Modul-Nr. UZH 125 / PHZH BIO 440 «Vielfalt der Pflanzen» Inst. Syst. Botanik UZH FS09

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Transkript:

1 Modul-Nr. UZH 125 / PHZH BIO 440 «Vielfalt der Pflanzen» Inst. Syst. Botanik UZH FS09 Modul für Studierende der PHZH & Bachelor-Studierende der UZH mit Biologie im Nebenfach 1 : 18. Februar 20. Mai 2009. Dozierende: R. Rutishauser (Vorlesung) und C. Weckerle (Kurs). Kursassistenz: Claudia Trutmann, Annatina Zingg & Rolf Rutishauser. Vorlesung: jeden Mittwoch, 13.00 14.45 im Hörsaal Y03-G-85 (Uni Zürich Irchel). Praktikum: an 6 Donnerstagnachmittagen, 12.15 13.45 im Kursraum Y14-F-41(Uni Zürich Irchel) 2. Am Ende des Moduls können die Studierenden - Algen, Moose, Farnpflanzen und Samenpflanzen unterscheiden - die Hauptgruppen der Blütenpflanzen ansprechen und deren Hauptmerkmale nennen - leicht kenntliche Pflanzengruppen mit Sezierbesteck, Binokular und Mikroskop analysieren, zeichnen und beschreiben - verstehen, weshalb gewisse Pflanzen sich ähneln, obwohl sie auf Grund molekularer Daten zu verschiedenen Verwandtschaftsgruppen gehören - an ausgewählten Blüten die Wechselbeziehung (Koevolution) mit ihren Bestäubern aufzeigen - ausgewählte Forschungs- und Naturschutzprojekte aus dem Botanischen Garten kurz charakterisieren - Besonderheiten von Standorts- und Ernährungsspezialisten (z.b. Wasserpflanzen, grüne Karnivoren) verstehen - etwa 40 Pflanzenarten in und ausserhalb des Irchelparks richtig ansprechen und deren Merkmale in Bau und Lebensweise aufzählen Überfachliche Kompetenzen Qualitäten für Umweltwissenschafter und andere NebenfachbiologInnen: Besonderheiten der systematisch-botanischen Arbeitsweise erleben; Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Forschungsmethoden in ihren Hauptfächern (z.b. Chemie, Geographie, Psychologie, Publizistik) erkennen. Qualitäten für künftige Sekundarlehrerinnen und Exkursionsleiter: Schulklassen und Erwachsene selbständig durch die Natur (z.b. Irchelpark, Zürichbergwald) führen und wesentliche Zusammenhänge zwischen Pflanzen und Umwelt vermitteln; anhand ausgewählter Beispiele die Bedeutung Botanischer Gärten und anderer Pflanzensammlungen für die Erhaltung bedrohter Arten klarmachen; den Wert der Nutzpflanzen für das Überleben der Menschheit richtig einschätzen; die grüne Umwelt hautnah (d.h. mit allen fünf Sinnen) wahrnehmen. Ein 70seitiges Skript wird in der Vorlesung abgegeben, weitere Unterlagen im Praktikum (Gesamtpreis Fr.10.-). Skript auch elektronisch als PDF verfügbar 3. Die separaten Unterlagen fürs Praktikum gehören auch zum Prüfungsstoff (Praktikumsbeilagen Fr.2.- für alle, die auf den Kauf des Vorlesungsskripts verzichten). Es wird in der Vorlesung auf lesenswerte Kapitel im gemeinsamen Biologie-Lehrbuch (Campbell & Reece 2003/2005, Aufl.6) hingewiesen. Das gesamte Modul umfasst 26 Stunden Vorlesung, 12 Stunden Praktikum und mindestens 40 Stunden eigene Beschäftigung mit dem Stoff (als Vorbereitung für den Leistungsnachweis). Der für die Schlussnote relevante Leistungsnachweis (maximal 60 Punkte = Note 6) erfolgt in zwei Schritten: 1. Praktikumsprüfung (maximal 10 Punkte) am Donnerstag, 07. Mai 2009, 40 Min. Zuständig ist die Praktikumsleiterin Dr. Caroline Weckerle <weckerle@ethnobot.ch>. 2. Schriftliche Schlussprüfung (maximal 50 Punkte) am Freitag, 05. Juni 2009, 50 Min 4. Übungsfragen dazu finden sich im Skript (Seiten 68-70). Beratungsdienst bei R. Rutishauser <rutishau@systbot.uzh.ch>. 1 Vergleiche http://www.vorlesungen.uzh.ch 2 Die beiden Module Vielfalt der Pflanzen und Vielfalt der Tiere bieten ihre Praktika alternierend im gleichen Zeitfenster an, vgl. Programm Seite 2. 3 http://www.systbot.uzh.ch/institut/personen/person.php?l=d&id=21 (am Schluss von Rutishausers Website) 4 Die Module Vielfalt der Tiere und Vielfalt der Pflanzen werden am gleichen Tag nacheinander schriftlich geprüft.

2 Programmübersicht zu Vorlesung und Praktikum «Vielfalt der Pflanzen» SS 2009 an der Uni Zürich Irchel Datum Vorlesung Mi 13.00 14.45 Praktikum Do 12.15 13.45 Leitung Rolf Rutishauser Caroline Weckerle, Claudia Trutmann, Annatina Zingg, RR Wo? Hörsaal Y03-G-85 Kursraum Y14-F-41 Mi/Do 18./19.02. Mi/Do 25./26.02. Mi/Do 04./05.03. Mi/Do 11./12.03. 1. Einleitung: Wozu systematische Botanik? (Skript Seiten 3-7) 2. Stammbaumrekonstruktion und Artbegriff (Skript Seiten 8-15) 3. Pflanzenreich Organismenreiche 4. Cyanobakterien und Algen (Skript Seiten 16-21) 5. Pilze und Flechten (Skript Seiten 22-28) Praktikum zum Modul Vielfalt der Tiere (HR. Trüb) Praktikum zum Modul Vielfalt der Tiere (HR. Trüb) Praktikum zum Modul Vielfalt der Tiere (HR. Trüb) Vielfalt der Landpflanzen: Moose, Farne, Nacktsamer Mi/Do 18./19.03. Mi/Do 25./26.03. Mi/Do 01./02.04. Mi/Do 08./09.04. Mi/Do 22./23.04. Mi/Do 29./30.04. Mi/Do 06./07.05. Mi/Do 13./14.05. Mi 20.05. Mi/Do 28./29.05. 6. Moose und die Evolution der Landpflanzen (Skript Seiten 29-31) 7. Farne und farnartige Gewächse (Skript Seiten 32-39) 8. Gymnospermen und was sie von den Angiospermen trennt (Skript Seiten 40-45) 9. Systematik und Evolution der Blütenpflanzen = Angiospermen (Skript Seiten 46-67) Teil I: Basale Angiospermen 9. Systematik und Evolution der Blütenpflanzen (Skript Seiten 46-67) Teil II: Eudikotylen 9. Systematik und Evolution der Blütenpflanzen (Skript Seiten 46-67) Teil III: Eudikotylen (Schluss) 9. Systematik und Evolution der Blütenpflanzen (Skript Seiten 46-67) Teil IV: Monokotylen Blick in die Wissenschaft, z.b. Wasserpflanzen, Blütenbiologie, Artenschutz Abschluss der Vorlesung & ÜBUNGSFRAGEN ZUR PRÜFUNGSVORBEREITUNG (Skript Seiten 68-70) KEINE VORLESUNG: ZEIT FÜR EIGENE PRÜFUNGSVORBEREITUNG Vielfalt der Blütenpflanzen I: Dikotylen (Eudikotylen) Kein Prakt., Platzhalter für zoologische Exkursion (HR Trüb) Kein Prakt., Platzhalter für zoologische Exkursion (HR Trüb) Vielfalt der Blütenpflanzen II: Dikotylen (Eudikotylen) Vielfalt der Blütenpflanzen III: Monokotylen Vielfalt der Blütenpflanzen IV: Früchte Vielfalt der Blütenpflanzen V: Blütenbiologie & Praktikumsprüfung (40 Minuten) Praktikum zum Modul Vielfalt der Tiere (HR. Trüb) (Do 21.05. = Auffahrt) Praktikum zum Modul Vielfalt der Tiere (HR. Trüb)

3 1. Einleitung: Wozu systematische Botanik? Die Systematische Botanik untersucht die Diversität und Evolution der Pflanzen weltweit. 250'000 Blütenpflanzenarten und 120'000 Arten blütenloser Pflanzen sind bisher beschrieben worden. Es werden aber jeden Tag noch neue Arten entdeckt. Heute haben die Veränderungen der Umwelt durch den Menschen so stark zugenommen, dass negative Auswirkungen auf den vorhandenen Reichtum unübersehbar geworden sind. Spätestens seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro (1992) ist vielen Menschen bewusst geworden, dass etwas gegen die Umweltzerstörung, gegen das Aussterben von Wildarten und gegen den schleichenden Verlust von landwirtschaftlichen Genressourcen unternommen werden muss (Fig.1-1). Mit neuen Techniken der elektronischen Datenverarbeitung und der Molekularbiologie haben sich die Aufgaben und Möglichkeiten der Systematischen Biologie in den letzten Jahren vervielfacht. Das Institut für Systematische Botanik der Universität Zürich und seine Aufgaben: - Botanischer Garten (BG-ZH): Kultur von gegen 10'000 Arten von Samenpflanzen und Farnen, auch ex situ Erhaltung bedrohter Arten (z.b. Bodensee-Vergissmeinnicht = Myosotis rehsteineri; Zwerg-Rohrkolben = Typha minima); Öffentlichkeitsarbeit; Führungen von ca. 120 Schulklassen pro Jahr (Anmeldung Tel.044/634 84 61); Beteiligung am Internationalen Samentausch (Versand von ca. 4'000 Samentüten pro Jahr); Pflanzenauskunftstelefon Tel.044/634 84 61. - Grosses Herbar (seit 1991 zusammen mit der ETH, Standort im Botanischen Garten): Die über 3 Millionen Belege von Pflanzen und Pilzen repräsentieren etwa 100'000 Arten. Darunter sind etwa 10'000 Typen, auf denen die Erstbeschreibung der betreffenden Arten beruht (www.zuerich-herbarien.unizh.ch). - Öffentliche Bibliothek (zusammen mit dem Institut für Pflanzenbiologie) mit vielen Bestimmungsbüchern für Pflanzen aus aller Welt. - Forschungslabors für systematische, morphologische und molekulare Studien: Zu den modernen Forschungsrichtungen, die am Institut gepflegt werden, gehört die DNA Sequenzierung für die Rekonstruktion der Phylogenie und die Klärung von Artenschutzfragen. - 8 Dozierende, die mit ihren Teams verschiedene Pflanzengruppen erforschen und so zu ihrer Erhaltung beitragen: Elena Conti (molekulare Systematik: Primelgewächse, Steinbrecharten); Peter Linder (Direktor, Monokotylen von Südafrika, Biogeographie); Reto Nyffeler (Kakteen, Alpenpflanzen, Herbarbetreuung), Hans Ruedi Preisig (Süsswasseralgen von Europa, toxinbildende Cyanobakterien); Rolf Rutishauser (Bau und Entwicklung von Wasserpflanzen, Öffentlichkeitsarbeit im BGZH); Edwin Urmi (Erhaltung bedrohter Moose in Europa, Herbarbetreuung); Michael Kessler (Gartenkustos, tropische Biodiversität), Caroline Weckerle (Ehtnobiologie, Ethnomedizin). Fig. 1-1

4 Essbare Pflanzen / Nicht-Tiere eine Auswahl und ihre Stellung im System (Motto: Die Liebe zur Botanik geht durch den Magen ) BAKTERIEN (vgl. Kapitel 4) - FARBLOSE BAKTERIEN: Milchsäurebakterien, z.b. in Jogurt: Streptococcus thermophilus, Lactobacillus bulgaricus; in Quark: Streptococcus lactis, S. cremoris, Leuconostoc cremoris - CYANOBAKTERIEN = BLAUALGEN : Sternschneuzer (Nostoc commune): kultiviert in China; Korkzieheralge (Arthrospira im Handel als Spirulina): für Schlankheitsdiät in Tablettenform (ursprünglich Mexiko) PILZE (vgl. Kapitel 5) - SCHLAUCHPILZE (Ascomyceten): Bier- und Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) für Zuckergärung; Morchel (Morchella esculenta), Lorchel (Helvella), Trüffel (Tuber) - STÄNDERPILZE (Basidiomyceten, inkl. HUTPILZE ): Eierschwamm = Pfifferling (Cantharellus cibarius), Champignon (Agaricus), Steinpilz (Boletus edulis); Psilocybe-Pilz (Mexiko) mit halluzinogener Wirkung - FLECHTEN (Pilz-Algen-Doppelorganismen): Bibl. Mannaflechten (Lecanora esculenta u.a.): in Wüsten, zuckerreich BLÜTENLOSE PFLANZEN (vgl. Kapitel 4, 7) - GRÜNALGEN: Meersalat (Ulva lactuca) - BRAUNALGEN: Zuckertang (Laminaria saccharina), Kobu = Kombu (japanische Laminaria-Arten) - ROTALGEN: Nori (Porphyra spp.): kultiviert in Japan für Reis- und Fischrollen ("Sushi"); Agar-agar (Gelidium spp.): für Mikroorganismenkultur, Lebensmittelindustrie - FARNE: junge Wedel ("fiddleheads") - essbar von: Zimtfarn (Osmunda cinnamomea), dazu gewissen Rassen von Adlerfarn (Pteridium aquilinum) und Wurmfarn (Dryopteris filix-mas) NACKTSAMER = Gymnospermen (vgl. Kapitel 8) - Verschiedene Palmfarne (Cycadeen) liefern Stärkemehl, gewonnen aus dem Stamm: Cycas spp., Encephalartos = Brotpalmfarn Kaffernbrot - Südafrika), aus dem Rhizom: Zamia floridana, und aus Samen: Dioon edule Mexiko - Nadelbäume (Coniferen) mit essbaren Samen: Pinienkerne (Pinus pinea), Arvensamen (Pinus cembra), Wacholderbeeren (Juniperus communis) BEDECKTSAMER = BLÜTENPFLANZEN i.e.s. (Angiospermen) (vgl. Kapitel 9): Bei den folgenden Blütenpflanzen wird auch die Zugehörigkeit zu Familien (Endung: -aceae) und Ordnungen (Endung: -ales) erwähnt. Einige davon werden im Kapitel 9 (Skript Seiten 46-67) ausführlicher besprochen. In der folgenden Übersicht werden die essbaren Pflanzenteile wie folgt abgekürzt: W = Wurzel, St = Stängel (R = Rhizom, wenn unterirdisch), B = Blatt, Bl = Blüte, F = Frucht, S = Samen. 1. Klasse: ALT-ANGIOSPERMEN = EINFURCHENPOLLEN-DIKOTYLEN. Früher unterschied man nur Dikotylen und Monokotylen. DNA-Befunde sprechen dafür, die ursprünglichen Blütenpflanzen von den übrigen Dikotylen abzutrennen. Deshalb werden heute drei Klassen unterschieden: Alt-Angiospermen, Eudikotylen und Monokotylen (vgl. Kladogramm Fig.9-1, Seiten 46-67). Die drei folgenden Ordnungen bilden innerhalb der Alt- Angiospermen die Gruppe der Magnolienverwandten = magnoliids.

5 ORDNUNG LAURALES LORBEERGEWÄCHSE (Lauraceae): Zimt (Cinnamomum aromaticum, Rinde), Avocadobirne (Persea americana F) ORDNUNG MAGNOLIALES MUSKATNUSSGEW. (Myristicaceae): Muskatnuss (Myristica fragrans S) ORDNUNG PIPERALES PFEFFERGEW. (Piperaceae): Schwarzer u. weisser Pfeffer (Piper nigrum S) 2. Klasse: EUDIKOTYLEN = DREIFURCHENPOLLEN-DIKOTYLEN 2.1. Ordnungen an der Basis der Eudikotylen ORDNUNG CARYOPHYLLALES = Nelkengewächse & Verwandte GÄNSEFUSSGEW. (Chenopodiaceae): Zuckerrübe, Randen (Beta vulgaris W-St), Spinat (Spinacia oleracea B) KNÖTERICHGEW. (Polygonaceae): Rhabarber (Rheum rhabarbarum B), Buchweizen (Fagopyrum esculentum F) ORDNUNG SAXIFRAGALES JOHANNISBEERENGEW. (Grossulariaceae), früher STEINBRECHGEW. (Saxifragaceae): Stachelbeeren (Ribes uva-crispa F), Johannisbeeren (R. rubrum, R. nigrum) 2.2. ROSIDEN = Rosenähnliche Blütenpflanzen (meist mit freien Kronblättern) [OHNE ORDNUNGSBEZEICHNUNG] REBENGEW. (Vitaceae): Weinrebe (Vitis vinifera), Labruska-Weinrebe = Tessiner Rebe (V. labrusca, aus USA) EUROSIDEN I ORDNUNG MALPIGHIALES PASSIONSBLUMENGEW. (Passifloraceae): Maracuja (Passiflora edulis F) ORDNUNG FABALES HÜLSENFRÜCHTLER (Leguminosae inkl. Schmetterlingsblütler): Bohnen (Phaseolus), Erbsen (Pisum sativum), Linsen (Lens culinaris), Sojabohnen (Glycine max u.a. Tofu), Erdnüsse (Arachis hypogaea FS) ORDNUNG ROSALES ROSENGEW. (Rosaceae): Steinobst -Arten (Prunus spp.): Kirsche, Pflaume, Aprikose, Pfirsich, dazu auch Mandeln (Prunus dulcis S); Kernobst (F) wie Apfel und Birne (Malus); Hagebutte (Rosa), Brombeere und Himbeere (Rubus), Erdbeere (Fragaria) OELWEIDENGEW.(Elaeagnaceae): Sanddorn (Hippophae rhamnoides F) ORDNUNG CUCURBITALES KÜRBISGEW. (Cucurbitaceae): Gurke (Cucumis sativus), Zuckermelone (C.melo), Wassermelone (Citrullus lanatus F) ORDNUNG FAGALES BUCHENGEW. (Fagaceae): Esskastanien (Castanea sativa FS), Bucheckern (Fagus sylvatica FS) BIRKENGEW. (Betulaceae): Haselnüsse (Corylus avellana FS) WALNUSSGEW. (Juglandaceae): Walnuss (Juglans regia), Pekannuss (Carya illinoensis), beide mit Steinfrüchten! EUROSIDEN II ORDNUNG BRASSICALES KREUZBLÜTLER (Brassicaceae = Cruciferae): Rettich, Radieschen (Raphanus sativus W- S), Kohl (Brassica oleracea), Raps (Brassica napus), Senf (Sinapis alba)

6 ORDNUNG MALVALES MALVENGEW. i.w.s. (Malvaceae): Kakao (Theobroma cacao S Schokolade), Kola- Samen (Cola acuminata u.a.) mit Coffein ORDNUNG SAPINDALES ACAJUGEW. (Anacardiaceae): Cashew-Nüsse (Anacardium occidentale S), Mango (Mangifera indica F), Pistache (Pistacia vera) RAUTENGEW. = CITRUSGEW. (Rutaceae): Zitrone (Citrus lemon F), Orange (C. aurantium), Mandarine (C. reticulata) 2.3. ASTERIDEN = Asterähnliche Blütenpflanzen (meist mit röhrig verwachsenen Kronblättern) ORDNUNG CORNALES HARTRIEGELGEW. (Cornaceae): Kornelkirsche, Tierlibaum (Cornus mas F Gelee) ORDNUNG ERICALES ERIKAGEW. (Ericaceae): Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus), Preisselbeeren (V. vitis-idaea) EUASTERIDEN I ORDNUNG GENTIANALES = Enzianartige ROETEGEW. (Rubiaceae): Kaffee- bohnen (Coffea arabica u.a.) = Samen von kirschenartigen Früchten ORDNUNG LAMIALES LIPPENBLÜTLER (Lamiaceae = Labiatae): Küchenkräuter wie Majoran (Origanum majorana), Ysop (Hyssopus officinalis), Zitronenmelisse (Melissa officinalis), Rosmarin (Rosmarinus officinalis), Bohnenkraut (Satureja hortensis), Thymian (Thymus) ÖLBAUMGEW. (Oleaceae): Oliven (Olea europaea F) ORDNUNG SOLANALES NACHTSCHATTENGEW.(Solanaceae): Tomate (Lycopersicon esculentum F), Aubergine (Solanum melongena F), Kartoffel (Solanum tuberosum R-Knollen), Paprika + Red Pepper = span. Pfeffer, auch Chilli (Capsicum annuum, C. frutescens) WINDENGEW. (Convolvulaceae): Süsskartoffel = Batate (Ipomoea batatas W-Knollen) EUASTERIDEN II ORDNUNG APIALES DOLDENGEW. (Apiaceae = Umbelliferae): Karotte (Daucus carota W), Petersilie (Petroselinum B), Sellerie (Apium graveolens W-St, B), Dill (Anethum graveolens FB), Fenchel (Foeniculum vulgare FB), Kümmel (Carum carvi F) ORDNUNG ASTERALES KORBBLÜTLER (Asteraceae = Compositae): Estragon (Artemisia dracunculus), Chicoree = Salatzichorie (Cichorium intybus B), Kopfsalat und Lattich (Lactuca sativa), Artischocke (Cynara scolymus), Topinambur = Erdbirne (Helianthus tuberosus R-Knollen) ORDNUNG DIPSACALES = Kardenartige BALDRIANGEW. (Valerianaceae): Nüsslisalat (Valerianella locusta B) 3. Klasse: MONOKOTYLEN = EINKEIMBLÄTTRIGE BLÜTENPFLANZEN ORDNUNG ALISMATALES (= Froschlöffelgruppe, relativ basale Monokotylen-Ordnung) ARONSTABGEW. (Araceae): Taro (Colocasia esculenta, R-Knollenstärke- und eiweissreich)

7 ORDNUNG ASPARAGALES = Spargelartige LAUCHGEWÄCHSE (Alliaceae, früher Liliaceae z.t.): Lauch, Knoblauch, Zwiebel (Allium B) SPARGELGEW. (Asparagaceae, früher Liliaceae z.t.): Spargelspitzen (Asparagus officinalis) SCHWERTLILIENGEW.(lridaceae): Safran (Crocus sativus Bl: Griffelspitze/Narben) ORCHIDEEN (Orchidaceae): Vanilleschoten (Vanilla planifolia F) COMMELINIDEN = RESTLICHE MONOKOTYLEN-ORDNUNGEN ORDNUNG DIOSCOREALES YAMSWURZGEW.(Dioscoresceae): Yams, Fufu (Dioscorea St oder Hypokotylknollen) ORDNUNG ARECALES PALMEN (Palmae): Kokosnüsse (Cocos nucifera FS), Datteln (Phoenix dactylifera F), Sago (Metroxylon spp. St-Mark) ORDNUNG POALES = Grasartige ECHTE GRÄSER (Gramineae): Getreide [FS] wie Gerste (Hordeum), Hafer (Avena), Roggen (Secale), Weizen (Triticum), Reis (Oryza), Mais (Zea), Hirsen (Panicum, Sorghum); dazu auch Zuckerrohr (Saccharum officinarum St) BROMELIENGEW. (Bromeliaceae): Ananas (Ananas comosus = A. sativus) mit fleischigem Fruchtstand ORDNUNG ZINGIBERALES INGWERGEW. (Zingiberaceae): Ingwer (Zingiber officinale R) BANANENGEW. (Musaceae): Bananen (Musa paradisiaca F) Übungsaufgaben zur Liste essbarer Pflanzen i) Schauen Sie die Liste durch und kreuzen Sie an, was Sie schon gegessen haben. Welchen Pflanzenteil haben Sie verzehrt? ii) Zu welchen Pflanzenfamilien gehören Ihnen bekannte Küchenkräuter? iii) Stellen Sie eine Wunschliste zusammen. Welche essbaren Pflanzen möchten Sie im Verlauf des Frühlingssemesters (speziell im Praktikum vom Donnerstag, 30.04.09) degustieren? Mitteilung an: <rutishau@systbot.uzh.ch> oder <weckerle@ethnobot.ch> iv) In welchen Pflanzengruppen (Pflanzenfamilien) finden sich neben Heilpflanzen auch Giftpflanzen? v) Nennen Sie je zwei essbare Vertreter folgender Gruppen: Schlauchpilze, Algen, Nacktsamer, Altangiospermen, Monokotylen, Rosiden, Asteriden. Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 726-727

8 2. Stammbaumrekonstruktion und Artbegriff Kladistik ist eine Methode der systematischen Biologie zur Beantwortung folgender Fragen: Wie sind die heute bekannten Organismengruppen miteinander verwandt? In welcher Reihenfolge sind sie auseinander hervorgegangen? Kladistik verfolgt also ähnliche Ziele wie die traditionellen Systematik. Im Gegensatz dazu führt aber Kladistik zu phylogenetischen Schlüssen, die reproduzierbar sind. Das beste Kladogramm wird aufgrund klarer Regeln ermittelt. Besonders für AnfängerInnen ermöglicht die kladistische Methode einen raschen Einstieg. Die traditionelle Systematik dagegen setzt oft eine jahrelange vergleichende Beschäftigung mit Organismen voraus, bis deren natürliche Verwandtschaft intuitiv ("mit dem inneren Auge") wahrgenommen wird. Kladistik baut auf der klassischen Systematik auf. Die klassischen Systematiker argumentierten schon lange vor der Entwicklung der Kladistik mit Merkmalsprogressionen: primitiv abgeleitet, z.b. der Übergang von freien zu verwachsenen Fruchtblättern bei Blütenpflanzen. Die kladistische Methode erlaubt die computerunterstützte Analyse unübersichtlicher Datenmengen (viele Taxa, je mit vielen Merkmalen). So stehen heute neben morphologischen und anatomischen Merkmalen auch bei den Pflanzen schon viele molekulare Daten zur Verfügung (siehe unten: molekulare Systematik). Jeder Anwender sollte sich der Schwächen der kladistischen Methoden bewusst sein. Es gibt kladistische Schulen, die oft zu dogmatisch sind. Kladogramme sind didaktische Hilfsmittel, die selten besser sind als ihre Produzenten. Auch ein Kladist braucht für die Auswahl der wichtigen Merkmale und der als primitiv betrachteten Vergleichsgruppen (Aussengruppen) viel Erfahrung, eine gute Beobachtungsgabe und Intuition! Die vom deutschen Zoologen Hennig (1950) begründete Kladistik arbeitet nach folgenden Regeln (Axiomen): a) Beim Vergleich verwandter Taxa (Arten, Gattungen,...) gilt es, abgeleitete (= apomorphe) Merkmale und primitive (= plesiomorphe) Merkmale zu unterscheiden. Für die phylogenetische Rekonstruktion (Verwandtschaftsanalyse) werden nur Synapomorphien herangezogen, d.h. abgeleitete Merkmale, die von einer Gruppe von Taxa gemeinsam getragen werden. Zur Bestimmung, ob innerhalb einer Verwandtschaftsgruppe ein Merkmal abgeleitet oder primitiv ist, werden die Merkmale der vermutlich nächstverwandten Nachbargruppe (Aussengruppe oder Schwestergruppe) studiert. Gewisse Computerprogramme für die Auswertung entscheiden von sich aus, welche Merkmale als abgeleitet zu betrachten sind (abhängig von der gewählten Aussengruppe). b) Für die Konstruktion von Kladogrammen (= Stammbaumhypothesen) werden Computerprogramme verwendet. Die Auswahl des besten Kladogramms geschieht dabei z.b. mit Hilfe des Parsimonieprinzips (Sparsamkeitsprinzips): Das beste Kladogramm ist jenes, das mit der kleinsten Zahl von Merkmalsänderungen (primitiv abgeleitet) auskommt. c) Kladisten akzeptieren als natürliche Verwandtschaftsgruppen (Gattungen, Familien,...) nur noch sogenannte monophyletische Gruppen (= clades), die auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen und auch alle sich davon ableitenden Untergruppen enthalten. Deshalb werden z.b. die Asclepiadaceae (Seidenpflanzengewächse) als Untergruppe der Familie der Apocynaceae (Hundsgiftgewächse) einverleibt. Molekulare Systematik: Ein Kind der letzten 25 Jahre ist die molekulare Systematik, welche die genetischen Unterschiede zwischen den Organismengruppen studiert. Bei den Pflanzen besonders aktuell ist die Analyse der Chloroplasten-DNA. So kennt man heute schon von über 2000 Landpflanzenarten die Unterschiede der Basensequenzen des für die Fotosynthese wichtigen rbcl- Gens (Länge ca.1428 Basen = Nukleotide). Nur dank der Kladistik lassen sich derart grosse Datenmengen überhaupt miteinander vergleichen. Die daraus resultierenden Kladogramme heissen auch gene trees. Neben dem rbcl-gen werden bei Pflanzen laufend weitere Gene sequenziert. Es ist zu hoffen, dass viele der heute noch vorhandenen Probleme der phylogenetischen Rekonstruktion bei einer Kombination verschiedener gene trees gelöst werden. Lektüre: Campbell & Reece (2003), Kapitel 25 Phylogenie und Systematik, S. 571 598 (vorwiegend mit Beispielen aus der Zoologie). Frage: Welches ist the most abundant enzyme on earth? Antwort: siehe nächste Seite...

9 Antwort: Das bezüglich Biomasse wohl häufigste Enzym heisst Ribulose-1,5-Bisphosphat- Carboxylase-Oxygenase (abgekürzt: RUBISCO). Gemäss E.A. Kellogg & N.D. Juliano (1997, American Journal of Botany 84:413) ist es sogar the most abundant protein in the world. Es ist das Enzym, das in Chloroplasten die CO 2 -Fixierung (Carboxylierung) katalysiert. Das gleiche Enzym ist auch für die O 2 -Fixierung (= Fotorespiration) zuständig. RUBISCO kommt in allen grünen Pflanzen vor. Die grosse Untereinheit von RUBISCO besteht aus 476 Aminosäuren. Das dafür zuständige Gen heisst rbcl und besteht entsprechend aus 1428 Nukleotidbasen. Viele davon mutierten während der Evolution der grünen Pflanzen. Kellogg & Juliano (1997) schätzen, dass ein Drittel aller Basen nicht selektionsneutral mutieren kann, da die entsprechenden Aminosäuren für das Funktionieren des Enzyms nicht durch andere ersetzt werden dürfen. Das bedeutet, dass beim rbcl-gen nur gut 1000 Basen frei mutieren konnten und nur diese für die molekulare Systematik von Bedeutung sind. Dabei gilt die Regel: Jede Basenposition entspricht einem Merkmal ( character ), mit vier möglichen Merkmalszuständen ( character states ): A/T/G/C. Werden für die kladistische Auswertung molekulare und morphologische ( nicht molekulare ) Merkmale kombiniert, so sind die molekularen stets in der Überzahl, weil sich wohl kein Botaniker findet, der zum Beispiel ein Buschwindröschen in 1000 morphologische Merkmale zerhacken kann. Taxonomische Rangstufen im Pflanzenreich (am Beispiel von zwei Vertretern der Hahnenfussgewächse = Ranunculaceae) Reich Unterreich Abteilung Unterabteilung Klasse Ordnung Familie Pflanzenreich (neu definiert, vgl. Seite 16): inkl. Grünalgen, ohne Pilze + Bakterien Landpflanzen = Embryophyten mit Moosen, Farn- und Samenpflanzen Samenpflanzen = Spermatophyten Angiospermen = Bedecktsamer = Blütenpflanzen ohne Nacktsamer alt: Dikotylen = zweikeimblättrige Blütenpflanzen (inkl. basale Angiospermen) neu: Eudikotylen = Eudicots (engl) = Dikotylen ohne basale Angiospermen (vgl. Skript Seiten 46-53) Ranunculales = Hahnenfussartige Ranunculaceae = Hahnenfussgewächse Gattung (Genus) Ranunculus = Hahnenfuss Anemone = Windröschen Art (Species) Ranunculus ficaria L. = Scharbockskraut (Fig.2-1) Anemone nemorosa L. = Busch-Windröschen (Fig.2-2) Unterart R. ficaria subsp. ficaria + (keine Unterarten unterschieden) (Subspecies) R. ficaria subsp. bulbifer Lawalrée Aufgepasst: Viele (auch einheimische) Pflanzen haben Synonyme. Zum Beispiel heisst das Scharbockskraut auch Ficaria verna Huds., weil sein Beschreiber, der englische Botaniker William Hudson (1734-1793) der Ansicht war, dass das Scharbockskraut eine eigene Gattung darstelle. Anfangs hatte sich Carl von Linné s (1707-1778) Meinung durchgesetzt, dass das Scharbockskraut doch zur Gattung Ranunculus gehört. In den heutigen Florenwerken und Bestimmungsbüchern jedoch erscheint doch wieder Ficaria verna als gültiger Name. DNA-Analysen geben Hudson Recht!

10 Fig. 2-1 Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) ein Hahnenfussgewächs Fig. 2-2 Busch-Windröschen (Anemone nemorosa) ein Hahnenfussgewächs Fig. 2-3 Weisse Seerose (Nymphaea alba) ein Seerosengewächs Alle Zeichnungen aus W. Rothmaler (1995): Exkursionsflora von Deutschland. G. Fischer, Jena (ebenso Fig. 9.4 9.15, Seiten 50-55) Massstab = 1 cm Fig. 2-4 Hornblatt (Ceratophyllum demersum) ein Hornblattgewächs

11 Stammbaumrekonstruktion = kladistische (phylogenetische) Analyse Beispiel: Vergleich von drei relativ basalen Blütenpflanzenfamilien Anzahl Gattungen und Arten (spp.) Verbreitung Beispiele von Gattungen Nymphaeaceae Ceratophyllaceae Ranunculaceae = Seerosengewächse = Hornblattgewächse = Hahnenfussgewächse 6 Gatt. / 75 spp. 1 Gattung / 2-6 spp. 62 Gatt. / 2450 spp. Weltweit (vorwiegend tropisch, subtropisch) Nymphaea (Seerose) 50 spp., Fig.2-3 Nuphar (Teichrose) 16 spp. Victoria ( Königin der Seerosen ) 2 spp. weltweit nur Ceratophyllum (Hornblatt) 4 spp. (2 auch in CH), Fig.2-4 vorwiegend N-Hemisphäre, extratropisch Ranunculus ca. 600 spp. Anemone 144 spp. Caltha (Dotterblume) 12 spp., Helleborus (Nieswurz) 21 spp., Fig.2-1, 2-2 vorwiegend Landbewohner, einige in Sumpf + Wasser Zwitterblüten Lebensraum Wasser (festwurzelnd) Wasser (freischwimmend) Geschlecht der Zwitterblüten und Blüten, Blüten einhäusig Blütenhülle doppelt: Kelch und Krone einfach einfach (Anemone, Caltha) oder doppelt (Helleborus, Ranunculus) Bestäubung Stellung und Zahl der Staubblätter (Androecium) Fruchtblätter = Karpelle (Gynoecium) Früchte Insekten (Käfer, Fliegen, Bienen) spiralig, viele (oft 40-80; Victoria 120-250) viele, verwachsen (da in Blütenboden eingesenkt) fleischig, zerfallend; Fruchtblätter vielsamig Unterwasserbestäubung (meist) Insekten spiralig, 10-20 spiralig, 15-100 1, frei (oft) viele, frei (1 bei Consolida Acker- Rittersporn) Nüsschen (einsamig) einsamige Nüsschen (Anemone, Ranunculus) oder mehrsamige Bälge (Caltha, Helleborus) Pollenwand eine Keimfurche keine Keimfurche drei Keimfurchen Diese und weitere nicht molekularen Merkmale müssen als Vorbereitung für die kladistische Analyse in eine neue Merkmalsliste eingefüllt werden, wobei jedes Merkmal ( character ) 2-3 Merkmalszustände ( character states ) annehmen kann. Die Wahl der Ziffern 0, 1 oder 2 sagt dabei noch nichts darüber aus, was primitiv und was höher entwickelt ist! In der Merkmalsliste (siehe nächste Seite) wurde die Blütenhülle in zwei Einzelmerkmale aufgeteilt, nämlich Merkmal 9 = Blütenhülle mit den Merkmalszuständen 0: einfache Blütenhülle (P = Perigon) und 1: doppelte Blütenhülle (mit K = Kelch und C = Krone). Merkmal 10 = Nektarblätter. Dieses Merkmal betrifft das Auftreten von Kronblättern durch Umwandlung (Sterilisierung) äusserer Staubblätter. Die sterilen Staubblätter (Staminodien) produzieren an Stelle von Pollen Nektar, deshalb heissen sie auch Nektarblätter. Relativ unscheinbare Nektarblätter (Merkmalszustand 0) kommen bei der Teichrose (Nuphar) und der Nieswurz (Helleborus) vor. Weisse oder gelbe = auffällige Nektarblätter (Merkmalszustand 1), die auch Nektar produzierende Kronblätter genannt werden können, finden sich bei der Seerose (Nymphaea), der Königin der Seerosen (Victoria) und beim Hahnenfuss (Ranunculus). Die bereinigte Merkmalsliste (geschrieben z.b. mit Programm MacClade) kann nun mit einem weiteren Kladistikprogramm (z.b. PAUP = Phylogenetic Analysis Using Parsimony ) analysiert werden, wobei PAUP die kürzesten (= most parsimonious ) Bäume = Kladogramm als beste Stammbaumhypothesen auswählt.

12 Horizontal = Gattungen für kladistische Analyse Nymphaeaceae (1-3) = Seerosengewächse Ceratophyllaceae (4) = Hornblattgewächse Ranunculaceae (5-8) = Hahnenfussgewächse Vertikal = Morphologische und andere nicht molekulare Merkmale (1-24)

Fig. 2-5 Kürzestes Kladogramm (berechnet mit PAUP) zur Verwandtschaft der Seerosen-, Hornblattund Hahnenfussgewächse Vergleiche dazu Blütenpflanzenübersicht = Kladogramm Fig. 9-1, Skript Seiten 46-49 13

14 Artbegriff und Ursprung der Arten bei Pflanzen auch anders! Aus der Zoologie sind vor allem folgende Artdefinitionen bekannt: (1) Biologischer Artbegriff: Arten sind Gruppen von sich miteinander kreuzenden, natürlichen Populationen, die hinsichtlich ihrer Fortpflanzung von anderen Gruppen isoliert sind. (2) Pluralistischer Artbegriff: Die Art ist eine Einheit von Lebewesen, die voneinander abstammen, deren Genotypen sehr ähnlich sind und die sich unter natürlichen Bedingungen aus genetischen, anatomischen, ethologischen, räumlichen oder ökologischen Gründen nicht mit Lebewesen anderer Gruppen vermischen. (vgl. Campbell & Reece 2003, S. 545-555) Diese in der Zoologie üblichen Artdefinitionen sind nur bedingt auf Pflanzen übertragbar. Die systematisch arbeitenden BotanikerInnen verwenden in der Praxis deshalb meistens eine morphologische Artdefinition: Arten sind die kleinsten Gruppen, die durchgängig und andauernd voneinander verschieden und mit den üblichen Mitteln unterscheidbar sind. Die morphologische Artdefinition erlaubt das Akzeptieren fertiler Bastarde (Hybriden), wie sie zwischen Arten und gelegentlich sogar zwischen Gattungen auftreten, z.b. Triticale = Triticum [Weizen] x Secale [Roggen]. Im Gegensatz zu den meisten Tiergruppen erfolgt die Evolution der Pflanzen nicht nur über Mutation, Rekombination, Selektion und Isolation (= primäre Artbildung). Insbesondere Gefässpflanzen (Farne und Samenpflanzen) zeigen nicht selten sekundäre Artbildung durch Hybridisierung (Artkreuzung) mit anschliessender Allopolyploidisierung (Addierung der Chromosomensätze der Elterarten). Viele Gefässpflanzenarten weisen deshalb gegenüber nahe verwandten diploiden Arten doppelt oder dreimal so viele Chromosomen auf. Zahlreiche Beispiele liefern die Kulturpflanzen. So gibt es neben den ursprünglichen diploiden Weizenarten (z.b. Einkorn = Triticum monococcum, 2n = 14) auch tetraploide Weizen (z.b. Emmer = T. dicoccon, 2n = 28) und hexaploide Weizen (z.b. Saatweizen = T. aestivum, 2n = 42). Chromosomenstudien und Kreuzungsversuche zeigten, dass Emmer durch Kreuzung von zwei Wildarten, Saatweizen durch Kreuzung von drei Wildarten entstanden sein muss (vgl. Fig.2-6). In analoger Weise konnte der chinesische Botaniker U nachweisen, dass der weltweit angebaute Raps (Brassica napus, 2n = 38) als allotetraploider Bastard aus der Kreuzung von Gemüsekohl (B. oleracea, 2n = 18) und Rübsen = Rübenkohl (B. rapa, 2n = 20) hervorgegangen ist. Sackgasse Apomixis: In vielen Fällen führt die Kreuzung von Samenpflanzenarten zur Bildung von Hybriden, deren Sexualität (Pollen- und Embryosackbildung) wegen Schwierigkeiten der Chromosomenpaarung gestört ist. Als Ausweg erweist sich bei zahlreichen Gruppen die vegetative Vermehrung (z.b. Ausläufer, Brutknöllchen) oder die Samenbildung ohne Meiose und Befruchtung (Agamospermie). Vegetative Vermehrung und Agamospermie werden unter dem Begriff Apomixis zusammengefasst. Apomikten mit asexueller Samenbildung gibt es z.b. beim Frauenmantel aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae), ebenso bei Löwenzahn (Taraxacum) und Habichtskraut aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Obligat oder vorwiegend apomiktische Gruppen stellen die Systematiker oft vor grosse Probleme bei der Artabgrenzung. So werden beim Frauenmantel (Alchemilla) gut 100 Sammelarten (= Aggregate, abgekürzt agg.) und über 1000 Kleinarten (CH: 78) unterschieden, die zum grösseren Teil reine Linien (Klone) darstellen, da das Erbgut unverändert an die apomiktisch gebildeten Tochterpflanzen weitergegeben wird. Apomixis-Forschung findet im Institut für Pflanzenbiologie (Univ. Zürich) statt. Forschungsziel: Erhalten der positiven Eigenschaften von Hybridmais über apomiktisch erzeugte Samen (vgl. Campbell & Reece 2003, S. 952).

15 Fig. 2-6 Polyploide Artbildung bei Pflanzen, z.b. vom Einkorn zum Kulturweizen (vgl. Campbell & Reece 2003, S. 555-557)

16 3. Das Pflanzenreich im alten Sinn und die Organismenreiche nach neuer Auffassung Die Lebewesen wurden früher in Pflanzen und Tiere eingeteilt. Diese Einteilung ist aber längst überholt. Heute werden oft 5 6 Organismenreiche unterschieden, wobei deren Abgrenzung zum Teil künstlich ist. Beim ersten der unten erwähnten Reiche handelt es sich um Prokaryoten (ohne eigentlichen Zellkern). Die übrigen vier Reiche gehören zu den Eukaryoten (mit Zellkern), die durch einfache bis mehrfache Phagocytose und Endosymbiose aus Prokaryoten entstanden sind (Fig. 3-1 bis 3-3). 1. Bakterien mit den zwei Gruppen Archaea (Archaebakterien) und Bacteria (Eubakterien). Zur zweiten Gruppe gehören die Cyanobakterien, welche früher auch Blaualgen hiessen. Archaebakterien und Eubakterien werden oft auch als zwei völlig getrennte Prokaryotenreiche aufgefasst. 2. Protisten = photoautotrophe und heterotrophe Einzeller, ebenso verschiedene photoautotrophe Vielzeller. Dazu werden neben Protozoen (z.b. Wimpertierchen und Sporentierchen) auch die Augenflagellaten (Euglenophyten = Euglenozoa) und alle mehrzelligen Algen ausser den Grünalgen gezählt. Ebenfalls zu den Protisten gehören die Schleimpilze (Mycetozoa). Die Protisten sind also ein heterogener Sammeltopf von eukaryotischen Lebewesen, die nicht den drei folgenden Organismenreichen (3-5) zugeordnet werden können. 3. Plantae ( Viridiplantae ) = grüne Pflanzen = Reich der Pflanzen nach moderner Auffassung: Grünalgen und alle Landpflanzen (Embryophyten) mit Moosen, Farnartigen und Samenpflanzen. 4. Fungi = Pilze 5. Animalia = mehrzellige Tiere Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 621-622, S. 695 (dazu Fig. 26.1, S. 609) Fig. 3-1

17 Kladogramm der Organismenreiche, basierend auf molekularen Daten Das vorliegende wurzellose Kladogramm zeigt die mutmassliche Verwandtschaft der Eukaryotenreiche. Es basiert auf der Analyse von Aminosäuresequenzen verschiedener Proteine, die den Bakterien (Prokaryoten) noch fehlen. Zu diesen Eukaryoten-Proteinen gehören Aktin, Myosin (beides Bestandteile kontraktiler Elemente) und Tubulin (als Teil der ebenfalls kontraktilen Mikrotubuli). Die dick gezeichneten Äste im Kladogramm dürfen als gute Hypothesen betrachtet werden, die dünnen jedoch eher als Spekulation. Die Chitinpilze (Fungi) und Tiere (Animalia) bilden eine monophyletische Gruppe (= Clade) mit den Schleimpilzen (Mycetozoa) als Schwestergruppe. Die Sporentierchen (Sporozoa = Apicomplexa, z.b. Malariaerreger Plasmodium) und die Wimpertierchen (Ciliata) bilden einen weiteren Clade ( Alveolata ), zu dem auch die Dinoflagellaten (Dinophyta) gehören (vgl. Fig.3-3 Endosymbiontenhypothese ). Von den grünen Pflanzen (Viridiplantae) wurden für das Kladogramm nur die drei Angiospermengattungen Arabidopsis (Schotenkresse), Oryza (Reis) und Zea (Mais) berücksichtigt. Diesen relativ nahe stehen die einzelligen Euglenozoa, zu denen einerseits die meist grünen Augenflagellaten (mit Euglena) zählen, anderseits auch parasitäre Geisseltierchen wie z.b. die Erreger von Chagas- und Schlafkrankheit (Trypanosomas). Das Kladogramm stammt aus der Publikation von Sandra Baldauf (1999): A search for the origin of animals and fungi: comparing and combining molecular data. The American Naturalist 154 (Suppl.): S178-188. Fig. 3-2 Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 660-661, Fig. 28.8 Eine vorläufige Phylogenie der Eukaryoten

18 Fig. 3-3 Endosymbiontentheorie 1 2 3 4 5 Sporentierchen Lektüre: Einfachere Darstellung zur Endosymbiontentheorie finden sich in Campbell & Reece 2003: Fig. 28.4, 28.5, 28.6, 28.25 (S. 655-676)

19 4. Cyanobakterien und Algen: Endosymbiontenhypothese und die Ableitung der verschiedenen Algen und heterotrophen Protisten von Prokaryoten Vergleiche dazu die Buchstaben und Zahlen in der Übersicht zur Endosymbiontentheorie (Fig. 3-3). 1 Abteilung CYANOBAKTERIEN ( BLAUALGEN ) aus dem Reich der Eubakterien vgl. Praktikumsunterlagen und Campbell & Reece 2003, S. 641 A. Primäre Endosymbiosen und die Entstehung der Grünalgen (Chlorophyta) und Rotalgen (Rhodophyta) Nach der heute weitgehend akzeptierten Endosymbiontenhypothese haben amöbenartige, eukaryotische Zellen aerob lebende Bakterien (mit Atmungskette) als Symbionten aufgenommen. Die beiden Partner wurden zu einer Einheit, einer noch heterotrophen Zelle mit Mitochondrien. Einige dieser heterotrophen Zellen gingen auch eine primäre Symbiose mit cyanobakterienähnlichen Prokaryoten ein und wurden so zu Vorläufern photoautotropher eukaryotischer Zellen mit Chloroplasten. Wie ihre prokaryotischen Vorläufer besitzen Mitochondrien und Plastiden noch eigene DNA und eine eigene Proteinsynthesemaschinerie (mit Ribosomen). Mitochondrien und Plastiden sind im Gegensatz zu freilebenden Prokaryoten nur semiautonome Organellen, da sie viele Gene verloren oder ins Kerngenom der Wirtszelle transferiert haben. So wird zum Beispiel die grosse Untereinheit des für die Fotosynthese wichtigen Carboxylierungsenzyms RuBisCO durch das Chloroplastengen RUBISCO kodiert, während die kleine Untereinheit durch ein Kerngen kodiert wird (vgl. Kap.2, Skript Seite 9). 2 Abteilung CHLOROPHYTA (GRÜNALGEN, inkl. JOCHALGEN und ARMLEUCHTERALGEN) aus dem Reich der Grünen Pflanzen (Viridiplantae). Sie alle weisen Zellwände aus Zellulose, Chloroplasten mit den Chlorophyllen a und b, sowie Stärke als Reserveprodukt auf (vergleiche dazu Praktikumsunterlagen). Grünalgen kommen mit weltweit 9'000 Arten im Süsswasser und im Meer vor. Neben Einzellern (z.b. Chlamydomonas) gibt es koloniebildende Formen (z.b. Volvox), fadenförmige Vertreter (z.b. die Jochalge Spirogyra) und Formen mit vielzelligen Geweben (z.b. der essbare Meersalat Ulva lactuca). Von den Grünalgen, insbesondere Armleuchteralgen = Chara-Verwandten (Fig. 4-1) leiten sich alle grünen Landpflanzen = Embryophyten ab, welche in die drei Abteilungen der Bryophyta (Moose), Pteridophyta (Farne und farnartige Gewächse) und Spermatophyta (Samenpflanzen) eingeteilt werden (vgl. Vorlesungskapitel 6 9). Armleuchteralgen (Kopie aus Strasburger 1998) Fig. 4-1

20 3 Abteilung RHODOPHYTA (ROTALGEN) aus dem Reich der Protisten (Protoctista). Wie die Grünalgen sind die Rotalgen das Produkt primärer Endosymbiosen (vgl. Fig. 3-3). Im Falle der Rotalgen wurden Cyanobakterien, wie sie auch heute noch vorkommen, zu den Rotalgenplastiden. Cyanobakterien und Rotalgen zeichnen sich durch die akzessorischen Pigmente Phycocyan und Phycoerythrin aus, während das für die Grünen Pflanzen (Viridiplantae) typische Chlorophyll b fehlt. Die Rotfärbung der meisten Rotalgen wird durch Phycoerythrin hervorgerufen. Das Phycocyanin liefert einen ins Bläuliche gehenden Farbton. Den Rotalgen fehlen begeisselte Zellen. Die meisten der etwa 5 500 Arten sind marin. Sie wachsen auf fester Unterlage (z.b. Fels) und sind oft fädig oder bilden komplexere, vielzellige Formen (Thalli). Für die Nahrungsmittelindustrie wichtige Rotalgen sind Porphyra (Nori Sushi der Japaner) und Gelidium (Agar-agar). B. Sekundäre Endosymbiosen und die Entstehung weiterer Algengruppen Das Fressen und Gefressenwerden ohne Verdauung der Organellen ging weiter. Viele Algen haben Plastiden (Chloroplasten) als Resultat einer weiteren Phagocytose und anschliessender sekundären Endosymbiose, indem heterotrophe Eukaryoten ganze Grünalgenzellen ( Green Lineage ) bzw. ganze Rotalgenzellen ( Red Lineage ) aufnahmen. Die durch sekundäre Endosymbiose entstandenen Chloroplasten zeichnen sich durch drei Membranen aus, während Grün- und Rotalgenchloroplasten zwei Membranen aufweisen. Der Zellkern der aufgenommenen Zelle verkümmert zu einem Nucleomorph oder degeneriert ganz. Grüne Linie ( Green Lineage mit Chlorophyll a und b, z.b. 4 Abteilung EUGLENOPHYTA = EUGLENOZOA (AUGENFLAGELLATEN) aus dem Reich der Protisten (Protoctista). Bekanntester Vertreter dieser einzelligen, mit Geisseln versehenen Organismen ist das Augentierchen Euglena (vgl. Praktikumsunterlagen). Dazu zählen auch heterotrophe Formen, so die Trypanosomen als endoparasitäre Krankheitserreger von Tier und Mensch (siehe Kladogramm Fig. 3-2 in Kap. 3, Seite 17). Rote Linie ( Red Lineage ) mit Chlorophyll a und c, z.b. 5 Abteilung HETEROKONTOPHYTA (GOLDALGENVERWANDTE) aus dem Reich der Protisten (Protoctista). Diese vielgestaltige Algengruppe besteht aus den Braunalgen (2 000 Arten, englisch kelps = Tange), den Kieselalgen = Diatomeen (über 10'000, evtl. sogar 100 000 Arten) und den Goldalgen (Chrysophyten). In der Regel sind zwei ungleich lange Geisseln vorhanden, wobei die eine Geissel behaart ist (vgl. Fig.3-3, Seite 18). Der Name Heterokontophyta ( Ungleichgeissler ) bezieht sich auf dieses Merkmal. Die gelbe bis goldbraune Farbe beruht vorwiegend auf dem akzessorischen Pigment Fucoxanthin. Anstelle von Stärke finden sich andere Reservepolysaccharide. Die Braunalgen kommen fast nur im marinen Bereich vor. Wie die Rotalgen (siehe oben) besiedeln sie vorwiegend die Felsküsten im Bereich der Gezeiten (Litoral). Neben fädigen Formen (z.b. Ectocarpus) gibt es Vertreter mit komplex gebauten Pflanzenkörpern (Thalli), so z.b. Zuckertang (Laminaria, Fig. 4-2) und Blasen- und Sägetang (Fucus). Viele Braunalgen sind zur Steigerung des Auftriebs mit Schwimmblasen ausgestattet, so z.b. der frei schwimmende Golftang (Sargassum). Neben den oben erwähnten Algen gehören zu den Goldalgenverwandten auch farblose Gruppen, so z.b. die als Zellulosepilze oder Algenpilze bekannten Oomyceten, zu denen Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffeln zählt (vgl. Kap. 5. Pilze, Skript Seite 22).

Fig. 4-2 21 Braunalgen (Tange, engl. kelps ) Kopie aus Strasburger (1998) C. Tertiäre Endosymbiosen und die Kleptochloroplasten der Dinoflagellaten und Wimpertierchen Das Fressen und Gefressenwerden ohne Verdauung der Organellen kann noch einen Schritt weitergehen. Plastiden (Chloroplasten) können auch nach einer tertiären Endosymbiose weiter funktionieren, indem eukaryotische Zellen mit sekundär endosymbiontischen Chloroplasten der grünen oder roten Linie noch einmal von einem räuberischen heterotrophen Einzeller phagozytiert werden. 6 Abteilung DINOPHYTA (DINOFLAGELLATEN = PANZERFLAGELLATEN = FEUERALGEN) aus dem Reich der Protisten (Protoctista). Die Dinoflagellaten stellen eine heterogene Gruppe eukaryotischer Algen dar. Von diesen meist einzelligen Organismen sind etwa 50% heterotroph (d.h. räuberisch oder parasitisch). Gewisse farblose Dinoflagellaten (z.b. Noctiluca) bewirken dank Bioluminiszenz das Meeresleuchten. Bei den autotrophen Dinoflagellaten (z.b. Hornalge Ceratium) geht der Besitz von Chloroplasten auf die wiederholt aufgetretene Aufnahme ganzer eukaryotischer Zellen anderer Algen zurück. Als Hinweis besitzen einige Dinoflagellaten Chloroplasten mit vier Membranen. In einigen Arten sind die Plastiden nicht permanente Bestandteile der Zellen (sogenannte Kleptochloroplasten ). Dinoflagellaten besitzen oft eine Zellwand aus Zelluloseplatten. Sie tragen zwei behaarte Geisseln. Die in einer taillenartigen Querfurche schlagende Geissel verursacht die Drehbewegung um die Längsachse, während die in der Längsfurche bewegte Geissel der Fortbewegung dient. Molekulare Analysen (siehe Fig. 3-2, Seite 17) weisen auf eine engere Verwandtschaft zwischen Dinoflagellaten und tierischen Einzellern wie den Wimpertierchen (Ciliaten) und den parasitären Sporentierchen (Sporozoa = Apicomplexa) hin. Dazu gehört auch der Malaria-Erreger Plasmodium, der noch Reste von Plastiden aufweist!! Neben den Dinoflagellaten kennen auch die räuberischen Wimpertierchen Kleptochloroplasten, die sie temporär von ihrer Beute übernehmen. Dinoflagellaten, Wimpertierchen und Sporentierchen zusammen werden gelegentlich als Alveolaten bezeichnet, da sie unter der Plasmamembran Bläschen aufweisen (vgl. Skript Seite 17). Endosymbiosen von Algen mit anderen Organismen gibt es übrigens in grosser Zahl. So leben z.b. Dinoflagellaten als Zooxanthellen in riffbildenden Korallen und Seeanemonen. Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 660-683

22 5. Pilze (inkl. Flechten) Unter dem Begriff Pilze werden Organismen zusammengefasst, die heterotroph sind und als Destruenten (Saprophyten und Parasiten) gedeihen. Viele wachsen mit Fäden (Hyphen), deren Gesamtheit als Mycel bezeichnet wird. Als Abbauer organischer Substanz erfüllen Pilze im Kreislauf der Nährstoffe eine wichtige Aufgabe. Im Gegensatz zu den ebenfalls heterotrophen Tieren (Reich Animalia) und vielen grünen Pflanzen (Reich Plantae) vermehren sich Pilze durch Sporen, die durch Mitose (Mitosporen) oder Meiose (Meiosporen) entstehen. Systematisch sind die Pilze polyphyletisch und damit eine künstliche Gruppe. Zu den Bakterien gehören die vorwiegend bodenbewohnenden Strahlenpilze (Actinomyceten), die uns wertvolle Antibiotika (z.b. Actinomycin, Streptomycin) liefern. Wenn man von diesen Prokaryoten absieht, verbleiben bei den Pilzen i.w.s. noch folgende drei Gruppen, die zu zwei verschiedenen Eukaryotenreichen, den Protisten und den Chitinpilze (Fungi) zählen (vgl. Kap. 3, Seite 16): 1. Schleimpilze = Mycetozoa: Die Schleimpilze (500 Arten) gehören zum Reich der Protisten. Im Kladogramm der Organismenreiche (Fig. 3-1) erscheinen die Schleimpilze als Schwestergruppe einer monophyletischen Gruppe, die Tiere (Animalia) und Chitinpilze (Fungi) (Fig. 3-2) umfasst. Da sich Schleimpilze in einer Entwicklungsphase als Amöben präsentieren, werden sie innerhalb der Protisten in die Nähe der Protozoen (= einzelligen Tieren) gestellt. Die Schleimpilze zerfallen in drei Abteilungen: echte Schleimpilze, zelluläre Schleimpilze und parasitische Schleimpilze. Zur letzten Abteilung gehört der Erreger der Kohlhernie Plasmodiophora brassicae. Die Fig. 5-1 und 5-2 zeigen die Entwicklungszyklen echter Schleimpilze (Beispiel Physarum) und zellulärer Schleimpilze (Beispiel Dictyostelium). Beiden Gruppen gemeinsam ist das Auftreten freilebender Amöben, die sich durch Phagozytose von Bakterien ernähren und sich asexuell (mitotisch) vermehren. Bei beiden tritt für die Sporenbildung ein Superorganismus auf, der bei den zellulären Schleimpilzen durch Verschmelzen unzähliger Amöben zustande kommt. Dabei aggregieren die Amöben zu einem Pseudoplasmodium, in dem die Zellgrenzen erhalten bleiben (Fig. 5-2). Bei den echten Schleimpilzen entsteht durch Auflösung der Zellgrenzen der fusionierenden Amöben und freier Kernteilung ein echtes Plasmodium mit vielen Kernen (Fig. 5-1). Den daraus hervorgehenden Sporenträger (oft mit Stiel) nennt man Fruchtkörper. 2. Als Algenpilze = Zellulosepilze bekannt sind die Oomyceten (500 Arten). Der Name Algenpilz weist darauf hin, dass sie farblos gewordene Algen sind. Sie leiten sich von den Goldalgen i.w.s. (Heterokontophyta) ab, deren bewegliche Zellen sich durch zwei ungleiche Geisseln auszeichnen (vgl. Fig. 3-3, Seite 20). Die Algenpilze heissen auch Zellulosepilze, da sie im Gegensatz zu den echten Pilzen (siehe unten) als Gerüstsubstanz vorwiegend Zellulose und kaum Chitin besitzen. Zu den Algenpilzen gehört neben dem Wasserschimmel (Saprolegnia) auch Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffeln ( der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte, so ein Buchtitel von B. Dixon 1995). 3. Die Chitinpilze = Fungi = Eumycota sind mit über 40'000 Arten die grösste Gruppe. Echte Pilze zeichnen sich u.a. durch den Besitz von Chitin als Zellwandsubstanz und das Fehlen beweglicher Zellen aus. Im Kladogramm der Organismenreiche (vgl. Fig. 3-2) stellen die echten Pilze eine monophyletische Gruppe dar mit den Ständerpilzen = Basidiomyceten (Beispiel Schizophyllum = Spaltblättling) als Schwestergruppe der Schlauchpilze = Ascomyceten. Zu den Schlauchpilzen gehören alle Hefepilze (z.b. Saccharomyces = Bierhefe), ebenso der Brotschimmel (Neurospora) und zahlreiche Becherlinge (z.b. Fig. 5-3, Seite 26). Bei den echten Pilzen werden noch weitere Abteilungen unterschieden, von denen hier nur die Jochpilze = Zygosporenpilze = Zygomyceten (500 Arten) erwähnt werden sollen (Beispiel Mucor = Köpfchenschimmel).

23 Echte Schleimpilze Fig. 5-1 Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 678-679, Fig. 28.29

Zelluläre Schleimpilze (Beispiel: Dictyostelium discoideum) 24 Fig. 5-2 Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 678-680, Fig. 28.30

25 Erklärung von Begriffen zu Bau, Entwicklung und Systematik der Chitinpilze (Fungi = Eumycota) und Beispiele von Entwicklungszyklen (vgl. dazu Fig. 5-3 bis 5-5) Hyphen, Mycel: In der Regel besteht der Vegetationskörper der Pilze aus feinen, verästelten Fäden, die Hyphen genannt werden. Ein das Substrat (Erde, Holz,...) durchsetzendes Geflecht wird Mycel genannt. Bei den Ständerpilzen (Basidiomyceten) dominieren paarkernige (= dikaryotische) Hyphen, die sich durch das Vorhandensein von Schnallen auszeichnen (Fig. 5-5). Mykorrhiza: Symbiotisches Zusammenleben der Wurzeln vieler Landpflanzen mit Pilzen. Als Mykorrhizapartner von Bäumen gibt es Schlauchpilze (z.b. Morchel unter Eschen) und Ständerpilze (z.b. Steinpilz unter Fichten, Föhren, Eichen, Birken, Hainbuchen). Mykorrhizen finden sich auch bei fast allen Orchideen. Vgl. Campbell & Reece 2003, S. 744-745. Flechtenpilze: Zu den Schlauchpilzen gehören die meisten der 14 000 18 000 Pilzarten, die zusammen mit Algenpartnern (Photobionten) Flechten bilden. Als häufigste Photobionten treten in Flechten die Grünalgen Trebouxia und Trentepohlia auf. Gelegentlich beteiligen sich neben Grünalgen auch Cyanobakterien ( Blaualgen ), insbesondere Nostoc. Vgl. Campbell & Reece 2003, S. 743-744. Fortpflanzung: Die Pilze vermehren sich sowohl sexuell (mit Zygotenbildung und Meiosporen) als auch asexuell (mit Mitosporen = Konidien). Bewegliche (begeisselte) Gameten gibt es bei echten Pilzen nicht. Oft erfolgt die Befruchtung in zwei Schritten: zuerst Plasmogamie (Verschmelzung des Zellplasmas) und erst (viel) später Karyogamie (Kernverschmelzung). Dadurch gibt es eine Paarkernphase, die bei den Schlauchpilzen nur kurz (Fig. 5-3, 5-4), bei den Ständerpilzen aber lange dauert (Fig. 5-5). 15 000 Arten gehören zu den sogenannten Deuteromyceten = Fungi imperfecti, von denen man keine sexuelle Fortpflanzung kennt. Es handelt sich dabei wohl meistens um asexuelle Schlauchpilze (Ascomyceten). Beispiele: viele Arten von Pinselschimmel (Penicillium) und Giesskannenschimmel (Aspergillus). Die drei auf den Seiten 26-28 präsentierten Entwicklungszyklen erlauben einen kleinen Einblick in die Biologie der echten Pilze. Entwarnung: Für die Modulschlussprüfung sind vom ganzen Kapitel 5 Pilze (inkl. Flechten) nur die Seiten 22 (Einführung) und 25 (Begriffe) zu lernen. RR

26 Entwicklungszyklus typischer Schlauchpilze (Fig. 5-3): Bei vielen Schlauchpilzen (Ascomyceten) kommt es zur Verschmelzung ganzer Gametangien (Behälter mit mehreren Kernen), so z.b. beim Becherling Pyronema: [A] Das weibliche Gametangium produziert dafür einen Fortsatz (Empfängnishyphe). [B] Über diesen Fortsatz wandern die männlichen Kerne in das weibliche Gametangium ein (Plasmogamie). [C] Die männlichen und weiblichen Zellkerne ordnen sich dann im weiblichen Gametangium paarweise an und [D] wandern in die auswachsenden ascogenen ( schlauchbildenden ) Hyphen aus. [E] Am Ende der ascogenen Hyphen kommt es zur Hakenbildung, welche der Schnallenbildung der Basidiomyceten entspricht (Fig. 5-5). [F] Beide Kerne (= Dikaryon) im Haken teilen sich nun [G] mit anschliessender Zellwandbildung. [H] Die in der Terminalzelle der ascogenen Hyphe verbleibenden Tochterkerne verschmelzen zur Zygote (Karyogamie), wobei sich [I] die Terminalzelle zum jungen Sporenschlauch (Ascus) streckt. [J] Durch Verzweigung der ascogenen Hyphen wird die Anzahl künftiger Sporenschläuche erhöht. [K] Nach der Meiose befinden sich in jedem Ascus vier haploide Kerne, aus denen nach einer weiteren Mitose [L] insgesamt acht Ascosporen entstehen, welche schliesslich weggeschleudert werden. Fig. 5-3 Schlauchpilz, z.b. Becherling Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 736-739, Fig. 31.10 Entwicklungszyklus eines Ascomyceten

27 Entwicklungszyklus eines Hefepilzes (Fig. 5-4): Bei den Hefepilzen, die auch zu den Schlauchpilzen gehören, finden sich keine Hyphen sondern sprossende Einzelzellen. Die Bierhefe zum Beispiel kennt in der haploiden und der diploiden Phase sogenannte somatische Zellen, die sich durch Mitosen mit inäqualer Zellteilung (= Sprossung) vermehren. Irgendwann ist es soweit, dass zwei haploide somatische Zellen kopulieren und nach Plasmogamie und anschliessender Karyogamie als diploide somatische Zellen weiter sprossen. Die Meiose führt schliesslich in einzelnen diploiden Zellen zur Bildung eines sackförmigen Sporenschlauchs (Ascus), der im reifen Zustand vier haploide Ascosporen entlässt. Fig. 5-4 Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) als besonderer Schlauchpilz Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 742-743 Hefen

28 Entwicklungszyklus eines typischen Ständerpilzes (Fig. 5-5): Bei den Ständerpilzen (Basidiomyceten) ist die Degeneration der Sexualität weiter fortgeschritten. Von den parasitischen Rostpilzen einmal abgesehen bilden sich meistens weder freie Gameten noch Gametangien aus. Stattdessen verschmelzen schon in einem frühen Stadium (d.h. kurz nach dem Auskeimen der haploiden Sporen zu schnallenlosem Mycel) genotypisch verschiedene Hyphenzellen (Fig. 5-5: A1-3). Dies führt zu Hyphenzellen mit je zwei Kernen, da die Kernverschmelzung (Karyogamie) lange auf sich warten lässt. Die daraus hervorgehenden paarkernigen (= dikaryotischen) Hyphen wachsen polar mit Schnallenbildung, um die geordnete Weitergabe der Kernpaare zu garantieren (Fig. 5-5: A4-9). Kommt es nach reicher Entwicklung des Paarkern-Mycels im Boden zur Fruchtkörperbildung (z.b. dem gestielten Hut eines Steinpilzes, Fig. 5-5:B), so wird auch der grösste Teil davon noch von der Paarkernphase geliefert. Erst in der Fruchtschicht (Hymenium), die bei vielen Hutpilzen lamellenartig oder in Poren angeordnet ist, kommt es zur Verschmelzung der Kernpaare (Karyogamie) und zur Bildung der Basidienanlage. Durch Meiose bilden sich aus dem Zygotenkern vier haploide Kerne. Gleichzeitig entstehen am Ende des jungen Sporenständers (Basidie) vier Stielchen, in welche die haploiden Kerne einwandern und durch Abschnürung die vier Basidiosporen bilden. Der reife Sporenständer (Basidie) besteht also aus einer Trägerzelle mit vier Stielen und vier darauf sitzenden Sporen, die genotypisch verschieden sind (Fig. 5-5: A9, B). Fig. 5-5 Ständerpilz Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 738-741, Fig. 31.12 Entwicklungszyklus eines Basidiomyceten mit grossem hutförmigen Fruchtkörper

29 6. Moospflanzen (Bryophyten) und die Evolution der Landpflanzen Die Moospflanzen sind eine eigene Unterabteilung (Bryophytina) der Landpflanzen. Sie lassen sich in drei Klassen unterteilen: Lebermoose mit 6 500 Arten (CH 270), Laubmoose mit 12 000 Arten (CH 730), und die kleine Klasse der Hornmoose (CH 2). Alle Moose besitzen einen heteromorphen Generationswechsel, in welchem die haploide Generation, d.h. der Gametophyt dominant ist (vgl. Fig. 6-1). Das erste Entwicklungsstadium des Gametophyten ist meistens fädig und heisst Protonema (Vorkeim). Die Trennwände der Protonemazellen stehen schief. Aus Protonemaknospen entstehen später die eigentlichen Gametophyten, die bei allen Laubmoosen und den meisten Lebermoosen aus Stämmchen (Stängel) und Blättchen bestehen. Die männlichen Geschlechtszellbehälter (Antheridien) und die Eizellbehälter (Archegonien) sind vielzellig und besitzen immer eine sterile Hüllschicht. In jedem Archegonium (Fig. 6-1:J) steckt eine einzige Eizelle. In jedem Antheridium (Fig. 6-1:E) werden zahlreiche männliche Geschlechtszellen = Spermatozoiden (Fig. 6-1:F) gebildet, die gewunden und dank zweier Geisseln frei beweglich sind. Der Sporophyt (auch Sporogon genannt) entsteht im Archegonium, wächst aber normalerweise aus diesem heraus. Er bleibt jedoch immer über den Fuss mit dem Gametophyten verbunden. Bei den meisten Moosen besteht der Sporophyt aus Fuss, Stiel und Sporenkapsel. Beim Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha), das als Vertreter der Lebermoose dient (vgl. Fig. 6-2), hängen die aus der Zygote hervorgehenden Sporophyten (Fig. 6-2:K,L) klein und unscheinbar auf der Unterseite der Archegonienstände (Fig. 6-2:H). Das Brunnenlebermoos ist ein relativ untypisches Lebermoosbeispiel. Es ist thallös (bandförmig) und erst noch diözisch (zweihäusig). Mit einem bandförmigen, gelappten Pflanzenkörper (= Thallus) kriecht der Gametophyt (Fig. 6-2:A, 6-3) auf der Erde. Schreitet der Gametophyt zur Bildung der Geschlechtszellen, so werden zuerst spezielle Träger mit Stiel gebildet, die Antheridienstände (Fig. 6-2: A,C) bei männlichen Pflanzen und die Archegonienstände (Fig. 6-2: G,H) bei weiblichen Pflanzen. Bei vielen anderen Moosen entstehen Antheridien und Archegonien direkt auf den kriechenden oder beblätterten Gametophyten. Zahlreiche Moose sind auch fähig, sich ungeschlechtlich zu vermehren, z.b. Marchantia mit Brutkörpern in Brutbechern. Vergleich von Laub- und Lebermoosen 1. Laubmoos-Gametophyten sind stets aus Stämmchen und Blättchen aufgebaut. Dies trifft auch für die meisten Lebermoos-Gametophyten zu. Nur wenige Lebermoose bestehen aus bandförmigen, gelappten, kriechenden Thalli (Beispiel Marchantia). 2. Laubmoose besitzen oft dreizeilig oder spiralig angeordnete Blättchen mit Mittelrippe, während die Blättchen beblätterter Lebermoose in zwei Zeilen zu stehen scheinen und keine Mittelrippe aufweisen. 3. Die Sporenkapsel der Laubmoose enthält eine sterile Säule (Columella, Fig. 6-1:L). Diese fehlt den Lebermooskapseln (Fig. 6-2:L). 4. Reife Kapseln vieler Laubmoose werfen einen Deckel ab, unter dem ein Zahnkranz (Peristom) sichtbar wird. Dieser öffnet sich bei trockener Witterung. Bei wenigen Laub- und allen Lebermoosen reisst die reife Kapsel am oberen Ende mit wenigen Klappen auf. Lebermooskapseln besitzen weder Deckel noch Peristom. 5. Reife Laubmooskapseln entlassen nur Sporen, während Lebermooskapseln zusätzlich Schleuderfäden = Elateren (Fig. 6-2:M) produzieren, die der Auflockerung und Ausschleuderung der Sporen dienen. Moose als früheste Landpflanzen (Embryophyten) DNA-Befunde, Stärke und Chlorophyll a und b weisen darauf hin, dass Grünalgen, Moose, Farn- und Samenpflanzen eine monophyletische Gruppe bilden, nämlich das Reich der grünen Pflanzen = Pflanzen im modernen Sinne (vgl. Kapitel 3). Im Gegensatz zu den Grünalgen entwickelt sich der junge Sporophyt (Embryo) von Moosen, Farn- und Samenpflanzen sozusagen parasitisch auf dem Gametophyten. Das ist wohl eine Anpassung dieser Landpflanzen = Embryophyten an das Leben auf dem Land. Neue molekulare Daten sprechen dafür, dass Moose (insbesondere die Lebermoose) die ersten Landpflanzen waren, weil sie den Grünalgen aus der Gruppe der Armleuchteralgen (Chara, Fig. 4-1) noch am nächsten stehen (vgl. Campbell & Reece 2003, S. 685-696, insbesondere Fig. 29.1).

30 Fig. 6-1 Laubmoose (schematisch) Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 696-700 Moospflanzen (inkl. Fig. 29.16: Generationswechsel)

31 Lebermoose, z.b. Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha) Fig. 6-2 Komplex gebauter Thallus des Brunnenlebermooses (Marchantia) Fig. 6-3

32 7. Farngewächse (Pteridophyten): Farne und farnartige Gewächse Als Farngewächse werden hier neben den Farnen im engeren Sinne auch die Schachtelhalme, Bärlappe, Moosfarne und Brachsenkräuter bezeichnet. Die Farngewächse (Pteridophyten) umfassen insgesamt gegen 10'000 rezente Arten, dazu eine grosse Zahl fossiler Vertreter. Weiterführende Informationen zu den Farngewächsen finden sich z.b. bei Botanik online der Uni Hamburg (http://www.rrz.uni-hamburg.de/biologie/b_online) Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Farngewächse zu anderen Landpflanzen Die phylogenetische Verwandtschaft der Landpflanzen (Embryophyten) kann vereinfachend durch das Kladogramm (Fig. 7-1) wiedergegeben werden. Es basiert auf molekularen (z.b. 18S rdna) und morphologischen Daten (vgl. Frohne & Jensen 1998; Pryer, Schneider et al. 2001). Als Aussengruppe ( outgroup ) dienen die Armleuchteralgen (Charophyceae) aus der Abteilung der Grünalgen (Chlorophyta, vgl. Kap.4, Fig.4-1, Seite 19). Diesen am nächsten stehen die Moose = Bryophyten (insbesondere die Lebermoose), die wohl als erste grüne Pflanzen an Land gestiegen sind. Die Farngewächse (Pteridophyta) sind wohl kurz nach den Moosen entstanden. Die ersten fossilen Farngewächse gehören zu den Urfarnen (z.b. Rhynia). Mit einem Alter von etwa 440 Mio Jahren (Erdaltertum Silur) sind sie dreimal so alt wie die ältesten Fossilien der heute artenzahlmässig dominierenden Blütenpflanzen (Angiospermen). Aus den längst ausgestorbenen Urfarnen entstanden bereits im Devon (vor 360 410 Mio Jahren) die ersten Farne, Schachtelhalme und Bärlappe. Von den Moosen existieren leider nicht so alte Fossilien. Moose und Farngewächse zeichnen sich beide durch einen heteromorphen Generationswechsel: Sporophyt und Gametophyt sind ungleich gross und verschieden gebaut. Während bei Moosen der Gametophyt dominiert, überragt bei Farngewächsen der Sporophyt den Gametophyten regelmässig um ein Vielfaches. Als zusätzliche Zeilen sind über dem abgebildeten Kladogramm (Fig. 7-1) drei Möglichkeiten [I-III] aufgeführt, wie die Landpflanzen = Embryophyten unterteilt werden können: [I]. Traditionell ist die Unterscheidung von Kormophyten (Kormuspflanzen = Farngewächse & Samenpflanzen) und Thallophyten (Thalluspflanzen = Algen & Moose). Der Vegetationskörper der Kormophyten ist der Kormus, der aus einer mehrschichtigen Wurzel und einem Spross mit Blättern & neben Tracheiden oft Tracheen (= Gefässe) vorkommen, heissen die Kormophyten auch Gefässpflanzen (engl. vascular plants ). Im Gegensatz dazu findet sich bei Thallophyten ein Vegetationskörper, welcher der obigen Kormusdefinition nicht genügt. Statt der typischen vielzelligen Blätter, Stängel und Wurzeln (mit Leitgewebe) gibt es bei Algen und Moosen oft nur einen band- oder krustenförmigen Thallus. Kommen Blättchen und Stämmchen vor, wie bei vielen Laubmoosen, so fehlt ihnen doch Leitgewebe, das in Xylem und Phloem differenziert ist; und statt einer vielzelligen Wurzel verankern nur einzellige Haare ( Rhizoiden ) den Thallus auf der Unterlage. [II]. Nach wie vor gültig und gebräuchlich ist die Unterteilung der Landpflanzen in Moose, Farngewächse, Gymnospermen und Angiospermen (siehe Skript, Kapitel 6 9). [III]. Die Unterteilung der Landpflanzen (Embryophyten) in Archegoniaten (Moose & Farngewächse) und Samenpflanzen (Gymnospermen und Angiospermen) orientiert sich am Vorhandensein bzw. Fehlen flaschenförmiger Archegonien (= Eizellbehälter). Bei Moosen und Farngewächsen werden die Eizellen in Archegonien (mit steriler Hüllschicht) auf freilebenden, meist noch grünen Gametophyten produziert (siehe Entwicklungszyklen Fig.7-3, 7-4, 7-6). Im Gegensatz dazu finden sich bei den Samenpflanzen die Eizellen direkt in den oberflächennahen Schichten eines chlorophyllfreien Gametophyten (=Embryosack), der von sporophytischem Gewebe umschlossen wird. Der vollständige Einschluss des Gametophyten führt zur Erfindung der Samenanlagen und Samen (vgl. Kap.8, Seiten 40-45). Von flaschenförmigen Archegonien ist bei Samenpflanzen fast nichts mehr zu sehen, was wohl als Reduktion zu interpretieren ist.

33 Fig. 7-1 Vgl. Campbell & Reece 2003, S. 685-695, Fig. 29.1 Evolution der Landpflanzen Erklärungen zum Landpflanzen-Kladogramm (Fig. 7-1) Die meisten der hier erwähnten Eigenschaften gelten als Synapomorphien = gemeinsam abgeleitete Merkmale = evolutionäre Neuerungen (engl. evolutionary novelties ), durch die sich Landpflanzengruppen auszeichnen und gegeneinander abgrenzen lassen: A Übergang zum Landleben mit Embryobildung, Cutin (Cuticula), Spaltöffnungen (Stomata), Leitgewebe, Sporenwand mit schützendem Sporopollenin; Generationswechsel heteromorph, d.h. mit Gametophyt, der sich in Grösse und Gestalt vom Sporophyten unterscheidet; Erfindung von Geschlechtszellbehältern (Archegonien, Antheridien) mit sterilen, aus Zellen bestehenden Hüllen B1 Gefässpflanzen = Kormuspflanzen: Gliederung des Pflanzenkörpers (Sporophyt) in Laubblatt (Wedel), Stängel (Rhizom) und Wurzel. Dieser so aufgebaute Pflanzenkörper heisst Kormus und kennzeichnet die Kormophyten (Kormuspflanzen = Farnartige + Samenpflanzen). Diese Pflanzen heissen auch Gefässpflanzen, da ihre Leitgewebe bereits in Xylem (mit röhrenförmigen Gefässen ) und Phloem differenziert sind. Sporophyt grösser als Gametophyt.

34 B2 Moose (Bryophyten): Gametophyt grösser als Sporophyt; nur ein Sporenbehälter (Sporangium) pro Sporophyt. C1 Alle Gefässpflanzen ohne Bärlapp & Co.: Blätter häufig als Fiederblätter und relativ gross C2 Bärlapp & Co. (Lycopsida): Blätter nie als Fiederblätter und oft klein, meist nur Nadeln oder Schuppen D1 Samenpflanzen: Heterosporie mit Mikrosporen ( Mikroprothallium) und Megasporen ( Megaprothallium); Erfindung von Samenanlagen und Samen durch Einschluss des Megaprothalliums (d.h. des weiblichen Gametophyten) in sterile Hüllen des Sporophyten [D2: (meistens) Isosporie = Beibehaltung eines ursprünglichen = plesiomorphen Merkmals] E1 Farne (Filicopsida): Laubblätter meistens als grosse Wedel, die mit eingerollter Spitze wachsen E2 Schachtelhalme (Equisetopsida): Sekundäre Reduktion der Laubblätter zu quirlig stehenden Schuppen; Sporen mit Bändern (Hapteren) F1 Bedecktsamer = Angiospermen (Magnoliopsida): Erfindung der doppelten Befruchtung, dadurch Schaffung des triploiden (sekundären) Endosperms als Nährgewebe für den Embryo; Verlust beweglicher männlicher Geschlechtszellen (Spermatozoiden): An die Stelle der Spermatoidbefruchtung tritt die Pollenschlauchbefruchtung. F2 Meerträubchen und Co. (Gnetopsida) kennen zum Teil auch schon doppelte Befruchtung aus einem Pollenschlauch; diese führt aber zur Bildung von zwei Embryonen; Tendenz zur Zwitterblütenbildung mit Blütenhülle. F3 Nadelhölzer = Coniferen (Coniferopsida, Zapfenträger): Reduktion der Laubblätter häufig zu derben, lederigen Nadeln; weibliche Zapfen zeigen einen komplexen Aufbau. An jeder Schuppe beteiligt sich eine Deckschuppe (Tragblatt) und eine Samenschuppe (stark reduzierter Achseltrieb mit Samenanlagen). Wie bei Bedecktsamern auch Verlust beweglicher männlicher Geschlechtszellen (Spermatozoiden): An die Stelle der Spermatoidbefruchtung tritt auch hier die Pollenschlauchbefruchtung. F4 Palmfarne = Cycadeen (Cycadopsida): Schopfbäume (kaum verzweigt) mit grossen Fiederblättern, zweihäusig, mit Spermatozoidbefruchtung. Die vier Klassen heute lebender Farnpflanzen und ihre Entwicklungszyklen 1. Farne = Filicopsida (Pteridopsida) (vgl. Fig.7-2, 7-3): Die Farne präsentieren mit gegen 12 000 Arten die Hauptgruppe heute lebender Farngewächse. Zwei Drittel davon kommen in den Tropen vor; das andere Drittel lebt unter anderem in den gemässigten Breiten (CH 65 Arten). Viele Farne sind Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) auf Bäumen. Typische Farne zeichnen sich durch Fiederblätter ( Wedel ) aus, die an einem aufrechten oder kriechenden Rhizom ansetzen (Fig.7-3:9). [Merke: Sprossachsen = Stängel werden bei Farnen stets Rhizom genannt.] Die Wedel entspringen bei Farnen mit kurzem Rhizom in Rosetten, so z.b. beim Wurmfarn (Dryopteris) (Fig. 7-2:1). Beim Adlerfarn (Pteridium aquilinum) wird das unterirdische Rhizom von mehreren zylindrischen bis bandförmigen Leitbündeln durchzogen (Fig. 7-2:4). Baumförmige Farne mit Stammbildung und sekundärem Dickenwachstum gab es nur im Erdaltertum (speziell im Karbon vor 360 290 Mio Jahren). Sie waren zusammen mit Bärlapp- und Schachtelhalm-Bäumen Bestandteil der Steinkohlewälder (mit Baumhöhen bis über 30m). Heute lebende Baumfarne (z.b. Cyathea, Dicksonia), wie sie auch im Subtropenhaus des Botanischen Gartens Zürich gezeigt werden, haben kein sekundäres Dickenwachstum und sind nicht direkt mit den Steinkohle-Baumfarnen verwandt.

35 Der im Entwicklungszyklus (Fig.7-3) gezeigte Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) ist wie der Adlerfarn ein einheimischer Farn mit gestrecktem, kriechendem Rhizom, an dem die Wedel einzeln entspringen (Fig.7-3:9). Die Wedel bilden zusammen mit dem Rhizom und den Wurzeln die auffällige Sporophytengeneration, welche sich durch Sporenbildung auf den Wedeln auszeichnet. Bis auf einige Gattungen sind alle Farne isospor, d.h. es werden lauter gleich grosse Sporen produziert (Fig.7-3:1). Diese entstehen in Sporangien (Sporenbehältern), die auf der Wedelunterseite meist gruppenweise zu sogenannten Sori (Sporangienhäufchen) vereinigt sind (Fig.7-3:2,3). Bei vielen Gattungen ist jeder Sorus von einem Häutchen (Schleierchen = Indusium) bedeckt, das beim Wurmfarn nierenförmig ist. Bei der Sporenreife schrumpft das Indusium und die Sporangien reissen auf, wobei oft eine Spange ( Anulus ) aus einseitig verdickten Wandzellen bei der aktiven Sporenausstreuung hilft (Fig.7-3:14). Die ausgestreuten Sporen keimen zum Gametophyten (n = haploid) aus, der bei allen Farngewächsen Prothallium heisst und viel kleiner als die sporophytische Farnpflanze ist. Bei den meisten Farnen ist das Prothallium ein grünes, autotrophes Gebilde von wenigen mm Breite (Fig.7-3:3). Oft ist es herzförmig und nur eine Zellschicht dick. Von der Unterseite gehen Zellfäden (Rhizoiden) aus, mit denen sich die Prothallien im Substrat verankern. Fig. 7-2 Farne = Filicopsida Vgl. auch Campbell & Reece 2003, S. 703-705, insbesondere Fig.29.23 Fig. 7-3

36 Auf der Unterseite des Prothalliums entstehen flaschenförmige Archegonien, deren unterer, bauchiger Teil im Prothallium eingesenkt ist (Fig.7-3:6,7). Ihr Hals besteht aus einem einschichtigen Röhrchen. Auf der Prothallium-Unterseite entwickeln sich auch die Antheridien, deren Wand meist aus zwei Ringzellen und einer Deckelzelle besteht (Fig.7-3:4). Wenn ein Antheridium reif ist, platzt die Deckelzelle ab, damit die zahlreichen Spermatozoiden (korkzieherartig gewunden, mit Geisselschopf und Plasmablase) austreten können (Fig.7-3:5). Wenn genügend Wasser vorhanden ist, werden die Spermatozoiden von befruchtungsbereiten Archegonien chemisch angelockt. Beim Eintritt in den Archegonienhals wirft das Spermatozoid seine Plasmablase ( Energietank ) ab und gelangt für die Befruchtung zur Eizelle (Fig. 7-3:7). Die daraus entstehende Zygote beginnt sich zu teilen. Der junge Embryo wächst zum reifen Sporophyten (2n = diploid) heran (Fig.7-3:8,9). Dabei wird er anfangs noch vom Gametophyten (Prothallium) ernährt, kann aber schon bald genügend assimilieren, um sich selbst zu ernähren. Sobald sich der junge Sporophyt im Boden verwurzelt hat, stirbt das Prothallium ab. Bemerkenswert ist die phänotypische Geschlechtsbestimmung der Prothallien bei einigen Farnen: Keimen an einer Stelle nacheinander Sporen zu Prothallien aus, so wachsen die ersten zu grossen, weiblichen Prothallien mit Archegonien heran, während die späteren klein und männlich bleiben, d.h. nur Antheridien bilden. Experimente von Jakob Schneller vom Institut für Systematische Botanik (Uni Zürich) haben gezeigt, dass die zuerst gebildeten Prothallien Antheridiogene abgeben, welche den Gibberellinen (einer Gruppe von Pflanzenhormonen) ähnlich sind. Damit werden (1) die später entstehenden Prothallien männlich beeinflusst, (2) die Fremdbefruchtung gefördert, (3) das Aufkommen überzähliger Sporophyten am selben Standort vermieden, und damit (4) die innerartliche Konkurrenz vermindert. 2. Rutenfarne = Psilotopsida: Diese winzige Klasse der Farngewächse besteht nur aus zwei tropischen, vorwiegend epiphytisch lebenden Gattungen (Psilotum, Tmesipteris) mit insgesamt zwölf Arten. Lange glaubte man, dass es sich dabei um letzte Nachfahren der längst ausgestorbenen Urfarne (Psilophytopsida, z.b. Rhynia) handelt. Wie diese weist der Nacktfarn (Psilotum nudum) grüne, gegabelte Achsen auf, während Wurzeln und auffällige Blätter fehlen. Molekulare und morphologische Daten sprechen jedoch dafür, dass es sich bei den Rutenfarnen um Abkömmlinge der eigentlichen Farne (Filicopsida) handelt und die Ähnlichkeiten zu den Urfarnen als Konvergenz zu verstehen sind. Bei Psilotum entwickeln sich die Sporangien in den Achseln unscheinbarer, zweizipfliger Schüppchen. Die grünen, gegabelten Sprosse sind mit einem wurzellosen Rhizom im Substrat verankert. Die walzenförmigen und farblosen Gametophyten (Prothallien) leben unterirdisch mit Hilfe von Mykorrhizapilzen. 3. Schachtelhalme = Equisetopsida (vgl. Fig.7-4, 7-5): Von der im Erdaltertum grossen Gruppe der Keilblattgewächse und Schachtelhalmbäume hat nur die Gattung Equisetum (mit ca. 32 Arten) überlebt. Deren schweizerdeutsche Name Katzenschwanz findet sich auch im englischen Horsetail wieder. Gemäss Kladogramm (Fig.7-1) stehen die Schachtelhalme den Farnen (Filicopsida) näher als den Bärlappverwandten (Lycopsida). Der Stängel ( Halm ) wächst aufrecht und ist bei vielen Arten quirlig verzweigt. Die einzelnen Sprossglieder sind ineinander geschachtelt. Die Blätter sind klein und miteinander zu stängelumfassenden Manschetten vereinigt. Für die Fotosynthese sind sie bedeutungslos. Diese erfolgt in den chlorophyllhaltigen Halmen, die einem unterirdischen Rhizom entspringen. Bei einigen Arten werden zweierlei oberirdische Triebe ausgebildet. Der Acker- Schachtelhalm (Equisetum arvense) z.b. bringt im Frühling einen nahezu chlorophyllfreien Trieb hervor, der mit einem Sporophyllstand abschliesst. Im Sommer hingegen wachsen grüne Assimilationstriebe aus (Fig.7-5:1;5). Ein Stängelquerschnitt eines Sommertriebs zeigt ein regelmässiges Muster von Chlorenchym und Sklerenchym (Fig.7-5:6). Wegen der stark verkieselten Zellwände wurde der Acker-Schachtelhalm früher als Zinnkraut zum Putzen von Metallgefässen verwendet. Der Entwicklungszyklus eines Schachtelhalms (Fig.7-4:1-11) wird am Beispiel des Acker- Schachtelhalms erläutert. Die zapfenförmigen Sporophyllstände bestehen aus einzelnen braunen Sporophyllen ( Sporenblättern ). Diese haben die Form von einbeinigen Tischchen (Fig.7-4:11). Auf ihrer Unterseite tragen sie sackförmige Sporangien, in denen die Sporen heranreifen. Im feuchten Zustand sind die Sporen in schraubig gewundene Bänder ( Hapteren ) eingehüllt, die sich bei Trockenheit abspreizen (Fig.7-5:3;4). Sie haben die Funktion, die Sporen aufzulockern und bei der

37 Windausbreitung gruppenweise miteinander zu verketten. So wird gewährleistet, dass einige Sporen am gleichen Ort landen. Die Sporen sind nur wenige Tage keimungsfähig. Fig. 7-4 Schachtelhalme = Equisetopsida Fig. 7-5 Ackerschachtelhalm

38 (Fortsetzung Schachtelhalme) Trotz Isosporie entstehen aus den einen Sporen männliche Prothallien, aus den anderen weibliche Prothallien (Fig.7-4:3a-7a;3b-7b). Gelegentlich sind jedoch Prothallien mit Geschlechtsumkehr zu beobachten. Genetische Geschlechtsfixierung oder Antheridiogene (wie bei Farnen) konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Die Prothallien beider Geschlechter erscheinen als unterschiedlich grosse krause Lappen, an denen sich Antheridien bzw. Archegonien bilden (Fig.7-4:8a-b). Ähnlich wie bei den Farnen lassen die Antheridien begeisselte Spermatozoiden frei, die sich auf Eisuche begeben. Nach Befruchtung und Zygotenbildung entwickelt sich der anfangs noch im Prothallium eingebettete Embryo (Fig.7-4:9b) zum autotrophen Schachtelhalm-Sporophyten. 4. Bärlappe, Moosfarne & Brachsenkräuter = Lycopsida (Fig. 7-6): Wie die Farne und Schachtelhalme haben auch die Bärlappverwandten im Erdaltertum mit baumförmigen Vertretern zur Steinkohlebildung beigetragen. Bis heute überlebt haben drei relativ isolierte Gruppen mit über 1 000 Arten. Es sind immergrüne, verzweigte Kräuter, an welchen zahlreiche kleine Blättchen sitzen. Fein verzweigte Sprosse gewisser Bärlapp- und Moosfarn-Arten können so Fiederblätter vortäuschen, wie wir sie bei Farnen kennen. Die eigentlichen Blätter sind aber bei den Bärlappverwandten immer nur kleine, schuppen- bis nadelförmige Gebilde. In der Schweizer Flora gibt es zehn Bärlapparten (z.b. Lycopodium = Huperzia selago, Tannenbärlapp), zwei Moosfarnarten (z.b. Selaginella helvetica, Schweizerischer Moosfarn, Fig.7-6:6) und zwei Brachsenkraut-Arten, so z.b. im Messersee (Binntal VS) das See-Brachsenkraut (Isoetes lacustris). Die Bärlappe (Lycopodium und Co.) sind wie die meisten Farne und Schachtelhalme isospor (mit nur einer Sporengrösse), während Moosfarne und Brachsenkräuter heterospor sind. Aus der Klasse der Lycopsida soll der Entwicklungszyklus der Moosfarne (Selaginellales) besprochen werden, da er in mehrfacher Hinsicht von den Verhältnissen der übrigen Farngewächse abweicht. In einem Moosfarn-Sporophyllstand (Fig.7-6:7) finden sich in den Achseln der unteren schuppenförmigen Sporophylle Megasporangien, die vier grosse Megasporen 5 enthalten (Fig.7-6:8b;9b). Die Achseln der oberen Sporophylle enthalten in sogenannten Mikrosporangien zahlreiche winzige Mikrosporen (Fig.7-6:8a;9a). Die Prothallienentwicklung unterscheidet sich von den bisher besprochenen Fällen dadurch, dass das Mikroprothallium (Fig.7-6:2a) ganz, das Megaprothallium (Fig.7-6:2b) teilweise im Innern der Sporenwand bleibt. Das Mikroprothallium produziert Antheridien mit zweigeissligen Spermatozoiden, das Megaprothallium legt einige Archegonien an (Fig.7-6:3a-b). Von der Heterosporie zur Samenbildung: Die Moosfarne zeichnen sich also durch Heterosporie und den Einschluss der Gametophyten in die Sporenwand aus. Unabhängig davon haben auch die eigentlichen Farne (Filicopsida) heterospore Vertreter entwickelt (z.b. Wasserfarne wie Marsilea = Kleefarn). Heterosporie ist auch typisch für alle Samenpflanzen (Abt. Spermatophyta) mit Gymnospermen & Angiospermen, die als weiterführende Erfindung Samen bilden, d.h. das Makroprothallium ganz in sporophytisches Gewebe einschliessen (vgl. Kap.8). Lektüre und Übungsfragen zu Farnpflanzen in Campbell & Reece 2003, S. 700-708 Fragen: 1. Sind die Farngewächse (Pteridophyta) nach Ansicht der Kladisten eine monophyletische, paraphyletische oder polyphyletische Gruppe? (vgl. Kladogramm Fig.7-1, Erklärung dazu in Campbell & Reece 2003: S. 584, Fig. 25.9) 2. Bei welchen Farngewächsen sind die Prothallien monözisch, bei welchen diözisch? 5 Oft werden die Megasporen auch Makrosporen genannt. Entsprechend gibt es die Begriffe Megasporangium (= Makrosporangium) und Megaprothallium (= Makroprothallium), vgl. Übersicht S. 39.

39 Fig. 7-6 Lycopsida = Bärlappe / Moosfarne / Brachsenkräuter (Makro- = Mega-) Vergleich der Entwicklungszyklen der Landpflanzen

40 8. Gymnospermen = Nacktsamer und was sie von Farngewächsen und Angiospermen unterscheidet Gymnospermen (Nacktsamer) stehen in der Phylogenie der Landpflanzen (Embryophyten) zwischen Farngewächsen (Pteridophyta) und Angiospermen (Bedecktsamern). Zusammen mit den Angiospermen gehören die Gymnospermen bereits zu den Samenpflanzen (Spermatophyta). Wie die Farngewächse weisen die Samenpflanzen (Gymnospermen & Angiospermen) einen heteromorphen Generationswechsel mit dominierendem Sporophyten auf. Im Gegensatz zu den Farngewächsen sind bei Samenpflanzen keine eigentlichen Geschlechtszellbehälter (Archegonien und Antheridien) mehr zu sehen. Die Eizellen entstehen direkt in den oberflächennahen Schichten des chlorophyllfreien (haploiden) Megaprothalliums 6. Dieses bleibt dauernd von sporophytischem Gewebe der neu erfundenen Samenanlage umschlossen. Gymnospermen entstanden wie die Farngewächse bereits im Erdaltertum, erreichten aber ihren Diversitätshöhepunkt im Erdmittelalter (Trias Kreide). Die heute lebenden Gymnospermen heissen Coniferen = Nadelhölzer (600 Arten), Cycadeen = Palmfarne (145 Arten) und Ginkgo (mit einer einzigen Art: G. biloba). Eine vierte überlebende Gruppe wird hier als Gnetum-Gruppe (90 Arten, inkl. Ephedra = Meerträubchen und Welwitschia) bezeichnet. Je nach System handelt es sich dabei um vier Abteilungen (z.b. Coniferophyta, Cycadophyta), vier Klassen (z.b. Coniferopsida, Cycadopsida) oder etwas dazwischen (z.b. Pinatae, Cycadatae). Cycadeen und Ginkgo bezeichnet man gelegentlich als lebende Fossilien, weil man annimmt, dass diese Gruppen in den letzten 150 (?) Mio Jahren keine grossen evolutiven Veränderungen mehr durchgemacht haben. Weiterführende Informationen zu den Gymnospermen finden sich in Campbell & Reece 2003, S. 709-719. Merkmale heute lebender Gymnospermen im Vergleich zu den Angiospermen (siehe Entwicklungszyklen Fig. 8-3 und 8-4) 1. Ausschliesslich Bäume und Sträucher. 2. Stoffleitungssystem weniger differenziert als bei Angiospermen: Xylem nur mit Tracheiden, Siebzellen ohne Geleitzellen. 3. Laubblätter ungeteilt-nadelförmig (viele Nadelhölzer), ungeteilt-schuppenförmig (Zypressen und andere Nadelhölzer, Ephedra), ungeteilt-breit mit dichotomer Nervatur (einige Nadelhölzer, Ginkgo), ungeteilt-breit mit Netznervatur (Gnetum), gefiedert mit anfangs eingerollten Fiedern (Cycadeen) oder bandförmig und an der Basis dauernd weiterwachsend (Welwitschia). 4. Pollenübertragung meist durch Wind, seltener (bei einigen Cycadeen) durch Käfer. 5. Keine auffällige Blütenhülle, keine Nektarproduktion. 6. Staubblätter in Zahl und Anordnung der Pollensäcke viel variabler als Angiospermen (letztere fast immer mit vier Pollensäcken = zwei Theken pro Staubblatt). 7. Samenanlagen und unreife Samen nicht wie bei Angiospermen in schlauch- oder krugförmigen Fruchtblättern (Megasporophyllen, Karpellen) eingeschlossen; bei vielen Gymnospermen durch Zapfenbildung trotzdem geschützt; bei Coniferen mit Deck-Samenschuppen-Komplexen eigentliche Megasporophylle (Samenblätter) nicht mehr nachweisbar. 8. Megaprothallium = primäres Endosperm (in Samenanlage) vielzellig, dient dem jungen Sporophyten (Embryo) als Nährgewebe; bei Angiospermen besteht das Megaprothallium aus dem wenigzelligen Embryosack (Fig.8-4:5). 9. Mikroprothallium = Pollenschlauch vier- oder mehrzellig. Der aus dem Pollenkorn (= Mikrospore) keimende Pollenschlauch entlässt bei Ginkgo und den Cycadeen innerhalb der Samenanlage noch ein begeisseltes Spermatozoid (= Spermatozoidbefruchtung); bei Nadelhölzern und der Gnetum-Gruppe sind es unbegeisselte Spermazellen, die vom Pollenschlauch übertragen werden ( = Pollenschlauchbefruchtung wie bei Angiospermen) (Fig.8-4:9). 10. Doppelte Befruchtung mit Bildung eines sekundären = triploiden Endosperms (Nährgewebes) fehlt im Gegensatz zu den Angiospermen; nur bei der Ephedra-Gnetum-Welwitschia-Gruppe gibt es eine doppelte Befruchtung mit Bildung von zwei Zygoten (Embryonen) innerhalb derselben Samenanlage. 6 Megaprothallium = Makroprothallium = weiblicher Gametophyt

41 Phylogenie der Gymnospermen, z.b. Archaeopteris als Vertreter der Progymnospermen (vgl. Campbell & Reece 2003, S. 713, Fig. 30.4 Phylogenie der Samenpflanzen ) Die phylogenetische Verwandtschaft der Gymnospermen (Nacktsamer) mit den übrigen Landpflanzen (Embryophyten) geht aus dem Kladogramm (vgl. Fig.7-1) hervor. Im Kladogramm nicht enthalten sind die Progymnospermen, längst ausgestorbene Vorläufer der Gymnospermen. Mit einem Alter von etwa 380 Mio Jahre (Erdaltertum Devon) sind die Progymnospermen nur wenig jünger als die ersten Fossilfunde der Farngewächse. Einer der bekanntesten Vertreter der Progymnospermen heisst Archaeopteris. Es handelt sich um bis über 20 m hohe Bäume (Fig.8-1:1), die sekundäres Dickenwachstum und Holz mit Hoftüpfeltracheiden (Fig.8-1:2) aufwiesen, wie es für die heute lebenden Nadelhölzer typisch ist. Was Stamm- und Holzbildung anbelangt, war Archaeopteris fast so modern wie Tanne, Fichte und Andentanne (Araucaria). Altertümlich, d.h. wie ein Farn verhielt sich Archaeopteris bei der sexuellen Fortpflanzung. Statt Samen gab es erst zwei ungleich grosse Sporentypen (Heterosporie) (Fig.8-1:3,4). Und bei den Zweigen (Fig.8-1:5) haben die Paläobotaniker Mühe zu entscheiden, ob es wenig verzweigte Sprosse mit Fiederblättern (Wedel) oder stärker verzweigte Sprosse mit gelappten Blättern sind. - Dieses Auftreten phylogenetisch primitiver und moderner (höher evoluierter) Merkmale im gleichen Organismus wird Mosaikevolution = Heterobathmie genannt. Durch die Erfindung der Samen (d.h., den dauernden Einschluss des Megaprothalliums in den Sporophyten) entstanden bereits im Erdaltertum aus den Progymnospermen die ersten Samenpflanzen = Spermatophyten. Dabei erscheinen die Nadelhölzer (Coniferen) und die Palmfarne (Cycadeen) schon früh als zwei getrennte Evolutionslinien. Fig. 8-1

42 Nadelhölzer (Coniferen) Die weitaus grösste und bedeutendste Gruppe der heute lebenden Gymnospermen bilden die Nadelhölzer mit ungefähr 600 Arten in 70 Gattungen und 9 Familien. Die grössten Landpflanzen gehören hierher, so z.b. der Küstenmammutbaum = Redwood (Sequioa sempervirens) mit Höhen bis zu 117 m. Die Nadelhölzer (Coniferen), zu denen auch die Tannen (Abies, 49 Arten), Fichten (Picea, 40 Arten) und Föhren = Kiefern (Pinus, 93 Arten) zählen, sind von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. Stattliche Nadelwälder sind der Reichtum weiter Teile der nördlichen gemässigten Breiten. Tannen, Fichten und Föhren sind Vertreter der Familie Pinaceae (Kieferngewächse). Während des frühen Tertiärs (vor ungefähr 60 Mio Jahren) waren einige Coniferengattungen (z.b. Sequoia, Metasequoia = Urweltmammutbaum) weiter verbreitet als heute. Die Mammutbäume (Sequioa, Metasequoia) zählen zur Familie Taxodiaceae (Sumpfzypressengewächse). Weitere Coniferenfamilien heissen Zypressengewächse (Cupressaceae) und Eibengewächse (Taxaceae). Die bisher genannten Familien kommen vorwiegend auf der Nordhalbkugel vor, während die Südhemisphäre mit den Araucariaceae (Andentannen) und Podocarpaceae (Stieleiben) ihre eigenen Coniferenfamilien besitzt. Die meisten Nadelhölzer (inkl. Pinus: Fig.8-2) sind einhäusige Gewächse. Beispiele der seltener vorkommenden Zweihäusigkeit (Diözie) sind Eibe (Taxus) und Wacholder (Juniperus), die beide fleischige Früchte produzieren. Entwicklungszyklus der Waldföhre (Pinus sylvestris) (Fig.8-2;8-3) Die Waldföhre blüht im Mai. Auf den einen Ästen eines Baumes gibt es würstchenförmige, gelbe männliche Blüten (Fig.8-3:9a). Auf anderen Ästen desselben Baumes stehen die rötlichen weiblichen Blütenzäpfchen (Fig.8-3:9b). Die männlichen Blüten befinden sich in der unteren Hälfte der diesjährigen Langtriebe, die an der Spitze weibliche Blütenzäpfchen tragen. Abgesehen von einer schuppigen Hülle besteht eine männliche Blüte aus zahlreichen spiralig angeordneten, gelben Staubblättern, welche sich an der Unterseite mit Längsrissen öffnen (Fig.8-3:11a). Der Pollen wird vom Wind weggetragen. Jedes Pollenkorn trägt zwei grosse Luftsäcke (Fig.8-3:1a). Nach der Blütezeit fallen die männlichen Blüten ab. An diesen Stellen fehlen später die Nadeln (Fig.8-2:Kn). Die weiblichen Blütenzäpfchen enthalten zahlreiche spiralig angeordnete, schuppenförmige Doppelgebilde, die Deck-Samenschuppen-Komplexe heissen (Fig.8-2:11b). Ihren Aufbau kann man nur verstehen, wenn man zum Vergleich fossile Coniferen oder die Zapfen der Douglasie = Pseudotsuga heranzieht: Ursprünglich bestehen die Schuppen der Nadelhölzer (inkl. Pinus) aus einem Tragblatt (= Deckschuppe), das in seiner Achsel als abgeflachten Kurztrieb eine Samenschuppe enthält. Diese Samenschuppe ihrerseits trägt bei der Föhre zwei Samenanlagen mit zangenförmigen Fortsätzen. In Fig.8-2:11b ist links ein Deck-Samenschuppen-Komplex von unten abgebildet (Deckschuppe sichtbar). Rechts findet sich eine Ansicht von oben, welche die beiden offen daliegenden ( nackten ) Samenanlagen zeigt. Bei der Föhre sind im Gegensatz zur Douglasie Deck- und Samenschuppe fast ganz miteinander verwachsen. Zwischen Bestäubung und Befruchtung vergeht bei der Waldföhre ein Jahr. Die Zapfen benötigen bis zur Samenreife ein weiteres Jahr. Im ersten Jahr sind die Zapfen noch grün und wenig verholzt. Im zweiten Jahr vergrössern sie sich und verholzen (Fig.8-2:1). Unterdessen reifen die Samen heran. Bei trockenem Wetter spreizen die Zapfenschuppen, damit die reifen, geflügelten Samen austreten können. Die Keimlinge sind wie bei allen Nadelhölzern mit vielen Keimblättern ausgerüstet (Fig.8-3: 6-8). Bau und Entwicklung eines zum Pollenschlauch auskeimenden Pollenkorns (Fig.8-3:1a-4a) lassen sich besser verstehen, wenn zum Vergleich der Entwicklungszyklus der Angiospermen herangezogen wird (Fig.8-4:8,9). Wie bei diesen handelt es sich beim auswachsenden Pollenschlauch um das Mikroprothallium, das für die Befruchtung nur noch unbegeisselte Spermazellen abgibt (also keine Spermatozoiden mehr wie bei Ginkgo und den Cycadeen!). Wie die Samenanlagen der Angiospermen (Fig.8-4:4,5) bestehen die Samenanlagen der Gymnospermen (Fig.8-3:3b) aus einem Kern (Nucellus) und einer Hülle (Integument). Eine Nucelluszelle durchläuft als Megasporenmutterzelle die Meiose. Durch zahlreiche Mitosen entsteht aus der haploiden Megaspore ein vielzelliges Megaprothallium (punktierter Kern in Fig.8-3:3b). Diesem Gebilde entspricht bei Angiospermen ein wenigzelliger Embryosack (Fig.8-4:9). Bei Gymnospermen dient das Megaprothallium dem heranwachsenden Embryo noch als Nährgewebe (primäres = haploides Endosperm).

43 Fig. 8-2 Waldkiefer = Waldföhre (Pinus sylvestris) (Makro- = Mega-) Fig. 8-3 Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 709-719 Evolution der Samenpflanzen (inkl. Fig. 30.9: Entwicklungszyklus einer Kiefer)

44 Und zum Vergleich: Entwicklungszyklus und Generationswechsel bei Angiospermen = Bedecktsamern (Fig.8-4:1-10, vgl. auch Kap. 9, Seiten 46-67) Bei den Angiospermen werden Samenanlagen und heranreifende Samen vom Gynoecium (Gesamtheit der Fruchtblätter) geschützt. Häufig geschieht dies durch schlauchförmige Verwachsung einzelner Fruchtblätter = Karpelle oder durch Verwachsung von zwei oder mehr Fruchtblättern zu einem gemeinsamen krugförmigen Gebilde (Fruchtknoten) mit einem oder mehreren Samenfächern (z.b. bei der Tulpe, vgl. Fig.8-4:9a, auch Praktikum). Das Leben einer angiospermen Pflanze (Sporophyt) geht vom Samen aus (Fig.8-4:10), welcher aus einem Embryo, einem Nährgewebe (meistens triploides Endosperm) und einer schützenden Samenschale besteht. Der Sporophyt wächst heran und blüht schliesslich (Fig.8-4:1,2,3). In den Staubbeuteln (Antheren) entstehen Mikrosporenmutterzellen, die sich meiotisch teilen (Fig.8-4:6,7). Aus jeder Mikrosporenmutterzelle entstehen vier haploide Mikrosporen = Pollenkörner (Fig.8-4:7,8). Jede Mikrospore (einkerniges Pollenkorn) teilt sich in eine grosse vegetative und eine kleine spermatogene Zelle, die (einer Vakuole vergleichbar) von der ersten völlig umschlossen wird. Dieses zweizellige Gebilde ist der unreife Mikrogametophyt, der immer noch im Pollenkorn verpackt ist. Kurz vor oder während der Pollenkeimung teilt sich die spermatogene Zelle in zwei (unbegeisselte!) Spermazellen (sp in Fig.8-4:9), die mit Hilfe des Pollenschlauches von der Narbe zur Eizelle [Ez] in der Samenanlage gelangen (Fig.8-4:9a). Das gekeimte Pollenkorn mit Pollenschlauchkern [N] und zwei Spermazellen ist das reife Mikroprothallium (männlicher Gametophyt). In der Samenanlage, zu der auch 1-2 Schutzhüllen (Integumente) gehören (Fig.8-4:4,5), vergrössert und differenziert sich im Samenanlagenzentrum (= Nucellus) eine einzige Megasporenmutterzelle 7. Aus dieser entstehen durch Meiose vier Megasporen, von denen drei zugrunde gehen. Die vierte entwickelt sich zum Megaprothallium (weiblicher Gametophyt), welcher im reifen Zustand bei vielen Angiospermen ein siebenzelliges, achtkerniges Gebilde darstellt und Embryosack genannt wird. Ein solcher Embryosack besteht aus einer Eizelle und zwei Synergiden ( Gehilfinnen ) auf der einen Seite, drei weiteren Zellen (Antipoden) auf der anderen Seite und zwei freien Polkernen in der Mitte (Fig.8-4:5). Noch vor der Befruchtung (siehe unten) vereinigen sich die beiden Polkerne zum diploiden sekundären Embryosackkern (sek in Fig.8-4:9). Das Pollenkorn keimt auf der Narbe aus und bildet den Pollenschlauch, der durch den Griffel in den Fruchtknoten wächst und meist über die Mikropyle (= Pore an der Spitze der Integumente) in die Samenanlage gelangt. Der erste Spermakern verschmilzt mit der Eizelle zur Zygote. Der zweite Spermakern verschmilzt mit dem sekundären Embryosackkern zu einer triploiden Embryosackzelle, aus der durch weitere Zellteilungen das triploide (3n) = sekundäre Endosperm als Nährgewebe für den Embryo hervorgeht (Fig.8-4:10). Diese Form der doppelten Befruchtung mit Bildung eines triploiden Endosperms kommt nur bei den Angiospermen vor. Wo vor der Befruchtung der Embryosack lag, findet sich nach der doppelten Befruchtung der junge Embryo, eingebettet und versorgt vom triploiden Endosperm als Nährgewebe. Beim heranreifenden Samen werden die Integumente der Samenanlage zur Samenschale. Schliesslich fällt der reife Samen aus der sich öffnenden Frucht (z.b. Mohnkapsel) oder die einsamige Frucht (z.b. Steinfrucht der Kirsche) dient als Ganzes als Ausbreitungseinheit. 7 Oft werden die Megasporen auch Makrosporen genannt. Entsprechend gibt es die Begriffe Megasporenmutterzelle = Makrosporenmutterzelle, Megaprothallium = Makroprothallium.

45 Fig. 8-4 Entwicklungszyklus der Angiospermen (Bedecktsamer) Lektüre: Campbell & Reece 2003, S. 719-729 Die Angiospermen (Blütenpflanzen) (inkl. Fig. 30.17)

46 9. Blütenpflanzen eine Übersicht Molekulares Kladogramm der Angiospermen (Blütenpflanzen im engeren Sinn) Unsere Vorstellungen vom natürlichen System der Angiospermen haben sich wegen den neuen Erkenntnissen der molekularen Systematik stark gewandelt. Die Bezeichnungen für die heute üblichen informellen Gruppen (z.b. Eurosiden = eurosids ) entstammen der englischen Sprache und werden deshalb oft auch englisch ausgesprochen. Kammähnliche Polytomien konnten durch die zur Verfügung stehenden molekularen Daten noch nicht beseitigt werden. Im System (Fig.9-1) der Angiospermen- Phylogenie-Gruppe = APG (1998, 2003) wurden dank DNA-Analysen viele Ordnungen ( -ales ) neu gefasst. Im abgebildeten Kladogramm nicht ersichtlich ist die Zuordnung der Familien zu den einzelnen Ordnungen (vgl. auch System der essbaren Pflanzen, Skript Seiten 4-7). Literatur: The Angiosperm Phylogeny Group = APG II (27 authors) 2003. An update of the APG classification for the orders and families of flowering plants. Botanical Journal of the Linnean Society 141: 399-436. Fig. 9-1: APG II Kladogramm (2003)

47 Das aktuelle System der Blütenpflanzen (siehe auch Essbare Pflanzen, Skript Seiten 4-7) Bereits in Kapitel 2 (Seiten 8-13) sind drei Blütenpflanzenfamilien behandelt worden: Nymphaeaceae (Fig. 2-3), Ceratophyllaceae (Fig. 2-4) und Ranunculaceae (Fig. 2-1, 2-2). Hier werden weitere 11 Familien vorgestellt. Eudikotylen Geraniaceae (Storchschnabelgew.) Euphorbiaceae (Wolfsmilchgew.) Rosaceae (Rosengewächse) Brassicaceae = Cruciferae (Kreuzblütler) Scrophulariaceae (Braunwurzgewächse = Rachenblütler im alten Sinn) Lamiaceae = Labiatae (Lippenblütler) Campanulaceae (Glockenblumengew.) Asteraceae = Compositae (Korbblütler) Monokotylen Liliaceae (Liliengew.) im alten System Orchidaceae (Orchideen) Poaceae = Gramineae (Gräser, inkl. Getreide) Abteilung ANGIOSPERMEN Bedecktsamige Pflanzen, Blütenpflanzen i.e.s. Das neue System der Angiosperm Phylogeny Group (APG II) basiert auf DNA-Daten. Dabei zerfallen die zweikeimblättrigen Blütenpflanzen (Dikotylen) in zwei Gruppen, nämlich die ursprünglicheren Alt-Angiospermen, die auch Einfurchenpollen-Dikotylen heissen, und die Eudikotylen, die auch als Dreifurchenpollen-Dikotylen bezeichnet werden, da bei ihnen häufiger Pollenkörner mit drei Keimfurchen auftreten. So werden neu drei Angiospermenklassen unterschieden: 1. Klasse ALT-ANGIOSPERMEN = Einfurchenpollen-Dikotylen Dazu zählen zahlreiche isoliert stehende Gruppen, deren phylogenetischer Zusammenhang noch nicht ganz geklärt ist. Neue Befunde (auf mehreren Genen basierend) deuten darauf hin, dass die als A-N- ITA abgekürzte Gruppe die wohl primitivste noch lebende Blütenpflanzengruppe darstellt. Dazu gehört der Strauch Amborella aus Neukaledonien, die Seerosen (Ordnung NYMPHAEALES) und die sogenannte ITA-Verwandtschaft mit ihrem markantesten Vertreter, der Liane Austrobaileya aus NO-Australien. In der ersten Euphorie haben molekulare Pflanzensystematiker die Hornblattgewächse (Ordnung CERATOPHYLLALES, Fig. 2-4) aufgrund von Sequenzanalysen des Chloroplasten-Gens (rbcl) als ursprünglichste Angiospermengruppe betrachtet. Das glaubt man heute nicht mehr. Zu den Alt-Angiospermen gehören auch die Verwandten des Pfeffers (Piper, Ordnung Piperales) und des Lorbeers (Laurus, Ordnung Laurales, vgl. Skript Seiten 4-5). 2. Klasse EUDIKOTYLEN = Dreifurchenpollen-Dikotylen (Fig. 9-2) 3. Klasse MONOKOTYLEN (Fig. 9-3) Die Eudikotylen und die Monokotylen sind gemäss APG II zwei monophyletische, d.h. natürliche Verwandtschaftsgruppen oder Äste (engl. clades ), die sich je auf einen gemeinsamen Vorfahren innerhalb der Alt-Angiospermen zurückführen lassen. Die Alt-Angiospermen hingegen müssen im Stammbaum der Angiospermen als paraphyletische Gruppe (engl. grade ) aufgefasst werden, d.h. als Hand, der mindestens ein Finger fehlt. Erst alle drei Angiospermenklassen zusammen ergeben die ganze Hand (monophyletische Gruppe), die sich von Gymnospermen (Nacktsamern) herleiten lässt. Als wohl ursprüngliches (= plesiomorphes) Merkmal besitzen viele Monokotylen wie bereits die Alt- Angiospermen Pollenkörner mit einer Keimfurche. EUDIKOTYLEN = DREIFURCHENPOLLEN-DIKOTYLEN [2.3] Ordnung RANUNCULALES Diese Ordnung zählt zu den basalen Eudikotylen, da ihr Ast im Kladogramm (Fig.2-1) schon früh abzweigt. Die Zahl der Blütenorgane ist variabel, d.h. wenig fixiert; die Blütenorgane, insbesondere die Karpelle (= Fruchtblätter) sind nicht untereinander verwachsen. Die Familie der Hahnenfussgewächse (RANUNCULACEAE) ist die artenreichste Familie dieser Ordnung: weltweit

48 Fig. 9-2 Fig. 9-3 (vgl. dazu Campbell & Reece 2003, Fig. 35.1, ebenso Texte S. 719-723, 863-866)

49 62 Gattungen mit ca. 2 450 Arten; meist krautige Pflanzen mit gegliederten Laubblättern, meist mit Alkaloiden, deshalb viele Giftpflanzen (z.b. Aconitum, Eisenhut), z.t. wegen grossen Blüten als Zierpflanzen beliebt (z.b. Aquilegia, Akelei). Schauorgane sind entweder die Kelchblätter (Anemone = Windröschen, Caltha = Dotterblume, Helleborus = Nieswurz), oder die von Staubblättern abzuleitenden Kronblätter (auch Nektarblätter oder Staminodien genannt, bei Ranunculus, Hahnenfuss), oder die Staubblätter selber (Thalictrum, Wiesenraute). Mehr über Hahnenfussgewächse vgl. Kap. 2, Skript Seiten 9-13 und Praktikum! ROSIDEN = Eudikotylen auf mittlerem Evolutionsniveau Ordnung GERANIALES (Fig. 9-4) Dazu zählen als Namen gebende Familie die Storchschnabelgewächse (GERANIACEAE): 11 Gattungen, 700 Arten, vor allem gemässigt und subtropisch. Blüten 5-zählig, mit 5 Organkreisen. Früchte geschnäbelt. Bei der Reife löst sich die Aussenwand jedes der 5 Fruchtknotenfächer vom Zentrum los und rollt sich zurück. Balkon- und Duftgeranien (= Pelargonium) aus Südafrika. Einheimischer Vertreter: Ruprechtskraut (Geranium robertianum. EUROSIDEN I Innerhalb der Rosiden lassen sich aufgrund von DNA-Befunden die Eurosiden I und die Eurosiden II als zwei getrennte monophyletische Gruppen unterscheiden. Zu dieser vielgestaltigen Gruppe gehören Ordnungen, die uns viele Nutzpflanzen beschert haben, so z.b. auch die Hülsenfrüchtler (Leguminosen) mit den Schmetterlingsblütlern (Ordnung Fabales; vgl. Praktikum). Ordnung MALPIGHIALES (Fig. 9-5) Diese Ordnung hat ihren Namen von einer tropischen Pflanzengruppe erhalten (z.b. Barbados-Cherry = Malpighia glabra). Dazu gehören auch Kokastrauch und Passionsblume. Als Vertreter dieser Familie wird im Kurs das Bingelkraut (Mercurialis perennis) aus der Familie Wolfsmilchgewächse (EUPHORBIACEAE) behandelt. Zu den Wolfsmilchgewächsen gehören weltweit gegen 300 Gattungen mit total ca.7'500 Arten (Gattung Euphorbia allein mit 1 600 Arten!). Blüten eingeschlechtig. Fruchtknoten (synkarpes Gynoecium) durch Verwachsung von meist 3 Karpellen, Griffel oft gespalten. Milchsaft einiger Arten sind Kautschuklieferanten (Hevea brasiliensis). Maniok (Manihot esculenta) wird wegen seiner essbaren Knollen in den Tropen häufig angebaut. Mehrere Euphorbia-Arten sind Zierpflanzen (z. B. Christusdorn, Weihnachtsstern). Diverse Euphorbia-Arten der Alten Welt (Afrika, Madagaskar, Kanaren) zeigen Stammsukkulenz: Konvergenz zu den neuweltlichen Kakteen. Ordnung ROSALES (Fig. 9-6) Bei dieser Ordnung sind die Blütenorgane meist in Kreisen (Quirlen) angeordnet und untereinander nicht verwachsen. Die Fruchtblätter sind meist noch frei = apokarp (Ausnahme: Kernobst). Am bekanntesten ist die Familie der Rosengewächse (ROSACEAE). Weltweit verbreitete Familie mit 100 Gattungen / 3000 Arten, krautig oder holzig, Laubblätter einfach oder gefiedert, mit Nebenblättern (Stipeln). Viele Zierpflanzen und Nutzpflanzen mit essbaren Früchten. Drei von vier Unterfamilien werden anschliessend kurz charakterisiert: 1. Unterfamilie ROSOIDEAE = Rosen, Fingerkräuter, Spierstaude, etc. Gynoecium aus vielen freien, einsamigen Karpellen, die als Gesamtheit Sammelfrüchte bilden: Sammelnussfrucht mit becherförmig vertieftem Blütenboden (Hagebutte = Rosa spp.), Sammelnussfrucht mit fleischigem Blütenboden (Erdbeere = Fragaria spp.), Sammelsteinfrucht mit fleischigem Blütenboden (Brom- und Himbeere = Rubus spp.). 2. Unterfamilie PRUNOIDEAE = Steinobst = Prunus spp.: Kirsche, Pflaume, Pfirsich, Aprikose, Mandel, Schwarzdorn. Gynoecium aus einem einzigen meist einsamigen Karpell Steinfrucht mit verholztem Endokarp, fleischigem Mesokarp. 3. Unterfamilie MALOIDEAE = Kernobst: Apfel, Birne, Quitte, Weissdorn Gynoecium aus 2-5 ein- bis wenigsamigen Karpellen, die in den becherförmig vertieften Blütenboden eingesenkt und mit diesem verwachsen sind. Die daraus entstehende Apfelfrucht wird oft als

50 Fig. 9-4 Ruprechtskraut (Geranium robertianum) ein Storchschnabelgewächs Fig. 9-5 Bingelkraut (Mercurialis perennis) ein Wolfsmilchgewächs Fig. 9-6 Hunds-Rose (Rosa canina) ein Rosengewächs Fig. 9-7 Schotenkresse (Arabidopsis thaliana) ein Kreuzblütler

51 "Scheinfrucht" bezeichnet, weil der fleischige Blütenboden und nicht die Karpelle selbst hauptsächlich an der Fruchtbildung beteiligt sind. EUROSIDEN II Ordnung BRASSICALES (Fig. 9-7) Zu dieser Ordnung gehören ausser der Kohlfamilie z.b. auch Kapuzinerkresse und Papaya. Die Familie Kohlgewächse = Kreuzblütler (BRASSICACEAE = CRUCIFERAE) zählt in der Schweiz mehr als 50 Gattungen und ca. 170 Arten (weltweit 350 Gattungen / 3 000 Arten). Überwiegend krautige Pflanzen mit Senföl-Glycosiden; Blüten meist ohne Tragblätter und meist mit 2 Symmetrie- Ebenen; typische Frucht: Schote. Wichtige Nutzpflanzen liefern die Gattungen Brassica (Kohl, Raps), Sinapis (Senf), etc. Zu den Kreuzblütlern gehört auch Arabidopsis thaliana (Schotenkresse) = "Labormaus" der Botanik: Modellorganismus für Molekularbiologen und Genetiker dank kurzer Generationsdauer (wenige Wochen) und kleinem Genom (0.5 pg DNA / Kern, 2n = 10). Weltweit gibt es wohl über 10'000 Arabidopsis-ForscherInnen. Allein im Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich arbeiten etwa 30 Leute mit Arabidopsis. ASTERIDEN = Eudikotylen auf einem höheren Evolutionsniveau Als besonders abgeleitete Eudikotylen gelten seit langem die Asteriden. Sie erscheinen im APG- Kladogramm als monophyletische Gruppe. Sie zeigen meist eine röhrenförmige Verwachsung der Kronblätter (Sympetalie). Oft entspringen die Staubblätter der Innenseite der Kronröhre. Im Kurs behandelt werden aus dieser Gruppe z.b. auch die Schlüsselblumengewächse (Primulaceae, Ordnung Ericales). Aufgrund der DNA-Befunde lassen sich innerhalb der Asteriden die Euasteriden I und die Euasteriden II als zwei getrennte monophyletische Gruppen unterscheiden. EUASTERIDEN I Ordnung LAMIALES (Fig. 9-8, 9-9) Dazu gehören viele röhrenblütige Eudikotylen, so z.b. die Familie der Lippenblütler (LAMIACEAE = LABIATAE) mit 250 Gattungen, 6700 Arten; inkl. viele Gattungen, die früher den Verbenaceae (Eisenkrautgewächsen) zugerechnet wurden. Viele Vertreter mit ätherischen Ölen: Heilpflanzen, Küchenkräuter. Einheimischer Vertreter: Wiesen-Salbei (Salvia pratensis, Fig. 9-8). In derselben Ordnung zu finden ist auch die bisherige Familie der Braunwurzgewächse = Rachenblütler (SCROPHULARIACEAE). Diese erweist sich aufgrund der DNA-Daten nun als künstlich und polyphyletisch. Sie fällt völlig auseinander. Von den 190 Gattungen (4 000 Arten) der früheren Familie verbleiben als monophyletische Kerngruppe (Scrophulariaceae im engeren Sinne) nur wenige Gattungen. Dazu gehören Scrophularia (Braunwurz) und Verbascum (Königskerze, Wollkraut, Fig. 9-9). Mit der Nachbarfamilie der Würgergewächse (OROBANCHACEAE) zu vereinigen sind alle Halb- und Vollparasiten der bisherigen Scrophulariaceae, also z.b. Klappertopf (Rhinanthus) und Augentrost (Euphrasia). Die Orobanchaceae bestanden nach früherer (nicht-molekularer!) Auffassung nur aus Vollschmarotzern. Besonders einschneidend sind die systematischen Änderungen in der Löwenmaulgruppe der früheren Scrophulariaceae. Die Löwenmaulgruppe gehört neu in die Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Dazu zählen von den bisherigen Scrophulariaceae neben Löwenmaul (Antirrhinum) auch Fingerhut (Digitalis) und Ehrenpreis (Veronica). Erstaunlicherweise müssen aber zu dieser neuen Familie auch Vertreter gestellt werden, die bisher zu ganz anderen Familien zählten, so neben den Wegerichen (Plantago) auch Tannenwedel (Hippuris) und Wasserstern (Callitriche). EUASTERIDEN II Allen Euasteriden II gemeinsam ist der unterständige Fruchtknoten, der aus zwei (oder drei) Fruchtblättern entstanden ist. Verschiedene Vertreter der Euasteriden II neigen dazu, ihren Kelch zu reduzieren oder erst während der Fruchtphase als Flugapparat zu vergrössern. Erstaunlicherweise gehören zu dieser monophyletischen Gruppe auch die Doldengewächse (APIACEAE =

52 Fig. 9-8 Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) ein Lippenblütler Fig. 9-9 Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus) ein Braunwurzgewächs Fig. 9-10 Pfirsischblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) ein Glockenblumengewächs Fig. 9-11 Kompass- oder Wilder Lattich (Lactuca serriola) ein Korbblütler

53 UMBELLIFERAE), die früher nicht als besonders nah verwandt mit der Astergruppe angesehen wurden. ORDNUNG ASTERALES (FIG. 9-10. 9-11) Aus der einheimischen Flora ist diese Ordnung vor allem durch die beiden folgenden Familien bekannt: Familie Glockenblumengewächse (CAMPANULACEAE) (Fig. 9-10) mit 70 Gattungen / 2000 Arten. Gattung Campanula allein in Europa mit fast 150 Arten. Hauptsächlich krautige Pflanzen in Subtropen und gemässigten Breiten. Wichtige Familienmerkmale: Milchsaft, Blüten vormännlich mit Pollenpräsentation am Griffelende; Früchte mehrsamig. Tendenz zu kompakten Blütenständen. Familie Korbblütler (ASTERACEAE = COMPOSITAE) (Fig. 9-11). Mit 1100 Gattungen / >20'000 Arten wohl die grösste Familie der Blütenpflanzen überhaupt. Weltweit vorkommend, in der Schweiz ca. 300 Arten. Von Bäumen über (Halb-)Sträucher bis zu einjährigen Kräutern. Die Blüten sind klein und in auffallenden Körbchen (= Pseudanthien) angeordnet; bei Astern, Margeriten etc. mit zwei Blütentypen. Pollenpräsentation wie bei Glockenblumengewächsen. Kelchblätter haarförmig = Pappus, der als Flugorgan der Frucht dient. Antheren zu einer Röhre "verwachsen". Gynoecium 2- zählig mit unterständigem Fruchtknoten, Frucht einsamig ("Achäne"). Viele Zier- und Nutzpflanzen, z.b. Sonnenblume (Helianthus), Kopfsalat (Lactuca), Kamille (Matricaria). MONOKOTYLEN Die Monokotylen bestehen aus ca. 80 Familien, 2 650 Gattungen und 56'000 Arten. Im Gegensatz zu den Eudikotylen (Fig. 9-2) zeichnen sich Monokotylen u.a. durch folgende Merkmale aus (Fig. 9-3). Viele dieser Merkmale können als gemeinsame abgeleitete Merkmale (sogenannte Synapomorphien) der Monokotylen angesehen werden: - Die Blüten sind dreizählig und bestehen aus fünf Kreisen, wobei die beiden äusseren Kreise (Kelch und Krone) oft ähnlich gebaut und gefärbt sind und deshalb zusammen als Perigon bezeichnet werden. Von diesem trimer-pentazyklischen Grundmuster ( Lilien-Muster ) lassen sich durch Reduktion und/oder Verwachsung von Blütenteilen die meisten Monokotylen ableiten. - Embryo und Keimling besitzen nur ein Keimblatt (Cotyledo). - Die Hauptwurzel am Keimling ist kurzlebig und wird frühzeitig durch zahlreiche sprossbürtige Wurzeln ersetzt (sekundäre Homorhizie). - Auf dem Stängelquerschnitt liegen die Leitbündel zerstreut. Sie besitzen kein Kambium. Sowohl dem Stängel (Sprossachse) und der Wurzel fehlt dementsprechend ein normales sekundäres Dickenwachstum. - Die Blätter sind ungeteilt und ganzrandig. Ihre Spreite ist lineal (Grastyp) bis elliptisch und besitzt Streifenaderung (Parallelnervatur). An ihrer Basis umfassen die Blätter den Stängel mit einer breiten Scheide. - Die Achselsprosse tragen nur ein Vorblatt, nicht zwei wie bei den meisten Dikotylen. Gemäss APG II werden 10 Monokotylen-Ordnungen unterschieden (siehe Kladogramm Fig. 9-1). Durch DNA-Befunde nahegelegt wird die ursprüngliche Stellung von Kalmus (Acorus,Fig. 9-15), dessen fleischiges Rhizom dank ätherischer Öle ein Magenheilmittel liefert (O. Acorales). Bestätigt wird die schon früher vermutete basale Stellung der vorwiegend wasserlebenden Froschlöffel-Gruppe (O. Alismatales). Unklar ist die weitere Aufspaltung der Monokotylen. Deshalb erscheinen im APG- Kladogramm fünf weitere Äste wie die Zähne eines Kamms, u.a. die Spargel-Gruppe (O. Asparagales), die Lilien-Gruppe (O. Liliales) und die sogenannten Commeliniden (d.h., die Commelina-Ähnlichen mit den Gräsern, siehe unten). Erst neue Studien (insbesondere die Sequenzanalyse weiterer Gene) werden eine bessere phylogenetische Rekonstruktion der Monokotylen erlauben. Im Rahmen der Vorlesung soll nur auf wenige Familien näher eingegangen werden, um die Änderungen gegenüber dem alten System zu veranschaulichen.

54 Familie LILIACEAE im alten Sinne (Fig. 9-12) In vielen klassischen Pflanzenbüchern wie z.b. Lauber & Wagner (1996) zählen Spargel (Asparagus), Lauch (Allium), Affodill (Asphodelus), Herbstzeitlose (Colchicum), Maiglöckchen = Maierisli (Convallaria), Germer (Veratrum) und Einbeere (Paris) noch zur gleichen Familie der Liliengewächse (LILIACEAE). Heute gehören sie zu sieben (!) verschiedenen Familien, die erst noch zu zwei verschiedenen Ordnungen (O. Asparagales & O. Liliales) gestellt werden. ORDNUNG LILIALES (Lilien-Gruppe) In der nun stark zusammengeschrumpften Familie der Liliengewächse (LILIACEAE) im neuen Sinn verbleiben als Vertreter einheimischer Gattungen z.b. Lilie (Lilium), Tulpe (Tulipa) und Gelbstern (Gagea). + ORDNUNG ASPARAGALES (Spargel-Gruppe) Zu dieser Ordnung zählen viele dekorative Kräuter wie Spargelgewächse (Asparagaceae), Amaryllisgewächse, Schwertliliengewächse und Orchideen, ebenso der grössere Teil der Liliengewächse (Liliaceae) im früheren Umfang, so z.b. die Lauchgewächse (Fig. 9-12). Die Unterscheidung der beiden Ordnungen Liliales (Lilien-Gruppe) und Asparagales (Spargel- Gruppe) erfolgt vor allem aufgrund von DNA-Befunden und Samenmerkmalen. Die Asparagales haben im Gegensatz zu den Liliales normalerweise ungefleckte Kronblätter und Nektarien, die sich in den Scheidewänden des Fruchtknotens befinden. Etwas vereinfacht kann man sich innerhalb der Spargel-Gruppe folgende Ableitungsreihe merken: Lauchgewächse (ALLIACEAE) Amaryllisgewächse (AMARYLLIDACEAE) Schwertliliengewächse (IRIDACEAE) Familie Orchideen (ORCHIDACEAE) (Fig. 9-13) Die Orchideen gelten mit 800 Gattungen und etwa 20'000 beschriebenen Arten als die zweitgrösste Blütenpflanzenfamilie (auf Rang 2 gleich nach den Korbblütlern). Die Orchideen sind beliebt wegen ihrer auffällig gefärbten Blüten. Eines der drei inneren Perigonblätter (Kronblätter) ist zu einer Lippe vergrössert. Der Fruchtknoten ist unterständig und mit unzähligen (bis über eine Million!!) Samenanlagen versehen. Von den Staubblättern finden sich bei den Frauenschuhen (Cypripedium & Co.) noch zwei; bei allen übrigen Orchideen gibt es nur noch ein einziges Staubblatt pro Blüte. Der Griffel verwächst mit diesem Staubblatt zu einer sogenannten Säule. An dieser gemeinsamen Säule finden sich oben die Pollenpakete (unter einer Haube) und etwas tiefer in einer Höhle die Narbe. Bestäubende Insekten übertragen das ganze Pollenpaket (mit bis über einer Million Pollenkörnern) von der einen Blüte zur andern. Die Bestäubung geschieht also nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Die winzigen Samen werden mit dem Wind verbreitet. Sie haben kein Nährgewebe (Endosperm) und brauchen fürs Auskeimen Mykorrhizapilze. Viele Orchideen sind Epiphyten, die Wasserspeicher (verdickte Stängelglieder = Pseudobulben ) und spezialisierte Luftwurzeln für die Wasseraufnahme besitzen. Im Gegensatz zu den Erdorchideen sind die Epiphyten nicht zeitlebens auf Mykorrhizapilze angewiesen. ORDNUNG POALES (Gras-Gruppe) Familie Echte Gräser (POACEAE = GRAMINEAE) (Fig. 9-14) Weltweit 650 Gattungen und gegen 10 000 Arten. Dank der Getreide (z.b. Mais = Zea, Reis = Oryza, Weizen = Triticum) weltwirtschaftlich die wohl wichtigste Blütenpflanzenfamilie! Laubblätter zweizeilig angeordnet. Zu den Gräsern gehören auch die verholzenden Bambusse. Diese Familie wird zusammen mit weiteren grasartigen Monokotylen im Praktikum ausführlich vorgestellt, z.b. Glatthafer = französisches Raygras (Arrhenatherum elatius).

55 Fig. 9-12 Bärlauch (Allium ursinum) ein Lauchgewächs (Alliaceae; Liliaceae im alten Sinn) Fig. 9-13 Frauenschuh (Cypripedium calceolus) eine einheimische Orchidee Fig. 9-14 Glatthafer; Französisches Raygras (Arrhenatherum elatius) ein Futtergras (Fam. Poaceae) Fig. 9-15 Kalmus (Acorus calamus) die ursprünglichste Monokotyle (Fam. Acoraceae)

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 56 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Scharbockskraut (Ranunculus ficaria = Ficaria verna) (Fig. 2-1) (Skript S. 9-13) Kl. Eudikotylen O. Ranunculales = Hahnenfussartige Fam. Ranunculaceae = Hahnenfussgewächse * K3-6 C8-10 A G K = Kelch C = Krone A = Androeceum (Staubblätter) G =Gynoeceum (Fruchtblätter) Reich an Vitamin C Alle Hahnenfussgewächse sind giftig! Bach und Graben Feuchte Wiesen, Gebüsche, lichte Laubwälder Kriechender Hahnenfuss (Ranunculus repens) (Skript S. 9-13) Kl. Eudikotylen O. Ranunculales = Hahnenfussartige Fam. Ranunculaceae = Hahnenfussgewächse K5 C5 A G = radiärsymmetrisch G = aus vielen (>15) freien Fruchtblättern bestehendes Gynoeceum Mehrjährige Pflanze; wird 10 bis 50 cm hoch. Bildung kriechender Ausläufer, die sich an den Knoten bewurzeln können. Meist auf feuchten Standorten: Auenwälder, feuchte Stellen in Wiesen und Gärten. Von Gärtnern gehasstes Unkraut! Buschwindröschen (Anemone nemorosa) (Fig. 2-2) (Skript S. 9-13) Kl. Eudikotylen O. Ranunculales = Hahnenfussartige Fam. Ranunculaceae = Hahnenfussgewächse G = Fruchtblätter (Fruchtknoten) oberständig * P5-8 A G P = Perigon (Bezeichnung für Blütenhülle, wenn Kelch und Krone nicht oder kaum unterscheidbar) Giftig (getrocknete Pflanze ungiftig) Laubwälder, Gebüsche, sekundär auch in Wiesen; oft in dichten Beständen

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 57 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Weisse Seerose (Nymphaea alba) * K4 C A G( ) (Fig. 2-3) (Skript S. 10-13) Kl. Alt- Angiospermen = Einfurchenpollen- Dikotylen (vgl. auch Skript S. 47) O. Nymphaeales = Seerosenartige Fam. Nymphaeaceae = Seerosengewächse G( ) = Fruchtknoten durch Verwachsung von vielen (10-20) Fruchtblättern Grosse grüne Blätter; Spaltöffnungen nur an der Oberseite der Schwimmblätter. Frucht = vielsamige fleischige Kapsel, freiwerdende Samen schwimmen auf Wasseroberfläche. Stehende oder langsam fliessende Gewässer Hornblatt (Ceratophyllum demersum & C. submersum) (Fig. 2-4) (Skript S. 10-13) Stellung an der Basis der Angiospermen noch unklar, zwischen Monokotylen und Eudikotylen (vgl. auch Skript S. 47) O. Ceratophyllales = Hornblattartige Männlich: P ca.10, A Weiblich: P ca. 10, G1 Beide Blüten finden sich auf derselben Pflanze. Die Hornblatt- Arten sind einhäusig (monözisch). Die unscheinbaren Blüten stehen in den Blattachseln, werden aber oft übersehen. Bestäubung, Befruchtung und Samenbildung geschehen unter Wasser. Stehende oder langsam fließende, sommerwarme, nährstoffreiche Gewässer. Fam. Ceratophyllaceae = Hornblattgewächse

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 58 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Ruprechtskraut = stinkender Storchschnabel (Geranium robertianum) (Fig. 9-4) (Skript S. 49,50) Kl. Eudikotylen (vgl. auch Fig. 9-2) Rosiden O. Geraniales = Storchschnabelartige Fam. Geraniaceae = Storchschnabelgewächse * K5 C5 A 5+5 G(5) Typische Eudikotylenblüte mit 5 Quirlen zu je 5 Blütenorganen. Stinkt (benannt nach Linnés Knecht, der wohl ebenfalls nicht all zu gut duftete). Wegen Gerbstoffen Heilpflanze: Wundheilung, Magen- und Darmentzündungen Schattige, stickstoffreiche Standorte, oft in Gärten und an Ruderalstandorten. Hunds-Rose (Rosa canina) (Fig. 9-6) (Skript S. 13) Kl. Eudikotylen Rosiden Eurosiden I O. Rosales = Rosenartige Fam. Rosaceae = Rosengewächse Unterfamilie Rosoideae _ * K5 C5 A G ( ) _ G ( ) = Fruchtblätter scheinbar verwachsen und unterständig, da in Achsenbecher = Hagebutte eingesenkt 3 5 m hoher Kletterstrauch; Hagebutte mit viel Vitamin C, deshalb beliebter Haustee. Wächst oft in Hecken und an Waldrändern

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 59 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Zypressen Trockene Wiesen, Kl. Eudikotylen Wolfsmilch Wegränder Rosiden (Euphorbia Eurosiden I cyparissias) (Skript S. 49) O. Malpighiales = Barbados-Cherry- Artige Fam. Euphorbiaceae = Wolfsmilchgewächse Keine eigentlichen Blütenblätter vorhanden, dafür bilden viele männliche Blüten (aus je einem Staubblatt bestehend) und eine zentrale weibliche Blüte (nur aus einem Fruchtknoten = G(3) bestehend) blütenähnliche Aggregate = Pseudanthien, die von Hüllbecher mit gelben Drüsen umgeben sind. Fast alle der insgesamt 2000 (!) Vertreter der Gattung Euphorbia mit giftigem Milchsaft Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) (Fig. 9-5) (Skript S. 49,50) Kl. Eudikotylen Rosiden Eurosiden I O. Malpighiales = Barbados-Cherry- Artige Fam. Euphorbiaceae = Wolfsmilchgewächse männlich: K3 C0 A weiblich: K3 C0 G(2) Eingeschlechtliche Blüten, Pflanze zweihäusig = diözisch (entweder männlich oder weiblich); Windbestäubung Wald und Waldrand; oft in grossen Beständen, Frühblüher.

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 60 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Schotenkresse (in Deutschland auch Acker- Schmalwand genannt) (Arabidopsis thaliana) (Fig. 9-7) (Skript S. 50,51) Kl. Eudikotylen Rosiden Eurosiden II O. Brassicales = Kohlartige Fam. Brassicaceae = Kreuzblütler = Kohlgewächse + K4 C4 A2+4 G(2) + = Blüte disymmetrisch = mit zwei rechtwinklig stehenden Symmetrieebenen (typisch für alle Kreuzblütler) Gencode entschlüsselt (Modellorganismus für Molekularbiologen und Genetiker = Labormaus der Botanik) Schutt und Schotter Ackerunkrautflur, sandiger Boden, lockerer Magerrasen Knöllchen- Zahnwurz (Cardamine bulbifera = Dentaria bulbifera) (Skript S. 51) Kl. Eudikotylen Rosiden Eurosiden II O. Brassicales = Kohlartige Fam. Brassicaceae = Kreuzblütler = Kohlgewächse + K4 C4 A2+4 G(2) G(2): Oberständiger Fruchtknoten durch Verwachsung von 2 Fruchtblättern, mit Scheidewand. Daraus entwickelt sich mehrsamige Schote (Schötchen) = typische Frucht aller Kreuzblütler. Waldbodengeophyt dank verdickter, zahnartiger Blattscheiden an den unterirdischen Rhizomen; ebenfalls vegetative Vermehrung dank Brutknöllchen in Blattachseln. Humose, kalkhaltige Böden in schattiger Lage, vorwiegend in in Laubwäldern

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 61 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Rauhaariges Veilchen (Viola hirta) Kl. Eudikotylen Rosiden Eurosiden I K5 C5 A5 G(3) Nierenförmige Blätter, am Grunde tief herzförmig. Trockene Wiesen, Gebüsche, Raine. (Skript S. 49) O. Malpighiales = Barbados-Cherry- Artige Fam. Violaceae = Veilchengewächse = monosymmetrisch (auch zygomorph und dorsiventral bezeichnet): mit einer Symmetrieebene, welche die Blüte in zwei spiegelgleiche Hälften teilt. Viola hirta = ein häufigeres Veilchen unserer Magerwiesen. Aufrechte = Wald- Schlüsselblume (Primula elatior) (Skript S. 51) Kl. Eudikotylen Asteriden O. Ericales = Erika- Artige Fam. Primulaceae = Primelgewächse *K(5) [C(5) A5] G(5) [C(5) A5] = Doppelklammer steht für: Kronblätter zu Röhre verwachsen; auf Röhreninnenseite entspringen die Staubblätter. Es existieren zwei Blütenformen = Heterostylie (Verschiedengriffligkeit). Heilpflanze gegen Husten und Bronchitis. Vorwiegend Wälder, aber auch feuchte Wiesen

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 62 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden I K(5) [C(2+3) A2+2] G(2) Blätter erinnern an Brennnesseln, brennen aber nicht. In Laub-und Mischwäldern, liebt nährstoffreiche und etwas feuchte Böden. (Skript S. 51) O. Lamiales = Lippenblütlerartige Fam. Lamiaceae = Lippenblütler G(2) = oberständiger Fruchtknoten durch Verwachsung von 2 Fruchtblättern. Durch Einschnürung jedes Fruchtblattes entsteht die für alle Lippenblütler typische Fruchtform, die in 4 einsamige, nüsschenartige Teilfrüchte ( Klausen ) zerfällt. Kreuzweisegegenständige Blattstellung und vierkantige Stängel = typisch für alle Lippenblütler! Wiesensalbei (Salvia pratensis) (Fig. 9-8) (Skript S.51) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden I O. Lamiales = Lippenblütlerartige K(5) [C(2+3) A2] G(2) mit Schlagbaummechanismus für Insektenbestäubung Salvia officinalis = Müslichrut als Gewürz verwendbar (z.b. bei Fisch) Trockene, sonnige Lage Wiesen Fam. Lamiaceae = Lippenblütler

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 63 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden I K5 [C(5) A3+2] G(2) Steinige Orte, Ruderalstellen. (Fig. 9-9) (Skript S.51) O. Lamiales = Lippenblütlerartige Fam. Scrophulariaceae = Braunwurzgewächse = Rachenblütler = Blüten der Königskerze nur schwach monosymmetrisch und nur mit kurzer Kronröhre. Die Pflanze wird 30 bis 170 cm hoch. Die Grundblätter sind sehr kurz und undeutlich gestielt. Die Blüten sind gelb. Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) (Skript S. 51) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden I O. Lamiales = Lippenblütlerartige Fam. Plantaginaceae = Wegerichgewächse früher Scrophulariaceae = Braunwurzgewächse K5 [C(5) A5] G(2) Molekulare (DNA) Daten führten zur Zerschlagung der bisherigen Braunwurzgewächse. Heute verteilen sie sich auf drei Familien: (1) Plantaginaceae, (2) Orobanchaceae = Würgergewächse (mit Halb-/Vollparasiten), und (3) nur Rest in Scrophulariaceae Wegen herzwirksamen Glykosiden (Cardenoliden) Mittel gegen Herzschwäche Kahlflächen in Wäldern sowie Wegränder, Waldlichtungen, Waldränder

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 64 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden II Lichte Wälder, Gebüsche, Magerwiesen; (Fig. 9-10) (Skript S. 53) O. Asterales = Asterartige _ * K5 C(5) A5 G(3) _ G(3) = unterständiger Fruchtknoten (durch Verwachsung von drei Fruchtblättern) Fam. Campanulaceae = Glockenblumengewächse Glockenblumengewächse haben vielsamige Früchte (meist Streukapseln) Unterständiger Fruchtknoten und vormännliche Blüten mit sekundärer Pollenpräsentation am Griffel sind typisch für alle Campanulaceae und Asteraceae. Kompass- oder wilder Lattich (Lactuca serriola) (Fig. 9-11) (Skript S. 53) Kl. Eudikotylen Asteriden Euasteriden II O. Asterales = Asterartige Fam. Asteraceae = Korbblütler = Astergewächse Unterfamilie Cichorioideae = Zungenblütige K rudimentär als Pappus C(5) A5 G(2) Korbblütler haben einsamige Früchte. Pappus = Haarkranz dient den Früchten als Flugapparat. Unser Kopfsalat gehört in diese Gattung. Nur Zungenblüten (Fehlen von Röhrenblüten) und Milchsaft typisch für Vertreter der Unterfam. Cichorioideae ( Chicoree - Verwandtschaft ) Entlang Wegrändern auf mässig trockenem nährstoff- und basenreichem Boden

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 65 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Salomonssiegel Kl. Monokotylen P3+3 A3+3 G(3) Lichte, trockene (vgl. auch Fig. 9-3) Laubmischwälder (Polygonatum odoratum) (Skript S. 53,54) O. Asparagales = Spargelartige Fam. Ruscaceae = Mäusedorngewächse, früher Fam. Liliaceae = Liliengewächse Fünf Organkreise (Quirle) mit je drei Blütengliedern = trimer-pentazyklisches Grundmuster, das typisch ist für viele Monokotylen. Meist nur eine Blüte in den Blattachseln, dies im Gegensatz zur vielblütigen Weisswurz = Polygonatum multiflorum Frauenschuh (Cypripedium calceolus) (Fig. 9-13) (Skript S. 53 55) Kl. Monokotylen O. Asparagales = Spargelartige Fam. Orchidaceae = Orchideen P3+3 [A2 G(3)] Ein Perigonblatt des inneren Blütenhüllkreises ist zur Lippe vergrössert. Staublätter sind mit Griffel zur Säule verwachsen. Mit 2 Staubblättern pro Blüte ist der Frauenschuh eine Ausnahme. Die meisten Orchideen haben nur noch einen Staubbeutel, der mit dem Griffel zur Säule verwachsen ist. Bevorzugt in Laubwäldern oder an buschigen Berghängen (z.b. im Tösstal)

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 66 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Kalmus Kl. Monokotylen P3+3 A3+3 G(3) (Acorus calamus) (Fig. 9-15) (Skript S. 53 55) O. Acorales = Kalmusartige Fam. Acoraceae = Kalmusgewächse = trimerpentazyklisches Grundmuster Die Pflanzen haben unifaziale schwertförmige Blätter, die zwittrigen Blüten sind unscheinbar, in Kolben angeordnet. Kalmus ist eine Gattung schilfartiger Pflanzen und zählt zu den Röhrichtpflanzen. Sie besiedelt die Ufer von Flussläufen und Marschland. Bärlauch (Allium ursinum) (Fig. 9-12) (Skript S. 53-55) Kl. Monokotylen O. Asparagales = Spargelartige Fam. Alliaceae = Lauchgewächse, früher Liliaceae = Liliengewächse P3+3 A3+3 G(3) = trimerpentazyklisches Grundmuster Gibt super Pesto! Alle Vertreter der Gattung Lauch = Allium zeichnen sich durch schwefelhaltige Verbindungen aus, deshalb Gewürzund Heilpflanzen! Feuchter, schattiger Boden in Laubwäldern

Blüemli-Liste zu Vielfalt der Pflanzen (basierend auf Lernhilfe von Ralf Hug, Petra Kälin, Dieter Riester, Christof Schnider SS06) 67 Name Familie, vgl. Fig.9-1 Blütenformel Merkmale Lebensraum Bild Grosse Weiche Trespe Kl. Monokotylen Bei jeder Blüte folgen Felder, Wiesen wirtschaftliche (Bromus O. Poales = auf eine Vorspelze Weltweit in allen Bedeutung Klimazonen treten hordeaceus Grasartige P2 (Schwellkörper) A3 (Getreide). Den Süssgräser auf. = B. mollis) Fam. Poaceae = G(2) "Stängel" der (Fig. 9-14) Süssgräser = Süßgräser nennt Echte Gräser man Halm. (Skript S. 54) Windbestäubung. Scharfkantige = Sumpf-Segge (Carex acutiformis) (Die Grasartigen werden im Praktikum vorgestellt) Kl. Monokotylen O. Poales = Grasartige Fam. Cyperaceae = Riedgräser = Sauergräser Männliche Blüte: A3 (in schuppenförmigem Tragblatt) Weibliche Blüte: G(3), umgeben von einem für Carex typischen Fruchtschlauch (ebenfalls in schuppenförmigem Tragblatt) Die meisten der 2000 Seggenarten (Gattung Carex) sind einhäusig, oben mit männlichen und unten (seitlich) mit weiblichen Blütenähren. Sumpf, Feuchtwiesen