Informationsdrucksache

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Transkript:

Landeshauptstadt In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss An den Verwaltungsausschuss (zur Kenntnis) Informationsdrucksache Nr. Anzahl der Anlagen 0196/2006 7 i Zu TOP Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag der SPD-Fraktion und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: Intelligente Ampelsteuerungen (Drucks. Nr. 1318/2005) Beschlossener Antrag Am 15.09.2005 hat abschließend der Verwaltungsausschuss folgenden Antrag beschlossen: Die Verwaltung wird aufgefordert zu untersuchen, ob neue Ampelsteuerungsprogramme, sog. adaptive Netzsteuerungen, die die Verkehrsströme in Abhängigkeit des aktuellen Verkehrsaufkommens steuern, zu den aus anderen Großstädten berichteten Verbesserungen beim Autoverkehr führen können. Gleichzeitig ermittelt die Verwaltung die Kosten für die Installation eines solchen Programms. Dazu legt die Verwaltung dem Rat eine Informationsdrucksache bis zu Oktober 2005 vor, in dem auch die Auswirkungen auf die anderen Verkehrsteilnehmer, ÖPNV, Fußgänger, Radfahrer, untersucht werden. 1. Ausgangslage - Stand der Lichtsignalsteuerung in Hannover Bereits heute wird mit rund 95 % die weit überwiegende Anzahl von Lichtsignalanlagen in der Stadt Hannover nicht mehr mit Festzeitsteuerungen, sondern mit verkehrsabhängigen und zum großen Teil hochkomplexen Steuerungen betrieben. Dabei ist für die Signalanlagen auf den Hauptverkehrsstraßen grundsätzlich auch eine mit den jeweiligen Nachbarknoten koordinierte Steuerung vorhanden. Überlagert wird dieses System durch die Bevorrechtigung der Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs (Stadtbahn und Bus), welche in Hannover zum großen Teil in einem gemeinsamen Verkehrsraum mit dem motorisierten Individualverkehr geführt werden und wovon rd. 70 % aller Signalanlagen betroffen sind. Eine detailliertere Beschreibung über den Stand der Lichtsignalsteuerung in Hannover ist der Anlage 1 zu entnehmen. - 1 -

2. Einschätzung des derzeitigen technischen Standards in Hannover Die Verwaltung ist der Auffassung, dass in der Vergangenheit - auch unter Einsatz der neuesten Technologie - bereits sehr viel getan wurde, um den Verkehr für alle Verkehrsteilnehmer, also für Fußgänger und Radfahrer, ÖPNV- Benutzer sowie Kraftfahrzeuglenker möglichst flüssig zu gestalten. Diese Aufgabe ist nicht als abgeschlossen anzusehen, sondern es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess. So wird die Verwaltung auch im Rahmen der mit dem Land geplanten Gespräche über einen Luftreinhalte- und Aktionsplan für das gesamte Stadtgebiet Überlegungen anstellen, inwieweit es noch Möglichkeiten gibt, durch Maßnahmen im Verkehrsbereich Schadstoffemissionen zu minimieren. 3. Das Verfahren der verkehrsadaptiven Netzsteuerung Die Steuerung von Verkehr in Netzen mit Hilfe modellbasierter Steuerungsverfahren auf der Grundlage von Verkehrsflussmodellen wurde in verschiedenen Ländern entwickelt. In England und in den USA wird das Verfahren TRANSYT/SCOOT eingesetzt, in Italien das Verfahren UTOPIA/SPOT und in Australien das Verfahren SCATS, welches vorwiegend im asiatischen Raum Verbreitung gefunden hat. In Deutschland wurde die verkehrsadaptive Netzsteuerung (adaptare = lat. anpassen) von den Münchener Firmen TRANSVER und GEVAS (Verfahren BALANCE), sowie von der Firma Siemens (Verfahren MOTION) im Rahmen von nationalen und internationalen Forschungsprojekten zwischen den Jahren 1994 und 2003 entwickelt. Beide Verfahren werden in der Anlage 2 näher beschrieben. Die in der Anlage dargestellte Art modellbasierter Steuerungen eignet sich nach Aussage der Entwickler vornehmlich für Städte mit einer ausgeprägten innerstädtischen Netzstruktur der Hauptverkehrsstraßen. Dabei soll der Verkehr innerhalb eines Netzes bzw. innerhalb einzelner Teilnetze besser verteilt werden unter Minimierung von Wartezeiten und Rückstaulängen im Netz. Das Hauptziel ist hier also ausdrücklich nicht die Verbesserung der Koordinierung von Streckenzügen (Grüne Welle), weshalb es im Einzelfall durchaus zu einer Verschlechterung bereits vorhandener Streckenkoordinierungen kommen kann und darüber hinaus im Einzelfall auch zu Benachteiligungen für die öffentlichen Verkehrsmittel. Es muss deshalb bereits an dieser Stelle auf den generellen Zielkonflikt zwischen Grüner Welle/ Verbesserung der Signalsteuerung im Netz und einer zufriedenstellenden ÖPNV- Bevorrechtigung hingewiesen werden: Sollen beispielsweise Verbesserungen für die Grüne Welle erreicht werden, ist dies zwangsläufig immer verbunden mit Verschlechterungen/ Benachteiligungen für die öffentlichen Verkehrsmittel sowie im Einzelfall (z.b. bei größeren Umlaufzeiten) auch mit längeren Wartezeiten für Fußgänger und Radfahrer. Eine ausgeprägte Netzstruktur, wie sie für die Anwendung verkehrsadaptiver Steuerungen sinnvoll wäre, ist für Hannover nicht erkennbar. Hier treten die täglichen Verkehrsprobleme eher bei den Wartezeiten für Linksabbieger am Knotenpunkt, für den Querverkehr der Nebenrichtungen und damit auch für den Fußgänger- und Radverkehr auf. 4. Beispiele anderer Städte Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass diejenigen Städte, die von dem Verfahren der - 2 -

adaptiven Netzsteuerung zumeist im Rahmen von Forschungsvorhaben - bisher Gebrauch gemacht haben, auf den betroffenen Straßenzügen vorher nur über relativ einfache Festzeitsteuerungen mit in der Regel veralteten Signalsteuergeräten verfügten. Durch die Implementierung netzadaptiver Verfahren ergab sich dann die Möglichkeit zum Austausch dieser veralteten Technik. In der Anlage 3 werden die bisher bekannten Beispiele aus anderen Städten beschrieben und dabei auch die dort aufgetretenen Probleme angesprochen. 5. Versuchstand mit dem Verfahren BALANCE in Hannover Im Oktober 2000 wechselte Herr Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich (Mitinhaber des Ingenieurbüros TRANSVER, München) von der Universität München zur Universität Hannover. Seitdem ist das Thema BALANCE auch am Institut für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau der Universität Hannover (ivh) ein Forschungsthema. Mitarbeiter des ivh traten im Jahre 2002 mit dem Ziel an die Stadtverwaltung Hannover heran, die damals vorliegenden überwiegend theoretischen Erkenntnisse mit der Wirklichkeit abzugleichen. Dazu wurden Versuche im Hannoverschen Straßennetz durchgeführt, die in der Anlage 4 näher erläutert werden. Zur Zeit befindet sich im Rahmen der Landesinitiative Telematik Niedersachsen ein gemeinsames Forschungsvorhaben von IVE (Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbauund betrieb des Herrn Prof. Dr.-Ing. Siefer) und ivh (Institut für Verkehrswirtschaft, Städtebau und Straßenwesen des Herrn Prof. Dr.-Ing. Friedrich) in Vorbereitung, in dem die Auswirkungen von adaptiven Lichtsignalsteuerungen speziell auf den Stadtbahnverkehr näher untersucht werden sollen. Seitens des ivh wurde weiterhin eine Projektskizze für ein Modellprojekt zur Emissionsreduzierung im Stadtverkehr zur Einreichung bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück erarbeitet, nach der eine Optimierung von Versatzzeiten zwischen einzelnen Lichtsignalanlagen unter Beibehaltung der jeweils vorhandenen lokalen Signalisierung erfolgen soll. Das generelle Ziel ist es hierbei ebenfalls, die Anzahl der Halte im Straßennetz zu minimieren und dadurch zu einer Verringerung von Emissionen zu kommen. Seitens der Stadt Hannover ist neben der Zurverfügungstellung von Datenmaterial für beide Forschungsvorhaben auch eine Projektbegleitung vorgesehen. 6. Vorgespräche mit Fachleuten zu verkehrsadaptiven Steuerungen Im Rahmen des vorliegenden Ratsauftrages wurde der Frage nachgegangen, ob mit Hilfe derartiger Modell- basierter Steuerungsverfahren noch weitere entscheidende Verbesserungen hinsichtlich des Verkehrsflusses in Hannover bewirkt werden könnten. Das Ziel wäre dabei im wesentlichen die Reduzierung von Wartezeiten und eine Verringerung der Rückstaulängen vor den Lichtsignalanlagen, um dadurch möglicherweise zu einer Verbesserung des Verkehrsflusses und zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge im Netz zu kommen. Dazu wurden entsprechende Gespräche mit Herrn Professor Dr.-Ing. Friedrich von der Universität Hannover und mit der Fa. Siemens geführt. - 3 -

Herr Professor Friedrich informierte über die Forschungsvorhaben und Projekte zum Thema BALANCE vorwiegend aus seiner Zeit an der Universität München. Ferner wurden Unwägbarkeiten bezüglich einer Einführung des Systems BALANCE in Hannover angesprochen, insbesondere die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Datenübertragung zwischen den Steuergeräten verschiedener Hersteller und dem Verkehrsrechnersystem Hannover sowie auch die grundsätzliche Problematik bei der Implementierung von BALANCE in Signalsteuergeräte der Fa. Siemens (nach derzeitigem Wissensstand bisher noch nirgendwo realisiert). Seitens der Fa. Siemens wurde über das firmeneigene Verfahren MOTION informiert, insbesondere über die Wirkungsweise des Verfahrens, über die bisherigen Referenzstädte, über die erforderlichen technischen Voraussetzungen auf Steuergeräte- und Verkehrsrechnerebene und ebenfalls ganz allgemein über mögliche Probleme. Diese werden in der Anlage 5 näher ausgeführt. Das Fazit lautete hier im wesentlichen, dass das Verfahren einer netzadaptiven Steuerung für Hannover mit seinem bereits erreichten hohen Niveau der komplexen verkehrsabhängigen Steuerung nicht uneingeschränkt empfohlen werden kann, insbesondere unter dem Aspekt des zu erwartenden Nutzens im Verhältnis zu dem zu erwartenden relativ hohen Kostenaufwand. Eine gute Darstellung liefert hierzu eine von der Fa. Siemens zur Verfügung gestellte Folie, in der die Güte der Verkehrsqualität in Abhängigkeit von den erforderlichen Investitionen dargestellt wird (Anlage 6). Die Stadt Hannover wird hier mit einem Zielerreichungsgrad in Höhe von rd. 80 bis 85 % eingeschätzt. 7. Auswirkungen verkehrsadaptiver Steuerungen auf die anderen Verkehrsteilnehmer ÖPNV, Fußgänger und Radfahrer Für den ÖPNV in Hannover sind nach derzeitigem Wissensstand weitere Verbesserungen durch die Einführung von verkehrsadaptiven Steuerungen kaum möglich. Die Bevorrechtigung von Stadtbahn und Bus ist bereits auf sehr hohem Niveau realisiert und sollte an den signalgeregelten Knotenpunkten als Prämisse weiterhin Bestand haben. Durch die Einführung von verkehrsadaptiven Verfahren wären im Gegenteil ggf. negative Auswirkungen zu erwarten (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 3). Für Fußgänger und Radfahrer können zu den Hauptverkehrszeiten ebenfalls keine Verbesserungen, sprich Verkürzungen von Wartezeiten oder Verlängerungen von Freigabezeiten, erreicht werden, da zu diesen Tageszeiten bedingt durch das hohe Verkehrsaufkommen die Steuerungssysteme bereits ausgelastet sind und sich kaum Grünzeitreserven umverteilen lassen. In den Nebenverkehrszeiten könnte es durch Veränderungen in den Rahmensignalplänen oder durch das Schalten von kürzeren Umlaufzeiten im Einzelfall zu geringeren Wartezeiten für Fußgänger und Radfahrer kommen. Es hat sich in der Vergangenheit allerdings gezeigt, dass bei Umlaufzeiten kleiner als 90 Sekunden an größeren Knotenpunkten eine akzeptable ÖPNV- Beschleunigung nicht mehr erzielbar ist. Es gibt dann aufgrund der zahlreichen ÖPNV- Eingriffe Schwierigkeiten, die Phasen für die Linksabbieger und für die Nebenrichtungen im Rahmen einer koordinierten Steuerung überhaupt noch mit bedarfsgerechten Freigabezeiten im Umlauf unterzubringen. Die Steuerungsart mit dem Verfahren TASS der Fa. Siemens (automatischer verkehrsabhängiger Wechsel von Signalprogrammen mit unterschiedlich langen Umlaufzeiten), seinerzeit realisiert im Bereich des Verkehrsrechners 4 (Groß Buchholzer - 4 -

Straße), wurde deshalb im Rahmen der Beschaffung des neuen Verkehrsrechnersystems Hannover in den Jahren 1996/97 aufgegeben. 8. Schlussfolgerungen Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ist die Einführung von verkehrsadaptiven Steuerungsverfahren mit einem relativ hohen Kostenaufwand sowohl auf der Hardware- als auch auf der Software- Seite verbunden, weshalb die Entwicklung und Praxiseinführung bisher auch fast ausschließlich im Rahmen von nationalen und internationalen Forschungsvorhaben erfolgte. Darüber hinaus ist auch ein sehr hoher administrativer Aufwand im Rahmen der Systempflege erforderlich. Auf Grund der bisher durchgeführten Sondierungen und der geführten Strategiegespräche erscheint es zur Zeit wenig sinnvoll, unter großen technischen Anstrengungen und unter hohem Kostenaufwand ein neues modellbasiertes verkehrsadaptives Steuerungssystem für Hannover einzuführen, zumal im Vergleich zu den heutigen verkehrsabhängigen Signalsteuerungen mit ihrem hohen Grad an ÖPNV-Bevorrechtigung nur marginale Verbesserungen hinsichtlich Wartezeiten und Rückstaulängen im Netz erwartet werden könnten. Das Verkehrswegesystem in Hannover weist nicht die Netzstruktur auf, die aus heutiger Sicht für einen erfolgreichen Einsatz einer verkehrsadaptiven Netzsteuerung mit entsprechender bedarfsweiser Umlenkung von Verkehrsströmen auf Alternativrouten sinnvoll wäre. Bei Festlegung auf ein bestimmtes Verfahren wären unabhängig von den sonstigen zu erwartenden Schwierigkeiten technischer Art Steuergeräte nur von ganz bestimmten Signalbaufirmen einzusetzen bzw. neu zu beschaffen, um alle von der neuen Steuerung betroffenen Lichtsignalanlagen im Rahmen des Verkehrsrechnersystems Hannover lauffähig zu bekommen. So eignen sich nach bisherigem Sachstand für das Verfahren BALANCE nur Steuergeräte der Firmen Huber, Dambach oder Stoje, für das Verfahren MOTION nur bestimmte Steuergeräte der Firma Siemens. Ungeachtet der vorgenannten Gründe, warum aus Sicht der Verwaltung eine netzadaptive Steuerung derzeit für Hannover nicht geeignet erscheint, ist die Verwaltung auch weiterhin an modernen und zukunftsträchtigen Steuerungsverfahren interessiert. Aus diesem Grund wird die Verwaltung die Aktivitäten der Universität Hannover im Bereich der Forschung an verkehrsadaptiven und anderen Steuerungsverfahren weiterhin unterstützen (vgl. hierzu die in Kap. 5 angesprochenen Forschungsvorhaben). Da in allen bisherigen Beispielen anderer Städte die Beeinflussung der Lichtsignalanlagen durch die öffentlichen Verkehrsmittel Stadtbahn und Bus im Rahmen von verkehrsadaptiven Steuerungen noch nicht oder nicht ausreichend erprobt wurden, wären die Ergebnisse aus dem ersten der beiden unter Kapitel 5 genannten Forschungsvorhaben von Herrn Prof. Friedrich, in dem die Auswirkungen verkehrsadaptiver Steuerungen speziell auf den Stadtbahnverkehr näher untersucht werden sollen, hier von besonders großem Interesse. Vor einer späteren grundsätzlichen Entscheidung für oder wider die Einführung von verkehrsadaptiven Netzsteuerungen sollten dann die Erfahrungen und Ergebnisse aus den derzeit laufenden Forschungsvorhaben sowie auch aus den verschiedenen Test- und Pilotprojekten anderer Städte (Hamburg, Regensburg, Braunschweig, Berlin, etc.) realistisch bewertet und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, wobei insbesondere eine fundierte Abschätzung des zusätzlich erzielbaren Nutzens im Verhältnis zu den zu erwartenden Kosten zu erfolgen hätte. Hierbei wären nicht nur die reinen Investitionskosten - 5 -

sondern auch der nicht unerhebliche administrative Aufwand für die Systempflege in die Überlegungen mit einzubeziehen. 9. Weiteres Vorgehen Auch wenn eine Einführung verkehrsadaptiver Steuerungsverfahren zur Zeit nicht empfohlen werden kann, ist die Verwaltung weiterhin bestrebt, die Verkehrstechnik in Hannover im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel kontinuierlich zu pflegen und zu verbessern (sachgerechte Unterhaltung des Gesamtsystems). Um diese Aufgabe noch zielgerichteter erfüllen zu können, ist eine systematische Qualitätssicherung geplant. Diese umfasst hierbei die verkehrstechnische Projektierung, die Implementierung der Steuerung, die ständige Analyse, Kontrolle und Pflege der Steuerung im laufenden Betrieb sowie auch die Instandhaltung. Im Einzelnen sollen folgende Punkte abgearbeitet werden: - Reisezeitmessungen Im Rahmen der Analyse werden Reisezeitmessungen durchgeführt und die Reisegeschwindigkeiten ermittelt, um nach durchgeführten Verbesserungen in der Steuerung später eine Erfolgskontrolle zu ermöglichen. Auch die An- und Abmeldungen der öffentlichen Verkehrsmittel sollen einer systematischen Überprüfung mit entsprechender Optimierung unterzogen werden. - Grünzeitreserven Die Qualitätssicherung wird sich sowohl auf Einzelmaßnahmen wie auch auf ganze Streckenzüge beziehen. Dabei sollen insbesondere Maßnahmen wie beispielsweise die weitere Nutzbarmachung von Grünzeitreserven an Knotenpunkten, die Verringerung von Wartezeiten für die Nebenrichtungen und für Linksabbieger sowie die Verbesserung von Koordinierungen (Grünen Wellen) zum Tragen kommen. Die Nutzbarmachung von Grünzeitreserven kann durch einen noch höheren Grad an Verkehrsabhängigkeit erzielt werden, beispielsweise durch die Installation weiterer Induktionsschleifen für den Kfz- Verkehr sowie zusätzlicher Anforderungstaster für Fußgänger und Radfahrer an Knotenpunkten, welche heute nur über eine Teilverkehrsabhängigkeit verfügen. - Beeinflussung durch den ÖPNV Weiterhin kann nach einem entsprechenden ÖPNV- Eingriff mit längerer Freigabe der Hauptrichtung in der Folgephase zum Ausgleich eine Nachbeeinflussung der übrigen Verkehrsströme (Linksabbieger und Nebenrichtung) erfolgen. Die Signalumlaufzeiten und die Rahmensignalpläne wären davon vorerst unberührt. Als ein erster Anwendungsfall wurde hierfür bereits der Knotenpunkt Vahrenwalder Straße/ Niedersachsenring ausgewählt, da sich die entsprechenden Änderungen hier im Rahmen einer sowieso vorgesehenen signaltechnischen Änderung (Ergänzung der Radfahrersignalisierung) ohne weiteren Kostenaufwand durchführen ließen. Diese Maßnahme wurde im November 2005 realisiert und wird zurzeit auf ihre Auswirkungen hin untersucht. - Belange der Fußgänger und Radfahrer Ein besonderes Problem stellen die Belange der Fußgänger und Radfahrer dar. Eine - 6 -

Verbesserung der Qualität für den Individualverkehr darf nicht zu Lasten dieser Verkehrsteilnehmer gehen. - Maßnahmenliste Im Rahmen der angestrebten Qualitätssicherung ist vorgesehen, alle Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet einer systematischen Überprüfung zu unterziehen sowie die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel in den Verwaltungshaushalt einzustellen. In der Anlage 7 werden die zu untersuchenden Streckenzüge mit der Anzahl der Einzelknoten einschließlich der Kosten für Analyse, Bearbeitung/Projektierung und Umsetzung dargestellt. Alle Maßnahmen können mit einem relativ überschaubaren Kostenaufwand kurz- bis mittelfristig - ggf. auch in Teilpaketen - realisiert werden. Die Kosten für die erforderlichen verkehrstechnischen Analysen einschließlich Projektierung und Realisierung belaufen sich nach einer ersten Schätzung auf eine Summe von rd. 400.000. Es ist vorgesehen, mit dem ersten Streckenzug (Langenforther Straße Sündernstraße Eulenkamp Klingerstraße Karl-Wiechert-Allee) in diesem Jahr zu beginnen. Angebotseinholung, Beauftragung und auch die Auftragsbearbeitung könnten noch im laufenden Kalenderjahr erfolgen, die Umsetzung mit anschließender Erfolgskontrolle könnte im ersten Quartal des Jahres 2007 erfolgen. Die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel in Höhe von rd. 56.000 werden im Verwaltungshaushalt dieses Jahres bereitgestellt. Bei erfolgreichem Abschluss der Maßnahmen im Zuge dieses ersten Streckenzuges sollen auch alle weiteren Streckenzüge gemäß der Anlage 7 in Angriff genommen werden. Die erforderlichen Haushaltsmittel wird die Verwaltung entsprechend der für das jeweilige Jahr vorzusehenden Strecken in den Verwaltungshaushalt der Jahre 2007 bis 2010 einbringen. Der in der Anlage 4 beschriebene und bisher nicht durchgeführte Versuch soll im Übrigen wegen der beiden für Hannover angestrebten Forschungsvorhaben nur fortgeführt werden, wenn Dritte die Kosten übernehmen. Die Verwaltung hält es auf Grund der angespannten Haushaltslage zurzeit nicht für vertretbar, sich mit ca. 100.000 an den Kosten zu beteiligen. Berücksichtigung von Gender-Aspekten Genderspezifische Aspekte sind nicht betroffen. Kostentabelle Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen. 66.13 Hannover / 27.01.2006-7 -