Schrumpfungsstress VOCO GmbH, Abteilung Wissenskommunikation Anton-Flettner-Str. 1-3 D-77 Cuxhaven Tel.: +9 ()71-719-1111 Fax: +9 ()71-719-19 info@voco.de www.voco.de In jüngerer Zeit wird in der Diskussion um die Qualität von Füllungsmaterialien oft der Begriff des Schrumpfungsstresses verwendet. Die hier vorliegende Information gibt eine Definition des Schrumpfungsstresses und diskutiert den Einfluss der Schrumpfspannung auf die langfristige Randintegrität von Kompositrestaurationen. Alle auf Dimethacrylat basierten Füllungsmaterialien schrumpfen im Zuge der Polymerisationsreaktion. Moderne Nano-Hybrid- Komposite fallen durch eine äußerst geringe Schrumpfung auf (: 1.57 %), nichtsdestotrotz sollte auch bei diesen Materialien ein möglicher negativer Einfluss auf den Langzeiterfolg diskutiert werden. Schrumpfung wird in Volumenprozent angegeben. In der klinischen Realität ist eine reine Volumenschrumpfung an gebondeten Oberflächen nicht möglich, so dass hier durch die Schrumpfung eine Zugkraft auf das Bond entsteht. Diese Zugkraft wird auch als Schrumpfungsstress bezeichnet. Messung des Schrumpfungsstresses In der Literatur finden sich zwei Ansätze, die Schrumpfungskraft zu ermitteln. Der erste Ansatz besticht durch ein einfaches experimentelles Setup, welches in Abbildung 1 gezeigt ist. Ein Komposit-Probekörper wird auf einer Glasplatte gebondet, auf der Oberseite wird der Testkörper mit einem Federkraftmesser verbunden. Bei Belichtung des Probekörpers durch die Glasplatte schrumpft der Probekörper, am angelegten Federkraftmesser kann dann direkt die Schrumpfkraft abgelesen werden. Dieser Versuchsaufbau hat aber einen entscheidenden Nachteil: Hier werden gegenüberliegende "Kavitätenwände" mit nur einem Layer Komposit verbunden - eine Situation, die der Zahnarzt mit Hilfe der Schichttechnik zu vermeiden versucht. Bulk-Füllungen werden nur bei sehr kleinen Kavitäten appliziert, in diesen Situationen ist die tatsächliche Schichtdicke wesentlich geringer als in den experimentellen Schrumpfungsstressmessungen, so dass der Stress in der klinischen Realität nicht die Werte dieser Messungen erreicht. Neben direkten Kraftmessungen werden auch optische Verfahren zur Bestimmung des Schrumpfungsstresses eingesetzt. [1] Zu diesem Zweck werden Probekörperträger aus Araldit Abbildung 1: Schematischer Versuchasaufbau zur Bestimmung des Schrumpfungsstresses B hergestellt. Dieser Werkstoff hat die interessante Eigenschaft, dass interner Stress durch polarisiertes Licht visualisiert werden kann. Über den Abstand der mit dieser Methode sichtbar gemachten Stresslinien lässt sich die Schrumpfkraft berechnen. Interessant ist hier jedoch die Dimension der Testkavität: Die Ausmaße betrugen 5 5 5 mm, ferner wurde die Kavität mit nur einem Inkrement gefüllt. Der ungünstige C-Faktor und der Verzicht auf die Schichttechnik maximieren natürlich die Schrumpfungskräfte. Daher wird die klinische Realität wiederum nicht exakt dargestellt. Auch andere, optische Testverfahren messen meist den Stress von sehr großen Inkrementen und lassen damit nur bedingt Rückschlüsse auf die klinische Realität zu. Seite 1/5, 5.11.15, Wisskomm
Trotz der Schwierigkeiten im instrumentellen Aufbau der Experimente lohnt sich ein Blick auf die Ergebnisse von Schrumpfungsstressmessungen. Ergebnisse von Messungen des Schrumpfungsstresses Bislang sind kaum unabhängige Studien zur Größe des Schrumpfungsstresses durchgeführt worden, bei denen auch untersucht wurde. Eine aktuelle Messung findet sich im Clinicians Report in der Ausgabe März 1. [] Die Ergebnisse der dort vorgestellten Messungen sind in Abbildung 3 gezeigt. Die Werte liegen in dieser Messung zwischen 1,5 und 3 MPa, die Werte für die unterschiedlichen Materialien unterscheiden sich also kaum. nimmt bei dieser Studie mit einer Schrumpfkraft von,7 MPa einen Platz im Mittelfeld ein. [MPa] 3,5 3,,5, 1,5 1,,5, Abbildung : Ergebnisse einer Messung des Schrumpfungsstresses [MPa] [] Eine weitere Studie wurde 7 an der Universität Sao Paulo (Brasilien) durchgeführt (Abbildung 3). [3] Auch in dieser Studie erreicht leicht höhere Werte, der Unterschied zu den ebenfalls getesteten Materialien ist jedoch sehr gering. 1 1 [N] Admira Filtek Z5 Filtek Supreme Abbildung 3: Schrumpfungsstress nach Pereira et al. [3 Klinische Studien Einen wesentlich besseren Einblick in die zahnärztliche Realität bieten klinische Studien. In diesen Untersuchungen müssten nach der Theorie des sehr einflussreichen Schrumpfungsstresses im Bereich der Randadaption vor allem die Materialien schlecht abschneiden, die in Messungen des Schrumpfungsstresses die höheren Werte zeigen. Abbildung zeigt das Ergebnis einer klinischen -Jahresstudie. [] In dieser Studie wurden Klasse V Kavitäten mit der Kombination Futurabond NR und versorgt. Entsprechend der Theorie des Schrumpfungsstresses sollten für gerade in Bezug auf Randverfärbung und Randintegrität schlechte Werte resultieren. Seite /5, 5.11.15, WissKomm
Hingegen zeigt sich, dass in beiden Disziplinen auch nach Jahren ca. 9 % der Versorgungen als klinisch einwandfrei bewertet wurden. Weniger als 5 % der Restaurationen bedurften einer Revision. Alpha Bravo Charlie Sensitivität Anatomische Form Randadaption Randverfärbungen Farbanpassung % 1% % 3% % 5% % 7% % 9% 1% Abbildung : Ergebnisse einer klinischen -Jahresstudie (Futurabond NR/ in Klasse V Kavitäten) [] Interessant ist auch ein Vergleich mit dem niedrig schrumpfenden Filtek Silorane (3M ESPE), welches sich ebenfalls durch eine sehr geringe Schrumpfspannung auszeichnet. In Abbildung 5 ist das Ergebnis einer klinischen 1-Jahresstudie dargestellt, gezeigt ist hier lediglich die Bewertung der Randadaption. [5] A B C D E Filtek Silorane % 1% % 3% % 5% % 7% % 9% 1% Abbildung 5: Randadaption nach einem Jahr (Klasse II Kavitäten) [5] In dieser Studie schneidet trotz der leicht erhöhten Schrumpfspannung besser ab als Filtek Silorane. Offensichtlich ist der Schrumpfungsstress also nur ein untergeordneter Faktor, wenn es um eine langfristig intakte Adhäsion einer Füllung geht. Andere Faktoren beeinflussen die dauerhafte Randintegrität einer Füllung Der oben ausführlich beschriebene Schrumpfungsstress stellt eine statische Belastung für die Adhäsivschicht dar. Ein Bonding unterliegt aber nicht nur dieser statischen Belastung, auch dynamische Belastungen treten täglich auf. Die wichtigste dynamische Belastung stellt in diesem Zusammenhang der Kaustress dar. Täglich wirken während des Kauvorganges Kräfte auf eine Füllung. Inwieweit diese Kräfte gleichmäßig über die Restauration abgeleitet werden wird maßgeblich vom E-Modul bestimmt, welcher das elastische Verhalten von Materialien bei Belastung beschreibt. Je näher das Elastizitätsverhalten des Füllungsmaterials am Verhalten der natürlichen Zahnhartsubstanz liegt, desto besser ist die Verteilung der auftretenden Kräfte. Die Abhängigkeit der Größe des Kaustresses vom E-Modul der Materialien wurde von Asmussen et al. untersucht. [] In Abbildung ist das Ergebnis dieser Studie gezeigt. Wie der Graphik zu entnehmen ist, sinkt die Belastung auf den Adhäsivverbund mit zunehmendem E-Modul des Materials. Ein niedriger E-Modul, der in Bezug auf den statischen Stress leichte Vorteile bringt, wirkt sich also in der täglichen Kaubelastung negativ aus. Während die meisten Komposite einen E-Modul von - GPa aufweisen (fließfähige Komposite liegen nochmal darunter), besitzt einen vergleichbaren E-Modul wie Dentin. Die Ergebnisse einer Messung von E-Modulen an der Universität Athen ist in Abbildung 7 dargestellt. [7] Hier zeigt sich der große Unterschied von zu anderen Füllungsmaterialien. Seite 3/5, 5.11.15, WissKomm
Klasse I Klasse II 1 [MPa] Schmelz Dentin Schmelz Dentin Schmelz Dentin Schmelz Dentin 5 1 15 Abbildung : Stress auf die Kavitätenwand in Abhängigkeit zum E-Modul [GPa] des Füllungsmaterials [] [GPa] 1 1 1 1 Dentin Filtek P Simile Filtek Supreme Abbildung 7: E-Modul diverser Füllungsmaterialien [7] Eine weitere Belastung für das Bond stellt Stress durch thermische Expansion bzw. Kontraktion dar. Komposite dehnen sich wie viele andere Werkstoffe bei Erwärmung aus, bei Abkühlung schrumpfen sie. Dieses thermische Verhalten zeigen auch Zähne. Unterscheidet sich nun das Ausmaß der thermischen Schrumpfung des Füllungsmaterials von dem des Zahnes, tritt bei jeder Portion Eiscreme oder anderen Speisen und Getränken Stress auf die Kavitätenwand auf. Das thermische Verhalten von diversen Kompositen wurde am Fraunhofer-Institut für Silikatforschung untersucht. [] Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in Abbildung wiedergegeben. Seite /5, 5.11.15, WissKomm
5 5 35 3 [1 - /K] 5 15 1 5 Flow Filtek Supreme Venus Premise TPH3 Esthet X Ceram X Evo CeramHeliomolar Abbildung : Thermischer Ausdehnungskoeffizient (Rote Linie: Dentin 11, Schmelz 17) [] Die absolute Größe der hier dargestellten Werte ist nicht entscheidend, worauf es ankommt ist der Vergleich zum Verhalten des natürlichen Zahnes. Da die Randintegrität an der Oberfläche im Fokus liegen sollte, muss also der Vergleich zum Kontraktionsverhalten des Schmelzes herangezogen werden. Bei diesem Vergleich stellt sich heraus, dass wesentlich besser das natürliche Verhalten des Zahnes simuliert als andere Füllungsmaterialien. Während der Schrumpfungsstress durch Anwendung der Schichttechnik und die Wahl eines geeigneten C-Faktors beeinflusst und damit minimiert werden kann, können diese dynamischen Belastungen nicht vom Zahnarzt beeinflusst werden. Sowohl Kaustress als auch thermische Belastung treten jeden Tag auf und scheinen einen größeren Einfluss auf einen langfristig intakten Rand zu haben, als der reine Schrumpfungsstress. Fazit: besitzt mit seinem zahnähnlichen E-Modul im Vergleich zu anderen Füllungsmaterialien einen leicht erhöhten Schrumpfungsstress. Der hohe E-Modul führt jedoch dazu, dass die dynamischen Belastungen deutlich geringer werden. In der Summe ist dieser hohe E-Modul für eine langfristige Randintegrität besser geeignet, zumal die statische Belastung durch den Schrumpfungsstress mit Hilfe der Schichttechnik beeinflusst werden kann. [1] Klingler K, Entwicklung und erste Anwendung einer spannungsoptischen Messeinrichtung zur Beobachtung von polymerisationsschrumpfbedingten Spannungen, Universität Marburg, Dissertation. [] Christensen GJ, Clinicians Report, Märzausgabe 1. [3] Pereira RA, de Araujo PA, Castaneda-Espinosa JC, Mondelli RFL, J. Appl. Oral Sci., 1, 3-3. [] Abdalla AI, Int. J. Clin. Dent. 9, 1, 191-. [5] Schattenberg A, Storck S, Busemann I, Willershausen B, Ernst CP, IADR 9, Miami, USA. [] Asmussen E, Peutzfeld F, Dent. Mater.,, -5. [7] Papadogiannis DY, Lakes RS, Papadogiannis Y, Palaghias G, Dent. Mater.,, 57-. [] Wolter B, Fraunhofer-Institut für Silikatforschung ISC, 5, data on file, VOCO GmbH. Seite 5/5, 5.11.15, WissKomm