterskala. Größere Erdbeben im Zusammenhang mit der Erdgasförderung wurden auch vom Ekofisk-Feld in der Nordsee und aus Usbekistan (Magnitude 7) berichtet. Eine ausführliche Bibliographie zu induzierten Erdbeben findet sich bei Cypser (2009), darunter auch zahlreiche seismische Ereignisse in Verbindung mit Injektionsbohrungen (Krupp, 2010). Seismische Ereignisse stärkeren Ausmaßes werden aber auch durch den Kohlebergbau ausgelöst, insbesondere durch den früher in Deutschland verbreiteten Untertage-Steinkohlebergbau. Es sei hier an das Erdbeben mit Magnitude 4 vom 23. Februar 2008 in Saarwellingen erinnert. Nach der 6

214 Kohlegewinnung unter Tage geht das hangende Gebirge zu Bruch, wodurch zahlreiche Bergschäden und regionale Bodensenkungen verursacht werden. Auch bei großen Tagebauen können infolge der großräumigen Grundwasserabsenkungen Bodensenkungen auftreten, sowie durch die enormen Masseumlagerungen Spannungszustände induziert werden, die sich in Form seismischer Ereignisse entladen. So kam es beispielsweise im Dezember 2008 bei Grevenbroich zu einem Erdbeben der Magnitude 2,2, das durch die Grundwasserabsenkung im Tagebau Garzweiler verursacht wurde (RP-Online, 2008). Mindestens ebenso gravierend sind geotechnische Standsicherheits-Probleme im Bereich von Braunkohle-Kippenflächen. Es sei hier an das Unglück von Nachterstedt vom 18.07.2009 erinnert, das drei Menschenleben gefordert hat. Im Lausitzer Braunkohlerevier musste kürzlich ein riesiges Gebiet von insgesamt 524 km² Fläche zum geotechnischen Sperrgebiet erklärt werden, wegen massiver Standsicherheits-Probleme im Bereich alter Kippenflächen (Freytag, 2011; LMBV, 2011; 2012). Empfehlungen und Schlussfolgerungen 1. Auch bei einem zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien wird für eine Übergangszeit von mehreren Jahrzehnten noch eine energetische Nutzung fossiler Energieträger erforderlich sein. Als Chemie-Rohstoff werden Öl und Gas auch noch auf längere Frist eine wichtige Rolle spielen, auch wenn ein partieller Ersatz durch Biogas und agrarwirtschaftlich erzeugte Chemie-Rohstoffe stattfinden kann. 2. In dieser Übergangszeit sollten, bezogen auf den jeweiligen Standort, diejenigen fossilen Energieträger vorrangig genutzt werden, deren Öko/Klima-Bilanz am günstigsten ausfällt. Dabei könnte heimisches Schiefergas unter Umständen besser abschneiden als konventionelles Gas aus ausländischen und weit entfernten Lagerstätten. 3. Die Umweltrisiken durch die Förderung unkonventioneller Gasvorkommen durch Horizontalbohrungen und Hydraulic Fracturing können sinnvoll nur im Vergleich zu den gängigen Gewinnungsmethoden anderer fossiler Energierohstoffe, insbesondere konventionellem Erdgas sowie Braun- und Steinkohle, beurteilt werden. 4. Die Durchführung eines solchen ökobilanziellen Vergleichs unterschiedlicher Energieträger aus unterschiedlichen regionalen Bezugsquellen, einschließlich ihrer vollständigen Vor- Ketten und Nachwirkungen, sollte veranlasst werden um eine quantitative Entscheidungsgrundlage zu schaffen. 5. Gegenüber Braun- und Steinkohle hat die Nutzung (in der Übergangsphase) konventionellen und unkonventionellen Erdgases hinsichtlich des Klimaschutzes, des Grundwasserschutzes, des Abfallaufkommens und der Eingriffe in Natur und Landschaft deutliche Vorteile. 6. Ferntransporte und Untergrundspeicherung von Erdgas sind mit erheblichen Energieverlusten verbunden, welche die klimarelevanten Vorteile von Erdgas schmälern. 7. Die Umweltschäden bei der Gewinnung von Braunkohle und Steinkohle im Tagebaubetrieb betreffen das Landschaftsbild, das Grundwasser und die Oberflächengewässer in viel stärkerem Ausmaß als die Förderung von Erdgas, sowohl konventionell als unkonventionell. 7

215 8. Ein grundsätzliches Verbot von Hydraulic Fracturing sollte nicht erfolgen, weil dadurch auch die konventionelle Öl- und Gas-Förderung sowie die Tiefen-Geothermie behindert würden. 9. Durch eine Ergänzung des UVP-Regelwerks sollte die Gewinnung von Erdöl und Erdgas obligatorisch uvp-pflichtig gemacht werden. Dabei wären unter anderem Fragen der Umweltverträglichkeit der eingesetzten Technologien, der eingesetzten Hilfsstoffe, sowie der Umgang und die Entsorgung der mitgeförderten Fluide (Flowback und Produced Water), die diffusen Emissionen klimawirksamer Gase, sowie seismische Risiken zu bewerten, auch im Rahmen von Alternativenprüfungen anderer fossiler und erneuerbarer Energien. 10. Die beim Fracking erlaubten Zusatzstoffe sollten in einer Positivliste auf unbedenkliche Chemikalien beschränkt werden. 11. Durch den Frack-Vorgang werden mikroseismische Ereignisse induziert, die zwar messbar sind, aber in der Regel nicht spürbar. Demgegenüber führen der konventionelle wie unkonventionelle Förderbetrieb wie auch die Injektion von Lagerstättenwässern häufiger zu seismischen Ereignissen, die ab einer gewissen Stärke auch an der Oberfläche spürbar sind und in begrenztem Umfang auch Schäden verursachen können. Auch der Bergbau auf Braunund Steinkohle ist von seismischen und geotechnischen Risiken begleitet. Quellen BNK Petroleum (2012) Vortrag Klaus Angerer: Informationsveranstaltung über die geplante Erkundung von Schiefergas in Nordhessen. Kassel / Frankenberg, Juni 2012 http://www.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.cmreader/zentral_15/zentral_internet/ med/b0d/b0d50cde-fbbd-e731-f012-f312b417c0cf,22222222-2222-2222-2222- 222222222222,true.pdf BUND (2008) Radioaktivität aus Kohlekraftwerken. BUND Hintergrund November 2008. http://www.bundnrw.de/fileadmin/bundgruppen/bcmslvnrw/pdf_dateien/themen_und_projekte/energie_und_klim a/kohlekraftwerke/bundhintergrund_radioaktivitaet_aus_kohlekraftwerken_11_2008.pdf Cypser D (2009) Induced Earthquake Bibliography. http://www.nyx.net/~dcypser/induceq/induceq.html EPA (2009-2011) Mid-Atlantic Mountaintop Mining. US Environmental Protection Agency http://www.epa.gov/region03/mtntop/index.htm Freytag (2011) Geländebrüche in der Lausitz - Diskussion zur geotechnischen Sicherheit. Geländebrüche in der Lausitz. LBGR-Workshop am 07.04.2011 in Cottbus http://www.lbgr.brandenburg.de/sixcms/detail.php/496924 Giese S (2010) Bodenbewegungen infolge von Sümpfungsmaßnahmen für tiefe Tagebaue am Beispiel des Rheinischen Braunkohlenreviers. Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen, RWTH Aachen http://d-nb.info/1009789244/34 8

216 Götz (2006) Europa und China im Wettstreit um Russlands Erdgas? Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell 18, April 2006. http://www.swp-berlin.org/de/common/get_%20document.php?%20id=1646 IPCC (2006) 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories, Chapter 4: Fugitive Emissions. International Panel on Climate Change. http://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/public/2006gl/pdf/2_volume2/v2_4_ch4_fugitive_emissions.pdf Kastenholz B (2010) Tagebau Garzweiler, März 2010. http://img.fotocommunity.com/koeln-rhein-erftkreis/rhein-erft-kreis/braunkohle-tagebaua20366285.jpg Krupp R (2010) Geologische Kurzstudie zu den Bedingungen und möglichen Auswirkungen der dauerhaften Lagerung von CO2 im Untergrund. Auftraggeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.v. (BUND) http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/klima_und_energie/20101118_klima_energie_ccs_st udie.pdf Krupp (2011) Anhörung des Landtags Nordrhein-Westfalen: Unkonventionelle Erdgas-Vorkommen. Schriftliche Stellungnahme. Lechtenböhmer S, Dienst C, Fischedick M, Hanke T, Fernandez R, Robinson D, Kantamaneni R, Gillis B (2007) Tapping the leakages: Methane losses, mitigation options and policy issues for Russian long distance gas transmission pipelines http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/s1750583607000898 LMBV (2001) Nach der Kohle kommt das Wasser. Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- Verwaltungsgesellschaft mbh http://www.lmbv.de/componenten/download.php?filedata=1170844008.pdf&filename=nachderkoh le.pdf&mimetype=application/pdf LMBV (2011) Sperrung von Innenkippenflächen der LMBV. Pressegespräch LMBV mit Minister Christoffers, Land Brandenburg, Senftenberg, 31. März 2011. http://www.lmbv.de/componenten/download.php?filedata=1301576568.pdf&filename=presse_mw E_LMBV.pdf&mimetype=application/pdf LMBV (2012 a) LMBV informierte zur Kategorisierung der erweiterten Sperrbereiche auf Lausitzer Innenkippen Mehr als die Hälfte bis 2017 wieder saniert. Pressemitteilung, 05.04.2012. http://www.lmbv.de/pages/pressemitteilung.php?idpage=3427 RP-Online (2008) Tagebau ließ Erde beben. http://www.rp-online.de/niederrhein-sued/moenchengladbach/nachrichten/tagebau-liess-erdebeben-1.681439 SRÜ (2011) Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung. Sondergutachten Januar 2011. http://www.umweltrat.de/shareddocs/downloads/de/02_sondergutachten/2011_07_sg_wege_zu r_100_prozent_erneuerbaren_stromversorgung.pdf? blob=publicationfile SSK (1981) Zum Vergleich der Strahlenexposition der Bevölkerung durch Emissionen radioaktiver Stoffe aus Kohlekraftwerken und aus Kernkraftwerken. Verabschiedet in der 35. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 02. Juli 1981. Veröffentlicht in: Bundesanzeiger Nr. 150 vom 15. August 1981. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 1 9

217 http://www.ssk.de/de/werke/1981/volltext/ssk8102.pdf UBA (2012) Strommix in Deutschland. http://www.umweltbundesamt.de/energie/archiv/strommix-karte.pdf UBA (2009) Indikator: CO2-Emissionen nach Quellkategorien. http://www.umweltbundesamt-daten-zurumwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeident=2842 10

218 Stellungnahme zu dem Antrag von BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, Drucksache 18/5541 1. Der Landtag spricht sich gegen die Erteilung von Erlaubnissen und Bewilligungen zur Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas mithilfe von "Fracking" aus, solange nicht klar ist, welche Auswirkungen das "Fracking" hat. Einer Aufsuchungserlaubnis könnte prinzipiell vielleicht zugestimmt werden, da sie das Fracking selbst noch nicht genehmigt. Es müsste aber sichergestellt sein, dass daraus keine Rechtsansprüche für künftige Genehmigungen resultieren können. Inzwischen könnte eine Änderung der Gesetzgebung angestrebt (Empfehlungen 9 und 10) und ein ökobilanzieller Vergleich der unterschiedlichen Energieträger erarbeitet werden (Empfehlung 4). 2. Die Landesregierung wird aufgefordert, ebenso wie Nordrhein-Westfalen einen Erlass für die Genehmigungsbehörde aufzustellen, nach dem keine Erlaubnis für eine Aufsuchung des unkonventionellen Erdgases erteilt werden kann, bis die Ergebnisse der Studie vorliegen, die Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben hat. Siehe Kommentar zu 1. 3. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich für eine Änderung des Bundesbergbaurechts einzusetzen. Dazu zählen die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für alle bergbaurechtlichen Vorhaben, die generelle Beweislastumkehr im Falle von Bergschäden, die frühzeitige Beteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften als Träger öffentlicher Belange sowie die Bildung von sicheren Rücklagen für später eintretende Schäden durch die Unternehmen. Dieser Forderung ist zuzustimmen. Das deutsche Bergrecht ist aus vielen Gründen revisionsbedürftig. Insbesondere sollten auch Bereiche, die nicht unmittelbar mit Bergbau zu tun haben, herausgenommen werden, weil das Bergrecht regelmäßig dazu missbraucht wird, abfallrechtliche, bodenschutzrechtliche und wasserrechtliche Bestimmungen zu unterlaufen. 4. Der Landtag begrüßt die Bundesratsinitiative 388/11 zur Änderung des Bergrechts der nordrheinwestfälischen Landesregierung und fordert die Landesregierung auf, diese zu unterstützen. Siehe Kommentar zu 3. 5. Dem Schutz der Trinkwassergewinnung, den Belangen des vorsorgenden Gewässerschutzes sowie dem Schutz von Mensch und Umwelt ist Vorrang vor der Erschließung unkonventioneller Erdgaslagerstätten einzuräumen. Der Einsatz von wassergefährdenden, wasserorganismenschädigenden oder anderweitigen toxischen Stoffen bei der Aufsuchung und Förderung ist auszuschließen. Zur Schonung der Süßwasser-Ressourcen ist es auch erforderlich, die Verpressung von Abwässern auf solche Schichten zu beschränken, aus denen zuvor eine mindestens volumengleiche Förderung erfolgt ist. Siehe hierzu Empfehlungen 9 und 10. 11

219 6. Die Landesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass die erkundenden Unternehmen rechtzeitig vor Beantragung von Erlaubnissen zur Aufsuchung sowie Bewilligungen zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Erdgaslagerstätten volle Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und den zuständigen Genehmigungsbehörden gewährleisten. Dies betrifft die jeweiligen Methoden, die eingesetzten Stoffe, den Transport der Chemikalien und Abwässer und die Art der Entsorgung der Abfälle. Die Forderung nach Transparenz ist nachdrücklich zu unterstützen. Grundsätzlich sollten alle in Verwaltungsverfahren relevanten Unterlagen über das Internet verfügbar sein. Die Einspruchsfristen sollten an den Umfang der Antragsunterlagen gekoppelt werden. Stellungnahme zu dem Fragenkatalog der SPD-Fraktion zur Anhörung Fracking in Nordhessen 1. Sämtliche Stoffe und Zubereitungen die zum Einsatz kommen, müssen im Detail stofflich charakterisiert und einer Risikobewertung unterzogen worden sein, müssen unschädlich sein und müssen der betroffenen Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Behauptete Eigenschaften müssen nachvollziehbar belegt werden. Zusätzlich wird auf Empfehlung 10 verwiesen. 2. Das Bundesberggesetz und andere bergrechtliche Regelwerke sollten einer Revision unterzogen werden (s.o.). Sämtliche bergbauliche Vorhaben sollten einer UVP-Pflicht unterliegen und nur in Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt werden dürfen. 3. Ja, Siehe Frage 1 4. Die Wahrscheinlichkeit von Leckagen kann nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden. Im Sinne des Schutzes der Süßwasser-Ressourcen ist es wichtig, die Verpressung von Abwässern (flowback und produced water) auf solche Schichten zu beschränken, aus denen zuvor eine mindestens volumengleiche Förderung erfolgt ist. Siehe hierzu Empfehlungen 9 und 10. 5. Bohrungen sollten in Gebieten zur Trinkwassergewinnung grundsätzlich nicht genehmigt werden. Hierzu gibt es auch die Technische Regel W-101 des DVGW zur Ausweisung von Trinkwasser- Schutzzonen, die jedoch häufig missachtet wird, bzw. Schutzzonen erst gar nicht ausgewiesen worden sind. Diese Missstände sollten unverzüglich behoben werden. Die zur Erdgas- und Erdölgewinnung zugelassenen Chemikalien sollten durch eine Positivliste unbedenklicher Stoffe festgelegt, d.h. eingeschränkt werden. Im Übrigen unterscheiden sich die Risiken nicht von denen anderer Tiefbohrungen. 6. Bei der Abteufung von Bohrungen kommt es zu unterschiedlich hohen Spülungsverlusten, die durch entsprechende Additive minimiert oder durch Zementierungen unterbunden werden können. In Förderbohrungen wird normalerweise kein Wasser verwendet, sondern ggf. gefördert, z.b. in Form von Lagerstättenwasser (produced water) oder im Fall von Fracking als Flowback. Wegen der teuren Entsorgungskosten gibt es Ansätze den Flowback aufzubereiten und wieder zu verwenden. Ansonsten ist es übliche Praxis, Lagerstättenwasser zu verpressen (s.o.). 12

220 7. Schallemissionen, CO2-Emissionen der Dieselmotoren der Bohranlage, ggf. Emissionen von Erdgas aus der Spülung. Im Havariefall (Blowout) kann es zu massiven Emissionen von Erdgas kommen, wobei dieses Erdgas rohes Erdgas ist, mit unterschiedlichen Anteilen an CO2, N2, H2S, höheren Kohlenwasserstoffen, Quecksilberdampf etc., sowie Anteilen von Lagerstättenwasser und ggf. Flowback. Die Emissionen und Auswirkungen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von jenen bei der konventionellen Gasförderung. 8. Das Risiko nicht spürbarer, mikroseismischer Ereignisse durch den Frack-Vorgang ist gegeben. Im Fall einer Förderung und Abwasserverpressung können seltene spürbare seismische Ereignisse auftreten. 9. Die seismischen Profile, die außerhalb der Brut- und Setzzeiten aufgenommen werden können, werden nur während einer relativ kurzen Zeitspanne durchgeführt. Zur Verlegung der Geophon- Arrays und Kabel müssen teilweise Hecken und Äste entfernt werden, die jedoch innerhalb einer oder weniger Vegetationsperioden nachwachsen. Demgegenüber ist ein erheblicher Erkenntnisgewinn über den geologischen Untergrund zu erwarten. Es sollte sichergestellt werden, dass diese Ergebnisse nach angemessener Frist auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 10. Die Beteiligungsmöglichkeiten an bergrechtlichen Verfahren sind unzureichend, und die wenigen Möglichkeiten im Rahmen uvp-pflichtiger Vorhaben werden regelmäßig unterlaufen, indem selbst gesetzlich eindeutig vorgeschriebene UVP-Pflichtigkeiten in Abrede gestellt werden (Beispiel Versenkantrag der K+S im November 2011). 11. Eine UVP ist bereits für Erkundungsbohrungen wünschenswert, weil es sich dabei um große Tiefbohranlagen handelt, die Zufahrten für schwere LKW erfordern, sowie einen großen Bohrplatz zur Unterbringung der Infrastruktur (Bohranlage, Spülungsbecken, Gestängelager, Labor, Kernlager, Sozialräume, Stellflächen für Frack-Trucks, etc.). Es findet eine starke Verdichtung und Entwertung des Bodens statt und eine Lärmbelästigung des Umfeldes. 12. Eine Novellierung des BBergG ist überfällig. Gleichzeitig sollten auch die Bergbehörden, deren Verwaltungshandeln (Vgl. Beispiel unter Ziffer 10) maßgeblich für das tiefe Misstrauen der Bevölkerung verantwortlich ist, umstrukturiert und evtl. den Umweltministerien unterstellt werden. 13. Eine generelle Untersagung halte ich nicht für angebracht. - Es sollte aber geprüft werden, inwieweit gebundene Entscheidungen (Rechtsanspruch auf Genehmigung bei Erfüllung aller Auflagen) mit dem Grundgesetz (Artikel 20: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus) vereinbar sind. Das Volk, bzw. seine gewählten Vertreter müssen die Möglichkeit haben, aus übergeordneten Gründen gegenüber einem Antragsteller auch Nein sagen zu können, selbst wenn er alle formalen Bedingungen erfüllt. 14. So viele wie sich aufgrund der Gesetzeslage bei entsprechender Auslegung begründen lassen. 15. Kein Kommentar meinerseits. 16. Kein Kommentar meinerseits. Burgdorf, 01.08.2012 Dr. Ralf Krupp 13

221 Dr.habil. Ralf E. Krupp Flachsfeld 5 31303 Burgdorf Telefon: 05136 / 7846 e-mail: ralf.krupp@cretaceous.de Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen Postfach 10 11 43 40002 Düsseldorf 10.05.2011 Anhörung: Unkonventionelle Erdgas-Vorkommen Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, für die Einladung, als Sachverständiger in o.g. Angelegenheit eine Stellungnahme abzugeben, bedanke ich mich. Aus Zeit- und Termingründen kann ich zu dem vorgelegten, sehr umfangreichen und auch detaillierten Fragenkatalog ohne einen vergüteten Beratungsauftrag keine umfassende Stellungnahme abgeben. Dennoch will ich einige kurze Anmerkungen zu dem Thema machen, die Ihnen vielleicht weiterhelfen könnten. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Krupp 14

222 Bedeutung unkonventioneller Erdgas-Vorkommen. Als unkonventionelles Erdgas wird Erdgas in Wirtsgesteinen bezeichnet, die über nur geringe Wegsamkeiten verfügen. Man unterscheidet z.b. Schiefergas (Shale Gas) in undurchlässigen Tonsteinen ( Tonschiefern ), Kohleflöz-Methan (Coal Bed Methan; cbm) welches adsorptiv an Kohle gebunden ist, oder Tight Gas in geringdurchlässigen Porengesteinen. Grundsätzlich bestehen fließende Übergänge von konventionellen zu unkonventionellen Gaslagerstätten. Als Energieträger sollte Erdgas vor allem in der Übergangszeit bis zur vollständigen Energieversorgung durch Erneuerbare Energien die Hauptrolle spielen. Dies liegt einerseits an seiner Verfügbarkeit für weitere Jahrzehnte (statische Reichweite der konventionellen Reserven 63 Jahre; BMWi, 2006), andererseits an den im Vergleich zu Kohle wesentlich günstigeren spezifischen CO2- Emissionen (Tabelle 1), sowie drittens an der Fähigkeit von Gas-und-Dampf-Kraftwerken (GuD) aufgrund ihrer sehr guten Regelbarkeit kurzfristige Leistungsschwankungen der Erneuerbaren Energien ausgleichen zu können (im Gegensatz zu Kohlekraftwerken oder Kernkraftwerken). Das Konzept von Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlast-Kraftwerken wird mit zunehmenden Anteilen Erneuerbarer Energien hinfällig und durch Konzepte mit intelligenter Lastverteilung, mit Speicherkapazitäten und flexiblen GuD-Kraftwerken ersetzt werden müssen. Tabelle 1 Spezifische CO 2 -Emissionen (Gramm CO 2 pro Kilowattstunde elektrischem Strom) Braunkohle 1228 Steinkohle 938 Erdgas 560 Quelle: UBA (2007) In diesen Werten sind die Kohlendioxidemissionen aus den der Stromerzeugung vorgelagerten Erzeugungsstufen (Vorketten), wie z.b. Brennstoffgewinnung und -transport, nicht enthalten. Als Chemie-Rohstoff wird Erdgas auch längerfristig eine Bedeutung haben, kann aber prinzipiell durch Biogas ersetzt werden. Deutschland gilt bezüglich seiner (konventionellen) Kohlenwasserstoff-Potentiale als unterexploriert. Dies gilt besonders für den deutschen Nordsee-Sektor, wo z.b. aufgrund von Vergleichen mit den benachbarten, geologisch ähnlichen Gebieten, noch einige Lagerstätten erwartet werden können. Mit Blick auf die Chancen für künftige Generationen ist eine zurückhaltende Exploration dieser Gebiete durchaus zu begrüßen. Abbildung 1 Bezugsquellen für Erdgas. (BDEW, 2011) 15