Ökobilanzen Life Cycle Assessment Bernhard Zimmer
Einführung Eine nachhaltige Material- und Produktentwicklung erfordert auch Methoden zur Bewertung der Umweltwirkungen für Produkte. Die Herausforderung besteht darin Produkte über deren gesamten Lebensweg zu betrachten. Verschiedene Ansätze verfolgen das Ziel einer Ökologisierung der Produktpolitik: o Eco-Labelling (Zertifikate) o Cradle to Cradle (C2C); Zero Emission; o Material-Intensitäts-Analyse (MAIA) o Life Cycle Asssessment (LCA) Ökobilanz o...
Material-Intensitäts-Analyse (MAIA) Die Masse, die zur Produktion eines Produktes eingesetzt werden muß, ist ein Maß für die Umweltbelastung durch das Produkt. aus: von Weizsäcker und Lovins (1996)
Der Materialvergleich (Einsatz von Energie) aus von Weizsäcker und Lovins (1996)
Vergleichbarkeit? aus von Weizsäcker und Lovins (1996)
Die Produkt-Ökobilanz Eine produktbezogene Ökobilanz (LCA) ist eine ökologisch bewertete Stoff- und Energieflußanalyse über den gesamten Lebensweg eines Produktes, wobei der Begriff "Produkt" auch auf Dienstleistungen ausgedehnt werden kann. Ökonomische und soziale Aspekte des Produktsystems werden im Rahmen einer Ökobilanz üblicherweise nicht berücksichtigt.
Methodischer Rahmen der LCA DIN EN ISO 14.040 (08:1997; 2006): Umweltmanagement - Ökobilanz - Prinzipien und allgemeine Anforderungen DIN EN ISO 14.041 (11:1998): Umweltmanagement - Ökobilanz Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens sowie Sachbilanz DIN EN ISO 14.042 (07:2000): Umweltmanagement - Ökobilanz - Wirkungsabschätzung DIN EN ISO 14.043 (07:2000): Umweltmanagement - Ökobilanz Auswertung DIN EN ISO 14.044 (2006): Umweltmanagement produktbezogene Ökobilanz
Der Lebensweg: von der Wiege bis zur Bahre R o h s t o f f P r o d u k t - h e r s t e l l u n g Recycling Energetische Nutzung Kompostierung (biolog. Abbau) N u t z u n g des P r o d u k t e s Deponie
Der Lebensweg: von der Wiege bis zur Wiege R o h s t o f f Rohstoff Recycling Energetische Nutzung P r o d u k t - h e r s t e l l u n g Produktherstellung Kompostierung (biolog. Abbau) N u t z u n g des P r o d u k t e s Deponie
Der Lebensweg: von der Wiege bis zur Bahre R o h s t o f f Rohstoff Recycling Energetische Nutzung P r o d u k t - h e r s t e l l u n g Produktherstellung Kompostierung (biolog. Abbau) N u t z u n g des P r o d u k t e s
Bestandteile einer Ökobilanz Festlegung des Zieles und Untersuchungsrahmens Auswertung Sachbilanz Wirkungsabschätzung
Bestandteile einer Ökobilanz Festlegung des Zieles und Untersuchungsrahmens Sachbilanz Auswertung Anwendung Entwicklung und Verbesserung von Produkten Strategische Planung Politische Entscheidungsprozesse Marketing Wirkungsabschätzung Sonstige
Anforderungen an Ökobilanzen o Ökobilanz-Studien müssen die Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens, die Sachbilanz, die Wirkungsabschätzung und die Auswertung der Ergebnisse enthalten. o o o Sachbilanz-Studien müssen die Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens, die Sachbilanz und die Auswertung der Ergebnisse enthalten. Die Anforderungen und Empfehlungen dieser Internationalen Norm, mit Ausnahme der für die Wirkungsabschätzung, gelten auch für Sachbilanz- Studien. Eine Sachbilanz-Studie allein darf nicht für Vergleiche benutzt werden, die für die Verwendung in zur Veröffentlichung vorgesehenen vergleichenden Aussagen bestimmt sind. o Es sollte beachtet werden, dass es keine wissenschaftliche Grundlage gibt, Ergebnisse von Ökobilanzen übergreifend zu einer numerischen Rangfolge oder zu einem Einzelwert (Einpunkt- Bewertung) zusammenzufassen.
Sach-Ökobilanz - Pelletherstellung Rohstoff Späne trocken Rohstoff Späne feucht Input Pelletherstellung Output Energie elektrisch Energie thermisch Wasser Betriebsstoff Stärke Submodul Zerkleinerung Submodul Trocknung Submodul Pelletierung Emission fest, flüssig, gasförmig Wasser Abwärme Lärm Produkt Holzpellets Quelle: Witzlinger (2002)
Energieeinsatz [MJ/t] Sach-Ökobilanz - Pelletherstellung o Energieeinsatz zur Herstellung von Holzpellets 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 Zerkleinern Trocknen Verpressen Quelle: Witzlinger (2002)
Sach-Ökobilanz - Pelletherstellung o Energieeinsatz versus Energieinhalt (H u ) 81% 19% Quelle: Witzlinger (2002)
Bestandteile einer Ökobilanz Festlegung des Zieles und Untersuchungsrahmens Auswertung Sachbilanz Wirkungsabschätzung
Zieldefinition Bei der Festlegung des Ziels einer Ökobilanz müssen die folgenden Punkte eindeutig festgelegt werden: o die beabsichtigte Anwendung o die Gründe für die Durchführung der Studie o die angesprochene Zielgruppe, d. h. an wen sich die Ergebnisse der Studie richten sollen o ob die Ergebnisse für die Verwendung in zur Veröffentlichung vorgesehenen vergleichenden Aussagen bestimmt sind.
Untersuchungsrahmen (1) das zu untersuchende Produktsystem die Funktionen des Produktsystems oder, im Fall vergleichender Studien, der Systeme die funktionelle Einheit die Systemgrenze die Allokationsverfahren die Methode für die Wirkungsabschätzung und die Wirkungskategorien die Methoden zur Auswertung
Untersuchungsrahmen (2) die Anforderungen an die Daten die Annahmen die Werthaltungen und optionalen Bestandteile die Einschränkungen die Anforderungen an die Datenqualität die Art der Kritischen Prüfung, sofern vorgesehen die Art und der Aufbau des für die Studie vorgesehenen Berichts
Funktionelle Einheit o o o Der Untersuchungsrahmen einer Ökobilanz muss die Funktionen (Leistungsmerkmale) des untersuchten Systems eindeutig festlegen. Die funktionelle Einheit muss dem Ziel und dem Untersuchungsrahmen der Studie entsprechen. Hauptzweck der funktionellen Einheit ist die Angabe einer Bezugsgröße, auf die die Input- und Outputdaten normiert werden (im mathematischen Sinn), deshalb muss die funktionelle Einheit eindeutig definiert und messbar sein. Nach der Auswahl der funktionellen Einheit muss der Referenzfluss festgelegt werden.
Beispiel: Ökobilanz der Kaffeezubereitung Eine vergleichende Analyse potentieller Umweltauswirkungen verschiedener Methoden der Kaffeezubereitung Vor diesem Hintergrund untersuchte das Öko-Institut im Auftrag der Bodum AG, einem der führenden Hersteller von Durchdrückkannen, im Rahmen dieser Ökobilanz, wie sich unterschiedliche Arten der Kaffeezubereitung hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen unterscheiden. Zur funktionellen Einheit: In der hier vorliegenden Studie wird die Bereitstellung von Kaffee in Espressoqualität durch hohen Druck (Kapsel- und Vollautomaten) mit der Bereitstellung von aufgebrühtem Kaffee (Filterkaffeemaschine, Mokkakocher und Durchdrückkanne) verglichen. Auf Grund dessen muss zuvor der Nutzen bzw. die Funktion dieser beiden Kaffeearten diskutiert werden: Kaffee und Espresso unterscheiden sich, wie oben bereits beschrieben zum einen in ihrer geschmacklichen Qualität, zum anderen aber auch im unterschiedlichen Koffeingehalt: 1 Espresso (50 ml) enthält 50 mg Koffein; 1 Filterkaffee (125 ml) enthält 80-120 mg Koffein. Der Koffeingehalt des Kaffees ist einer von vielen Gründen, warum Kaffee konsumiert wird. Eine viel größere Rolle spielt jedoch der Genuss.
Beispiel: Ökobilanz der Kaffeezubereitung Da das Ziel dieses ökobilanziellen Vergleichs aber nicht im Vergleich der verschiedenen Kaffeequalitäten bzw. Koffeingehalten liegt, sondern in den Unterschieden der verschiedenen Zubereitungsarten, wird die Qualität der verschiedenen Kaffeearten innerhalb dieser Studie nicht weiter berücksichtigt. Die verschiedenen Arten der Kaffeezubereitung unterscheiden sich aber auch bezüglich der Menge eingesetzten Kaffeepulvers und Wassers: so wird für die Zubereitung eines Espressos mittels Kapselautomat bspw. 5,5 g Pulver eingesetzt und ein Volumen von 40 ml Wasser empfohlen, für einen so genannten Lungo (entspricht einem Kaffee) hingegen 8,5 g und 110 ml Wasser (Quelle: Nespresso). Laut der DIN EN 60661 (Verfahren zur Messung der Gebrauchseigenschaften elektrischer Haushaltkaffeebereiter) sollte das Volumen einer Tasse gefilterten Kaffees 125 ml und das einer Tasse Espresso 35 ml entsprechen. Die durchschnittliche Kaffeemenge für Filterkaffee, Mokka und Kaffee aus der Durchdrückkanne entspricht jeweils 7 Gramm pro Tasse. Diese unterschiedlichen Angaben zeigen, dass es sowohl in der eingesetzten Kaffeemenge als auch im eingesetzten Volumen Variationen geben kann. Da in der vorliegenden vergleichenden Ökobilanz die Zubereitung von Kaffee mit einer Durchdrückkanne im Fokus steht, wurden zur besseren Vergleichbarkeit für alle Zubereitungssysteme die gleiche Menge an Kaffeepulver bzw. das gleiche Volumen wie für die durchschnittliche Zubereitung eines Filterkaffees per Durchdrückkanne angenommen: 125 ml mit einer durchschnittlichen Kaffeemenge von 7 g pro Tasse.
Ökobilanz von Kaffeekapseln unter der Lupe EMPA Pressemitteilung vom 11.05.2011: Wie umweltfreundlich sind die verschiedenen Kapselsysteme und andere Zubereitungsarten für Kaffee? Empa-Forschende nahmen die Ökobilanzen der verschiedenen Systeme unter die Lupe. Resultat: o Auf den Inhalt kommt es an. o Die Wahl des Kaffees beeinflusst die Ökobilanz viel stärker als die Wahl zwischen Kapsel, Vollautomat und Filterkaffee.
Produktsystem I n p u t O u t p u t E n e r g i e, f o s s i l Em is s io n, g a s f ö r m i g Erfassung aller Input- und Outputströme E n e r g i e, r e g e n e r a t i v Energie Betriebsstoffe Hilfsstoffe Wa s s e r B e t r i e b s - s t o f f Em is s io n, f l ü s s i g Emissionen aller Art A l t h o l z A l tfe n s te r.......... Em is s io n, f e s t H i l fs s to f f Wa s s e r A b w ä r m e L ä r m
Systemgrenze o o o o o o Die Systemgrenze legt fest, welche Prozessmodule in der Ökobilanz enthalten sein müssen. Die Auswahl der Systemgrenze muss mit dem Ziel der Studie übereinstimmen. Die zur Festlegung der Systemgrenze angewendeten Kriterien müssen beschrieben und erläutert werden. Es müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Prozessmodule in die Studie einbezogen werden, und über die Ausführlichkeit, mit der diese Prozessmodule untersucht werden müssen. Das Weglassen von Lebenswegabschnitten, Prozessen, Inputs oder Outputs ist nur zulässig, wenn damit die allgemeinen Schlussfolgerungen der Studie nicht wesentlich verändert werden. Es müssen auch Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Inputs und Outputs einzubeziehen sind, und der Detaillierungsgrad der Ökobilanz muss eindeutig festgelegt werden.
Papier Papier bietet jederzeit die Alternative der stofflichen und oder energetischen Verwendung bzw. Verwertung
Produktsystem Es ist hilfreich, das System mit einem Systemfließbild zu beschreiben, in dem die Prozessmodule und ihre Wechselbeziehungen dargestellt werden. Jedes Prozessmodul sollte zunächst beschrieben werden: o o o das Prozessmodul hinsichtlich der Zuführung von Rohstoffen oder von Zwischenprodukten die Art der Bearbeitung und der Arbeitsvorgänge, die Bestandteil des Prozessmoduls sind Abgrenzung des Prozessmoduls - im Sinne einer Festlegung der Zwischenoder Endprodukte Im Idealfall sollte das Produktsystem so modelliert werden, dass die Inputs und Outputs an seiner Grenze Elementar- und Produktflüsse sind.
Produktionsablauf Schnittholzproduktion Die während der Produktion anfallenden Resthölzer sind entweder Rohstoff für andere Produkte oder können zur Energieerzeugung eingesetzt werden.
System der NaWaRos o sind nicht unbegrenzt verfügbar aber erneuerbar im Gegensatz zu endlichen Ressourcen o haben immer die Alternative der stofflichen und energetischen Nutzung bzw. Verwertung (Substitutionseffekte) o werden nie Abfall im Sinne der Ökobilanzierung o der Lebensweg von Produkten aus nachwachsneden Rohstoffen beginnt immer bei den Produzenten (autotrophe Organismen)
Beispiel: Holz
Holz - Zusammensetzung Eine Tonne Holz atro : 500 kg Kohlenstoff 430 kg Sauerstoff 60 kg Wasserstoff 10 kg andere Elemente
Holzbildung durch Photosynthese Photosynthese: 6 CO 2 + 12 H 2 O C 6 H 12 O 6 + 6 O 2 + 6 H 2 O Modellrechnung zur Berechnung der Massenströme beim Aufbau von Holz: 8,4 CO 2 + 12 H 2 O C 8,4 H 12 O 5,4 + 8,7 O 2 + 6 H 2 O
Sachbilanz der Photosynthese Kohlendioxid 1851 kg Wasser 1082 kg Sonnenenergie 19100 MJ Wasser Nährelemente N, P, K, Mg, Ca Holzproduktion durch Photosynthese Holzmasse atro (Nadelholz) 1000 kg Wasser 541 kg Sauerstoff 1392 kg
Kohlenstoffspeicher Holzprodukte Atmosphäre (750 Gt) +3 (+2) Holzprodukte (14 Gt ) +0,5 (+1,4) +2 Landpflanzen (2060 Gt) Wälder (1648 Gt) +2 Ozeane (38000 Gt)
Energiespeicher Atmosphäre Landpflanzen Ozeane Wälder (Holzmasse) (3072 Exajoule)
Abschneidekriterien Die Abschneidekriterien für die Ersterfassung von Inputs und Outputs sowie die Annahmen, unter denen die Abschneidekriterien aufgestellt werden, müssen eindeutig beschrieben werden. Im Abschlussbericht müssen auch die Auswirkungen der gewählten Abschneidekriterien auf das Ergebnis der Studie abgeschätzt und beschrieben werden. Beispiel: o Sekundärrohstoffe o Produktionsanlagen
Abschneidekriterien Masse: Bei der Anwendung der Masse als ein Kriterium ist die Aufnahme aller Inputs in die Studie erforderlich, die kumulativ mehr als einen festgelegten prozentualen Anteil zum Masseninput des zu modellierenden Produktsystems beitragen. Energie: In gleicher Weise ist bei der Anwendung der Energie als ein Kriterium die Aufnahme aller Inputs in die Studie erforderlich, die kumulativ mehr als einen festgelegten prozentualen Anteil zum Energieinput des Produktsystems beitragen. Umweltrelevanz: Entscheidungen über Abschneidekriterien sollten zur Einbeziehung von Inputs getroffen werden, die zu mehr als einem zusätzlich festgelegten Betrag einer geschätzten Menge bestimmter Daten des Produktsystems, die speziell aufgrund der Umweltrelevanz ausgewählt wurden, beitragen.
Datenquellen Die für eine Ökobilanz ausgewählten Daten hängen vom Ziel und vom Untersuchungsrahmen der Studie ab. Diese Daten können an den Produktionsstandorten gesammelt werden, die den Prozessmodulen innerhalb der Systemgrenze zugeordnet sind, oder sie können anderen Quellen entnommen oder aus diesen errechnet werden. In der Praxis können alle Datenkategorien eine Mischung gemessener, errechneter oder geschätzter Daten enthalten.